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Freitag, 19. April 2019

Lucy Fricke / Töchter (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Leider musste ich das Buch wieder abbrechen. Das Erzählmuster dieses Buches ist mir zu farblos, ein Schreibkonstrukt, das mich inhaltlich so gar nicht halten und überzeugen konnte.  
Viel zu abwertend, viel zu rassistisch, viel zu stereotypisch vor allem gegenüber den Italiener*innen. Aber auch andere Themen im Buch waren mir viel zu einseitig, zu ernst, auch wenn sich Fricke um einen humorvollen Ton bemüht hat.

Ich werde ein paar Takte zum Inhalt schreiben, werde daran belegen, was mich gestört hat. Klischees, Stereotypen, Diskriminierung. Auch die Opferhaltung der Hauptfiguren hat mich angewidert.

Gelesen habe ich das Buch mit Monerl, die sich parallel zu dem Hardcover auch die audible Fassung vorgenommen hat. Am Ende meiner Buchbesprechung verlinke ich mich einmal mit Monerls Rezension, ein anderes Mal mit einer Rezension auf Amazon.

Anschließend möchte ich eine Seite eines Autors namens Robert Spasov auf meinem Blog verlinken, der auch grafisch dargestellt hat, was Stereotypen sind und wie sie entstehen. Nur nochmals zum Bewusstmachen, weil viele dieser Bilder davon eher innerlich und unbewusst existieren.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autor*inporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Betty, die Icherzählerin, von Beruf Schriftstellerin, ist Anfang 40 und befindet sich mit ihrer langjährigen Freundin Martha in einer Midlifecrisis. Betty ist eine Emanze und ohne Bindung, lebt daher als Frau ein autonomes Leben, wie sich dies viele Frauen wünschen. Aber sie ist auch stark depressiv, und dadurch auf Psychopharmaka angewiesen. Betty klingt sehr frustriert, sodass ich mich häufig gefragt habe, ob ihr ein Mann nicht doch gutgetan hätte??? Die gleichaltrige Martha ist dagegen mit Henning verheiratet. Auch sie ist frustriert, da ihr Kinderwunsch sich nicht erfüllen konnte. Beide Frauen vermissen einen Vater, den sie in der Kindheit verloren hatten und begeben sich rein zufällig auf Spurensuche, die weit bis in den Süden Europas führt …

Marthas Mutter hatte ihren Vater namens Kurt verlassen. Kurt verlor dadurch auch den Kontakt zur Tochter. Erst als der berentete Kurt an Krebs erkrankt, meldet er sich bei Martha, mit der Bitte, ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen. Er möchte von ihr mit seinem Auto in die Schweiz gefahren werden, und möchte dort über die aktive Sterbehilfe von seinem Krebs erlöst werden.

Martha nutzt nun die Gelegenheit, mit ihm einige Fronten zu klären, weshalb er sich nicht um sie gekümmert habe, als sie noch ein Kind war und einen Vater gebraucht hätte.

Kurt erzählt Martha von einem Leben, das vor dem Leben mit ihrer Mutter begann. Er beschreibt sich:
Ich sah aus wie ein Sizilianer, (…) ich hatte noch dunkle Locken, die Leute haben mich für einen Mafioso gehalten, als ich jung war. Das war kein Vorteil. Ganz und gar nicht. Außer eben bei Francesca. (2019, 50)

Soso, nun weiß ich Bescheid, wie die Mafiosi in Sizilien alle aussehen. Francesca ist eine Italienerin, die den ach so armen, armen Kurt hat sitzen lassen, als sie in einem Lokal einen Machoitaliener kennenlernt. Sitzengelassen …

für einen richtigen waschechten Italiener. Sah aus wie aus dem Bilderbuch, Polohemd, Goldkette und ein Boot. Der Kerl hat sich einfach an unseren Tisch gesetzt und mir die Frau weggenommen. (51)

Dieser ach so böse Macho, nimmt ihm einfach die Frau weg. Nicht nur Betty und Martha, auch Kurt ist in seiner Opferhaltung gefangen.
Und ich wusste bis dato noch gar nicht, dass zum Beispeil Goldketten und Polohemden nur von Mafiosi getragen werden … Und überhaupt, was hat das mit Martha zu tun?

