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Sonntag, 11. Juni 2017

Virginia Baily / Im ersten Licht des Morgens (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat leider nicht ganz meinen Erwartungen entsprochen. Es war mir definitiv zu klischeehaft und oftmals zu unpolitisch (siehe unten), was die äußeren Personenbeschreibungen betrifft, und was die Zuschreibungen des kulturellen Lebens diverser Nationen anbelangt.

Am Anfang war ich von der Geschichte recht angetan gewesen, aber es flachte ziemlich schnell wieder ab. Ich hatte gedacht, ich würde mehr über die italienischen Juden erfahren, mehr über den Faschismus in Italien in differenzierter Form. Die ganze Geschichte aber las sich auf den folgenden Seiten recht zäh und wurde dadurch schnell langweilig.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Chiara Ravello führt nach außen ein erfülltes Leben. Sie arbeitet als Übersetzerin in Rom und umgibt sich mit Freunden, gutem Essen, Theater und Musik. Nur wenige Gegenstände in ihrer Wohnung erinnern an Daniele, den sie aufzog und liebte wie ihren eigenen Sohn. Kaum jemand weiß von dem Schmerz, den sein Verlust für sie bedeutet. Erst als eine junge Frau aus Wales in Rom auftaucht und behauptet, Danieles Tochter zu sein, beginnt Chiaras Fassade zu bröckeln. Marias Ankunft führt Chiara weit zurück in ihre Vergangenheit, ins Kriegsjahr 1943, und weckt in ihr eine lang vergrabene Sehnsucht nach Versöhnung.

Die 16-jährige englische Maria erfährt, dass ihr leiblicher Vater Italiener ist. Sie gerät dadurch in eine Identitätskrise und begibt sich auf Ahnen- und Spurensuche. Sie erfährt, dass der leibliche Vater Daniele Levi heißt und in Rom lebt. In dieser Krise kappt sie den Kontakt zu ihrem Ziehvater und dessen Eltern. Sie bezeichnet sie alle als Ex. Exvater, Exgroßmutter … Sie besteht darauf, nach Italien zu reisen, um ihren Vater zu suchen. Maria nimmt Kontakt mit Chiara auf, von der sie glaubt, sie habe Daniele bei sich beherbergt, ohne zu ahnen, dass Chiara den Jungen aus den Fängen der deutschen SS-Männer in Italien befreit hat. Chiara selbst befindet sich ebenfalls in einer Krise, da sie Daniele wie ihren eigenen Sohn abgöttisch geliebt hat, der aber unauffindbar verschollen ist. Daniele führt ein schweres Leben. Ihn begleitet lebenslang ein schweres Trauma, als er 1943 völlig unvorbereitet und ganz plötzlich von seiner Familie weggerissen wurde. Die Familie Levi wurde von den Nazis aus der Wohnung getrieben und auf einen Laster gekarrt, als Chiara Zeugin dieser grauenvollen Szene wird. Nonverbal und nur mit den Augen kommuniziert sie mit Danieles Mutter, die ihr mit einem Blick zu verstehen gibt, Daniele zu retten. Wie Chiara es schafft, Daniele von dem Karren loszubekommen, lasse ich offen und ist dem Buch zu entnehmen.

Der siebenjährige Junge erleidet ein schweres Trauma, aus dem er sich nicht wirklich erholen konnte. Er ist zu jung, um diese schwere existentielle Situation zu begreifen. In den folgenden Jahren versucht er sein Trauma mit Hilfe von Drogen zu dämmen und entwickelt sich zu einem schwerumgänglichen Menschen, der auf Abwege gerät.

Chiara wird durch Marias Besuch gezwungen, sich der Vergangenheit, die recht unangenehm ist, zu stellen. Maria stellt jede Menge Fragen, die Chiara lästig sind und so versucht sie Maria abzulenken, indem sie sie mit Projekten vollpackt, damit Maria nicht mehr so viel Zeit hat, Fragen zu stellen. Maria spürt zwar, dass irgendwas mit Chiara und Daniele nicht stimmt, sie ahnt aber noch nicht, was sich hinter der Geschichte zwischen ihrem leiblichen Vater, ihrer Mutter und Chiara verbirgt. Sie idealisiert ihren Vater, versucht römische Gene in sich zu finden. Chiara merkt, dass sie Maria, die ein Recht hat, ihren Vater kennenzulernen, nicht mehr lange hinhalten kann.

Wer mehr über diese Geschichte erfahren möchte, so verweise ich unbedingt auf das Buch.


Mein Fazit zu dem Buch?

