Eine Buchbesprechung
zur o. g. Lektüre
Meine Meinung
Ein Appell, politisch wachsam zu bleiben, und aus der Geschichte lernen.
Mir hat das Buch, ein historischer Roman über den italienischen
Faschismus, sehr gut gefallen. Manches hat sich bestätigt, was ich in der
wissenschaftlichen Abhandlung gelesen hatte, dass viele Italiener die Juden
nicht an Mussolini ausgeliefert hatten, und Hitler auf Mussolini Druck gemacht hat.
Dadurch hatte diese Freundschaft der beiden Diktatoren einen starken Knick
bekommen. Leider wurde dies bei Giampietro nur peripher, am Ende dieses Buches, erwähnt. Allerdings hat sie sich über die Freundschaft zwischen diesen beiden Dikatatoren gar nicht ausgelassen. Ich
sehe aber ein, dass diese Thematik belletristisch schwierig umzusetzen ist.
Ich konnte das wissenschaftliche Buch, von dem ich in der Buchvorstellung schon gesprochen habe, in meinem Regal wiederfinden, das von dem Engländer Jonathan Steinberg, Deutsche, Italiener und Juden,
geschrieben wurde.
Der Untertitel lautet: Der
italienische Widerstand gegen den Holocaust, siehe Cover oben.
Ich hatte es 1999 gelesen und 2010 ein weiteres Mal. Erschienen wurde das
Buch 1992 und 1993 im Steidl-Verlag.
Interessant war beim Steinberg zu lesen, wie die Italiener die Endlösung
verhindern konnten. Leider ging die Autorin auch darauf nicht richtig ein. Bei ihr liest sich es so, als haben die Amerikaner Mussolini zum Sturtz gebracht. Soweit ich mich erinnern kann, war Mussolinis Sturtz den Partisanen geschuldet ...
Aber Giampietro ist es total gutgelungen, sich in alle Figuren, ganz gleich auf
welcher Seite sie stehen, hineinzuversetzen. Nur Gut und nur Böse gibt es hier
nicht, es gibt so viel Fecette dazwischen.
Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu meinen ersten
Leseeindrücken und zu den Buchdaten.
Die Handlung
Zu Beginn der Handlung bekommt man es mit einer italienischen Familie
namens Guerrini zu tun, die in Mittelitalien, in Siena, lebt. Sie ist seit dem Mittelalter adlig.
Aber reich ist sie deshalb nicht, da ein Großonkel das Vermögen durch schlechte
Geschäfte verspielt haben soll ...
Die Hauptfigur ist hier der zwölfjährige Lorenzo, der eigentlich in Tripolis,
in der Hauptstadt von Libyen, aufgewachsen ist. Sein Vater ist Offizier, war in
Neapel mit seiner Familie ansässig, und wurde vor mehreren Jahren in dieses
arabische Land versetzt, Frau und Kind folgten nach. Libyen wird im Zweiten
Weltkrieg von den Italienern besetzt und kolonialisiert. Nicht nur in Europa,
sondern auch hier befindet sich ein Krisenherd … Um Lorenzo zu schützen,
schicken ihn die Eltern 1942 zu seinem Großvater väterlicherseits nach Siena,
bis der Krieg vorüber ist. Aber auch in Italien tobt der Krieg, außerdem werden
die Juden von den italienischen Faschisten und den deutschen Nazis verfolgt …
Lorenzo vermisst seinen arabischen Freund und ganz besonders seine Eltern, und
gerät in eine schwere Krise, da er über einen längeren Zeitraum keine Notiz von
ihnen erhält. In dem Haus seines Großvaters lebt eine Haushälterin, seine Tante
Chiara, und sein Großvater.
Die Haushälterin, Cesarina, eine einfache aber eine herzensgute
Persönlichkeit, ist sehr religiös und bettet in ihren Gebeten immerzu Mussolini
mit ein, da er für eine kurze Zeit die Wirtschaft in italien anzukurbeln in der Lage war. Sie und viele andere Italiener sind dadurch treue Anhänger Mussolinis geworden. Auch
Lorenzo scheint den Vater der Nation zu lieben, während er eines Tages merkt, dass seine
Tante Heimlichkeiten mit seinem Großvater austauscht, und spürt, dass hintenrum etwas gegen Mussolini im Gange ist ...