Die Reise mit dem Vater entpuppte sich in eine andere Richtung, die zu Francesca nach Italien führte, in die Toskana, sodass die beiden frustrierten Frauen Kurt mit dieser Frau alleine ließen, und sie ohne ihn weiterfuhren, um Bettys Vater aufzusuchen, der irgendwo in Rom begraben liegt …

In Rom angelangt, flanierten sie vorbei an Dealern, Nutten und Kleinverbrechern.

Meine Frage, woran erkennt man Kleinverbrecher?

Betty sagt dazu;
Mir kam das alles vor wie ein Klischee. (…) Das notwendige Gegenstück zum hübschen Italien, jede Toskana braucht eine Hafengasse in Genua. Auch Martha schien nicht richtig beeindruckt.
 >>Ah, so<<, sagte sie, und wir fanden es ein bisschen schade, dass sie nicht versuchten, uns die Handtasche zu klauen. (93)

Damit möchte sie wohl sagen, dass die Klischees eher Wirklichkeit sind. 

Sie fahren weiter südlich, haben ihr Ziel erst mal in Rom erreicht, wo Bettys Vater begraben liegt. Betty sucht das Grab in Bellegra auf, eine Metropolitanstadt in Rom. Sie hatte den Vater im Alter von sechs Jahren aus den Augen verloren, da sich die Eltern getrennt hatten.

Die Szene am Grab ihres Vaters fand ich grotesk. Nachzulesen auf Seite 121. Hier schwankte ich wieder, wollte das Buch zu machen, schließlich sorgte folgendes Zitat für den endgültigen Abbruch:

Martha spricht zu Betty, die im Hotelzimmer im Bett liegt:
>>Der neue Bürgermeister schmeißt eine Runde!<<>>Du riechst komisch<<, sagte ich.
Martha zuckte bloß mit den Schultern. >>Wir stinken eben, meinte sie. >>Wir tragen seit Tagen dieselben Kleider. Was erwartest du? Außerdem ist das hier nicht Venedig oder Florenz, hier stinken sie alle. Glaub mir!<<

Dass alle Menschen in Rom stinken, das gab mir nun endgültig den Rest und so schlug ich hier das Buch endgültig zu.

Was hat mich noch gestört?
Neben dieser Dieskriminierung, die ich als rassistisch empfunden habe und den dickaufgetragenen Klischees stört es mich, wenn (alle) deutschen Autor*innen ihre italienischen Figuren in die Garderobe des strengen Katholizismus` packen, mit dem Etikett 
traditionell und rückständig versehen. Sie werden auch hier im Buch als naiv, abergläubisch und dumm angepriesen. Dabei vergessen diese Autor*innen, dass auch andere europäische Länder katholisch sind, wie z.B. Österreich, Frankreich, Ungarn, Rumänien, Polen etc. Auch in Deutschland leben viele katholische Gläubige. Es gibt auf der Welt mehr Katholiken als Menschen anderer Konfessionen. Im Vatikan leben Priester aus aller Welt. Ratzinger war Deutscher. Nur schreibt darüber keiner. Immer sind es italienische Figuren, die streng katholisch und naiv hingestellt werden. 

Die Genderfrage
Die Autorin stellt hier die deutschen Männer als fortschrittlich dar; sie wechseln Babywindeln, füttern Milchflaschen, während italienische Männer immer noch Machos sind. Auch wenn das hier nur wenige hören wollen. Auch italienische Männer haben sich weiterentwickelt, ohne behaupten zu wollen, dass es den Macho nicht mehr gibt, aber hier in Deutschland möchte ich auch nicht behaupten, dass die traditionelle Rollenverteilung schon Geschichte ist, die abgehakt werden kann. In einer Umfrage von 2016 ergaben 78% der deutschen Väter, die sich noch immer in der Rolle des Ernährers sehen. Das beobachte ich auch in meinem eigenen Umfeld … Und der Haushalt wird auch hier größtenteils von Frauen geschmissen. 

