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Montag, 3. September 2018

Matt Haig / Wie man die Zeit anhält (1)

Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Leider hat mir dieses surreale Buch nicht so gut gefallen, wie Haigs letzter Band Ich und die Menschen. Es hat mir an Tiefgang gefehlt und auch die Thematik, aus der man hätte mehr machen können, konnte mich nicht weiter fesseln. Meine Anfangseuphorie über die Zeitreise von mehreren hunderten von Jahren konnte leider nicht aufrechterhalten werden.

Hier geht es zum Klappentext und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung ist schnell erzählt.
Auf den ersten Seiten lernt man den Protagonisten Tom Hazard kennen, der unter einer seltenen Veranlagung leidet. Der Name dieser Veranlagung wird als Anagerie bezeichnet und ist nicht allzu sehr bekannt. Tom ist 439 Jahre alt, im besten Alter, für seine Verhältnisse noch jung, auch wenn er sich selbst als alt bezeichnet, wenn er sich mit ganz normalen Menschen vergleicht, die hier als Eintagsfliegen charakterisiert werden. Nur etwa 1000 Menschen seien universal in dieser fiktiven Welt von jener Anlage betroffen. Geboren wurde Tom 1581. Hendrich, Toms Compagnon, bzw. Toms Chef unter ihnen, stellt diverse Regeln auf, die helfen sollen, sich in der Welt zurechtzufinden, ohne aufzufallen, denn sonst bestünde die Gefahr, verfolgt zu werden. Im 16. Jahrhundert wurden solche Menschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder ertränkt. In der Moderne sind es WissenschaftlerInnen, die aus diesen Menschen Versuchskaninchen machen, würden sie in der Gesellschaft auf sich aufmerksam machen.

Menschen wie Tom gehören einer Albatros-Organisation an. Eine kleine Geheimgruppe, die sich weltweit gegenseitig hilft und schützt. Diese Menschen sind strengen Regeln unterworfen. Die erste Regel lautet: Du sollst nicht lieben. Wie will man sonst den PartnerInnen klarmachen, dass sie nicht altern? Dass selbst die eigenen Kinder eines Tages älter aussehen werden als man selbst?
Eine weitere Regel lautet, alle acht Jahre die Identität und den Wohnort zu wechseln ...

Menschen mit der Anagerie-Veranlagung verfügen über ein effektives Immunsystem. Bakterien und Viren können ihnen nichts anhaben. Ebenso von der Pest und der Cholera bleiben sie verschont. Auch der Alterungsprozess setzt sich nur sehr, sehr langsam fort.

1623 lernt Tom Rose kennen, die er zur Frau nahm, mit der er ein Kind gezeugt hat, ein Mädchen, das den Namen Marion erhält. Marion erbt die Anlagen ihres Vaters und kommt damit nicht klar, da der Vater Frau und Kind verlassen musste, um die Familie durch sich nicht in Gefahr zu bringen. An den Hauswänden sind böse Beschimpfungen geschrieben und weisen auf mögliche Morddrohungen hin. Obwohl Tom seine kleine Familie verlässt, gerät Marion trotzdem auf die schiefe Bahn …

Tom fühlte sich in der Einsamkeit sehr unglücklich und nicht selten denkt er daran, sein Leben selbst zu beenden. Aber die Liebe zu Marion hält ihn am Leben, obwohl er seine Tochter viele Jahre nicht mehr gesehen hat, und macht sich auf die Suche nach ihr …

In der Gegenwart ist Tom Lehrer an einer Gesamtschule und unterrichtet Geschichte. Lebendige Geschichte, da Tom vieles selbst erlebt hat. Nur wissen das seine SchülerInnen aus der neunten Klasse nicht. Er kennt z. B. Shakespeare und andere bedeutende Persönlichkeiten.

Tom sucht immer wieder nach dem Sinn seines Lebens und sehnt sich nach Normalität.

