Montag, 6. Januar 2014

Gelesene Bücher 2014

Ich werde die Bücher nicht alphabetisch sortieren, sondern in der Reihenfolge darstellen, wie ich sie gelesen habe.

Jahr 2014

1. Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon
2. Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte (abgebrochen       nach 120 Seiten) ***
3. Margrit de Moor: Erst grau dann weiß dann blau
4. J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe, BD 1
5. Simonson, Helen: Mrs. Alis Leidenschaft
6. Paulo Scott: Die Unwirklichen Bewohner
7. Agatha Christie: Die Kleptomanin
8. Edmund de Waal: Der Hase mit den Bernsteinaugen
9. Marcel Proust: Die Flüchtige
10. Jerome K. Jerome: Drei Männer in einem Boot
11. Fred Hatfield: Nördlich der Sonne
12. Asa Larsson: Sonnensturm
13. Shreve, Anita: Weil sie sich liebten
14. Patrick Lescot: Das rote Reich (abgebrochen nach 130 Seiten) ***
15. Kerstin Hekman: Hexenringe (abgebrochen nach 112 Seiten) ***
16. Erich Maria Remarque: Drei Kameraden
17. Alex Rovira und Frances Miralles: Einsteins Versprechen
18. Morton H. Olsen: Das Kind aus dem Moor
19. Lizzi Doron: Das Schweigen meiner Mutter
20. Haruki Murakami:  Südlich der Grenze, westlich der Sonne
21. Erik Fosnes Hansen: Choral am Ende der Reise
22. Zsuzsa Bánk: Der Schwimmer
23. Abulhawa, Susan: Während die Welt schlief
24. Eudrey Niffenegger: Die Frau des Zeitreisenden (abgebrochen nach 105 Seiten) ***
25. Kate Pullinger: Eine Liebe in Luxor
26. Voltaire: Candide oder der Optimismus
27. Carson McCullers: Uhr ohne Zeiger
28. Herta Müller: Atemschaukel
29. Henning Peter: Die Ängstlichen
30. Elizabeth Strout: Mit Blick aufs Meer
31. Adalet Agaoglu: Sich hinlegen und sterben
33. Carson McCullers: Die Autobiografie
34. Henri - Alain Fournier / Der große Meaulnes 
35. Maarten ´t Hart: Das Wüten der ganzen Welt
36. Andrea De Carlo: Als Durante kam
37. Sabine Weigand: Die Markgräfin
38. Charlotte Bronté: Villette
39. Eleen Chang: Das Reispflanzerlied
40. Carson McCullers: Frankie
41. Luigi Malerba: Römische Gespenster
42. Albert Camus: Der erste Mensch
43. Jules Verne: Reise zum Mittelpunkt der Erde
44. Jojo Moyens: Weit weg und ganz nah
45. Sonya Winterberg: Wir sind die Wolfskinder-Verlassen in Ostpreußen
46. Anne Bronté: Agnes Grey
47. Tuomas Kyrö: Bettler und Hase
48. Carson McCullers: Die Ballade vom traurigen Café
49. Rolf Lappert: Auf den Inseln des letzten Lichts (abgebrochen nach 110 Seiten) ***
50. Anthony McCarten: Hand aufs Herz
51. Eran Bar-Gil: Zwillingsstern
52. Matt Haig: Ich und der Mensch
53. Tilman Jens: Demenz
54. Carola Stern: Kommen Sie, Cohn
55. Francois Lelord: Die kleine Souvenierverkäuferin (Abgebrochen nach 250 Seiten) ***
56. Carson McCullers: Spiegelbild im goldenen Auge
57. Isabel Allende: Das Siegel der Tage
58. Thomas Moran: Wasser trage mich
59. Virginia Woolf: Mrs. Dalloway
60. Agota Kristof: Die Analphabetin
61. Hans Fallada: Der eiserne Gustav
62. Nadine Gordimer: Ein Mann von der Straße
63. Felix Francis: Glücksspiel (Gelesen in meiner Literaturgruppe mit psychisch kranken Menschen)
64. Isabel Allende: Amandas Suche
65. Beate Klepper: Büchners Braut
66. Isabel Allende: Inés meines Herzens
67. Régis de Sá Moreira: Das geheime Leben der Bücher
68. Marcel Proust: Sodom und Gomorrha
69. Tsukiyama, Gail: Die Straße der tausend Blüten
70. Correas Zapata: Isabel Allende-Mein Leben, meine Geister
71. Selma Lagerlöf: Marbacka
72. Adam Davies: Goodby Lemon
73. Hans-Peter Rodenberg: Ernest Hemingway
74. Hans Fallada: Der Alpdruck
75. Eva Menasse: Vienna (abgebrochen nach 125 Seiten) ***
76. Isabel Allende: Eva Luna
77. Laurie Halsen Anderson: Wintermädchen
78. Rolf Schroeder: Mutter & Sohn
79. O`Riordan, Kate: Der Junge im Mond
80. Siri Hustvedt: Der Sommer ohne Männer
81. Andrea De Carlo: Die Laune eines Augenblicks
82. Michel Buss: Das Mädchen mit den blauen Augen
83. Agatha Christi: Das Haus an der Düne
84. Isabel Allende: Paula
85. Tilman Jens: Vatermord
86. Abraham Verghese: Rückkehr nach Missing
87. Ayse Kulin: Der schmale Pfad 
88. Ursula Priess: Mitte der Welt









Margriet de Moor / Erst grau dann weiß dann blau (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Wie ich schon in meinem letzten Thread geschrieben habe, liest sich das Buch recht mühsam. Nun habe ich es durch, und die Erzählstränge blieben bis zum Schluss anstrengend. Die Autorin erwartet von ihren LeserInnen ein Mitdenken und ein Mitgehen auf ihren Pfaden. Nicht nur, weil der Ich - Erzähler permanent wechselt, und der oft nicht mit dem Namen erwähnt wird. Muss das sein? Muss man die LeserInnen unnötig strapazieren? Ist es nicht schon abstrakt genug, sich fremde Schicksale lesend anzueignen? Von den vielen Figuren gehen alle in die Perspektive des Ich - Erzählers über. Aber ohne jegliche Reihenfolge. Die Ich – Erzähler erwähnen sich nicht mit dem Namen. 

Ein Buch, das man am besten zwei Mal gelesen haben sollte, denn nun, wo ich die Taktik der Autorin kenne, würde ich im zweiten Anlauf anders an das Buch herangehen, da mir mittlerweile viele Fakten, Verläufe und Charaktere der Figuren als bekannt vorliegen.
Des Weiteren gibt es mehrere Erzählepochen. Große Sprünge zwischen den Ereignissen, die sich zurück bis 1939 und vorwärts bis 1980 verfolgen lassen, diese aber keineswegs chronologisch aufgebaut sind. Es macht auch hier das Lesen ein wenig Mühe. Die Geschichten an sich finde ich recht interessant. Ich gebe zur Erinnerung noch einmal den Klappentext rein:
Magda lebt mit ihrem Mann Robert in Noordwijk. Eines Tages ist sie verschwunden und kehrt erst nach zwei Jahren überraschend zurück. Magda schweigt sich nach ihrer Rückkehr beharrlich über ihr Verschwinden aus, was im Ort und bei ihren Freunden Verunsicherung und Befremden auslöst und ihren Mann in den Wahnsinn treibt.
Man erfährt recht schnell, auf ein bis zwei Zeilen, dass Magda tot ist, aber woran sie starb, wird dem Leser erst auf den letzten Seiten offenbart. Bis dort hin wird nicht mehr über deren Tod erzählt, sodass ich erst glaubte, mich verlesen zu haben. Denn bis zu ihrem Tod war Magda recht lebendig, auch wenn sie vom Typ her introvertiert erscheint.

Magda hat in ihrem Leben einige traumatische Erlebnisse verwinden müssen. Ihr jüdischer Vater wurde vor ihren Augen von der Gestapo abgeführt, als sie ein kleines Mädchen war. Sie sah ihren Vater seitdem nie wieder. Ein Kriegskind, das mit der Mutter nach Kanada ausgewandert ist. Nachdem der Vater inhaftiert wurde, wollte Magdas Mutter mit den Deutschen nichts mehr zu tun haben. Auf dem Schiff nach Kanada macht Magda weitere Beobachtungen, wo ich denke, dass sie für ein Kind recht belastend sein können. Es sind alles recht kurze Episoden, aus ihrem Leben gegriffen.

Magda, deren Seele die vielen traurigen Ereignisse abgespeichert hatte, schafft es nicht, mit Robert eine normale Ehe zu führen. Mir kommt sie ein wenig neurotisch vor. Sie fühlt sich in dieser Ehe nicht zu Hause, hatte auch eine kurze Affäre mit Erik, der gemeinsame Freund von ihr und von Robert. Sie lebt in Holland in einem kleinen Dorf, gutbürgerlich, nahe am Meer. Robert und sie beziehen Freundschaft mit dem Ehepaar Nellie und Erik. Mit dem Kinderkriegen klappt es nicht, obwohl Robert sich so sehr ein Kind gewünscht hat. Sie hatte Fehlgeburten erlitten.

Erik und Nellie bekommen 1964 einen Sohn, Gabriel. Gabriel entwickelt sich nicht wie alle anderen Kinder. Das bereitet der Mutter Nellie Kopfzerbrechen. Später bekommt er die Diagnose Schizophrenie angehängt, die neurologisch bzw. hirnorganisch nachweisbar war und sie demnach mit einer Geisteskrankheit gleichgesetzt wird.