Meine abschließende Frage
Wie hat dieses seicht geschriebene und wenig differenzierte Buch es inhaltlich nur zum Buchpreis geschafft? Ich konnte leider dazu noch keine Antwort finden. Es gibt so viele andere Bücher, die den Buchpreis verdient hätten. Schade. Nicht nur Monerl und ich sind über die Buchpreisvergabe überrascht. Viele andere Leser*innen auf Amazon und Buecher.de waren es auch und stellten fest, dass bepreiste Bücher keinesfalls die besseren Bücher sind.

Zudem wundert mich, wieso es so wenige Rezensent*innen gibt, die diese Klischees anmerken? Fallen sie ihnen nicht auf, weil sie selbst dieses antiquierte Italienbild in sich tragen? Oder woran könnte es noch liegen? Wie würde man reagieren, wenn es in einem Buch hieße, alle Menschen in Deutschland würden stinken?

Zum Schluss habe ich mich nochmals gefragt, wie viele Bilderbücher Fricke selbst über Italiener*innen sich betrachtet hat, bis sie ihre Geschichte gefunden hat? Für eines sind italienische Figuren doch gut; sie lassen sich immer wieder schön negativ darstellen und damit auf dem Buchmarkt gut Geld verdienen. Die Figuren können sich schließlich nicht wehren.

Gefragt habe ich mich zudem, ob die Italiener*innen schuld sind, dass Betty und Martha vaterlos aufgewachsen sind? (Kurts erste Freundin Francesca, die ihn verlassen hat und Bettys Vater Ernesto, der sich von der Mutter getrennt hat).

Hierzu ein Link zum Thema Vorurteil und Stereotypen. Wir sind ja alle nicht frei davon. Aber man kann sie auch nicht einfach so stehen lassen. Man muss sich damit auseinandersetzen, sonst wird man sich davon nie lösen können. Die Frage ist nur, will man das, sich von ihnen lösen, wenn man damit sogar noch Buchpreise gewinnen kann?

Da Monerl das Buch bis zum Ende gehört hat, weiß ich, dass sich bis zum Schluss wenig am Niveau der Geschichte geändert hat. Allerdings soll es eine kleine Abweichung zwischen dem Hörbuch und dem Printbuch geben. Nachzulesen hier.

Hier eine Rezension aus Amazon. Ich zitiere einen Ausschnitt von dem Rezensenten Borux:
Die allesamt maroden Figuren dieses satirischen Romans sind ziemlich konturlos, ihre Vita bleibt weitgehend im Dunkeln, man wüsste aber gerne mehr, das würde auch das Verständnis des Plots erleichtern. Bei der von Lebensbilanzen und Sterbensfragen dominierten Thematik des Romans stehen den beiden Heldinnen in ihrer nicht nur altersbedingt kritischen Lebensphase zwei lebensmüde Vaterfiguren gegenüber. In der Dramatik dieser illusionslosen Geschichte vor zumeist malerischer Kulisse ist allerdings ein gewisses Pathos nicht zu übersehen. Lakonisch wird immer wieder seelisch Verschüttetes zutage fördert, bedauerlich aber ist, dass diesem narrativen Element nicht weiter nachgegangen wird, es fehlt an gedanklicher Tiefe. Neben einigen Ungereimtheiten werden leider auch derart viele Klischees bedient, dass die Geschichte allzu vorhersehbar wird, sie gleitet teilweise sogar in die Kolportage ab, das Ende ist dann nur noch purer Kitsch!
         Hier geht es zur kompletten Rezension.


Mein Fazit
Ein Buch über zwei frustrierte Frauen, die keinen Humor kennen und nur destruktiv auf andere, die sie nicht wirklich kennen, herabschauen können.