Das Schreibkonzept
Das Buch besteht auf den 380 Seiten aus vier Teilen und aus vielen Kurzkapiteln. Das Buch hält sich an keinen chronologischen Abläufen. Die Albatros-Organisation ist in dieser magischen Welt weit verbreitet. London, Los Angeles, New-York, Paris, Australien, Sri Lanka …
Auf der ersten Seite findet man eine kurze Einleitung zu der Geschichte, bevor es mit dem ersten Teil losgeht. Man kommt gut in die Handlung rein, die Kapitel sind alle leicht lesbar. Zum Ende hin entwickelt sich dieser Roman kurzweilig zu einem Thriller.

Cover und Buchtitel?  
Das Cover ist für mich sehr ansprechend und der Buchtitel hat mich bis zur letzten Seite beschäftigt. Ich hatte schon befürchtet, die Bedeutung überlesen zu haben, als ich dann schließlich ganz am Ende, auf der sogenannten letzten Seite, fündig geworden bin. Ob mich nun der Titel überzeugt hat, darüber muss ich noch weiter nachdenken.

Identifikationsfigur
Meine Identitätsfigur ist Tom, da auch ich im Laufe meines Lebens immerzu den Sinnfragen hinterhergerast bin. Damit angefangen hatte ich schon in meiner Kindheit. Mit zwölf Jahren legte ich mich in die Badewanne, die den Sarg ersetzen sollte und so spielte ich tot sein. Ich wollte wissen, wie sich der Tod anfühlt, denn was ist der Tod, was ist das Leben? Warum gibt es uns Menschen? Warum gibt es mich? Warum führen Menschen Kriege? Gibt es einen Gott? Müsste der Himmel nicht aus allen Nähten platzen, wenn immer mehr Menschen geboren werden, um wieder zu sterben, um anschließend in den Himmel zu gelangen? Was ist das Nichts? Ist das Nichts auch eine Religion? Bei dieser letzten Frage erinnere ich mich noch genau. Da war ich zehn Jahre alt. Ich hatte wirklich alle Theorien hinterfragt, religiöse und gesellschaftliche, mit der ich aus der erwachsenen Welt behaftet wurde. Wie einsam hatte ich mich mit diesen vielen Fragen damals schon gefühlt. Und wie schwer war es für mich, diesen Fragen ohne Antworten schuldig zu bleiben?

Meine Meinung
Mir wurde das Buch zur Mitte hin, als mir schließlich die Figuren vertraut geworden sind, langweilig. Der Autor hat in bestimmten Handlungen versucht, ein wenig Action reinzubringen, ging ein wenig in die kriminalistische Haltung rein, die sich aber schnell wieder gelöst hat. Am Anfang war ich ganz von der Thematik angetan. Stellte mir sehr häufig die Frage, was ich selbst alles tun würde, hätte ich ein so langes Leben wie diese Menschen aus der Albatros-Gesellschaft. Ich glaube, ich würde sehr verschwenderisch mit der Zeit umgehen. Allerdings bin ich ein sehr langsamer Mensch, und langsame Menschen sollten mehr Lebenszeit zur Verfügung haben. Wie häufig habe ich die Welt auf den Kopf gestellt, um alle Perspektiven betrachten zu können.

Auf jeden Fall hätte ich Zeit, alle Bücher zu lesen. Aber dennoch würde ich nicht mit Tom tauschen wollen. Zu erleben, wenn die Menschen und Tiere alle sterben, mit denen man groß geworden ist, oder mit denen man das Leben geteilt hat, würde mich sehr nachdenklich und traurig stimmen. Toms Hang zur Melancholie und Schwerfälligkeit sind für mich gut nachzuvollziehen. Am besten ist, die Jahre sinnvoll zu nutzen, die man zur Verfügung hat. Es ist gut, wie es ist, nicht unsterblich zu sein. Eine Lebenserwartung von mehr als 500 Jahren betrachte ich schon fast als unsterblich. Gut, dass es solche Menschen nicht gibt.