Gabriel hatte trotz seiner Behinderung große Fähigkeiten, interessierte sich viel für die Gestirne und bekommt von dem Vater anspruchsvolle Geräte geschenkt, mit denen er seinem Hobby nachgehen konnte. Die Mutter lernte, mit dem Anderssein ihres Kindes umzugehen.
„Er läuft, er spricht, und wenn es nach mir geht, wird er fliegen. Denn das glaube ich manchmal: dass die Worte durch die Luft gehen und übers Meer, dass sie zwischen den Jahrhunderten hin und her fliegen. Manchmal glaube ich, dass Worte die Flügel der Menschen sind." (268).
Magda beobachtete oft das Kind Gabriel, durch seine Behinderung hatte sie aber keine Neidgefühle entwickelt. Gabriel konnte schwerlich Kontakt mit Menschen aufbauen. Er beschäftige sich hauptsächlich mit Gegenständen und Objektiven …

Ich verweise Weiteres auf das Buch.

Als Magda nach zwei Jahren wieder aus der Versenkung hervortritt, tut sie so, als sei sie nie weg gewesen. Ihr Mann Robert fühlt sich provoziert:
„Allmählich wird die Situation unerträglich. Ihr Schweigen übersteigt langsam sein Auffassungsvermögen. Macht ihn verrückt und wahnsinnig vor Wut. Nach und nach wird ihm zur Gewissheit, dass sein Leben die Bezeichnung Leben nicht mehr verdient, wenn er keine Chance mehr sieht, dieses Schweigen zu durchbrechen, wenn es ihm nicht gelingt, die zwei verschwundenen Jahre ausfindig zu machen, in sie einzudringen und sie in sein Weltbild einzufügen.
Dieses Abseitssein.… Dieses Distanziertsein … diese himmelschreiende Dreistigkeit nicht zu zerschlagen …! „(281)
Gabriel ist sehr an Marthas Tod interessiert, er versucht zu begreifen, was Totsein bedeutet und stellt seiner Mutter viele Fragen, als ihnen die Beerdigung bevorstand, auf die sich auch Gabriel vorbereitet:

Er ist zu unruhig. Die Zeremonie, die ihm heute bevorsteht, nimmt seine ganze Anteilnahme in Anspruch. „Sie wird der Erde übergeben?" war das erste, was Gabriel sagte, nachdem die Mutter ihn am Dienstag vorsichtig, eingeweiht hatte.Weder seine steife Formulierung noch seine monotone Stimme trafen sie. Es war seine Art zu sprechen. „Ja."
"(…) Sie lebt nicht mehr."
„Nein."
 „Sie hat keine Stimme mehr."
„Nein.". (…)
„Sie hat keine Handschrift mehr." Ihre Handschrift verschwindet auch mit ins Dunkel. Gabriel fing langsam an zu schaukeln; ohne die Hände vom Tisch zu nehmen, schob er seinen Körper vor und zurück. Nellie ließ ihn gewähren. Als seine Bewegungen heftiger und ungestümer werden, nahm sie seine Hände, das war eine Gebärde, die er kannte, willig wich er zurück, machte ein paar unbestimmte Schritte und ließ sich in den Sessel fallen.(254f)

Hier setze ich meinen Punkt.

Mein Fazit: 

Ich denke, der Autorin ist es wichtig gewesen, deutlich zu machen, dass der Mensch ein Recht hat auf seine ureigenste Persönlichkeit. Magda war für Robert ein Rätsel. Sie schweigt sich aus und gibt nach ihrer Rückkehr keine Kommentare über ihr Verschwinden ab. Der Appell der Autorin: Das persönliche Geheimnis, das jeder Mensch mit sich trage, solle ein Geheimnis bleiben. Diese vielen Analysen, durch die man versuche, in andere einzudringen, mache vieles nur noch schwieriger und seien eigentlich überflüssig. Kein Mensch sei Besitz eines anderen Menschen.

Eine große Herausforderung, der Robert keineswegs gewachsen war. Nur Robert? Hätten wir damit keine Probleme gehabt, wenn plötzlich unser (Ehe)Partner von heute auf morgen kommentarlos verschwinden würde? Man kann sich zumindest damit auseinandersetzen, versuchen, diese Hürde mental zu überwinden. 

Ich gebe dem Buch neun von zehn Punkten. Ich fände es besser, wenn öfters Namen fallen würden, anstelle von er oder sie zu reden.

Anmerkung der Rezensentin: Der Fettdruck im Zitat wurde durch mich hervorgehoben
_____________
Ein Narr kann mehr fragen, als ein Weiser beantworten könnte
(Margriet de Moor)

Gelesene Bücher 2014: 03
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 5. Januar 2014

Margriet de Moor / Erst grau dann weiß dann blau


Klappentext

Magda lebt mit ihrem Mann Robert in Noordwijk. Eines Tages ist sie verschwunden und kehrt erst nach zwei Jahren überraschend zurück. Magda schweigt sich nach ihrer Rückkehr beharrlich über ihr Verschwinden aus, was im Ort und bei ihren Freunden Verunsicherung und Befremden auslöst und ihren Mann in den Wahnsinn treibt …

Autorenporträt
Margriet de Moor - Kunst ist kein ungefährlicher Schnickschnack»Ich glaube, daß Kunst nicht nur schmückendes Beiwerk ist, das neben dem Leben besteht. Es ist ein überaus kräftiger Impuls, dessen wir uns nicht immer bewußt sind.« In unserem Gemeinschafts-Special mit dem Hanser Verlag spricht Margriet de Moor über ihr Leben und die Kunst.
Der vorliegende Band entspringt aus einer 50- jährigen Jubiläumsausgabe des dtv-Verlages. Gebundener Einband für nur 10,00 €. Das Buch ist auch im Taschenbuch erhältlich.

Ich habe die ersten einhundertfünfzig Seiten schon durch. Das Buch liest sich zwar ein wenig mühselig, aber es entspricht meinem Geschmack. Hohe, anspruchsvolle Literatur, hohes Sprachnivau.

Das Mühselige daran: Es sind zu viele Zeitsprünge, vor und wieder zurück, und man weiß nicht immer wer wann spricht, erschließt sich aber durch den Kontext kurze Zeit darauf.



Samstag, 4. Januar 2014

Jonas Jonasson / Die Analpabetin, die rechnen konnte

Abbruch

Mir gefällt das Buch gar nicht, sodass ich es nach mehr als einhundert Seiten wieder abbrechen musste...

Und den Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg ... dem brauche ich mich auch erst nicht zu nähren, der wird mir auch nicht gefallen. Habe mir nun einige Rezis angeschaut, und man findet bei den kritischen Leserinnen eines gemeinsam: Der Autor wiederholt sich, schreibt nach dem ähnlichen Konzept wie im ersten Band. 
Schade... .


Habe mir überlegt, woran das gelegen haben könnte, dass mir der Inhalt so gar nicht zugesagt hat. Der ganze Inhalt wirkt auf mich absolut nicht authentisch... Das kleine schwarze Mädchen, das erst nicht lesen konnte, lernt innerhalb von ein paar Buchzeilen lesen und beherrscht auch die akademische und wissenschaftliche Schriftsprache. Das war das Eine, das mir nicht gefallen hat. Und später die weiteren Verläufe kamen mir auch gekünstelt und unecht vor.

Da die kleine Nombeko ja doch lesen konnte, auch wenn sie es erst erlernen musste, passt meiner Meinung nach auch der Buchtitel nicht wirklich. Denn eine Analphabetin war sie schließlich doch nicht mehr. Und mussten wir nicht alle erst alphabetisiert werden und bezeichnen uns ja auch nicht als AnalphabetInnen. Ihren späteren Chef, der sie durch einen schweren rassistischen Zug über einen selbstverschuldeten Verkehrsunfall wegen Alkohol am Steuer zu seiner Gefängnisinsassin im eigenen Haus machte, mit Ghettozaun und Scheinwerferlicht im Freien, bis Nombeko ihre Schuld abgesessen hat. Ein studierter Techniker, so hält Nombeko ihm "Vorlesungen" zu den vielen mathematischen Theorien, die sie sich aus den Lehrbüchern angeeignet hatte. Ihr Chef besaß eine große Bibliothek, aus der sie sich die Bücher herausnahm und sich die komplexen Theorien mühelos angeeignet hat, an denen selbst Wissenschaftler zu knabbern haben. Der Chef wunderte sich über das Wissen dieses jungen Mädchens, eine Schwarze noch dazu, die, dessen Welt- und Menschenbild nach zu urteilen, sowieso nicht abstrakt denken konnte. 

Die Themen fand ich an sich nicht uninteressant aber wie sie verpackt wurden, fand ich nach meinem Geschmack recht unpassend und zu verkopft. 

_______
Man muss dem Schicksal Zeit geben, sein letztes Wort zu sagen
(Metin Arditi)

Gelesene Bücher 2014: 02
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86



Freitag, 3. Januar 2014

Jonas Jonasson / Die Analphabetin, die rechnen konnte

Klappentext


Die aberwitzige Geschichte der jungen Afrikanerin Nombeko, die zwar nicht lesen kann, aber ein Rechengenie ist, fast zufällig bei der Konstruktion nuklearer Sprengköpfe mithilft und nebenbei Verhandlungen mit den Mächtigen der Welt führt. Nach einem besonders brisanten Geschäft setzt sie sich nach Schweden ab, wo ihr die große Liebe begegnet. Das bringt nicht nur ihr eigenes Leben, sondern gleich die gesamte Weltpolitik durcheinander...

Spitzzüngig und mit viel schwarzem Humor rechnet Jonasson in seinem neuesten Roman mit dem Fundamentalismus in all seinen Erscheinungsformen ab. Eine grandiose Geschichte, die dem »Hundertjährigen« an überbordenden Einfällen, skurrilen Wendungen und unvergesslichem Charme in nichts nachsteht!