Man hat es hier mit mehreren Epochen zu tun. Die Zeit im Zweiten Weltkrieg, die Nachkriegszeit und die Zeit der Hippies. Die Abläufe werden im Wechsel erzählt, was mir recht gut gefallen hat. Doch die Zeit der Hippies, die Zeit in den späten 1960er Jahren und Anfang der 1970er kam politisch überhaupt nicht rüber. Auch in Italien gab es die sogenannte Studentenrevolte, auch wenn sie sich von der der deutschen unterschied. Darüber hat die Autorin leider nichts geschrieben, über die Intellektuellen Italiens. Diese Zeit beschreibt die Autorin recht politiklos. Auch diese Details haben mir gefehlt. Stattdessen füllt sie diese Lücken mit klischeehaften und stereotypen Alltagsbeschreibungen.

Die Autorin beschreibt die Menschen so, als wären sie genetisch mit ihren Nationen verbunden. Plötzlich ist Maria zur Hälfte Engländerin und zur Hälfte Italienerin. Halb halb? Wie soll ich mir das vorstellen? Auch wenn diese Vorstellung gesellschaftlich gängig ist, tue ich mir damit sehr schwer, weil diese Betrachtung falsch und naiv ist. Außerdem ist es wissenschaftlich bewiesen, dass die Gene keinerlei Einfluss auf die Herkunft haben, sondern dass die Erziehung diese Aufgabe übernimmt. Der Mensch unterscheidet sich vom Tier darin, dass er alles erlernen muss. Sprache, soziale- kulturelle und gesellschaftliche Werte werden einem Kind von Beginn der Geburt von seinen Bezugspersonen anerzogen. Das Kind lernt es nicht von sich aus. Was uns genetisch mitgegeben wird, das sind menschliche Beschaffenheiten, wie z.B. Geschmäcker, Talente, Haarfarbe etc., wobei die Haar- und die Hautfarbe hier im Buch auch recht einseitig beschrieben werden. Italiener*innen dunkel und Engländer*innen hell ...  Außerdem haben wir nur vier verschiedene Blutgruppen und diese reichen nicht aus, die vielen Nationalitäten eines Menschen genetisch zuzuorden.

Wegen dieser Kulturunreflektiertheit und wegen der mangelnden politischen Recherchen gebe ich dem Buch acht von zwölf Punkten. Mich hat auch das Interview im Anhang nicht wirklich überzeugt. 

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte recht herzlich beim Diana - Buchverlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.

Auf der Verlagsseite ist ein Special abgedruckt. Virginia Baily im Interview zu ihrem Roman »Im ersten Licht des Morgens«

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diana, Verlagsgruppe Random House München.

  • Taschenbuch: 432 Seiten
  • Verlag: Diana Verlag (12. Dezember 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453359135
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Gelesene Bücher 2017: 23
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Sonntag, 4. Juni 2017

Cecilia Ahern / Der Ghostwriter (1)

Lesen mit Anne


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Die etwas andere Cecilia Ahern. Ein Buch über Bücher … Das Buch liest sich sehr leicht. Man kommt dadurch gut in die Handlungen rein.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Herman Banks hat es vom armen Farmersjungen zum Multimillionär gebracht. Nur ein Wunsch treibt ihn noch um: Er möchte ein Buch schreiben, den großen, vollendeten Roman – und bezieht deshalb mit seiner jungen Frau das abgelegene Anwesen eines verstorbenen Autors in Südengland. Doch statt Inspiration zu finden, gerät Herman in eine mächtige Schreibblockade. Bis er im Zimmer mit der Kollektion alter Schreibmaschinen etwas Unheimliches vorfindet …

Der New-Yorker Herman Banks erleidet eine schwere Ehekrise, da seine junge Frau Amber fremdgeht. Obwohl sie Herman liebt, aber sie fühlt sich in dieser Ehe sehr einsam. Herman verbringt sehr viel Zeit mit seinem Beruf. Von einem Farmersjungen hat er es auch sehr weit gebracht, indem er zu einem Multimillionär aufsteigt. Doch Herman will von seinem Beruf eine Pause einlegen, da er die feste Absicht hat, ein Buch zu schreiben, das sich leicht vermarkten lässt. Er kauft sich ein sehr altes Haus in England, und zieht mit seiner Frau dort hin, so lange, bis das Buch fertig ist. Amber hat durch den Seitensprung ein schlechtes Gewissen und begleitet Herman nach England. Doch Herman kann ihr einfach nicht verzeihen, und straft sie mit einer Beziehungsdynamik, die man als recht eisig bezeichnen kann.

Eisig verhält sich Herman auch seiner Herkunftsfamilie gegenüber. Sein Vater stirbt an den Folgen eines Krebsleidens. Er ignoriert die Anrufe seiner Geschwister und die seiner Mutter …

Ein schier unsympathischer Typ dieser Herman.