Mein Fazit?
Es war schön, sich in diese Ideen hineinversetzt zu haben. Ein nettes Märchen. 

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte, Spannung
1 Punkte: Fantasievoll ohne dass es zu kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
10 von 12 Punkten.

Tinas Buchbesprechung.
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Gelesene Bücher 2018: 35
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Montag, 20. August 2018

Anthony Doerr / Alles Licht das wir nicht sehen (1)

Lesen mit Monerl

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Was für ein gutes Buch. Ein historischer Roman über die Kriegsjahre zwischen 1940 und 1945. Hier wird der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland behandelt.

Wenn ich mir das Geburtsjahr des Autors betrachte (1973), dann bin ich erstaunt, dass ein Mensch so gekonnt über diese brisante Thematik schreiben konnte, ohne in dieser Zeit selbst gelebt zu haben.
Anthony Doerr hat historisch sehr gut über seinen Stoff recherchiert und ist gleichzeitig wahnsinnig empathisch seinen Figuren gegenüber gewesen; er kennt seine Figuren, er weiß, was sie im Naziterror und im Widerstand durchleben und durchzustehen haben. 

Hier geht es zum Klappentext und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Man bekommt es hier mit zwei parallel laufenden Erzählsträngen zu tun. Im ersten Erzählstrang geht es um ein 16-jähriges französisches Mädchen namens Marie-Laure LeBlanc. Marie-Laure ist Halbwaise, da ihre Mutter im Kindbett verstorben ist. Ihr Vater kümmert sich sehr liebevoll um sein Kind. Nicht nur, dass das Mädchen ihre Mutter verlieren musste, so erleidet es im Alter von sechs Jahren den nächsten Schicksalsschlag, indem es sein Augenlicht verliert, da es an einem angeborenen grauen Star erkrankt ist. Der Vater weiß, was zu tun ist und fördert die Tochter in der Blindenschrift (Braille), kauft ihr jede Menge literarisch wertvolle Bücher in Blindenschrift. Mit einem Blindenstock ausgestattet hilft er ihr, mit der Behinderung selbstständig zu werden. Marie-Laure liebt Literatur, besonders liebt sie die Bücher von Jules Verne, 20000 Meilen unter dem Meer. Sie liebt das Meer und ganz besonders Schnecken und Muscheln, die hier eine metaphorische Bedeutung bekommen.

Ihr Vater arbeitet in Saint-Malo als Angestellter im "Muséum National d'Histoire Naturelle" . Marie begleitet den Vater jeden Tag ins Museum. Damit sie die Stadt Saint-Malo nicht vergisst, fertigt der Vater ihr die Stadt im Miniatur-Stil an. Als könnte er schon ahnen, dass Saint-Malo den Nazis zum Opfer fallen wird. Als die Nazis einmarschiert sind, fliehen Vater und Tochter aus dem besetzten Paris zu ihrem Großonkel namens Etienne in die Stadt am Meer. Der Großonkel schein psychotische Züge zu haben; er hat den Ersten Weltkrieg nicht richtig verkraftet, und so glaubt er fremde Stimmen aus den Wänden zu hören. Etienne lebt zurückgezogen in seinem großen Haus. Es kümmert sich eine liebevolle Haushälterin um ihn, Madame Manec, die ein so großes Herz hat, in das sie auch Marie-Laure schließen wird. Mit im Gepäck führt Maries Vater einen besonderen und wertvollen Stein, auf den auch die Nazis später scharf sein werden, da sie in dem Stein einen hohen materiellen Wert sehen. Marie-Laure sieht in dem Stein eher einen ideellen Wert. Hat der Stein tatsächlich magische Kräfte, wie sie aufgrund einer Geschichte, einem Märchen, zu glauben meint? Marie-Laure betrachtet sich immer wieder den Stein, besonders, als der Vater von den Nazis festgenommen wird, als er mit einer bestimmten Absicht nochmals zurück nach Saint-Malo gefahren ist, und der Tochter ganz feste versprochen hat, zeitnah wieder zurückzusein …