Chiara ist Grundschulpädagogin, ihr Vater war ein Großoffizier …
Lorenzo lernt den gleichaltrigen Franco Taccini kennen, der Sohn einer
Krämerin. Obwohl Franco vom Charakter her ganz anders gestrickt ist als Lorenzo,
entsteht zwischen ihnen trotzdem eine außergewöhnliche Freundschaft. Auch wenn
diese Freundschaft der beiden häufig zur schweren Prüfung wird. Was beide aber verbindet,
ist, dass auch sie wie die Erwachsenen von Mussolini schwärmen, heroisieren den
Krieg und können es kaum abwarten, älter zu werden, um endlich als richtige
Soldaten einberufen zu werden, um für das Vaterland zu kämpfen. Politische,
nationalsozialistische, ideologische Ideen werden ihnen in der faschistischen
Jugendpartei namens Balilla eingeflößt. Auch in der Schule werden sie indoktriniert,
von Lehrern, die politisch fundamentalistisch eingestellt sind. Sie erklären
den Kindern die mythologische bzw. die symbolische Bedeutung des Faschismus:
Das Wort Faschismus kommt von >fascio<. Deshalb ist das Symbol des Faschismus ein Bündel von dünnen, eng zusammengeschnürten Stangen. Diese Stangen stellen die einzelnen Italiener dar. Ich habe genau dreiunddreißig Stöckchen verbunden, eines für jeden für euch. Gemeinsam, vom Duce und vom faschistischen Glauben vereinigt, sind die Italiener unbesiegbar. (2019, 63f)
In der Rassenlehre lernen sie:
Wir wollen nun unser Wissen über den Begriff >>Rasse<< auffrischen. Wir Italiener gehören dem mediterranen Typ der arischen, also der Herrenrasse an. Geformt und modelliert von den Römern, ist sie die glorreichste von allen und hat die größten Entdecker und Eroberer der Geschichte hervorgebracht (...). Die Reinheit unserer Rasse muss geschützt werden. Die Trennung der Rassen ist ein wichtiger Kampf um Kultur und Zivilisation. Gehören Juden der italienischen Rasse an? (83)
Unisono antworten die Kinder alle mit >Nein<.
Zudem lernen die Kinder in der Schule, dass die Juden potenzielle
Verräter seien. Außerdem stellen die Schulbücher sie hier als besonders exotisch
dar ...
In der Grundschule wird ein jüdisches Kind aus der Klasse verwiesen. Lorenzos
Tante setzt sich für die Schülerin ein, und so wird auch sie von der Schule
suspendiert. Lorenzo ist ganz entsetzt über das Verhalten seiner Tante und schämt sich vor seinen Mitschülern ...
Die Tante nimmt den Jungen von der Schule und unterrichtet ihn zu Hause
selbst. Lorenzo gerät in eine Krise, hegt Groll gegen sie, da auch er sie als
Landesverräterin bezichtigt …
Chiara lernt den Arzt Matteo kennen, der in der Klinik arbeitet. Ein
polnischer Jude, der vor der Judenverfolgung aus seiner Heimat nach Italien
geflüchtet ist. Erst später stellt sich auch für Chiara heraus, dass Matteo in
Italien mit einer falschen Identität untergetaucht ist. Später ist Matteo
gezwungen, sich unter die Partisanen zu mischen, als er auch in Italien nicht
mehr sicher ist.
Chiara unterrichtet im Untergrund jüdische Kinder, und arbeitet im
Krankenhaus, als sie die Stelle in der Schule verliert. Zu viele
Kriegsinvaliden, jede helfende Hand wird gebraucht, sodass sie sich auch hier
nützlich machen möchte ...
Lorenzo lernt später einen weiteren Jungen kennen, Daniele Neri, auch 12
Jahre alt, freundet sich mit ihm an. Als er durch besondere Umstände erfährt,
dass Daniele Jude ist, gerät sein Weltbild ins Wanken und fängt an, seine
Schulbücher und sämtliche rassische Ideologien kritisch zu hinterfragen. Lorenzo
gerät dadurch in eine weitere schwere Lebenskrise … Seine Freundschaft zwischen seinem
patriotischen Freund Franco und dem jüdischen Freund Daniele wird erneut auf
die harte Probe gestellt, indem Lorenzo einem Loyalitätskonflikt ausgesetzt
wird ...
Mehr möchte ich nicht verraten.
Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Ich fand es ganz schrecklich, wie dieses Kind, Lorenzo, sich für das Land
und für seine Mitmenschen eingesetzt hat, die ich für einen so jungen Menschen
grausam fand. Er hätte gut daran zerbrechen können. Schwere Schuldgefühle
omnipotentischer Art nagten an seiner Kinderseele. Daran kann man sehr
gut sehen, wie die Indoktrination die Kinder erfolgreich manipuliert hat.
Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Die Freundschaft zwischen den Kindern fand ich schön, wobei diese
zwischen Lorenzo und Daniele eine sehr schwere Herausforderung war. Ich fand es schön, dass Chiara, die einst auch Anhängerin des Faschismus war, sich später
einer Widerstandsbewegung angeschlossen hat.
Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Mir war Matteo sehr sympathisch, seine sensible Art mit Menschen
umzugehen, hat mich tief berührt.
Welche Figur war mir antipathisch?