Hermann schafft es nicht, nur eine einzige Zeile auf das Schreibpapier zu bringen …

In dem alten Haus passieren zudem noch ominöse Dinge. Es verschwinden so nach und nach wertvolle Objekte. Mit jedem Gegenstand, der verschwindet, entsteht eine Buchseite. Man hat es mit diesem Ghostwriter zu tun, der unsichtbar bleibt. Im Laufe des Geschehens wird das Haus immer leerer, dafür wächst der Stapel auf dem Schreibtisch. Amber bekommt Angst, während Herman Gefallen daran findet, denn das Buch scheint nun Form anzunehmen. Die Autorin lässt uns Leserinnen an der Geschichte teilnehmen. Man bekommt es demnach hier also auch mit einer Parallelgeschichte zu tun. Es geht um einen Mörder, der seine Frau umgebracht hat …

Hat diese Geschichte vielleicht etwas mit Herman und Amber zu tun? Irgendwann verschwindet auch Amber ganz plötzlich. Und das Verschwinden hört auch nicht mit Amber auf ... Anne und ich sind uns einig, dass es etwas mit dem Ghostwriter zu tun haben muss.

Mehr möchte ich nun nicht verraten.

Mein Fazit zu dem Buch?

Niemand weiß, wer dieser anonyme Ghostwriter ist. Weder die Figuren in dem Buch, noch die Leserinnen. Auch die Polizei kann diesen Spuk nicht aufklären. Anne und ich haben uns gefragt, was die Autorin mit diesem Buch beabsichtigen wollte? Viele Fragen entstehen am Ende des Buches. Es gibt aber keine Antworten. Ist es eine Spukgeschichte? Ist der Ghostwriter ein Geist? Denn die Dinge verschwinden nicht erst, wenn Herman und seine Frau das Haus verlassen  ...  Vieles schneidet die Autorin in der Geschichte an, ohne etwas geklärt zu haben. Ich vermute mal, sie wollte eine künstliche Spannung erzeugen, die ihr so gar nicht gelungen ist. Wirkt eher das Gegenteil, es wirkt vielmehr konzeptlos. Die Figuren wirken auf uns auch nicht überzeugend, sondern eher abgeflacht.

Wenn mir ein Buch nicht besonders gut gefällt, färbt sich das auf meine Buchbesprechung ab. Dann habe ich nicht so viel Lust, mich damit auch noch schriftlich zu befassen. Solche Bücher empfinde ich eher als unnötige Zeitfresser.

1 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
0 Punkte: Differenzierte Charaktere
0 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Sechs von zwölf Punkten.


Telefongespräch mit Anne

Gestern Abend habe ich Anne eine kurze Sprachnachricht zukommen lassen, dass ich mit dem Buch durch sei und es mich nicht wirklich berührt haben würde. Es habe mich nicht wirklich überzeugen können. Irgendwie war ich nach dieser Novelle richtig ausgehungert und teilte dies auch Anne mit, dass ich nun Lust hätte, ein anständiges Buch zu lesen. Etwas Handfestes. Ein Buch, in dem alles stimmig sei. Der Plot, die Figuren, eine natürliche Spannung, Authentizität, Humor, Tiefgang …
Anne antwortete mir, dass sie sich das vorstellen könne. Anne ist ein Fan in dem Genre Bücher über Bücher. Ich war davon überzeugt, dass sie mehr aus dem Buch herausziehen würde als ich es tat. Umso erstaunter war ich heute Morgen über ihren Anruf. Anne war nun auch mit dem Buch durch und sie hat meine Eindrücke geteilt. Ihre Sicht zu dem Buch ist hier zu entnehmen, Anne, die ein paar Details mehr als ich preisgegeben hat. .

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Taschenbuch: 160 Seiten, 8,99 €
·         Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 1 (26. November 2015)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3596196051

Und hier geht es auf die Verlagsseite. 

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Gelesene Bücher 2017: 22
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Montag, 29. Mai 2017

Sandra Lüpkes / Inselfrühling (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein Unterhaltungs- und ein klassisches Frauenbuch -  eignet sich hervorragend für die Urlaubszeit, die ja nun bald vor uns liegt ...

Am Strand liegen und schmökern. Der Schreibstil, die Figuren und die Handlungen sind einfach und flüssig. Eine willkommene Abwechslung zur etwas anspruchsvolleren Literatur. Und ein wenig Spannung gibt es in der Inselthematik auch zu erwarten.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Frühlingsgefühle bei Windstärke zwölf In Jannikes charmantem Inselhotel beginnt die Saison: Im Frühling soll für die ersten Gäste alles blitzen und strahlen und besonders einladend sein. Denn etwas ist anders in diesem Jahr: Jannike ist hochschwanger. Sie und Mattheusz erwarten Zwillinge! Die Freude ist riesig. Doch Zeit und Muße, die letzten Wochen Zweisamkeit zu genießen, haben die beiden nicht. Denn als es wegen heftiger Frühlingsstürme zu dramatischen Dünenabbrüchen am Leuchtturm kommt, gerät Jannikes geliebtes Zuhause in Gefahr. Manch einer fühlt sich sogar an den alten Fluch erinnert, der vor fast zweihundert Jahren das Ende der Insel prophezeit hat. Band 4 der erfolgreichen Inselreihe: Ob Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog oder Wangerooge – an dieser von Sandra Lüpkes so liebevoll beschriebenen Insel kommen Urlauber nicht mehr vorbei. Perfekte Strandlektüre.