Der zweite Erzählstrang schildert das Leben der beiden Vollwaisenkinder Werner und Jutta Hausner. Jutta ist zwei Jahre jünger als der Bruder. Sie leben im Kinderhaus, als der Vater in der Kohlemine durch einen Arbeitsunfall getötet wird. Der Autor lässt offen, woran die Mutter der beiden Kinder verstorben ist. Das Waisenhaus befindet sich 500 Kilometer nordöstlich von Paris. Werner ist technisch sehr begabt, er kann Radios reparieren und zusammenbauen, was sich auch schon in der Ortschaft herumgesprochen hat. Immer wenn irgendwo ein Radio defekt ist, wird Werner gerufen. Der gute Ruf dringt bis zu den Nazis, die Interesse für den Jungen aufbringen. Werner musste einige Tests über sich ergehen lassen, defekte Radios reparieren, bis auch die Nazis von seiner Begabung überzeugt waren. Werner möchte nicht wie sein Vater im Kohlebau enden, und tut alles, diesen Beruf nicht ergreifen zu müssen. Als Waisenkinder haben die Jungen keine Wahl. Dadurch, dass sie elternlos sind, werden sie wie Gegenstände zum Besitz des NS-Regimes gemacht. Für die Begabtesten unter ihnen gibt es einen Ausweg. Die Nazis bilden junge Männer aus, und so besteht Werner eine weitere Prüfung für die nationalpolitsche Erziehungsanstalt.

Was Werner zusammen mit seinen Anstaltskameraden mit den nationalsozialistischen Lehrern und Erziehern erlebt, hat mich sehr betroffen gestimmt. Die Nazis machten alle Menschen zu ihren Opfern, die nicht in ihr Bild passten. Kleinste Schwächen, wie zum Beispiel das Tragen einer Brille, konnte einem Schüler zum Verhängnis werden. Der Schüler Frederick, Werners bester Freund, versuchte, seine Sehschwäche zu kaschieren ... Werner und Frederick geraten in Loyalitätskonflikte. 

Die Nazis haben den Kindern die Jugend geraubt. Werner wurde mit 16 Jahren schon zur Wehrmacht geschickt. Ihm wurde unterstellt, er habe sein Alter manipuliert und so wurde er in purer Willkür zwei Jahre älter gemacht. 

Das Schicksal, das Werners Freund Frederick in diesem Internat durch die Erzieher ereilt, ist dermaßen grausam, weil der Junge mutig genug war, Widerstand zu zeigen, als es darum ging, einen anderen Schwachen aus der Schule zu schikanieren … Die Kinder wurden zu Monstern erzogen, sie wurden auf ihre Kameraden gehetzt, die nicht in ein Schema gepasst haben. Je brutaler ein Kind war, desto beliebter wurde es bei den Erziehern und den Lehrern.

Ich selbst habe mir die Frage gestellt, wie ich mich in so einem Regime verhalten würde? Würde ich mein Leben aufs Spiel setzen, wenn ich dabei mehrere Menschenleben retten könnte? In diesem Buch sind nicht nur Werner, Jutta, Marie-Laure und Frederick die Helden. Nein, auch unter den Erwachsenen gibt es sie. Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.

Das Schreibkonzept
Ein sehr kompliziertes Schreibkonzept, aber nicht uninteressant. Schon auf der allerersten Seite, noch bevor die vielen Kapitel beginnen, ist in einem kleinen Prosa Vers zu entnehmen, dass die Stadt Saint-Malo brennen wird. Einen zweiten Vers von Joseph Goebbels, der sich auf die Kriegsereignisse bezieht.