Dieses Buch lebt aus meiner Sicht ausschließlich von Projektionen, ohne diese hätte Fricke sicher das Thema verfehlt.

Desweiteren zitiere ich:
Ich glaube, eins der Kernprobleme einer rassistischen Gesellschaft ist die Ignoranz derjenigen, die mit Privilegien gesegnet sind gegenüber denjenigen, die keine haben.

(In Fatma Aydemir, Eure Heimat ist unser Albtraum )

Meine Bewertung
1 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
0 Punkte: Differenzierte Charaktere
0 Punkte: Authentizität der Geschichte
0 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Drei von zwölf Punkten.

________________
Es ist leichter ein Atom zu vernichten,
als ein Vorurteil.
(Albert Einstein)

Gelesene Bücher 2019: 16
Gelesene Bücher 2018: 60
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Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Sonntag, 29. Juli 2018

John Irving / Bis ich dich finde (1)

Lesen mit Tina
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Was für ein Mammutwerk. Viel zu viele Seiten. Man hätte den Stoff um Längen straffen können. Trotzdem habe ich mich bemüht, das Buch bis zur letzten Seite auszulesen. Mich hat die Handlung nicht wirklich überzeugt, weshalb ich mich in dieser Besprechung kurzhalten werde. Aber für alle LeserInnen, die gerne in die Welt der Tätowierer eintauchen möchten, wären mit diesem Buch gut beraten.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Im ersten Teil lernen wir den vierjährigen Jack Burns kennen. Jack wurde 1965 geboren, ist Kanadier, lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter Alice in Toronto.  Alice Stronach kommt ursprünglich aus Schottland, wo sie den Kindsvater namens Callum Burns kennengelernt hat. Callum Burns, von Beruf Organist, hatte während seines Musikstudiums seinen Vornamen geändert und sich seit dem für den Namen William entschieden. Der Vater von William heißt Alasdair. Nach Williams Geschmack viel zu schottisch, weshalb er den Namenswechsel vorgenommen hat.
Alice` Vater war von Beruf Tätowierer. Alice tritt beruflich in die Fußstapfen ihres Vaters. Sie beherrscht ihr Kunstwerk perfekt, sie hatte immer Kundschaft, ganz unabhängig davon, wo sie sich geografisch zeitweise niedergelassen hat. Der kleine Jack wird 1970 an der St. Hilda, ein anglikanisches Mädcheninternat, angemeldet. An dieser Schule hat auch sein Vater Musik unterrichtet, nur weiß das Jack nicht. Doch bevor es mit diesem Kapitel weitergeht, findet erst mal an Alice` Hand eine mehrjährige Reise nach Nordeuropa statt, mit der Absicht, Jacks Vater zu finden. Die ersten Länder waren Dänemark, Niederlande, Finnland, etc.

William Burns ist am ganzen Körper tätowiert. Überall ließ er seine Musiknoten auf die Haut ritzen. Ganze Kompositionen sind dort abgedruckt. In Amsterdam spielte er in einer Kirche für die Prostituierten, was sich als zu aufseherregend erwiesen hat. Obwohl Jack noch so klein ist, lernte er hier die Rotlichtfrauen kennen …  Alice versuchte erst gar nicht, Jack vor diesen an Lebensweise außergewöhnliche Frauen zu schützen, und so fragte der Kleine immer wieder seine Mutter, was z. B. eine Hure sei, als er mit diesem Sprachjargon in Berührung kommt. Eine Hure sei eine Prostituierte, eine Ratgeberin … 
Auf diesen Buchseiten bekommt man als Leserin den Eindruck vermittelt, dass William vor Alice flüchtet, und nichts von ihr und dem Kind wissen möchte, denn sobald Alice mit ihrem Sohn in das Land kommt, wo William sich aufhält, verschwindet er wieder. Aber das ist alles nur arrangiert, denn William musste Alice das Versprechen abnehmen, sich nicht dem Kind vorzustellen. William darf seinen Sohn sehen, aber nicht der Sohn den Vater. Jack konnte damals nicht wissen, dass er häufig seinem Vater gegenübergestanden hat … Als Jack größer wird, und immer wieder bei der Mutter nachfragt, wer denn sein leiblicher Vater sei, bekommt er keine Antwort ... Schwierig für ein Kind, sich eine Identität aufzubauen, zu der die Mutter einen Riegel vorgeschoben hat. 