Richtig gelungen fand ich die Figur Heinrich Loog, der Vater von Jannike. Von Beruf emeritierter Zahnarzt und Kieferorthopäde, der der Welt zeigen muss, wer er ist. Dabei wertet er die soziale und die ethnische Herkunft von Mattheusz ab, der polnischer Abstammung ist und seit kurzem mit Jannike verheiratet. Abgesehen hat Heinrich es hauptsächlich auf Oma Maria, die in der Küche exzellente polnische Gerichte für die Hotelgäste zubereiten kann. Die gesamte polnische Familie ist in dem Hotelunternehmen von Jannike eingebunden. Der Autorin ist es gut gelungen, diese Arroganz und die Überheblichkeit von Heinrich darzustellen, der - wie so viele Menschen - denkt, dass die eigene Kultur immer die bessere und die fortschrittlichste ist. Es kommt zu einem Konkurrenzkampf zwischen Oma Maria und Heinrich. Jede Menge peinliche Szenen sind dazu dem Buch zu entnehmen.

Jannike ist gegen ihren Vater und für die polnische Familie, die sich ihr gegenüber immer korrekt verhalten hat, bis der Vater kam und Unfrieden in die Familie bringt. Da sie hochschwanger ist, und noch dazu Zwillinge erwartet, kann sie sich nicht richtig gegen ihren Vater zur Wehr setzen. Die Konflikte eskalieren immer mehr und nehmen immer größere Formen an …

Es gibt viel zu tun auf der Insel. Es wütet ein Sturm, der die gesamte Insel zu zerstören droht. Das Inselhotel und der Leuchtturm weisen markante Sturmschäden auf. Ob die Insel noch gerettet werden kann, ist dem Buch zu entnehmen. Und hat dieser Sturm etwas mit einem Fluch zu tun? Lest selbst.

Mein Fazit zu dem Buch?

Es ist zwar schon der vierte Band der Lüpkes-Reihe, die anderen drei Bände habe ich nicht gelesen, aber man kommt trotzdem gut rein. Man hat nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Ich denke, dass man die vier Bände unabhängig voneinander lesen kann. Aber Leserinnen, die Inselbücher lieben, sollten dann doch mit dem ersten Band beginnen zu lesen, um ihren Lesegenuss bis zum Ende des vierten Bands auszuweiten.

Manchmal fand ich ein paar Beschreibungen nicht adäquat getroffen. Stürme und andere Objekte werden personifiziert. Dem ersten Sturmtief gab die Autorin den Namen Linda, die wiederum einen Bruder zu haben schien, der weitaus heftiger tobte als die Schwester, und er unter ADHS leiden würde. Diese und ein paar andere Beschreibungen haben mir so gar nicht zugesagt.


1 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Neun von zwölf Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Rowohlt - Verlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken

·         Taschenbuch: 336 Seiten, 9,99 €
·         Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag; Auflage: 1 (24. März 2017)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3499272261


Und hier gibt es eine Leseprobe.

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Rowohlt. 
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Gelesene Bücher 2017: 21
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Donnerstag, 25. Mai 2017

Simon Mason / Mondpicknick (1)

Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Mit dem Buch bin ich ein wenig zwiegespalten. Am Anfang hat es mir so gar nicht zugesagt. Ich fand die Geschichte, die ja eher an Kinder gerichtet ist, nicht wirklich glaubwürdig. Aber ich lese ja mit der Brille einer Erwachsenen, so fällt mein Urteil vielleicht anders aus als das eines Kindes.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Ein komischer Einfall war das von Papa, mitten in der Nacht und im Dunklen draußen im Park ein Picknick zu veranstalten. Aber Papa ist auch sonst seltsam in letzter Zeit. Manchmal trägt er den ganzen Tag seine Schlafsachen und manchmal ist er einfach weg, und wenn er dann nach Hause kommt, ist er noch seltsamer als vorher. Darum ist Martha diejenige, die „einen klaren Kopf bewahrt“, wie Mama immer gesagt hat. Früher war sie es, die sich um alles gekümmert hat – aber jetzt ist sie ja nicht mehr da. Also kümmert Martha sich um Tug, putzt und macht Essen. Und auch um Papa kümmert sie sich. Doch irgendwann werden Papas Probleme für Martha zu groß.„Wenn ich älter bin“, denkt Martha, „werde ich mich an dieses Mitternachtspicknick erinnern und denken, wie schön es war. Ich werde vergessen, dass ich Angst vor der Dunkelheit hatte und dass Papa komisch war. Ich werde mich an die Kerzen im Gras erinnern, die wie Flammenblumen aussahen, und an Tug, der von seinem Lieblingsauflauf träumte, und dass Papa gesagt hat, er hätte mich lieb.“