Anschließend beginnt das Buch numerisch mit dem Kapitel Null und endet mit dem dreizehnten Kapitel und jedes Kapitel beinhaltet mehrere Unterkapitel. Kapitel Null beginnt mit dem Datum 07. August 1944, erstes Kapitel 1934, das zweite Kapitel knüpft dem Kapitel Null an, setzt sich fort mit dem 08. August 1944. Es gibt immer wieder Sprünge von der einen Zeitebene zur nächsten, prospektivisch und retrospektivisch und dies alles ohne chronologische Reihenfolge. Im zwölften Kapitel geht es in die Zukunft, 1974 und endet mit dem dreizehnten Kapitel im Jahr 2014, das die Gegenwart der Überlebenden beschreibt. Diesen Schreibstil habe ich als ziemlich akrobatisch erlebt. Dass der Autor dabei seine Fäden nicht verloren hat, ist schon eine wahre Kunst.
Die beiden Erzählstränge verlaufen in den letzten Kapiteln zu einem Erzählstrang, als sie kunstvoll miteinander verwoben werden. 
Manchmal sprechen die Figuren französisch, ohne ins Deutsche übersetzt zu haben. Für mich war es in Ordnung, da ich dadurch meine Französischkentnnisse ein wenig auffrischen konnte. 
Die Unterkapitel sind recht kurz gehalten und leicht verständlich. 

Cover und Buchtitel?
Das Cover passt sehr gut. Abgebildet ist hier die Stadt Saint-Malo. Der Buchtitel stimmt nach wie vor sehr nachdenklich. Ich bin noch nicht fertig, darüber nachzudenken.

Identifikationsfigur
Keine

Meine Meinung
Wie die Nazis mit den Kindern in der Erziehungsanstalt umgegangen sind, das hat mich innerlich sehr unruhig gestimmt. Bei so viel Gewalt setzt es bei mir aus. Ich schalte ganz unbewusst während des Lesens ab. Sehr grauenvoll. Nicht nur die Juden waren Opfer. In diesem Buch ging es nicht mal um die Juden. Opfer waren hier Kinder- und Jugendliche, Menschen, die Widerstand geleistet haben, Menschen mit irgendwelchen Schwächen; sie alle wurden Opfer der Nationalsozialisten. Mich hat die Frage erneut beschäftigt, was wäre, wenn Hitler den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte? Alle Juden vergast, dann alle Menschen mit bestimmten Erkrankungen, Menschen mit einer Sehschwäche; der Kreis würde immer kleiner werden, da es keinen Menschen gibt, bei dem alles perfekt ausgelegt ist. Am Ende würde sich das Böse selber abschaffen. Aber die Guten zuerst.

Mein Fazit?
Mit Ausnahme der Nazis sind mir in diesem Buch alle Figuren ans Herz gewachsen. Mein Blick zum Nationalsozialismus wurde noch weiter geschärft. Sehr interessant, auch mal die Perspektiven der Franzosen literarisch zu erleben.
Geschichtlich ein sehr beeindruckendes Buch.

Ein Zitat, das ich unbedingt herausschreiben möchte. Was ist der Mensch, wenn er gegen einen anderen Menschen kämpft? Wer sind die Guten? Wer sind die Bösen? Woher kommt der Mensch? Hier der biochemische Prozess in der Entstehung:
Wir alle entstehen aus einer einzigen Zelle, kleiner als ein Staubkorn. Viel kleiner. Dividiere. Multipliziere. Addiere und subtrahiere. Materie wechselt den Besitzer, Atome verbinden und lösen sich, Moleküle drehen sich, Proteine fügen sich zusammen, Mitochondrien senden ihre oxidativen Weisungen aus. Wir beginnen als mikroskopischer elektrischer Schwarm. Die Lunge, das Gehirn, das Herz. Vierzig Wochen später werden sechs Billionen Zellen durch den Geburtskanal der Mutter gepresst, und wir stoßen unseren ersten Schrei aus. Die Welt nimmt uns auf. (2014, 461)
       
Gemeinsames Lesen mit Monerl
Ich warte, bis Monerl durch ist, dann werden wir uns gemeinsam telefonisch austauschen. Ich hatte Urlaub, weshalb ich das Buch so schnell ausgelesen habe.