Autorenporträt

Jonas Jonasson, geb. 1961 im schwedischen Växjö, arbeitete nach seinem Studium in Göteborg als Journalist unter anderem für die Zeitungen „Smålandsposten“ und „Expressen“. Später gründete er eine eigene Medien-Consulting-Firma. Doch nach 20 Jahren in der Medienwelt verkaufte er alles und schrieb den Roman, über den er schon jahrelang nachgedacht hatte: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Das Buch trat in Schweden eine regelrechte Allan-Karlsson-Manie los und ist inzwischen zu einem weltweiten Bestseller geworden. Der Roman wird derzeit verfilmt und wird im Frühjahr 2014 in die deutschen Kinos kommen. Im November 2013 erschien Jonassons zweiter Roman "Die Analphabetin, die rechnen konnte" in Deutschland und wurde sofort zum Nr.-1-Bestseller.

Ein für mich neuer Autor!

Der Titel hatte mich zu dem Buchkauf inspiriert. Das Buch über den Hundertjährigen... habe ich nicht gelesen, steht aber schon im Bücherregal bereit.

Donnerstag, 2. Januar 2014

Markus Walther / Buchland (1)


Eine Buchbesprechung zur  o. g. Lektüre


Die letzten vierzig Seiten habe ich nur noch quer gelesen, jede weitere Seite lastete mir wie ein schwerer Stein vor Augen. Mir hat das Buch nicht gefallen, obwohl die ersten fünfzig Seiten interessant geklungen haben, aber die beiden Protagonisten waren mir alles andere als sympathisch. Ich würde sagen, die Chemie hat zwischen uns nicht gestimmt.

Nichtsdestotrotz befanden sich auf den ersten Seiten recht tolle Zitate, die mich ermuntert haben, weiter zu lesen. Und so werde ich mir die Zitate rausschreiben.

Nun erst einmal zu meiner Leseerfahrung:

Das Buch erwies sich mir als ein Mix von vielen anderen Wunderwerken an Büchern. Walter Moers Bücher, Michael Ende (Die unendliche Geschichte), Tolkien und die Hobbit, und sogar Exupery (Der kleine Prinz. Der Buchhalter, für den nur das Handfeste, das Materielle zählte, und keine Ideale besaß.) Irgendwie hat das Buch von allem was. Aber ich muss dazu sagen,  dass Fantasie nicht mein Genre ist. Heute würde ich Die unendliche Geschichte niemals mehr lesen, aber in meiner Jugendzeit habe ich das Buch regelrecht verschlungen.
Als ich nur noch achtzig Seiten vor mir hatte, fragte ich mich, ob da noch der große Wurf kommt, der mich aufschnaufen lässt, so etwas wie ein Aha-Erlebnis, aber so recht  glauben wollte ich es nicht unbedingt. Da fragt man sich, wer von wem die Ideen sich geholt hat? Da die anderen aber alle älter sind als Markus Walther, hat er sich vielleicht stark von ihnen inspirieren lassen.. .

Tolkiens Herr der Ringe und die Moers - Bücher, ich finde, denen kann keiner das Wasser reichen. Bin zu sehr von ihnen geprägt worden, dass mir Buchland zu soft und zu abgeguckt erscheint. Auch die Figuren Bea und Plana sind meinem Geschmack nach zu urteilen nicht wirklich authentisch. Plana war mir zu arrogant, Bea ein wenig zu unterwürfig… .

Im Folgenden gebe ich noch mal den Klappentext rein, und am Ende meine Zitate:
Das muss auch die gescheiterte Buchhändlerin Beatrice feststellen, als sie notgedrungen die Stelle im staubigen Antiquariat des ebenso verstaubt wirkenden Herrn Plana annimmt. Schnell merkt sie allerdings, dass dort so manches nicht mit rechten Dingen zugeht:Wer verbirgt sich hinter den so antiquiert wirkenden Stammkunden „Eddie“ und „Wolfgang“? Und welche Rolle spielt Herr Plana selbst, dessen Beziehung zu seinen Büchern scheinbar jede epische Distanz überwindet?Doch noch ehe Beatrice all diese Geheimnisse lüften kann, gerät ihr Mann Ingo in große Gefahr und Beatrice setzt alles daran, ihn zu retten. Zusammen mit Herrn Plana begibt sie sich auf eine abenteuerliche Reise quer durch das mysteriöse Buchland. Dort treffen sie nicht nur blinde Buchbinder, griechische Göttinnen und die ein oder andere Leseratte, auch der Tod höchstpersönlich kreuzt ihren Weg.Und schon bald steht fest: Es geht um viel mehr, als bloß darum, Ingo zu retten. Vielmehr gilt es, die Literatur selbst vor ihrem Untergang zu bewahren! Markus Walther, der Autor der Kurzgeschichtensammlungen „EspressoProsa“ und „Kleine Scheißhausgeschichten“, entführt den Leser nun mit seinem ersten Roman in die phantastische Welt des Buchlandes.
Und nun die Zitate:
Niemand liest mehr Bücher. Ich meine: wirklich lesen. Es gibt Kunden, die möchten mir eine Geldanlage erwerben. Andere brauchen ein Schmuckstück für die Vitrine im Büro. Oder Schüler und ihre Lehrer brauchen Klassiker als Schulstoff. Einen Text zu zerlegen, zu diskutieren, zu analysieren. Da ist nur Verstand. Kein Herz. Keine Seele." (17)
Mit diesem Zitat denke ich immer wieder an die Literaturwissenschaftler zurück, und viele davon die Leser sehr oft belächeln, wie diese die Bücher lesen, eher naiv und subkjektiv, als sachlich und objektiv.
Bücher sind die Gefäße der Geschichten. Sie geben den Rahmen. Autoren, Schriftsteller, Poeten: Sie füllen sie mit Sinn und Unsinn. Das macht die Bücher zum Werkzeug der Kultur. Sie sind das Sprachrohr der Menschen. (59)
Leser und Autor gleichermaßen wichtig und aufeinander angewiesen:
Autoren können zwar das Schicksal formulieren, doch in der Hand des Lesers liegt die Macht, die Geschichte zum Leben zu erwecken. Durch ihn wird die Zukunft zur Gegenwart geführt, so dass sie schließlich zur Vergangenheit wird. Beschließt der Leser am Ende einer Seite, nicht umzublättern, sind die Protagonisten auf ewig dazu verdammt, in der Zeit zu verharren." (139)
Das fand ich recht schön. In der Geschichte geht es ja auch darum, das Leben eines Menschen zu verändern, in dem ein Buch über ihn geschrieben wird, in der Art, wie man diesen Menschen, der recht gequält ist, in eine andere Richtung lenkt, in dem man über ihn schreibt  und Lösungen findet und seine Qual dadurch beendet wird. In dem Buch ist Beas Mann gemeint, der durch den Tod seiner Tochter unglücklich ist und seine Trauer mit Alkohol betäubt.

Auf Seite 92 werden Schriftsteller mit Göttern gleichgesetzt, während der trockene Buchhalter
 ganz und gar anderer Meinung ist:
"Glaubst du, dass Schriftsteller so etwas wie Götter sind? (…) Immerhin erschaffen sie ganze Welten. Und sie schaffen Leben. Es ist für mich faszinierend. Wusstest du, dass ich diese kleinen, erfundenen Leben spüren kann? Es ist wie so ein Kribbeln unter der Haut. Juckt manchmal." 
Buchhalter:
"Schriftsteller sind für mich keine Götter. Sie sind in meinen Augen Betrüger. Sie spenden Leben, das sie nicht haben. Ihre Protagonisten erwachen aus dem Nichts, ohne dass sie in das Nichts zurückkehren. Haben ohne Soll." (92)
Darüber kann man ja nachdenken, wie bedeutsam und wie authentisch die Figuren von Schriftstellern sind. Und ob man sie wirklich mit Göttern gleichsetzen kann? Und dass Fiktion und das Narrative eine andere Form von Wirklichkeit hat?

Da muss jeder in sich gehen, was die Welten in den Büchern in einen auslösen… . Wie ernst man sie nehmen möchte.

Ich für meinen Teil habe eine Antwort gefunden und beende somit meine Aufzeichnungen.

Nachtrag: 

Habe heute, Freitag, den 03. Januar 2014, von Markus Walther eine eMail zu dieser Rezi erhalten und ich kann sagen, er ist eine sehr nette und tolerante Persönlichkeit. Ich freue mich so sehr, Bekanntschaft, auch wenn sie kurz war, mit ihm gemacht zu haben.

Vielen herzlichen Dank an den Autor, und lass dir gesagt sein, dass du viele Verehrerinnen hast, durch die ich ja an dich geraten bin und sie dir die Treue halten. Auch sie fanden es schade, dass mir Buchland nicht zugesagt hat.

Und hier ein paar Links, die mir der Autor hinterlassen hat und gebe diese an euch weiter:



 Und weiterhin recht viel Erfolg mit dem Schreibtalent. 
_______
Schreiben ist leicht, man muss nur die falschen Wörter weglassen
(Markus Walther zitiert Mark Twain )

Gelesene Bücher 2014: 01
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86

Dienstag, 31. Dezember 2013

Markus Walther / Buchland

Klappentext

Das muss auch die gescheiterte Buchhändlerin Beatrice feststellen, als sie notgedrungen die Stelle im staubigen Antiquariat des ebenso verstaubt wirkenden Herrn Plana annimmt. Schnell merkt sie allerdings, dass dort so manches nicht mit rechten Dingen zugeht:Wer verbirgt sich hinter den so antiquiert wirkenden Stammkunden „Eddie“ und „Wolfgang“? Und welche Rolle spielt Herr Plana selbst, dessen Beziehung zu seinen Büchern scheinbar jede epische Distanz überwindet?Doch noch ehe Beatrice all diese Geheimnisse lüften kann, gerät ihr Mann Ingo in große Gefahr und Beatrice setzt alles daran, ihn zu retten. Zusammen mit Herrn Plana begibt sie sich auf eine abenteuerliche Reise quer durch das mysteriöse Buchland. Dort treffen sie nicht nur blinde Buchbinder, griechische Göttinnen und die ein oder andere Leseratte, auch der Tod höchstpersönlich kreuzt ihren Weg.Und schon bald steht fest: Es geht um viel mehr, als bloß darum, Ingo zu retten. Vielmehr gilt es, die Literatur selbst vor ihrem Untergang zu bewahren!
Markus Walther, der Autor der Kurzgeschichtensammlungen „EspressoProsa“ und „Kleine Scheißhausgeschichten“, entführt den Leser nun mit seinem ersten Roman in die phantastische Welt des Buchlandes. Ein Muss für jeden Bibliophilen!

