Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Mir hat das Buch recht gut gefallen, auch wenn ich ein wenig
gebraucht habe, um reinzukommen. Mit dem Prolog hatte ich etwas Schwierigkeiten,
da ich mit den Figuren nicht so schnell warm werden konnte. Später mit der
Geschichte hatte ich keine Probleme mehr, habe aber am Ende den Prolog ein
weiteres Mal lesen müssen. Und das war gut, da mir nun der Hintergrund zur
Verfügung stand.
Gefallen hat mir auch die differenzierte Beschreibung der
Buchfiguren. Frei von Klischees und Stereotypen. Ganz besonders hat mich eine
Deutsche angesprochen, die spanische Eltern hat. Ich habe mich in dieser Figur
gesehen, da auch ich Deutsche bin mit italienischen Eltern.
Meine Buchbesprechung werde ich hierzu kurzfassen, weil
Oelkers Buch zu den Büchern gehört, die mich allein vom Lesen her gesättigt
haben.
Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Zwei Frauen, ein Traum. Freiheit. Sidonie Wartberger
führt ein von materiellen Sorgen unberührtes Dasein in einer Villa an der
Hamburger Außenalster. Doch die junge Ehefrau aus jüdischem Haus fühlt sich
eingezwängt wie in ein Korsett. Sie träumt von einem anderen, viel freieren
Leben.Dora Lenau wohnt am unteren Ende der Stadt, im Hafenviertel, in
kümmerlichen Verhältnissen. Sie träumt von finanzieller Unabhängigkeit, von
einem kleinen Atelier für Avantgarde-Mode. Als ihre Not am größten ist,
kreuzen sich die Wege der beiden Frauen. Gemeinsam wagen sie es, ihrem Leben
eine neue Richtung zu geben ...
Schön fand ich, dass sich die beiden Protagonistinnen, die
wohlhabende Sidonie Wartberger und die sozialschwache Dora Lenau, trotz ihrer
gegensätzlichen Herkunft so nahegekommen sind, dass eine kleine Freundschaft
entstehen konnte.
Sidonie erleidet eine schwere Lebenskrise, da sie und ihr
Mann Victor sich in ihrer jungen Ehe Kinder gewünscht haben, der Kinderwunsch
allerdings unerfüllt bleibt. Sidonie erleidet zwei Mal eine Fehlgeburt. Diese
führt sie in eine langwierige und schwerwiegende Depression. Sie fühlt sich
nicht mehr als eine vollwertige Frau und hegt auch Victor gegenüber
Schuldgefühle.Victor ist eigentlich ein recht verständiger Ehemann, der für
seine Frau viel Liebe empfindet, trotzdem kriselt die Ehe, weil Sidonie mit ihren
Fehlgeburten einfach nicht fertig wird. Auch die Erwartungen ihrer
Schwiegermutter wurden mit dem versagten Kinderwunsch enttäuscht, und
vergrößern das Problem in der Familie um einiges mehr. Ob diese Tragik
überwunden wird, das soll jede/r selbst herausfinden.
Dora Lenau ist auch eine recht interessante Persönlichkeit,
was ihre Herkunft betrifft. Bemerkenswert ist auch Theo, Doras angebliches
Familienmitglied als Vetter und Mitbewohner, der ihre soziale Lage durch und
durch ausnutzt, als er Informationen über Doras Vergangenheit einholt, die für
eine potenzielle Brisanz sorgen. Eine sehr unsympathische Figur.
Auch hier möchte ich eigentlich nicht zu viel schreiben,
denn sonst ist die Spannung weg, denn der Roman lebt von diesen vielen Informationen. Das Buch sorgt immer mal wieder
für Überraschungen.
Dora ist gerade mal neunzehn Jahre alt und geht dem Beruf
einer Näherin nach. Als ungelernte Kraft ist sie in einer Manufaktur
angestellt, in der Kleider für die anspruchslosere Dame genäht werden. Dora ist
sehr begabt, der Chef hält viel von ihr, bevorzugt sie gegenüber anderen
Kolleginnen ein wenig.
Dora entwickelt eigene Nähmuster, die sie ihrem Chef
vorlegt, der aber nichts von ihnen hält, da die Muster viel zu vornehm seien,
würden nicht zu seiner Klientel passen. Dora ist enttäuscht und macht ihrem
Ärger dadurch Luft, indem sie ihrem Chef ein paar kostbare Handarbeitsperlen
stiehlt. Nicht lange, und sie bereut ihr Diebesgut. Theo kommt dahinter und
erpresst sie, sie bei ihrem Chef auflaufen zu lassen, wenn sie nicht tue, was
er von ihr verlange. Auch hier geht es spannend weiter …
Sidonie ist Hobbymalerin; sie und Dora machen durch die
Handarbeit im Hause Wartberger Bekanntschaft. Beide kommen sich durch ihre
Talente näher. Sidonie merkt sehr bald, dass Dora ein Auge für Farben hat, die
sie in ihrer Handarbeit zur Geltung bringt. Das Nähen entwickelt sich zu einer
Kunst, die Dora durch Sidonies Fürsprache weiterbringen lässt. Doch auch
Sidonie kommt weiter durch Doras wichtige Anregungen, die ihr mit hilfreichen
Ratschlägen für die Malerei zur Seite steht.
Mein Fazit?
Das Ende hat mir sehr gut gefallen. Obwohl ich es ein wenig
gewöhnungsbedürftig empfunden habe, denn auf den letzten zwanzig Seiten hat
sich noch immer nichts geklärt und ich fürchtete einen offenen Schluss für alle
Beteiligten im Roman. Schließlich fasst der oder die Erzähler\in
dieser Geschichte auf den letzten paar Seiten sämtliche Fakten zusammen, indem er/sie jede einzelne Romanfigur
erneut aufgreift und der Leserin mitteilt, was aus ihr geworden ist, welche
Wege sie schlussendlich eingeschlagen hat. Man wird also irgendwann, zwanzig
Seiten vor Schluss, aus der Geschichte rausgeschmissen, ohne zu wissen, wie
diese Schicksale enden, gäbe es diese Zusammenfassung nicht.
Für mich hatte der Schluss etwas Versöhnliches, ohne dass er
schnulzig oder kitschig gewirkt hat.
Heute Abend haben Anne und ich gemeinsam telefoniert, und
über das Buch gesprochen und stellten fest, dass wir eine recht ähnliche
Meinung pflegten. Den Schluss hat sie ähnlich empfunden: Doch statt der
Zusammenfassung hätte sie lieber ein offenes Ende gehabt und einen eventuellen
zweiten Teil gelesen.
Das Buch greift politische Themen auf, wie z.B. den
Antisemitismus in der Kaiserzeit. Damit konfrontiert Theo Dora.
Auch wissenschaftliche Errungenschaften hebt die Autorin in ihrem Buch hervor, mit
denen der damalige Mensch zu Beginn des 20. Jhd. erst lernen musste, umzugehen.
Erste Plattenspieler kamen auf den Markt und für viele wurde diese Apparatur
als Teufelszeug abgetan ...
Das Buch hat literarischen Anspruch und wir können es beide,
Anne und ich, wärmstens weiterempfehlen.
Das Buch erhält von mir zehn von zehn
Punkten.
_____
Wer sich im
Vertrauten verirrt
oder in der
Fremde verloren geht,
braucht nur
eine fürsprechende Seele,
um sich
gerettet zu fühlen.
(Petra
Oelker)
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