Man hat es hier mit einem alkoholisierten Vater zu tun, der seiner Verantwortung in der Kindererziehung nicht nachkommt, seit seine Frau, die Mutter der Kinder, vor zwei Jahren gestorben ist. Woran die Mutter gestorben ist, lässt der Autor offen. Er beschreibt nur kurz ein paar wenige Symptome und dass der Vater für den Tod von seinen Schwiegereltern verantwortlich gemacht wird ...

Die kleine Martha, gerade mal elf Jahre alt, übernimmt für den kleinen fünfjährigen Bruder Tug nicht nur die Mutterrolle, sondern auch die Rolle der Hausfrau und Ehefrau. Ein Eltern- und Ehegattensubstitut? Denn auch für ihren Vater sorgt Martha. Sie bewältigt alles perfekt, sodass ich mich frage, wie die kleine Martha die Schule noch bewältigen kann? Darauf geht der Autor auch nicht ein. Nur kurz wird erwähnt, dass Marthas Schule dem Vater einen Brief geschrieben hat, und ihn darüber in Kenntnis setzt, dass Martha in der Schule häufig fehlen würde …

Der Vater macht komische Dinge, die den Kindern fremd vorkommen. Erst durch eine Freundin Marthas, deren Vater auch Alkoholiker war, der sich sogar zu Tode trank, kommt Martha dahinter, dass ihr Vater tatsächlich Alkohol konsumiert. Erst wollte sie ihrer Freundin nicht glauben, da sie ihren Vater noch nie hat Alkohol trinken gesehen, bis sie sich schließlich auf die Suche macht, die Alkoholflaschen im Haus ausfindig zu machen. Sechs Flachen Whisky konnte sie finden. Der nächste Schritt führte sie in die Bibliothek, um sich über Bücher zur Alkoholsucht zu informieren …

Die Großeltern haben schon lange bemerkt, dass der Vater trinkt und seiner Sorgepflicht den Kindern gegenüber unzureichend nachkommt … Sie drohen ihm, das Jugendamt einzuschalten …

Das Alkoholproblem wird nicht besser, als schließlich ein Verkehrsunfall mit dem Auto zu einer Anzeige beim Jugendamt führte, da Marthas Vater für den Unfall verantwortlich gemacht wurde. Martha liegt im Krankenhaus mit Knochenbrüchen und einer Gehirnerschütterung ...

Die Kinder wurden schließlich dem Vater weggenommen und wurden den Großeltern zugesprochen. Dem Vater wurde durch eine richterliche Verfügung das Sorgerecht entzogen. Martha musste sich nun nicht mehr um den kleinen Bruder, um den Haushalt und um die Küche kümmern. Die Umstellung fällt ihr schwer ...

Als die Großeltern die Kinder zu sich nehmen, stellten sie erstmal jede Menge Regeln auf, nach denen sich die Kinder zu richten haben …

Was mit dem Vater wird, das Leben der Kinder bei den Großeltern, und ob sie jemals wieder nach Hause zum Vater dürfen, dies alles möchte ich nicht verraten.


Mein Fazit zu dem Buch?

Hier frage ich mich, ob der männliche Autor die Arbeiten einer Mutter- und Hausfrau nicht unterschätzt, dass er einem elfjährigen Kind diese in so einer perfekten Art und Weise zuträgt. Man gewinnt den Eindruck, dass Haushalt, Kindererziehung ... kinderleicht sei. Martha entwickelt zwar in einigen Szenen Erschöpfungssymptome wie Kopfschmerzen, aber ansonsten wurden keine Probleme beschrieben, die ein kleines Mädchen in diesem Alter mit dieser großen Verantwortung eigentlich haben müsste.

Erst als die Geschichte eine Wende bekam, fing das Buch an, mich zu interessieren. Als die Kinder bei den Großeltern lebten, wirkte die Geschichte für mich viel authentischer, sodass sie noch aufpunkten konnte, siehe unten.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck, kindgerecht
2 Punkte: Differenzierte Sichtweisen
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Titel und Cover stimmen mit dem Inhalt überein

Deshalb elf von zwölf Punkten.