Autorenporträt
Markus Walther, geboren 1972 in Köln, lebt seit 2006 mit seiner Frau und zwei Töchtern in Rösrath. Als ausgebildeter Werbetechniker begeisterte er sich bald für die Schriftgestaltung und machte sich 1998 als Kalligraph selbstständig. Der Schwerpunkt seiner schriftstellerischen Arbeit liegt in der Gattung der Kurz- und Kürzestgeschichte. Die Gratwanderung zwischen Klischee und Pointe, Independent und Mainstream führt ihn seither quer durch sämtliche Genres der Bücherwelt.
Den Autor kannte ich bisher gar nicht. Kennengelernt habe ich ihn durch meine Literaturfreundin Brigitte, die mich auf den Geschmack gebracht hat. Nun bin ich selbst ganz neugierig, wie es mir gefallen wird. Auf der ersten Seite habe ich schon ein recht schönes Zitat gefunden, hebe es mir aber für meine spätere Buchbesprechung auf.



Montag, 30. Dezember 2013

Pascal Mercier / Nachtzug nach Lissabon (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich denke, ich werde Pascal Mercier auf meine Favoritenliste setzen, er entpuppt sich immer mehr zu meinen LieblingsautorInnen. Mann kann ja mehrere Lieblinge haben. Ich finde seinen Schreibstil wiederholt einfach nur gut. Tiefgründig, fantasievoll, und poetisch.
Vieles brachte mich zum Nachdenken, werde aber nicht alles hier einbringen, lasse aber bestimmte Blättchen auf den Buchseiten liegen, und immer wenn ich wieder in eine bestimmte Lebenssituation gerate, lese ich in diesem Buch nach, indem ich die betereffende Seite aufschlage…

In dem Buch findet man viele philosophische, aber auch psychologische Gedanken vor. Eines möchte ich nur bemängeln, was mir aber schon im letzten Buch von ihm aufgefallen ist. Pascal Mercier verfügt über mehrere Fremdsprachen. Wenn diese in seinen Werken zur Geltung kommen, muss man damit rechnen, dass diese Textstellen nicht übersetzt werden. Ich hatte mit dem Französischen keine Probleme, dafür aber mit dem Portugiesischen. Der Autor setzt voraus, dass seine LeserInnen auch über Kenntnisse jener Fremdsprache verfügen. Französische Textstellen werden gar nicht übersetzt, lateinische, griechische oder portugiesische dagegen nur ab und an. Dies bemängele ich…

Und nun zum Inhalt:

Zur Erinnerung hier noch einmal der Klappentext:
Mitten im Unterricht verlässt ein Lehrer seine Schule und macht sich auf den Weg nach Lissabon, um den Spuren eines geheimnisvollen Autors zu folgen. Immer tiefer zieht es ihn in dessen Aufzeichnungen und Reflexionen, immer mehr Menschen lernt er kennen, die von diesem Mann, den ein dunkles Geheimnis umgibt, zutiefst beeindruckt waren. Eine wundervolle Reise – die vergeblich sein muss und deren Bedrohungen der Reisende nicht gewachsen ist. Endlich kann er wieder fühlen, endlich hat er von seinem Leben zwischen Büchern aufgeblickt – aber was er sieht, könnte ihn das Leben kosten 
Ich finde es sehr originell, dass ein Gymnasiallehrer einfach seine Stunde verlässt, mit der Absicht, nach Lissabon zu verreisen. Den Impuls dazu erhielt Raimund Gregorius von einer portugiesischen Frau, mit der er köperlich zusammengestoßen ist, und sie ihm eine portugiesische Telefonnummer auf seine Stirn schrieb.

Aber die Frau verschwindet wieder aus seinem Leben… Aber Gregorius fühlt sich zu Portugal so hingezogen, dass es ihn in ein Antiquariat hinzieht. Der Antiquar drückt ihm ein altes Buch in die Hand, ein Buch eines portugiesischen Autors, der aber nicht mehr am Leben ist. Gregorius begibt sich auf Spurensuche, da er von der Intelligenz und der Weisheit des Autors so angetan ist, dass er davon nicht mehr loslassen konnte. Gregorius ist Altphilologe, der einst als Student die alten Sprachen in Lissabon studiert hatte.

In dem Buch gibt es zwei Protagonisten. Neben dem Altphilologen dreht sich viel um den Autor des Buches. Manchmal habe ich die beiden verwechselt und denke, dass beide eine große intellektuelle und eine persönliche Ähnlichkeit besitzen. Der Autor des Buches ist ehemaliger Arzt von Beruf gewesen, der nicht mehr lebt. Eine hochbegabte Persönlichkeit, die schon als Schüler alles Wissen in sich hatte, was andere erst noch erlernen mussten. Dieser Schüler war Amedeu de Prado und stammt aus einer Adelsfamilie:

Als Amadeu ein Junge war, und das Gymnasium zum ersten Mal besuchte, kam er von der Uhrzeit her nicht nur zu spät zum Unterricht, sondern auch noch einen Tag zu spät. Amadeu fiel in seiner neuen Klasse sofort auf, da er als einziger in der Klasse mit einem Gehrock gekleidet war und ohne Schultasche erschien. Als wollte er sagen, er trüge sein ganzes Wissen mit sich in seinem Kopf. Amadeu ist ein hochbegabter junger Mensch, dem sogar sein eigener Vater, Jurist von Beruf, nichts hätte vormachen können. Mit vier Jahren konnte er schon lesen, und im Alter von sechs Jahren waren ihm Kinderbücher schon zu langweilig und so begann er, Bücher für Erwachsene zu lesen. Amadeu war kein gewöhnliches Kind.

Selbst Amadeus Lehrer zeigten sich über seine hohe Bildung in dem Alter recht erstaunt:
"Wenn Amadeu ein Buch liest", sagte ein anderer Lehrer, "dann hat es nachher keine Buchstaben mehr. Er verschlingt nicht nur den Sinn, sondern auch die Druckerschwärze." Und so war es auch: Die Texte schienen ganz und gar in ihm zu verschwinden, und was nachher im Regal stand, waren nur noch leere Hülsen. Die Landschaft seines Geistes in der unverschämt hohen Stirn weitete sich mit atemberaubendem Tempo, von Woche zu Woche bildeten sich darin neue Formationen heraus, überraschende Formationen aus Ideen, Assoziationen und fantastischen sprachlichen Einfällen, die uns stets von Neuem in Erstaunen versetzen. Es kam vor, dass er sich in der Bibliothek versteckte und die ganze Nacht über mit einer Taschenlampe weiterlas. Beim ersten Mal geriet seine Mutter in helle Panik, als er nicht nach Hause kam. Doch mehr und mehr gewöhnte sie sich mit einem gewissen Stolz daran, dass der Junge dazu neigte, alle Regeln außer Kraft zu setzen. (247)
Der erwachsene Amadeu hatte zum Schriftstellern eigentlich nur wenig Zeit. Tagsüber praktizierte er bis spät in den Abend hinein. Er litt unter massiven Schlafstörungen, sodass er die schlaflosen Nächte nutzte zum Nachdenken und zum Schreiben. Schon als Kind wandte er Methoden an, alle seine Gedanken jeweils auf kleine Zettelchen zu schreiben. Gregorius findet in dem Buch diese vielen Gedanken, die auch ihn beschäftigen…

Oft wird die Frage gestellt, was für ein Wesen Mensch er sei? Wer bin ich? Darf ich so sein, wie ich bin? Wie viele Anteile von mir dürfen gelebt und entfaltet werden?
Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist - was geschieht mit dem Rest? (36)
Der Rest wird wohl in uns selbst verkümmern, im Inneren brachliegen, lautet meine Antwort darauf, und wartet darauf, bis diese unerwünschten Anteile gelebt werden dürfen. Doch warum nicht gleich? Verpassen wir nicht diese Gelegenheiten und leben an uns vorbei? Dies sind Gedanken, die sich auch der Lehrer Gregorius gestellt hatte, weshalb er den Sprung waghalsig wagte, ohne Rücksicht auf den Beruf und dessen KollegInnen. Familie hatte er ja keine, war geschieden. Es gab auch keine Kinder, auf die er hätte Rücksicht nehmen müssen.
Jeder von uns ist mehrere, ist viele, ist ein Übermaß an Selbsten. Deshalb ist, wer die Umgebung verachtet, nicht derselbe, der sich an ihr erfreut oder unter ihr leidet. In der weitläufigen Kolonie unseres Seins gibt es Leute von mancherlei Art, die auf unterschiedliche Weise denken und fühlen. P. M. zitert (Fernando Pessoa)
Auf Seite 313 ist zu entnehmen, dass die Wahrheit über sich selbst zu erfahren, zumutbar für den Menschen sei.

Dies fand ich auch ein schönes Zitat, nur stellt sich mir die Frage, was die Wahrheit selbst ist, und wie man zu ihr gelangt?
Auf den folgenden Seiten wird recht deutlich, dass sie in das Hineinhorchen in sich selbst erfahrbar gemacht werden könne, doch für viele Menschen diese Stille nicht aushaltbar sei und sie permanent damit beschäftigt seien, sich nach außen hin abzulenken. Viele hätten Probleme, mit sich in Berührung zu kommen.