Und wie schön, wir haben nun ein Buch von unserem SuB befreit :). 

Und hier geht es zu Monerls Buchbesprechung.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten.

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Gelesene Bücher 2011: 86

Samstag, 4. August 2018

David Foenkinos / Lennon (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ähnlich wie Charlotte hat mir auch Lennon gut gefallen. Foenkinos ist es mit seiner fiktiven Romanbiografie gelungen, das Leben des Musikers authentisch widerzugeben.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt und zu den Buchdaten. 

Die Handlung
John Lennon befindet sich gerade in einer Psychoanalyse. Auf der Couch arbeitet er sein Leben auf. Er hatte kein einfaches Leben. Seine Probleme fingen schon in seiner Kindheit an, eigentlich schon mit seiner Geburt, als die Bomben zu Beginn des Zweiten Weltkrieges fielen ... Um seine Seele zu retten, fing Lennon als Erwachsener mehrere Therapien an, darunter befanden sich auch unkonventionelle Methoden, wie z. B. indische Meditationen á la Maharishi Yogi. Er hatte vonseiten der Eltern keine Geborgenheit und auch keine Liebe erfahren, da die Eltern eigene Probleme zu wälzen hatten. Die Details hierzu sind dem Buch zu entnehmen.

Die Schwester der Mutter namens Mimi hat sich für John eingesetzt und so konnte der kleine Junge hier etwas von der Liebe erfahren, als sie das Kind zu sich nahm.

Obwohl John bei der Tante und dem Onkel ein neues Zuhause hat finden können, vermisste er vor allem seine Mutter schmerzlichst.

Lennons Lieder waren alle biografisch besetzt. Seinen gesamten Seelenschmerz hat er in die Lieder hineingelegt. Obwohl er mit seinen Songs fast die ganze Welt beherrschte, war er ein sehr einsamer Mensch. Er konsumierte Drogen, um seine inneren Wunden nicht mehr spüren zu müssen. Allerdings haben die Drogen das Gegenteil bewirkt. Sie haben ihm nicht nur Energie geraubt, sondern auch sein Ego zerstört. John Lennon war Pazifist, doch die Suche nach dem Frieden bedeutete für ihn letztendlich, den Frieden in sich selbst zu finden, da er eine zerrissene Persönlichkeit war. Durch den Verlust seiner Eltern musste John Lennon heftige Identitätskrisen durchlaufen, bis er eine Japanerin namens Yoko trifft, mit der er sich zusammentut, obwohl er mit einer anderen Frau verheiratet war und mit ihr einen gemeinsamen Sohn hatte. Lennon konnte dem Jungen kein richtiger Vater werden, da er selbst keinen richtigen Vater hatte. Sein eigener Vater benutzte ihn, instrumentalisierte ihn, wenn es zwischen den Eltern zu einem starken Zerwürfnis kam. 

Zu Yoko fühlt sich Lennon seelisch hingezogen, in ihr findet er emotional Halt, in ihr findet er eine seelische Heimat ... Zwischen Yoko und Lennon entwickelte sich aus meiner Sicht eine stark symbiotische Bindung ...

Zum Schreibkonzept
Auf der ersten Seite ist in englischer Sprache ein kleiner Textauszug aus einem Interview mit John Lennon abgedruckt. Eine Seite später beginnt das Buch mit einer Einleitung. Dann geht es mit der ersten Therapiesitzung los. Die Therapieeinheiten bestehen in diesem Buch aus 18 Sitzungen. Die Therapeutin oder der Therapeut bleibt im Hintergrund, äußert sich mit keiner Silbe, was typisch für eine Psychoanalyse ist. Lennon spricht in der Ich-Perspektive. Das Buch endet mit einem Epilog. Anschließend gibt es ein kurzes Nachwort von David Foenkinos. Das Nachwort fand ich sehr interessant, weil hier ersichtlich wird, wie der Autor Lennons Leben in seinem Buch bearbeitet hat. Das Buch ist gut lesbar, da es mit vielen kurzen Absätzen aufgebaut ist.