Telefongespräch mit Tina:

Da Tina Gymnasiallehrerin ist, hat sie natürlich mit jungen Menschen mehr Erfahrungen als ich. Sie kann sich durchaus Kinder vorstellen, wenn auch nur wenige, die den Anforderungen, die Martha ungefragt gestellt wurden, gewachsen waren. Aber wir sind uns beide einig, dass Martha drei / vier Jahre älter hätte sein müssen, um diese Geschichte glaubhafter zu machen. Ich sprach mit Tina von meinen Erfahrungen mit psychisch kranken Menschen, dass viele darunter waren, die an den Erwartungen ihrer Eltern zerbrochen sind, weil sie dafür zu jung waren. Und dies nicht erst im erwachsenen Alter. Auffälligkeiten zeigen sich schon in jungen Jahren. Was die Eltern selbst nicht schafften, sollte das Kind für sie erledigen. Hierbei empfehle ich unbedingt das Buch von Alice Miller Das Drama des begabten Kindes.
Das Schöne an dem Jugendbuch aber war die Liebe, die der Vater für seine Kinder empfand …

Tina möchte das Buch ihrer vierzehnjährigen Tochter zum Lesen geben und wir sind beide gespannt darauf, wie die Tochter das Buch erleben wird.

Und hier geht es auf Christinas Buchbesprechung. 

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Gelesene Bücher 2017: 20
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 21. Mai 2017

Peter Walther / Hans Fallada (1)

Lesen mit Anne

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Eine sehr schöne und recht umfangreiche Biografie hat der Autor Peter Walther uns LeserInnen hinterlegt. Das ist nun zwar nicht meine erste Biografie zu Rudolf Ditzen alias Hans Fallada gewesen, aber die beste. Mein Bild, das ich von Fallada hatte, konnte nun gut abgerundet werden. Viele neue Informationen konnten sich mir Dank Walther erschließen. Eine sehr gut recherchierte Biografie mit einem Anhang von mehr als 80 Seiten.

Es ist eine sehr reiche Biografie, die zusätzlich mit vielen Fotos versehen ist und ist allen LeserInnen zu empfehlen, die mehr von Hans Fallada erfahren möchten. Ich werde mich hier auf ein paar wenige Themen beschränken, Themen, die mich sehr beschäftigt haben. Weiteres ist unbedingt dem Buch zu entnehmen.

Hans Fallada oder Rudolf Ditzen? Ich gebrauche hier den Künstlername. Wie es zu dem Künstlernamen kam, ein Pseudonym, der dazu diente, die Herkunftsfamilie zu schützen.

Mit welchen persönlichen Gedanken habe ich das Buch beendet? Damit, dass Hans Fallada ein sehr reicher Mensch war. Nicht nur materiell, sondern auch ideell. Geld und Liebe waren reich vorhanden. Aber er verspielte sein Geld, investierte es hauptsächlich in verschiedenen Drogen, und vor allem auch seine Liebe verspielte er. Er hatte viele Menschen um sich, die ihn liebten. Er aber trat auf diese Liebe, als sei sie ein schmutziger Lumpen. Ihm war das durchaus bewusst, er litt auch darunter und nahm dadurch immer wieder neue Anstrengungen in Angriff, sein Leben in positive Bahnen zu lenken, um auch seine Ehe mit seiner ersten Frau Suse zu retten. Aber er scheiterte nach jedem Besserungsversuch. Er erlitt jedes Mal erneut einen Rückfall. Ihn aber anzuprangern, ist nicht meine Absicht, denn er war Mensch und hatte massive Probleme mit dem Menschsein, mit sich selbst, mit seinen Eltern, mit der Gesellschaft und vor allem mit Frauen. Doch primär behandelte Fallada sich selbst am schlechtesten, weshalb ihn so früh, im Alter von 54 Jahren, der Tod durch eine Überdosis an Morphium ereilte. Ich fand sein Leben sehr, sehr traurig. Mir standen am Ende die Tränen in den Augen. Keine Sorge, das Buch ist nicht zu sentimental verfasst. Es ist Falladas Leben, das mich von der ersten bis zur letzten Seite sehr bewegt hat. Die letzten Seiten waren für mich die traurigsten.

Hans Fallada war schon in seiner Jugend recht auffällig und entpuppte sich zum Sorgenkind der Familie, obwohl er 1893 als erster Sohn nach zwei Mädchen der langersehnte Wunsch seiner Eltern war. Zweieinhalb Jahre später folgte ein weiterer Sohn namens Ulli, der es schaffte, die Erwartungen der Eltern zu erfüllen. Umso mehr wurde der ältere Bruder in den Schatten gestellt …

Die Eltern pflegten einen guten gesellschaftlichen Stand. Der Vater war von Beruf Kammergerichtsrat und musste sich häufig für seinen Sohn schämen ...