Die Europareise endet kurz vor Jacks Einschulung. Die Reise wird erneut aufgenommen, als Jack erwachsen ist und seine Mutter an einem Hirntumor gestorben ist. Doch dafür sorgen andere Personen, die ihn auf diese Suche ermuntern. 

In der Zwischenzeit kommt es zu vielen Ereignissen. Auf dem Mädcheninternat lernt Jack, fünf Jahr alt, die zwölfjährige Emma kennen. Emma ist ein außergewöhnliches Mädchen, die Jack sexuell missbraucht. Sie grapscht immer wieder nach Jacks Penis´ aber ohne ihm Schmerzen zuzufügen. Und dies über seine gesamte Kindheit hinweg. Als Erwachsene setzt sich das Penisgrapschen fort. Trotzdem entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen beiden, sodass dieser sexuelle Missbrauch sich für Jack nicht wie ein sexueller Missbrauch angefühlt hat. Emma kann nicht anders, sie fühlt sich zu Jungen hingezogen, die jünger als sie selbst sind. Jungen, die alle noch Jungfrau sind. Später erfährt man als Leserin, was mit Emmas Kindheit passiert ist, denn auch sie erlitt einen sexuellen Missbrauch vonseiten ihres Stiefvaters, der allerdings nicht mehr bei der Mutter lebt.

Beide Kinder, sowohl Jack als auch Emma, haben keinen Schutz von ihren Müttern erfahren … Ihre psychischen Probleme schleppen beide mit in das erwachsene Leben.

Nach der Schule ergreifen beide einen Künstlerberuf. Emma wird Schriftstellerin und Jack Schauspieler. Häufig übernimmt Jack Frauenrollen und geht als solche auf der Bühne auch gekleidet. Nicht selten wird Jack mit einem Transvestiten verwechselt.

Jack schafft es nicht, eine längere Bindung zu einer Frau aufzubauen, und bleibt, ähnlich wie auch Emma, beziehungsunfähig. Emma kann nach wie vor Sex nur mit minderjährigen Jungen auf ihre Weise genießen, da sie unter einem Vaginismus leidet.

Jack hat immer wieder Kontakt zu einer Frau, die, ähnlich wie Emma, auch ständig seinen erigierten Penis in ihren Händen hält …

Später begibt sich Jack in Psychotherapie und arbeitet nach dem Konzept der Therapeutin seine Kindheit in chronologischer Reihenfolge auf. Hier soll er auch lernen, seinem Vater zu verzeihen, dass er angeblich nicht für ihn gesorgt habe. Auf den Schlusskapiteln begibt Jack, nachdem er sich erneut auf die Europareise aufgemacht hat, in ein psychiatrisches Sanatorium, wo er auf eine wichtige Bezugsperson trifft. Nach dem Tod der Mutter begibt er sich auch auf Wahrheitssuche, die ihn freimacht von den Urteilen seiner Mutter. Hier lernen wir Alice neu kennen, denn Jack trifft jede Menge Leute, die er zu seiner Mutter hin interviewen kann und merkt, dass das Bild zu ihr recht verzerrt ist. Ob Jack es schafft, von seinen seelischen Störungen geheilt zu werden und ob er es schafft, seinen Vater zu finden, möchte ich hier offenlassen.