Cover und Buchtitel? 
Beides finde ich für mich sehr ansprechend und gut getroffen. Das Motiv fand ich gut ausgewählt. Die Brille, die Lennon erst verhasst war, gehörte zu ihm wie ein körperliches Organ …

Eine Frage, die ich mir gestellt habe, auf die es aber keine Antwort gibt
Man hört immer wieder, dass Künstler zu ihrem Stoff gelangen, wenn sie existenziell ein kompliziert, bewegtes Leben zu verwinden hatten. John Lennon hat, wie ich oben schon geschrieben habe, sein ganzes Seelenleid in seine Liedtexte gelegt. Trotz (überflüssigen) Ballast genossen seine Lieder internationale Beliebtheit. Es gibt keine Generation, die John Lennon nicht kennt. Sein musikalisches Talent hat er von seinen Eltern geerbt. Vater hat gerne gesungen, Mutter spielte Banjo, allerdings ohne berufliche, künstlerische Ambitionen verfolgt zu haben. Meine Frage wäre hierzu: Wie wäre es John Lennon mit seiner musikalischen Kunst ergangen, wenn er eine geborgene Kindheit erlebt hätte? Seine Liedtexte wären nie entstanden, denke ich mal. Die Liebe als Fundament für ein stabiles Leben, für eine stabile Partnerschaft, insgesamt für ein gesundes Seelenleben. Wenn ein Kind von seinen Eltern sich angenommen und geliebt fühlt, dann ist es auch imstande, das Chaos der Welt außerhalb des eigenen Selbst zu überstehen. Aber wie würden die Liedertexte aussehen? Oder welche Meinung hätte John Lennon dazu gehabt? Lennon sehnte sich nach einem stabilen Leben. Ich hatte häufig den Eindruck, dass ihm ein gesundes Seelenleben lieber gewesen wäre als seine Kunst. 


Meine Meinung zu dem Buch
Ich konnte mich sehr gut in das Innenleben des Beatles Sänger hineinversetzen. Ich fand nicht nur das Leben von John Lennon interessant. Spannend fand ich auch die Ereignisse, wie die Gruppe The Beatles zusammenfand und wie sie wieder auseinandergetrieben wurden. Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.

Mein Fazit?
Eine sehr gelungene, eine sehr empathische Romanbiografie.

Vielen Dank an den DVA-Verlag für das Leseexemplar.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte:Sehr gute  Recherchen
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten.
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Musik ist eine Weltsprache
       (Isabel Allende)

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Sonntag, 1. April 2018

Michael Hugentobler / Louis oder der Ritt auf der Schilkröte (1)

Coverbild Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte von Michael Hugentobler, ISBN-978-3-423-28152-2
Lesen mit der Leserunde auf Watchareadin

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Hinter dem Buchtitel lässt sich ein Abenteuerroman vermuten, und nicht nur das, sondern auch etwas Skurriles. Denn auf einer Schildkröte zu reiten stelle ich mir unmöglich vor. Sicher gibt es Schildkröten mit großen Panzern, aber ob man darauf reiten kann, aus meiner Sicht, nein, da sie von der Geschwindigkeit her viel zu langsam sind. Dies klärt sich im Verlauf der Geschichte von selbst. Das Cover an sich finde ich wunderschön. Da hat sich der Verlag etwas einfallen lassen. Nicht so ein Nullachtfünzehn-Cover, wie man es immer häufiger auf dem Buchdeckel zu sehen bekommt, das außerdem leicht austauschbar ist.

Ein Abenteuerroman? Ich habe ihn eher als einen Reiseroman erlebt.
Bevor ich mit dem Buch angefangen habe zu lesen, fragte ich mich, wer Louis sein könnte? Louis hieß ursprünglich Hans Roth und ist in der Schweiz 1849 in den Bergen geboren. Weil Hans eher kleinwüchsig auf die Welt gekommen ist, und sein Kopf im Verhältnis dazu recht groß wirkte, hatte seine Mutter ihn abgelehnt. Sie konnte sich keine Zukunft für Hans vorstellen, und gibt ihrem Kind immer wieder zu verstehen, dass er in der Welt überflüssig sei.