Auch Falladas Mutter kommt aus einer sehr gebildeten und wohlhabenden Familie. Falladas Eltern ließen den Kindern angeblich nichts fehlen, und trotzdem frage ich mich, ob die Liebe, die sie Hans gegeben haben, ausgereicht hat? Ich glaube eher nicht, da er ein Kind war, das die Erwartungen der Eltern schon recht früh enttäuschen musste.

Doch fragt man sich nach dem Sinn seines Lebens, dann habe ich als Leserin den Eindruck gewonnen, dass er diese Erfahrungen, vor allem auch die wenig guten, machen musste, weil sie zu seinem Leben gehört haben. Er wäre sonst nie der Schriftsteller geworden, der er war.

Hans Fallada war psychisch krank und dadurch auch sehr auffällig. Er litt durch schlechte Erbanlagen an schweren Depressionen und an einer Neurose. Im späteren Alter kamen noch andere psychische Belastungen hinzu, wie z.B. Psychopathie, Alkohol und Morphinabhängigkeit. Diese psychischen Probleme begleiteten ihn durch das ganze Leben. Nicht selten sehnte er sich den Tod herbei und dachte oft an einen Suizid, den er im jugendlichen Alter mit seinem Freund, der ebenso suizidale Absichten hegte, ausüben wollte …

In der Schule wurde er schon von seinen Lehrern gemobbt, weil er sich wie ein „Mädchen“ benahm. Er trug lange Haare, und bei jeder kleinsten schulischen Belastung weinte er im Unterricht sofort los. Ein Lehrer war so dreist und flocht ihm Zöpfe, indem er auch an ihnen zog. Der Lehrer machte den kleinen Hans zum Gespött der Klasse, was seine Lebenssituation schon in diesem jungen Alter negativ geprägt hat. „Dieses ewige Heulen“ bezeichnete der Lehrer als leicht schwachsinnig. Auch die Eltern hielten den Sohn für beschränkt. Dass er aber begabt war, zeigte sich, als das Kind auf eine andere Schule versetzt wurde. Er zählte auf der neuen Schule zu den besten Schülern ... Außerdem spielte Hans leidenschaftlich gerne mit Puppen ...

Schon recht früh besuchte Hans zur psychischen Stabilisierung und Genesung Sanatorien. Später wurde er durch ärztliche Anordnung in der Landwirtschaft eingesetzt, damit er durch körperliche Arbeit psychisch gestärkt werden konnte. Und hier beginnt eigentlich Falladas schriftstellerische Karriere. In diesem neuen Milieu sammelt er jede Menge Stoff für seine späteren Bücher. Er lernt die Lebensweise und den Sprachjargon einfacher Menschen kennen und internalisiert sie. Durch seine Sensibilität saugt er sie wie ein Schwamm in sich auf, sodass man den Eindruck gewinnen konnte, dass er einer von ihnen war, doch
Fallada war nie (…) einzig der >>Kleine Mann<<, für den die Leser ihn häufig hielten. Obwohl er den Standesdünkel seiner Eltern ablehnte, war ihm stets bewusst, wo er herkam, eben nicht von >>unten herauf<<.  Er hat die verschiedenen Lebenssphären kennengelernt und in ihnen den Stoff für seine Literatur gefunden. Häufig ist es die Atmosphäre der ungewaschenen Füße, wie Kurt Tucholsky es treffend nannte, die Fallada am besten einfängt. Die schrägen Typen sind es, die ihn interessieren und die er literarisch mit der größten Überzeugungskraft gestaltet. Sosehr er Teil des Milieus wird, das er schildert – nie geht er ganz darin auf, immer bleibt er im Abstand des Beobachters. (2017, 434f).

Wobei Fallada in allen seinen Büchern Biografisches miteinfließen lässt. Ein Gemisch zwischen Fiktion und Wirklichkeit ist in seinen Büchern behaftet. Auch die Figuren entsprechen Charaktere von Menschen, mit denen er im realen Leben zu tun bekam. Manche Namen tauchen aus dem realen Leben in seinen Büchern auf. Suse, seine erste Frau, nannte ihn immer Junge und Murkel ist der Spitzname seiner Tochter. Beide Namen stehen im Buch Kleiner Mann, was nun?

Fallada war ein Frauenheld. Er wurde von allen Frauen bedingungslos geliebt, aber er behandelte sie alle sehr schlecht. Weiteres ist dem Buch zu entnehmen.