Amadeu war eine Persönlichkeit, die nie viel gesprochen hat. Selbst sein Vater, der Jurist ist, sprach nicht viel. Über Gefühle schon mal gar nicht. Und gerade dies wird ihnen beiden in der Beziehung zwischen Vater und Sohn zum Verhängnis…
Amedeu hat die Sprache verachtet, die ihm so abgenutzt und abgedroschen erschien:
Wenn ich Zeitung lese, Radio höre oder im Café darauf achte, was die Leute sagen, empfinde ich immer öfter Überdruss, ja Ekel ob der immer gleichen Worte, die geschrieben oder gesprochen werden - ob der immer gleichen Wendungen, Floskeln und Metaphern. Und am schlimmsten ist es, wenn ich mir selbst zuhöre und feststellen muss, dass auch ich die ewig gleichen Dinge sage.  (…) Oft redeten die Menschen nur, um zu reden. (…) Sie beim Wort nehmen zu wollen - das sei etwas, was nur einem Philologen einfallen könne, namentlich einem Altphilologen, der den ganzen Tag mit unverrückbaren Worten zu tun habe, mit Texten eben, und noch dazu mit solchen, zu denen es Tausende von Kommentaren gebe. (49ff)
Amedeu ist ein sehr belesener Mensch, und ich glaube, dass viel belesene Menschen auch sehr einsame Menschen sind, und dadurch nicht viel reden.

Nun komme ich noch einmal auf die Vater – Sohn – Beziehung zu sprechen: Amadeus Vater spürte den Druck seines Sohnes. Amadeus verachtete seinen Vater als Richter, da er eine Autorität sei, die über andere Menschen urteilt, sie bestraft und sie ins Gefängnis schickt. Der Vater war dem Sohn kein Vorbild, Amedeu wünschte sich, der Vater wäre besser Verteidiger geworden, statt Richter und so gewinnt Amedeu aus Trotz Sympathien zu Dieben. Was beide voneinander nicht wussten, ist, dass jeder für sich dem anderen Briefe geschrieben und ihre Anklagen mit Worten laut werden ließen. Eine Aussprache, aber niemand hatte den Mut, die Briefe auch zu überreichen, aus Angst vor zu viel Emotionalität. Amedeu litt sehr stark unter der emotionsarmen Beziehung seines Vaters. Gefühle durften nicht sein, und dementsprechend konnte auch Amadeu sich nicht wirklich öffnen. Beide hatten Probleme in der Balance zwischen Nähe und Distanz, auch im Umgang mit Freunden. Ein kleiner Auszug aus dem Brief des Vaters:
Mein geschätzter, mein lieber Sohn, ich habe über die Jahre so viele Briefe an dich angefangen und weggeworfen, dass ich nicht weiß, der wie vielte dieser ist. Warum ist es so schwer?Kannst du dir vorstellen, wie es ist, einen Sohn zu haben, der mit soviel Wachheit und so vielen Begabungen gesegnet ist? Einem wortgewaltigen Sohn, der dem Vater das Gefühl gibt, dass ihm nur die Stummheit bleibt, um nicht wie ein Stümper zu klingen? (…) Wie schwer ist es für einen Vater, vor seinen Kindern zu bestehen! Und wie schwer ist der Gedanke zu ertragen, dass man sich mit all seinen Schwächen, seiner Blindheit, seinen Irrtümern und seiner Feigheit in ihre Seelen einschreibt! (…) Ich sah zu, wie du groß wurdest, ich bestaunte den Sprühregen deines Geistes, ich hörte deine Flüche über Gott. (…) Neidisch war ich auch wegen deines Schultextes, wegen der Selbstständigkeit des Denkens und wegen des aufrechten Gangs, die aus jeder Zeile sprachen. Sie waren wie ein leuchtender Horizont, den ich auch gerne erreicht hätte, den ich aber nie würde erreichen können, dazu war die bleierne Schwerkraft meiner Erziehung zu groß. Wie hätte ich dir meinen stolzen Neid erklären können? Ohne mich klein zu machen, kleiner noch und gedrückter, als ich ohnehin schon war? Manchmal schien es, als gehörten die Bücher zu dir wie die Hände, die sie hielten. (…) Ich habe dich als Lesenden geliebt, ich habe dich sehr geliebt. (470 f)
Amadeu überrascht den Vater, als er im Gerichtssaal sitzt, und seinen Vater bei der Urteilsverkündung beobachtet:
Ich spürte die Angst, als ich dich im Gericht sah. Ich musste die Diebin verurteilen und ins Gefängnis schicken, das Gesetz verlangt es so. Warum hast du mich bei Tisch angesehen wie einen Folterknecht? Dein Blick klemmte mich, ich konnte nicht darüber sprechen. Hast du etwa eine bessere Idee, was wir mit Dieben machen sollen? (472f)
Im späteren Brief fragte ihn der Vater, ob ihm sein Tod reichen würde? Was damit gemeint ist, lest einfach selbst. Zumindest löste der Vater im Sohn damit Schuldgefühle aus… Der Vater litt unter schweren körperlichen Schmerzen, die unheilbar waren.

Ich beende nun somit meine Buchbesprechung. Worüber ich hier geschrieben habe, sind nur kleine Ausschnitte und empfehle, sich den Inhalt des Buches selbst anzueignen. Es wird nie langweilig. Auf jeder Seite befinden sich wunderbare und tiefgründige Gedanken und für jedem sind gewisse Themen, die so zahlreich sind, unterschiedlich bedeutsam…

Was mit dem Altphilologen nun letztendlich wurde, was er aus dem Buch von Amadeu de Prado nun gemacht hat, nachdem er Kontakte mit all den Menschen geknüpft hatte, die eng in Beziehung zu dem Autor standen, möchte ich nicht verraten. Ist Gregorius wieder zurück in seine Heimatstadt Genf gefahren? Welche Erkenntnisse erschlossen sich ihm persönlich?

Lest selbst. Wie schon gesagt, da mir die Zitate dieses Buches so wichtig sind, habe ich meine Klebezettel zwischen den Seiten haften lassen, damit ich sie zu jeder Zeit nachschlagen kann. Und das werde ich tun, da auch mein Leben oft mit einigen Ausschnitten und Lebensthemen des Buches geprägt ist und ich mich zu der Denkweise des Amadeu de Prados hingezogen fühle.

Kann man Bücher lieben? Ja, man kann. Ich liebe dieses Buch, als hätte ich einen Menschen vor mir. Auch wenn ich meine Bücher nicht literaturwissenschaftlich bespreche, ich bin keine Philologin, diese Aufgabe überlasse ich gerne den Literaturexperten, die dafür auch bezahlt werden, liebe ich das Buch auf meine Weise... .

Das Buch erhält von mir 9,5 von zehn Punkten.
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Ich habe ein Jahr gebraucht, um herauszufinden, wie lang ein Monat ist. 
(Pascal Mercier)

Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Freitag, 27. Dezember 2013

Pascal Mercier / Nachtzug nach Lissabon

Klappentext

Mitten im Unterricht verlässt ein Lehrer seine Schule und macht sich auf den Weg nach Lissabon, um den Spuren eines geheimnisvollen Autors zu folgen. Immer tiefer zieht es ihn in dessen Aufzeichnungen und Reflexionen, immer mehr Menschen lernt er kennen, die von diesem Mann, den ein dunkles Geheimnis umgibt, zutiefst beeindruckt waren. Eine wundervolle Reise – die vergeblich sein muss und deren Bedrohungen der Reisende nicht gewachsen ist. Endlich kann er wieder fühlen, endlich hat er von seinem Leben zwischen Büchern aufgeblickt – aber was er sieht, könnte ihn das Leben kosten …

Autorenporträt
Pascal Mercier, geboren 1944 in Bern, heißt im richtigen Leben Peter Bieri und ist Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin.

Von Pascal Mercier habe ich Lea gelesen, das mir sehr gut gefallen hat. Bin jetzt neugierig auf dieses Buch. Die ersten einhundertfünfzig Seiten habe ich schon durch und es gefällt mir recht gut. Es fühlt sich so an, als entwickle sich der Autor zu einem meiner Favoriten.



Donnerstag, 26. Dezember 2013

Margaret Mazzantini / Das Meer am Morgen (1)

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Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Es ist ein politisches Buch und passt wunderbar in die Gegenwart, was die Flüchtlingsproblematik Italiens betrifft. Wie aus dem Klappentext zu entnehmen ist, begeben sich Menschen aus Afrika mit einem Boot auf die Flucht, wohl wissend, dass sie auf offener See ihr Leben riskieren. Und trotzdem sind die Menschen voller Hoffnung, dass sie in Europa empfangen werden, und sich dort eine neue Zukunft aufbauen können.

Das sind Wunschbilder. In Wirklichkeit sind sie überhaupt nicht erwünscht. Man übersieht die Flüchtlinge sogar absichtlich, wenn ein Schiff aus Europa an ihnen vorbei zieht, obwohl die Flüchtlinge um Hilfe rufen.

Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Farids Weg über das Meer – ein Schicksal Libyen, Sommer 2011: Jamila entgeht knapp Gaddafis Truppen. Mit ihrem kleinen Sohn Farid flieht sie quer durch die Wüste bis ans Meer. Ihre Ersparnisse überlässt sie einem Schlepper, der sie in ein überfülltes Boot verfrachtet. Jamila hofft auf eine Zukunft in Europa, doch schon bald mangelt es an Trinkwasser und Benzin. Schließlich hat sie nur noch einen Wunsch: länger durchzuhalten als ihr Sohn, um ihn nicht allein sterben zu lassen. Auf Sizilien geht der achtzehnjährige Vito am Strand spazieren und findet eine Kette, wie sie arabische Kinder tragen. Er denkt an seine Mutter Angelina, die in Libyen aufgewachsen ist. Als Gaddafi an die Macht kam, musste sie nach Italien fliehen, aber die Sehnsucht nach der früheren Heimat lässt ihr keine Ruhe: Sie reist nach Tripolis und macht sich auf die Suche nach Ali, ihrer ersten großen Liebe. Doch Ali ist inzwischen beim libyschen Geheimdienst. Bestürzt kehrt Angelina nach Italien zurück, wo sie den Ausbruch des Bürgerkriegs und die Bombardements der NATO am Bildschirm verfolgt.
Farid wartet auf den Sonnenaufgang. Wartet auf Italien. Dort laufen die Frauen ohne Kopfbedeckung herum, und im Fernsehen gibt es unendlich viele Sender. Sie werden im Scheinwerferlicht von Bord gehen, irgendwer wird Fotos von ihnen schießen. Man wird ihnen Spielzeug schenken, wird ihnen Coca - Cola schenken und Pizza. (34)
Diese Vorstellung, dass Menschen vierzehn Tage und vierzehn Nächte sich auf offener See bewegen, stimmt mich betroffen. Habe Gänsehaut bekommen bei dem Bild, dass die Flüchtlinge nichts anderes vor Augen hatten als nur Wasser. In der Nacht verwandelt sich die Wasserwelt in ein rabenschwarzes Monster, das, wenn das Wetter schlecht ist, laufen die Flüchtlinge Gefahr, von den starken Wellen verschlungen zu werden. Bei diesem Bild bekam ich echt Gänsehaut. Das Meer schwarz wie die Nacht.

Wer würde sich schon freiwillig auf solch ein Abenteuer begeben? Hauptsächlich Menschen, die sich in einer existenziellen Not befinden. Andere Seereisende begeben sich auf ein Schiff.

Farid ist der Protagonist dieses Romans. Ein Kind, das sich mit seiner Mutter auf dieses Boot begibt. In der Heimat dieser Menschen herrscht Krieg, der, wie alle anderen Kriege auch, kein Halt vor der zivilen Bevölkerung macht. Nicht vor Kindern, nicht vor Frauen, nicht vor Männern, die nichts mit dem Krieg zu tun haben. Ihre Wohnstätte wird in wenigen Sekunden platt gemacht. Nichts existiert mehr für diese Menschen. Ihnen bleibt nur die Flucht.

Es gibt auch italienische Flüchtlinge, die während des Zweiten Weltkriegs einst in die arabischen Länder geflohen sind. Viele darunter waren Juden. Sie kehren nach Italien zurück, als der Krieg vorbei ist. Doch auch diese Menschen sind nicht erwünscht, als sie sich den italienischen Behörden vorstellten:
Wozu seid ihr denn zurückgekommen? Um den anderen Italienern die Arbeit wegzunehmen, den richtigen Italienern, die hier geboren und aufgewachsen sind? Um in den Arbeitslosenstatistiken ganz nach vorn zu kommen? (73)
Dieses Zitat fand ich recht interessant. Hier wird Rassismus gegen das eigene Volk betrieben.

Eines Nachts erkrankt ein Somalier auf dem Schiff und entwickelte Aggressionen gegenüber der westlichen Welt:
Der Somalier spuckt ins Meer, brüllt, schuld an seiner Krankheit sei das Meer, sei der weiße Dreck, der auf dem Wasser von Mogadischu schwimme, sei der Abfall, der von den Schiffen der reichen Welt tonnenweise verklappt werde. (111)
Menschen, die nirgendwo dazugehören, die nirgendwo zu Hause sind, Menschen, denen man die Heimat geraubt hat. Menschen, die niemand haben will und niemand sie vermisst, sollten sie auf der See verunglücken.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Es ist von der politischen Sachebene klar beschrieben, und auch der literarische Sprachstil ist gut getroffen.

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Man muss dem Schicksal Zeit geben, sein letztes Wort zu sagen
(Metin Arditi)

Gelesene Bücher 2013: 80
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Dienstag, 24. Dezember 2013

Margaret Mazzantini / Das Meer am Morgen

Klappentext
Farids Weg über das Meer – ein Schicksal
Libyen, Sommer 2011: Jamila entgeht knapp Gaddafis Truppen. Mit ihrem kleinen Sohn Farid flieht sie quer durch die Wüste bis ans Meer. Ihre Ersparnisse überlässt sie einem Schlepper, der sie in ein überfülltes Boot verfrachtet. Jamila hofft auf eine Zukunft in Europa, doch schon bald mangelt es an Trinkwasser und Benzin. Schließlich hat sie nur noch einen Wunsch: länger durchzuhalten als ihr Sohn, um ihn nicht allein sterben zu lassen.Auf Sizilien geht der achtzehnjährige Vito am Strand spazieren und findet eine Kette, wie sie arabische Kinder tragen. Er denkt an seine Mutter Angelina, die in Libyen aufgewachsen ist. Als Gaddafi an die Macht kam, musste sie nach Italien fliehen, aber die Sehnsucht nach der früheren Heimat lässt ihr keine Ruhe: Sie reist nach Tripolis und macht sich auf die Suche nach Ali, ihrer ersten großen Liebe. Doch Ali ist inzwischen beim libyschen Geheimdienst. Bestürzt kehrt Angelina nach Italien zurück, wo sie den Ausbruch des Bürgerkriegs und die Bombardements der NATO am Bildschirm verfolgt. 

Autorenporträt
Margaret Mazzantini, 1961 in Dublin geboren als Tochter eines italienischen Vaters und einer irischen Mutter. Ihre Karriere begann sie als Theaterschauspielerin. Ihre Romane ›Die Zinkwanne‹ und ›Geh nicht fort‹ (DuMont Taschenbuch 2010) wurden zu internationalen Bestsellern. Allein ›Geh nicht fort‹ wurde in Italien über 1,5 Millionen Mal verkauft, in 32 Sprachen übersetzt und 2004 mit Penélope Cruz verfilmt. ›Das schönste Wort der Welt‹ wurde ausgezeichnet mit dem Premio Campiello 2009. Margaret Mazzantini ist mit dem Schauspieler und Regisseur Sergio Castellitto verheiratet. Sie haben vier Kinder und leben in Rom.
Die Autorin ist mir unbekannt, habe sie im Restseller Buchladen Jokers entdeckt. Aus meinem großen SuB hat es mir meine Buchfreundin Anne für mich ausgesucht.


Montag, 23. Dezember 2013

Metin Arditi / Tochter des Meeres (1)

 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ob mir das Buch gefallen hat, kann ich für mich noch gar nicht beantworten. Stehe dem eher mit gemischten Gefühlen gegenüber. Obwohl mir an einer Textstelle die Tränen flossen einerseits und andererseits lehnte meine Vernunft diejenige Textstelle ab... .
Nervend fand ich die vielen Todesfälle, zwei Mal sogar in doppelter Form... .

Es geht wieder einmal um ein griechisches Fischerdorf, das mit der Türkei den Krieg geführt hatte. In dem Dorf war es üblich, dass Geschwisterpaare den Bund der Ehe eingingen, weil es nicht mehr genug attraktive Frauen oder Männer gab... . Der Krieg verschluckte auch hier viele weibliche und männliche Opfer... .

Ein Inzucht treibendes Fischervolk Griechenlands, aus denen Kinder entstehen. Dadurch aber, dass die Kirche Inzucht als schwere Sünde begreift, sind es wieder mal die Frauen, die eine schwere Last auf ihren Schultern tragen, die sie ungewollt an ihre Kinder weitergeben.


Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Es ist Sommer 1957 auf Spetses, ein Sommer, dem die junge Näherin Pavlina lange entgegengefiebert hat. Mit ihrem Cousin fährt sie Touristen auf einem Boot zu den schönsten Stränden der kleinen griechischen Insel. Auf dem Meer zu sein ist Pavlinas größtes Glück, vor allem in Begleitung ihres angehimmelten Cousins. Umso schwerer wiegt die Enttäuschung, als sie feststellt, dass er ihre Gefühle nicht erwidert. Als es trotzdem zu einer Liebesnacht kommt, nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Pavlina verliert zwei Menschen, an denen ihr Herz hängt.
Pavlina ist die Protagonistin dieses Romans. Als junges Mädchen von siebzehn Jahren verliebt sie sich in ihren Cousin ersten Grades. Dieser Cousin aber ist homosexuell und ist dadurch für Pavlinas Liebe nicht empfänglich. Er empfindet ihr Gegenüber eine andere Form von Liebe. Eine Zuneigung in der Art von Bruderliebe.

Pavlina wird von ihrem Vater abgöttisch geliebt. Er nimmt sie frühzeitig mit raus aufs Meer, sodass Pavlina, obwohl sie ein Mädchen ist, alles dort an Kunststücken erlernt und beherrscht, die auch Männer können. Pavlina wird immer größer, und dem Vater fällt auf, dass das Kind mehr Ähnlichkeit zu seinem Bruder als zu ihm hat. Indem er schließlich seine Frau zur Rede stellt, erfährt er schließlich, dass Pavlina nicht seine Tochter ist, sondern die seines Bruders. Das verkraftet der Vater nicht, und begeht Selbstmord, treibt aber gleichzeitig auch seinen Bruder mit in den Tod. Pavlina weiß nichts davon, dass der Vater nur der Aufziehvater ist. Erst in den späteren Jahren erfährt sie vom Pfarrer, dass sie das Kind ihres Onkels ist.

Pavlina kann von ihrem Cousin Aris nicht loslassen, schafft es, dass er sich doch mit ihr sexuell einlässt, um sie nicht zu verletzen. Kurze Zeit darauf stirbt auch Aris und Pavlina wird von ihm schwanger. Pavlina darf das Kind nicht behalten, da sie und ihre Mutter zu arm sind, für das Kind zu sorgen. Der Pfarrer hilft Pavlinas Mutter, eine Lösung zu finden. Gegen Pavlinas Willen wird das Kind nach der Geburt zur Adoption frei gegeben. Gleich nach der Geburt nimmt man ihr das Kind fort.
Pavlina begibt sich siebzehn Jahre lang auf die Suche nach ihrer Tochter. In der Schweiz macht sie Bekanntschaft mit einem Mädchen, das am selben Tag und im selben Jahr Geburtstag hat wie ihr Kind. Auch körperlich findet sie Ähnlichkeiten zu ihrer Tochter... . Sie ist sich sicher, ihre Tochter gefunden zu haben... .