Das Schreibkonzept
Auf den 1140 Seiten bekommt man es mit fünf Teilen zu tun, die in 39 Kapiteln gegliedert sind. Vor dem Inhaltsverzeichnis sind zwei prosaische Verse abgedruckt. Der erste Vers ist Irvings Sohn und dessen Kindheit gewidmet. Der zweite Vers ist von William Maxwell, amerikanischer Journalist und Schriftsteller, der Also dann bis morgen, über das Geschichtenerzählen geschrieben hat.

Bis ich dich findeCover und Buchtitel?  
Das Cover und den Buchtitel finde ich sehr gut getroffen. Bis ich dich finde, hat sich Jacks Mutter Alice als Tattoo auf ihren Körper einritzen lassen. Doch der Titel passt auch zu Jacks Lebenssituation.

Identifikationsfigur
Keine

Meine Meinung
Es ist ja bekannt, dass John Irving ein Faible für schräge Figuren hat. Hier in diesem Buch sind es die Transvestiten, Homosexuellen, und sexuell andersgeartete Figuren ... Aber manchmal fand ich die Figuren nicht wirklich treffend. 
Ich habe das Buch als viel zu sexistisch erlebt. Ständig dieses Sexualisierende an den Figuren fand ich zu viel, viel zu dick aufgetragen. Jack sitzt zum Beispiel mit zwei Frauen im Kino und beide Frauen wollen seinen Penis halten. Der Roman ist sehr penislastig, sehr sexualisierend. Frauen, die sich ihrem unteren Genital ein Tattoo stechen lassen, haben keine Probleme, sich vor den Kindern Jack und Emma nackt zu zeigen. Wie ging es Irving damit, ständig die Genitalien, männliche und weibliche, vor sich zu sehen, während er dieses Buch geschrieben hat? Sind das reine Männerfantasien? Ich fand das alles nicht authentisch, nicht glaubwürdig genug. Die Figuren in diesem Buch scheinen alle über eine sehr geringe Schamgrenze zu verfügen.
Auch Jack lässt sexuell alles mit sich machen. Jede Frau kann kommen, und ihm an den Penis fassen. Lediglich die Schlusskapitel sind etwas von dieser Art von Sexualisierung befreit.

Mein Fazit?
Die ersten zwei bis dreihundert Seiten fanden Tina und ich richtig spannend. Doch zur Mitte hin flachte das Niveau ab. Dann kam glücklicherweise die Lesepause, die mir gutgetan hat, sonst hätte ich es nicht geschafft, das Buch bis zum Ende zu lesen.
Für mich insgesamt ein anstrengendes Buch, das ich lieber quer hätte lesen sollen, da es für mich viel zu zeitaufreibend war. So bin ich nun vor dem nächsten voluminösen Irving gewappnet und werde mich im Vorfeld erkundigen, ob die vielen Seiten es wert sind, gelesen zu werden.

Ich werde später die Buchbesprechung mit Tinas verlinken, die es auch bei weniger schönen Titeln schafft, ihre Rezension gründlich zu schreiben, da, wo es mir einfach an Geduld fehlt.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
9 von 12 Punkten.

Hier geht es zu Tinas Buchbesprechung. Leider haben wir uns dieses Mal nicht so ausführlich ausgetauscht. Das lag sicher an der Länge des Buches und wir zu unterschiedlichen Zeiten mit dem Buch durch waren. Bei mir selbst war nach der Besprechung die Luft raus. 
______________
Die Vernunft hat ihre Grenze gestoßen.
Nur der Glaube wächst immerdar.
              (John Irving)

Gelesene Bücher 2018: 29
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
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Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 1. April 2018

Michael Hugentobler / Louis oder der Ritt auf der Schilkröte (1)

Coverbild Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte von Michael Hugentobler, ISBN-978-3-423-28152-2
Lesen mit der Leserunde auf Watchareadin

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Hinter dem Buchtitel lässt sich ein Abenteuerroman vermuten, und nicht nur das, sondern auch etwas Skurriles. Denn auf einer Schildkröte zu reiten stelle ich mir unmöglich vor. Sicher gibt es Schildkröten mit großen Panzern, aber ob man darauf reiten kann, aus meiner Sicht, nein, da sie von der Geschwindigkeit her viel zu langsam sind. Dies klärt sich im Verlauf der Geschichte von selbst. Das Cover an sich finde ich wunderschön. Da hat sich der Verlag etwas einfallen lassen. Nicht so ein Nullachtfünzehn-Cover, wie man es immer häufiger auf dem Buchdeckel zu sehen bekommt, das außerdem leicht austauschbar ist.