Ich fragte mich zudem, wie Fallada politisch einzuordnen war? Er war 21 Jahre alt, als der Erste Weltkrieg ausbrach und 46 beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Immerhin gehörten Falladas Bücher im Nazi - Deutschland nicht zu den Büchern, die der Bücherverbrennung zum Opfer fielen. Auf den letzten Seiten fand ich für mich hilfreiche Antworten, denn es gab Episoden, wo man den Verdacht hegen konnte, Fallada würde mit den Nazis partizipieren. Ich war erleichtert, dass mein Verdacht dazu nicht erhärtet werden konnte. Aber wie kam ich denn darauf? Fallada hegte starke patriotisch-nationalistische Gefühle. Auch wünschte er, der Weltkrieg würde von Deutschland gewonnen werden, damit sein Land die Weltherrschaft erlangen könnte. Ich wunderte mich über seine politische Haltung, die doch von Nazi-Ideologien behaftet zu sein schien. Auch andere, vor allem Journalisten, haben sich gefragt:
Wie war es nur möglich, dass er – wie er selbst sagt – zu >zwölf Jahren erzwungenen Schweigens, Ertragens, ohnmächtigen Sichwehrens< verurteilte arme Fallada-Ditzen ausgerechnet während der Nazizeit literarische Erfolge verzeichnen konnte, die von kaum einem anderem Schriftsteller erreicht worden sind? (386)

Eine Antwort fand ich auf Seite 437:
Es gibt keinen Zweifel, dass der Mensch und Künstler Fallada das Nazi-Regime verabscheut hat. Und dennoch gab es Zeiten, in denen er dem Druck und der Indoktrination erlegen war. Der Essayist Johannes Gross hat mit Blick auf die Nachgeborenen einmal beobachtet: >>Je länger das Dritte Reich tot ist, umso stärker wird sein Widerstand gegen Hitler und die Seinen.<< Bücher wie das Gefängnistagebuch und Lebensgeschichten wie die von Fallada schützen vor Selbstgerechtigkeit beim Rückblick auf die Geschichte, sie schützen davor, abzustürzen auf dem schmalen Grat von moralischem Relativismus und einem wohlfeilen Urteil, das sich auf das Wissen unserer Zeit stützt.


Mein Fazit zu dem Buch?
In einer Menschenwelt muss man viel tun, um sich ein wenig Liebe zu verdienen, man ackert dafür, und es ist nicht gesagt, ob man die Liebe schließlich bekommt, nach der der Mensch so sehr lechzt. Fallada hat diese Liebe ganz umsonst bekommen. Dies hat mich sehr beschäftigt, wobei mir bewusst ist, dass im Elternhaus schon Fehlstellungen gelegt wurden, auch wenn die Eltern ihr Bestes für die Kinder gegeben haben.

Fallada hatte neben seiner schweren seelischen Erkrankung schriftstellerisch so viel Stoff in sich zu bewältigen, dass auch dies ihn noch zusätzlich bedrängte. Er musste sich leerschreiben, und damit dies möglich war, konsumierte er dabei viel Alkohol, und wenn dies nicht ausreichte, versorgte er sich noch zusätzlich mit Morphium.
Das Ungeborene, dem er noch nicht zum Leben verholfen hatte, peinigte ihn, und als vollendete sich die Welt erst im Wort, dichtete er dem Leben nach und erfand sich zu Lust und Leid seine Geschöpfe, die einzigen, die ihm etwas Licht und Lebenswärme spendeten in der lebenslangen Haft seiner grauen Vereinsamung. (437)

Und ich beende nun meine Buchbesprechung mit einem Zitat, das mir meine Gedanken zu Fallada bestätigt und das mir aus der Seele spricht:
Wir alle sind in unseren Anlagen gefangen. Die Sucht war nichts, wonach Fallada gestrebt hätte, sie hat ihn ereilt in Phasen der Schwäche, die regelmäßig und untrennbar auf Zeiten künstlerischer Anspannung folgte. (Ebd.)

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Sichtweisen
2 Punkte: Authentizität der Biografie
2 Punkte: Gut recherchierter Stoff, informativ
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Zwölf von zwölf Punkten.


Telefongespräch mit meiner Lesepartnerin Anne-Marit Strandborg:

Mit Anne hatte ich ein recht ausführliches Telefongespräch. Auch sie ist von der Biografie sehr angetan. In wenigen Punkten unterscheiden sich unsere Ansichten. Siehe Kommentare, die noch folgen werden.

23.05.2017
Nun habe ich via WhatsApp durchbekommen, dass auch Anne, die die Biografie heute beendet hat zu lesen, sich mittlerweile mit Fallada ausgesöhnt hat. Sie haderte erst wegen der komplizierten und ungerechten  Frauenproblematik.  
Hier geht es zu Annes Buchbesprechung.



Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Aufbau-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken. 

Gebunden mit Schutzumschlag, 527 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-351-03669-0 
Erschienen 2017. 
25,00 € *)
Inkl. 7% MwSt.


Und hier geht es auf die Verlagsseite vom Aufbau. 

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Gelesene Bücher 2017: 19
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86