Als Pavlinas Mutter stirbt, wird sie vom Pfarrer, der ihre Adresse hatte, angeschrieben und bittet auch um eine wichtige Unterredung. In der Unterredung mit dem Pfarrer erfährt Pavlina vier Geheimnisse. Ein Geheimnis war, dass Aris nicht ihr Cousin war, sondern ihr Bruder, da die Mutter mit dem Onkel verkehrt hatte. Pavlinas Tochter wäre demnach auch das Kind ihres Bruders gewesen.

Ein wenig verzwickt das Ganze.

Aber am Ende findet der Pfarrer doch ein wenig Weisheit, mit der er auf die Menschenwürde und auf die Barmherzigkeit hinweist, so wie auf die Liebe zum Menschen... . Im Folgenden ein Zitat:
Was die Würde eines Menschen ausmacht, (…) ist die Fähigkeit, mit seinen Sünden zu leben. Ihnen aufrecht zu begegnen.  (…). Der Herr verurteilt uns nicht für unsere Fehler, sondern für mangelnde Barmherzigkeit. Es gibt Sünden, aus denen ein wunderbares Strahlen der Liebe erwächst. (…) Die Barmherzigkeit ist nicht nur das Werk Gottes. Jeder muss sie in sich suchen und darf um ihretwillen den Nächsten nicht verurteilen. Muss versuchen, ihn zu verstehen. In seinem Herzen suchen. Das in den Falten seiner Sünden verborgene Strahlen der Liebe finden. Und ihn schließlich lieben. Ihn trotz allem lieben. Ihn von ganzem Herzen lieben, wie er sich wünscht, dass man ihn liebte, auch wenn er mit Schande bedeckt wäre. (237)
Fand ich sehr schön gesprochen, auch wenn ich mich ein wenig an dem Begriff Sünde störe, aber zu der damaligen Zeit zählte dieser Begriff zu dem Vokabular eines Priesters.

Es gibt dem nichts mehr hinzuzufügen. Finde in dem Zitat alle meine Gedanken zu dem Schicksal der Romanfiguren wieder.

Deshalb beende ich nun mit diesem Zitat  meine Buchbesprechung und hoffe, ich konnte ein wenig auf das Buch neugierig machen.

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Man muss dem Schicksal Zeit geben, sein letztes Wort zu sagen
(Metin Arditi)

Gelesene Bücher 2013: 79
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Sonntag, 22. Dezember 2013

Metin Arditi / Tochter des Meeres

Klappentext

Es ist Sommer 1957 auf Spetses, ein Sommer, dem die junge Näherin Pavlina lange entgegengefiebert hat. Mit ihrem Cousin fährt sie Touristen auf einem Boot zu den schönsten Stränden der kleinen griechischen Insel. Auf dem Meer zu sein ist Pavlinas größtes Glück, vor allem in Begleitung ihres angehimmelten Cousins. Umso schwerer wiegt die Enttäuschung, als sie feststellt, dass er ihre Gefühle nicht erwidert. Als es trotzdem zu einer Liebesnacht kommt, nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Pavlina verliert zwei Menschen, an denen ihr Herz hängt.Ein Roman, der von tragischer Liebe und von Sehnsucht erzählt und dabei voller Lebensfreude ist, erfüllt von der Sonne und den Farben Griechenlands.




Autorenporträt
Metin Arditi wurde 1945 in Ankara geboren und lebt seit seiner Kindheit in Genf. Er studierte Physik und Wirtschaftswissenschaften und ist heute als Immobilienmakler, Präsident des Orchestre Suisse Romande und als Begründer einer Stiftung für Hochschulabsolventen tätig. Tochter des Meeres ist sein fünfter Roman, der in Frankreich mit dem Prix Version Femina ausgezeichnet wurde, zum Bestseller avancierte und von Luc Besson verfilmt werden wird. Die Übersetzerin Claudia Steinitz studierte Französisch und Italienisch. Sie ist seit fünfzehn Jahren als Literaturübersetzerin tätig und übertrug u. a. Gabriele D'Annunzio, Alice Ferney, Jean-Christophe Rufin, Véronique Olmi, Gilles Rozier, Bertina Henrichs und Isabelle Condou ins Deutsche.http://de.wikipedia.org/wiki/Metin_Arditi

Der Autor ist mir schier unbekannt. Entdeckt habe ich das Buch beim Restseller Jokers und war stark reduziert. Das Buch gibt es derzeit auch als Taschenbuch.

Samstag, 21. Dezember 2013

Jeffrey Eugenides / MIddlesex (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist so geschrieben, als habe der Autor das alles selbst erlebt ... .
Ein wenig hat er mich von der Thematik her zu den außergewöhnlichen geschlechtlichen Identitäten an John Irving erinnert, wobei mir Eugenides authenitischer schreibt. Bei Irving kommt mir vieles gekünstelt und einseitig intellektuell vor, dass ich manchmal davon unangenehme Gänsehaut bekommen habe.

Eugenides lässt seine Figuren auch aus der Seele heraus sprechen und gerade dies hat mir recht gut gefallen, weil es sich für mich einfach glaubwürdig liest.

Ich habe für das Buch lange gebraucht, weil es kein Buch ist, das man so einfach runterlesen kann. Vieles musste erst mal sacken. Und was den literarischen Aspekt betrifft, fand ich ihn gut getroffen, aber auch das Fachlich- Medizinische kommt recht fundiert rüber. Es ist eines der besten Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe.



Ich hatte mich bisher mit der Thematik Intersexualität noch nicht wirklich befasst.

Unter dem Buchtitel Middlesex hatte ich erst gar keine Vorstellung, was damit gemeint sein könnte. Nach ein paar gelesenen Seiten wagte ich meine ersten Vermutungen, die aber daneben trafen. Ich verrate aber jetzt nicht, was mit dem Titel gemeint ist.

Als ich das Buch das erste Mal begonnen hatte, brach ich es schon nach den ersten Seiten wieder ab, da der Protagonist Cal, das ist der Ich-Erzähler, von seinen Geburten sprach. 1959 kam er erst als Mädchen auf die Welt, 1973 als Junge. Das war mir too much. Habe das Buch dann abgebrochen. Beim zweiten Anlauf hielt ich durch und später wurde dann deutlich, was es mit den zwei Geburten auf sich hatte... .

Damit ich mich nicht wiederhole, gebe ich zur Erinnerung noch einmal den Klappentext rein:
In einem kleinasiatischen Bergdorf fängt alles an. Ein junger Mann und eine junge Frau, Bruder und Schwester, fliehen vor den Türken nach Smyrna und, als die Stadt brennt, nach Amerika. Es ist das Jahr 1922. Auf dem Schiff heiraten sie und lassen sich später in der Autostadt Detroit nieder. Niemand ahnt das Geheimnis dieses Paares, doch nach Jahrzehnten hat der Tabubruch der beiden ungeahnte Folgen.
Der Roman erzählt von einer Familie, die aus drei Generationen besteht. Cal, die / der in seiner Mädchenzeit Calliope Helen Stephanides hieß, verwandelte später den Mädchennamen um in einen männlichen Namen, der Cal gerufen wird. Obwohl er / sie noch gar nicht geboren wurde, erzählte er / sie das Leben seiner Großeltern, Eltern und später sein eigenes Leben.

Der Autor konfrontiert die Leserin mit folgenden Themen.

Historische Ereignisse; der griechisch- türkische Krieg aus dem Jahre 1922. Damit verbunden die Flucht aus dem kleinen griechischen Dorf; die Immigration nach Amerika.
Rassismus in Amerika; verbunden zu nationaler und sozialer Herkunft
und zur geschlechtlichen Identität, androgyner Persönlichkeiten als eine abnorme Form; die Intersexualität, die als das dritte Geschlecht bezeichnet wird.
Die Auseinadersetzung und die Überwindung  oder Nichtüberwindung mit dem Anderssein, beginnend in der ersten Generation, fortlaufend bis zur dritten... .

Jede Menge brisante Themen. Es wird beim Lesen nicht langweilig.

Cals Großeltern schafften es, nach Amerika auszuwandern, allerdings mit falschen Papieren. Süd- und Osteuropäer waren in Amerika nicht willkommen. Sie wurden als die niederen Menschenrassen bezeichnet. Es war schwierig, dort Arbeit zu finden, da die Arbeitsstellen streng nach einem Punktesystem vergeben wurden. Man findet darin schon die erste Form von Diskriminierung.

Die Punkteverteilung auch in der Vergabe von Wohnung / Haus. Auch noch in der zweiten Generation werden persönliche Fragen gestellt und Punkte vergeben. Dadurch, dass es Cals Großeltern finanziell nicht gut geht, sind sie zum erwachsenen Sohn und dessen Frau eingezogen. Ein Nachteil:

Die Maklerin zählt nach der Befragung die Punkte zusammen:
Südliches Mittelmeer. Ein Punkt. Kein gehobener Beruf. Ein Punkt. Religion? Griechisch-orthodoxe Kirche. Das ist doch so etwas wie katholisch, oder? Also auch ein Punkt. Und seine Eltern wohnen bei ihm! Dafür gibts zwei Punkte. Macht-5! Oh, das geht nicht. Das geht überhaupt nicht. Ich muss Ihnen eine Absage erteilen. (357)
Cals Großvater Lefty Stephanides fand als Hilfsarbeiter eine Anstellung in einer Autofabrik. Er wurde verpflichtet, abends einen Sprachkurs zu besuchen. In dem Sprachkurs wurden  den KursteilnehmerInnen gewisse Regeln einverleibt. Eine weitere Form der Diskriminierung:
Arbeiter sollen Zuhause viel Seife und Wasser benutzen. Nichts ist dem richtigen Leben förderlicher als Sauberkeit. Nicht auf den Fußboden der Heimstatt spucken. Keine Fliegen ins Haus lassen. Die Fortgeschrittensten sind die Saubersten. (142)
Die Arbeiter werden zu Hause von zwei Herren im Anzug aus der Fabrik besucht, die sich als Hygieneunterweiser bezeichnen. Sie inspizieren die Lebensweise ihrer Arbeiter und deren Familien. Stephanides müssen verschiedene Fragen beantworten, ob sie sich zum Beispiel die Zähne putzen, und wenn ja wie und mit welchem Gegenstand. Sie wurden über die richtige Nutzung einer Zahnbürste unterwiesen.