Hans ist ein Arbeiterkind, der Vater war von Beruf Kutscher, als dieser vier Jahre nach seiner Geburt zusammen mit der Kutsche von den Bergen stürzte …
Hans wurde von anderen Kindern wegen seines Aussehens mit Zwerg vom Berg gehänselt, doch er ließ sich nicht unterkriegen. Mit 14 Jahren zog er von zu Hause aus, um von Ort zu Ort die Welt zu bereisen. Zu Hause hielt ihn nichts mehr.

Mit seinem Namen Hans Roth fühlte er sich unwohl, weshalb er in eine andere Identität namens Louis Montesanto schlüpfte. Wie es dazu kam, ist dem Buch zu entnehmen.
Louis Montesanto machte sich einen Namen als ein französischer Weltenbummler, der Reiseberichte über die Aborigines Australiens geschrieben hat. Niemand stellte seine Berichte infrage, alle glauben ihm, bis eines Tages Lügen aufgetischt werden. Louis Montesanto entpuppte sich nicht nur zu einem wissbegierigen und weisen Menschen, er entpuppte sich auch zu einem hochnäsigen Hochstapler. Schon auf den ersten Buchseiten wird man mit seinen Lügen konfrontiert, nicht nur, was der Inhalt seines Referates betrifft, sondern auch seine geschwindelte Identität, sodass Hans Roth aus dem Saal fliehen musste …

Hans Roth ist zwar eine fiktive Figur, doch sie ist angelehnt an Louis de Rougemont, ein Schweizer, ein Abenteurer, den es tatsächlich gegeben hat. Dieser reale Louis wurde 1847 geboren und starb 1921. Ich kann nicht mehr sagen, wo ich das nachgelesen habe …
Mehr möchte ich nicht verraten. Alles Weitere wird in der Leserunde besprochen. Aber Vorsicht, wer nicht zu viel im Vorfeld über dieses Buch erfahren möchte, diesen LeserInnen rate ich von der Leserunde ab.

Mein Fazit?
Mir kamen die Figuren alle ein wenig kühl vor. Ich hatte Mühe, sie zu verinnerlichen. Aber später schließlich, als ich mehr Hintergrundwissen hatte, konnte ich mich besser in diese Figuren hineinversetzen.
Hans Roth/Louis Montesanto ist absolut kein Sympathieträger aber für das, dass er ohne Mutterliebe aufwachsen musste, hat er das Beste aus seinem Leben zu machen gewusst. Wenn es nach seiner Mutter gegangen wäre, hätte Hans Roth vor der Gesellschaft wegen seines äußeren Erscheinungsbildes im Haus versteckt werden müssen.

Mir persönlich hat ein wenig die Authentizität der Figuren gefehlt. Viel zu kühl, viel zu distanziert kommen mir die Figuren rüber.Man hätte mehr erfahren sollen, was in den ProtagonistInnen innerlich vorgeht, weshalb sie handeln wie sie gehandelt haben ... Oder was sie denken? Was sie fühlen? Dadurch habe ich die Lesefreude vermisst. Viel zu kopflastig. 

Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
0 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
10 von 12 Punkten

Weitere Informationen zu dem Buch

Vielen Dank an Watchareadin und an den dtv-Verlag für dieses Leseexemplar.

  • Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft; Auflage: Originalausgabe (9. März 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3423281529

Hier geht es zur Leserunde. 
Hier geht es auf die Verlagsseite vom dtv.


   Und hier die audible Version auf Youstube. Der Autor liest selbst.



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Da war kein Ort auf der Welt,
den Louis lieber mochte als die Hauptstadt.
Es war nicht der Reichtum,
es war die Vielfalt.
(Aus: Louis oder der Ritt auf der Schildkröte)

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