Ein Abenteuerroman? Ich habe ihn eher als einen Reiseroman erlebt.
Bevor ich mit dem Buch angefangen habe zu lesen, fragte ich mich, wer Louis sein könnte? Louis hieß ursprünglich Hans Roth und ist in der Schweiz 1849 in den Bergen geboren. Weil Hans eher kleinwüchsig auf die Welt gekommen ist, und sein Kopf im Verhältnis dazu recht groß wirkte, hatte seine Mutter ihn abgelehnt. Sie konnte sich keine Zukunft für Hans vorstellen, und gibt ihrem Kind immer wieder zu verstehen, dass er in der Welt überflüssig sei.

Hans ist ein Arbeiterkind, der Vater war von Beruf Kutscher, als dieser vier Jahre nach seiner Geburt zusammen mit der Kutsche von den Bergen stürzte …
Hans wurde von anderen Kindern wegen seines Aussehens mit Zwerg vom Berg gehänselt, doch er ließ sich nicht unterkriegen. Mit 14 Jahren zog er von zu Hause aus, um von Ort zu Ort die Welt zu bereisen. Zu Hause hielt ihn nichts mehr.

Mit seinem Namen Hans Roth fühlte er sich unwohl, weshalb er in eine andere Identität namens Louis Montesanto schlüpfte. Wie es dazu kam, ist dem Buch zu entnehmen.
Louis Montesanto machte sich einen Namen als ein französischer Weltenbummler, der Reiseberichte über die Aborigines Australiens geschrieben hat. Niemand stellte seine Berichte infrage, alle glauben ihm, bis eines Tages Lügen aufgetischt werden. Louis Montesanto entpuppte sich nicht nur zu einem wissbegierigen und weisen Menschen, er entpuppte sich auch zu einem hochnäsigen Hochstapler. Schon auf den ersten Buchseiten wird man mit seinen Lügen konfrontiert, nicht nur, was der Inhalt seines Referates betrifft, sondern auch seine geschwindelte Identität, sodass Hans Roth aus dem Saal fliehen musste …

Hans Roth ist zwar eine fiktive Figur, doch sie ist angelehnt an Louis de Rougemont, ein Schweizer, ein Abenteurer, den es tatsächlich gegeben hat. Dieser reale Louis wurde 1847 geboren und starb 1921. Ich kann nicht mehr sagen, wo ich das nachgelesen habe …
Mehr möchte ich nicht verraten. Alles Weitere wird in der Leserunde besprochen. Aber Vorsicht, wer nicht zu viel im Vorfeld über dieses Buch erfahren möchte, diesen LeserInnen rate ich von der Leserunde ab.

Mein Fazit?
Mir kamen die Figuren alle ein wenig kühl vor. Ich hatte Mühe, sie zu verinnerlichen. Aber später schließlich, als ich mehr Hintergrundwissen hatte, konnte ich mich besser in diese Figuren hineinversetzen.
Hans Roth/Louis Montesanto ist absolut kein Sympathieträger aber für das, dass er ohne Mutterliebe aufwachsen musste, hat er das Beste aus seinem Leben zu machen gewusst. Wenn es nach seiner Mutter gegangen wäre, hätte Hans Roth vor der Gesellschaft wegen seines äußeren Erscheinungsbildes im Haus versteckt werden müssen.