Lefty versucht sich zu wehren:
"Wir sind zivilisierte Menschen."
"Verstehe ich das richtig, dass Sie sich der Hygieneunterweisung widersetzen?"
"Hören Sie, die Griechen haben den Parthenon gebaut und die Ägypter die Pyramiden, da haben die Angelsachsen noch Tierfelle getragen."
Nicht nur das. Mir fällt dazu die griechische Mythologie ein und die vielen griechischen Philosophen aus dem Abendland, die unsere literarische Landschaft stark geprägt und bereichert haben. Welch eine Arroganz diese AmerikanerInnen. Schade. Egal welches Buch ich über sie lese, immer wieder werde ich mit deren Überheblichkeit konfrontiert.

Selbst die Essgewohnheit der AusländerInnen wurden mit Argwohn betrachtet. Olivenöl, Knoblauch, eigentlich alles gesundes Gemüse verglichen zu dem ungesunden und fettem Zeug, das die AmerikanerInnen zu sich nehmen. Doch diese Produkte wurden als minderwertig und ungesund bezeichnet. Es gibt auch heute noch Leute, die sich abfällig zu Knoblauch verhalten. Nicht nur in Amerika...

Weiter im Text:
" Punkt eins. Mülleimer in Küche ohne Deckel. Punkt zwei. Stubenfliege auf Küchentisch. Punkt drei. Zu viel Knoblauch in Speise. Verursacht Verdauungsstörung. (…) Wir wollen doch nicht, dass jemand krank wird, nicht wahr? Könnt die Produktion verlangsamen." (148)
Den Migrationsprozess der ersten Generation überstanden die einen durch Assimilation an die amerikanische Gesellschaft, während die anderen in ihrer Herkunftskultur stecken blieben. Desdemona, Cals Großmutter, war es wichtig, ihre kulturelle Identität zu wahren, während ihre Cousine eine Amerikanerin geworden ist. Die Cousine legte das Griechische ab und sprach griechisch nur noch mit einem amerikanischen Akzent.

Ich fand das ganz schön, wie dieser Prozess beschrieben wurde, denn er zeigt, dass jede/r MigrantIn die Migration anders verarbeitet und jeder so frei sein kann, eine neue Identität anzunehmen, die alte zu bewahren, oder ein Mix von beidem zu kreieren, ohne dass daraus gleich ein pathologisches Krankheitsbild entstehen muss. (392)

Und nun zu Cal:

Dadurch, dass sie keine andere Möglichkeit sahen, gemeinsam nach Amerika auszuwandern, sind Cals Großeltern, beide ein Geschwisterpaar, die Ehe eingegangen. Die Not im Herkunftsland war zu groß, um dort weiter leben zu können. Mithilfe falscher Papiere als rechtmäßige Eheleute eingeschrieben, lebten sie auch den Bund der Ehe und betrieben Inzucht, der es zu verdanken ist, dass Cal mit einem "genetischen Defekt" geboren wird. Cals Großmutter, namens Desdemona, plagten ein Leben lang Schuldgefühle religiöser Art, dass sie von ihrem Bruder und Ehemann hat Kinder zeugen lassen. Sie glaubte nun, sie werde von Gott bestraft. Das erste Kind durchlief eine normale Geburt ohne Auffälligkeiten und Desdemona bedankt sich bei Gott und verspricht, sich von dem Bruder kein weiteres Kind machen zu lassen. Nun wusste sie aber nicht, wie man verhütet, lehnt ihren Bruder bei der nächsten sexuellen Annäherung ab. Damit verletzte sie ihren Bruder massiv. Sie hielt den Druck nicht aus und ließ sich doch wieder  mit ihm sexuell ein. Das zweite Kind wurde auch eine Normalgeburt. Dass Schwester und Bruder heirateten und Kinder zeugten, sollte ein Tabu sein und nur die in Amerika lebende Cousine wusste darüber Bescheid. Cals Eltern waren auch Cousine und Cousin ersten Grades.

Als Cal in die Pubertät kommt und eine reine Mädchenschule besucht, wundert er / sie sich, dass ihre Schulkameradinnen alle eine körperliche Veränderung durchliefen, die bei ihm / ihr ausblieb. Keine Menstruation, keine Brüste... . Sie und ihre Eltern nehmen dies als eine körperliche Verzögerung hin, sozusagen eine Spätentwicklung... . Die Zeit vergeht, und bei Cal tut sich nach wie vor nichts. Nun wird Cals Mutter misstrauisch und vereinbart einen Termin bei einem Gynäkologen, der in einer Klinik angestellt ist. Die Klinik ist auf sexuelle Störungen und auf geschlechtliche Anomalien spezialisiert. Auch hier erfährt Cal eine Form von Diskriminierung. Cal trägt einen griechischen Namen, hat aber mit Griechenland wenig am Hut. Die Ärzte, nachdem sie an Cal intensive Untersuchungen und Studien betrieben hatten, fanden heraus, dass Cal zwittrig ist. Sie suchten nach Erklärungen, an denen sie ihre Theorien entwickelten: Die Mehrgeschlechtigkeit käme überwiegend in minderwertigen Kulturkreisen vor, in denen es über Generationen hinweg üblich sei, Ehen innerhalb einer Sippschaft zu schließen und Kinder zu zeugen. Cals Eltern hatten verschiedene Fragebögen auszufüllen und den Theorien des Wissenschaftlers konnten nicht bestätigt werden. Cal war das einzige Kind mit dieser geschlechtlichen Andersartigkeit... . Während dieses ganzen Prozesses weiß noch niemand, dass die Großeltern Geschwister sind. Nun beginnt für Cal und den Eltern unbewusst die Spurensuche und die Suche nach der geschlechtlichen Identität. Die Ärzte raten zu einer Operation, damit Cal ein relativ normales Leben leben könne. Cal sucht Bibliotheken auf, und durchstöbert verschiedene Lexika, um sich zu dem sog.  Krankheitsbild zu informieren. Er /sie ist schockiert, als er / sie aus dem Buch die Bezeichnung liest, dass androgyne Persönlichkeiten mit Monstern verglichen werden. Die Forschung dazu befand sich noch in Kinderschuhen.
Wie geht Cal damit um? Begibt er / sie sich weiterhin in die Hände der Wissenschafler, die ihn / sie zu Forschungszwecken benutzten? Wie reagieren die Eltern auf die Untersuchungsergebnisse und die weiteren Verläufe?

Und hier mache ich Schluss. Wer mehr wissen möchte, so verweise ich auf das Buch.

Mein  Fazit:

Das Buch hat mich betroffen gestimmt. Und so fragte ich mich erneut, was normal und was nicht normal ist? Meine Antwort:

Wenn jeder Mensch sich nur mit sich selbst vergleichen würde, dann wäre jeder Mensch so wie er ist ein normaler Mensch. Lernen, mit dem Anderssein umzugehen, denn jeder ist anders, statt an sich und an den Erwartungen anderer Menschen zu verzweifeln. Diese Hürde stellt den Menschen vor große Herausforderungen.

Das Buch erhält von mir auch aufgrund seiner Vielfalt an Themen zehn von zehn Punkten.
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Wir alle bestehen aus vielen Teilen, anderen Hälften
(Jeffrey Eugenides)

Gelesene Bücher 2013: 78
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86

Freitag, 13. Dezember 2013

Jeffrey Eugenides / Middlesex

Klappentext
In einem kleinasiatischen Bergdorf fängt alles an. Ein junger Mann und eine junge Frau, Bruder und Schwester, fliehen vor den Türken nach Smyrna und, als die Stadt brennt, nach Amerika. Es ist das Jahr 1922. Auf dem Schiff heiraten sie und lassen sich später in der Autostadt Detroit nieder. Niemand ahnt das Geheimnis dieses Paares, doch nach Jahrzehnten hat der Tabubruch der beiden ungeahnte Folgen.

Autorenporträt
Jeffrey Eugenides, geboren 1960 in Detroit/Michigan, bekam 2003 für seinen weltweit gefeierten Roman „Middlesex“ den Pulitzer-Preis und den „Welt“-Literaturpreis verliehen. Sein erster Roman „Die Selbstmord-Schwestern“ wurde 1999 von Sofia Coppola verfilmt. Außerdem veröffentlichte er den Erzählungsband „Air Mail“ und „Der Spatz meiner Herrin ist tot. Große Liebesgeschichten der Weltliteratur“. Er lehrt Creative Writing an der Princeton University in New Jersey.

Das Buch habe ich antiquarisch beim Bücher - Oxfam erworben. Habe bei Amazon gesehen, dass es das Buch mittlerweile auch als Taschenbuch gibt.

Nach meinem Testlesen ist dies nun mein zweiter Anlauf. Beim ersten Mal musste ich das Buch wieder abbrechen. Jetzt, in Zeitabständen nach dem zweiten Versuch gefällt es mir richtig gut. Hoffe, es bleibt dabei. Man muss mit bestimmten Büchern sich mehr Zeit lassen reinzukommmen. Am besten, wenn man mehr Zeit zur Verfügung hat.

Das Buch hat meine Lesefreundin Anne aus meinem große SuB für mich ausgesucht.