Die faschistischen Lehrer und die Gruppenführer.
Meine Identifikationsfigur
Keine
Mir hat das Cover sehr gut gefallen. Gestört hat mich nur, dass Lorenzo
blondhaarig und Brillenträger ist, was aus dem Cover nicht hervorgeht. Deutsche
Verlage erlauben den Südländern keine hellen Haare und keine helle Haut, das
weiß ich mittlerweile. Aber auch keine Brille?
Der Titel, Niemand weiß, dass du hier bist, lässt ahnen, was darunter zu verstehen ist, bevor man mit dem Lesen begonnen hat, ich mich aber dazu trotzdem bedeckt halten möchte.
Der Titel, Niemand weiß, dass du hier bist, lässt ahnen, was darunter zu verstehen ist, bevor man mit dem Lesen begonnen hat, ich mich aber dazu trotzdem bedeckt halten möchte.
Zum Schreibkonzept
Das Buch ist in drei Teilen gegliedert und beinhaltet fortlaufend
insgesamt 34 Kapitel, die zum Ende hin immer kürzer werden. Der Schreibstil ist
recht einfach. Man kann diesen historischen Roman gut auch Jugendlichen zum
Lesen geben.
Meine Meinung
Ich habe durch das Buch viel Neues gelernt. Vor allem über den Begriff Faschismus hatte ich mir zuvor keine wirklichen Gedanken gemacht. Aufgrund der negativen Konnotation habe ich ihn
inhaltlich immer mit den Ideologien des Nationalsozialismus á la Italien in Verbindung gebracht. Eigetlich ist der Begriff harmlos, wenn man die nähere Bedeutung betrachtet. Ich
hätte nie irgendwelche Zweige oder Stöcke damit assoziiert.
Wie ich an einzelnen Textstellen oben gezeigt habe, hat nicht nur Hitler,
sondern auch Mussolini sein Volk als eine Herrenklasse
deklariert. Die Italiener seien die Arier des mediterranen Typs.
Aber ich habe mich auch gefragt, wie der DUDEN den Arier definiert?
[*](Völkerkunde, Sprachwissenschaft) Angehöriger eines der frühgeschichtlichen Völker mit indogermanischer Sprache in Indien und Iran. [*](nationalsozialistisch) (in der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus) Angehöriger einer (besonders in Gegensatz zu den Juden definierten) angeblich geistig, politisch und kulturell überlegenen nordischen (2) Menschengruppe.
Man könnte den Faden noch weiterspinnen. Denn wer
sind die Indogermanen? Ich habe folgendes im Netz gefunden:
"Seit aber der deutsche Sprachwissenschaftler Franz Bopp (*1791/°1867), etwa um 1820 herum, nachweisen konnte, dass fast alle heute gesprochenen Sprachen Europas (mit Ausnahme des Finnischen, Baskischen, Ungarischen und Estnischen) untereinander verwandt sind und sogar eine gemeinsame Wurzel mit dem Indischen und Persischen aufweisen, wird bis heute nach einem Volk „gefahndet“, das irgendwann einmal eine gemeinsame Sprache gesprochen haben muss.
Vermutungen
Aber, unabhängig davon, dass bisher keinerlei eindeutige archäologischen Funde jedweder Art gemacht werden konnten, die auf eine mögliche Zivilisation mit einhergehender kultureller Eigenart schließen lassen, wird inzwischen – trotz nur vager Indizien – von der Wissenschaft mit einiger Sicherheit angenommen, dass dieses „geheimnisvolle“ Volk, wenn es es denn tatsächlich gegeben haben sollte, seinen Ursprung sowohl in mittel- und westeuropäischen Gegenden oder auch – nach anderer Auffassung – in den Steppen Osteuropas um 3500 v. Chr. gehabt, und sich sukzessive in alle Richtungen ausgebreitet haben muss."
Entnommen aus folgender Quelle, klick hier. Der restliche Artikel ist lesenswert.
Mein Fazit
Auch wenn mich jetzt nicht alle Szenen überzeugen konnten, wirkt das ganze Buch authentisch. Es hat mich gepackt, und bis zum Schluss konnte mich die Autorin fesseln.
Ein Appell, politisch wachsam zu bleiben, und aus der Geschichte lernen.
Meine Bewertung
2 Punkte:
Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel
und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
|
12 von 12 Punkten
Weitere Information zu dem Buch
Ein herzliches
Dankeschön an den Piper-Verlag für das Leseexemplar. Ein großes Dankeschön an
die Moderatoren vom Bücherforum Whatchareadin für deren Einsatz.
Hier geht es zu zur
Leserunde von Whatchareadin.
________________
Wer einen Menschen rettet,
rettet die ganze Welt.
(N. Gianpietro)
rettet die ganze Welt.
(N. Gianpietro)
Gelesene Bücher 2019: 12
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86