Mir persönlich hat ein wenig die Authentizität der Figuren gefehlt. Viel zu kühl, viel zu distanziert kommen mir die Figuren rüber.Man hätte mehr erfahren sollen, was in den ProtagonistInnen innerlich vorgeht, weshalb sie handeln wie sie gehandelt haben ... Oder was sie denken? Was sie fühlen? Dadurch habe ich die Lesefreude vermisst. Viel zu kopflastig. 

Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
0 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
10 von 12 Punkten

Weitere Informationen zu dem Buch

Vielen Dank an Watchareadin und an den dtv-Verlag für dieses Leseexemplar.

  • Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft; Auflage: Originalausgabe (9. März 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3423281529

Hier geht es zur Leserunde. 
Hier geht es auf die Verlagsseite vom dtv.


   Und hier die audible Version auf Youstube. Der Autor liest selbst.



___________________
Da war kein Ort auf der Welt,
den Louis lieber mochte als die Hauptstadt.
Es war nicht der Reichtum,
es war die Vielfalt.
(Aus: Louis oder der Ritt auf der Schildkröte)

Gelesene Bücher 2018: 14
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94






Montag, 12. Dezember 2016

Benedict Wells / Spinner

Lesen mit Janine 

Zweites Buch aus der 
diesjährigen Buchmesse



Klappentext

Vom Autor überarbeitete Fassung
»Ich habe keine Angst vor der Zukunft, verstehen Sie? Ich hab nur ein kleines bisschen Angst vor der Gegenwart.«Jesper Lier, 20, weiß nur noch eines: Er muss sein Leben ändern, und zwar radikal. Er erlebt eine turbulente Woche und eine wilde Odyssee durch Berlin. Ein tragikomischer Roman über Freundschaft, das Ringen um seine Träume und über die Angst, wirklich die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Autorenporträt
Benedict Wells wurde 1984 in München geboren. Im Alter von sechs Jahren begann seine Reise durch drei bayerische Internate. Nach dem Abitur 2003 zog er nach Berlin. Dort entschied er sich gegen ein Studium und widmete sich dem Schreiben. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit diversen Nebenjobs. Sein vielbeachtetes Debüt ›Becks letzter Sommer‹ erschien 2008, wurde mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet und 2015 fürs Kino verfilmt. Wie bereits sein dritter Roman ›Fast genial‹ steht auch sein soeben erschienener Roman ›Vom Ende der Einsamkeit‹ auf den Bestsellerlisten. Wells wurde dafür mit dem European Union Prize for Literature (EUPL) 2016 ausgezeichnet. Er lebt in Berlin.

Auszeichnungen

  •  ›Bayerischer Kunstförderpreis‹ in der Sparte Literatur u. a. an Benedict Wells für seinen Debütroman Becks letzter Sommer, 2009
  •  ›Lieblingsbuch der Unabhängigen‹ anlässlich der Woche unabhängiger Buchhandlungen (WUB) in Deutschland für Vom Ende der Einsamkeit, 2016
  •  ›DER LESERPREIS‹ Bronze-Auszeichnung bei Lovelybooks.de für Vom Ende der Einsamkeit, 2016
  • ›Buchpreis Familienroman‹ der Stiftung Ravensburger Verlag für Vom Ende der Einsamkeit, 2016
  •  ›Literaturpreis der Europäischen Union‹ Deutschland an Benedict Wells für Vom Ende der Einsamkeit, 2016

Verfilmungen

·      Becks letzter Sommer, Frieder Wittich

Von dem Autor habe ich gelesen:

Vom Ende der Einsamkeit und Becks letzter Sommer. 

Beides gute Bücher. Aber Vom Ende der Einsamkeit hat mich mehr beeindruckt. Das habe ich viel authentischer erlebt.

In diesem vorliegenden Band habe ich eine Widmung persönlich von Benedict Wells geschrieben bekommen. Sie wird mich immer an den Buchmessebesuch mit ihm erinnern, und dem, was noch drum herum war. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Taschenbuch
320 Seiten
erschienen am 01. September 2016

978-3-257-24384-0
€ (D) 12.00 / sFr 16.00* / € (A) 12.40 

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes.