Sonntag, 25. Januar 2015

Anita Shreve / Das erste Jahr ihrer Ehe (1)


Eine Buchbesprechung zur o.g. Lektüre

Das Buch habe ich gestern Abend ausgelesen und es hat mir sehr gut gefallen. Das ist nun das zweite Buch, das ich von der Autorin gelesen habe. Beide waren nach meinem Geschmack gut geschrieben, sodass ich Anita Shreve nun auch zu meinen LieblingsautorInnen einreihen werde.

Auch dieser Titel klingt nach einer gewöhnlichen Liebesgeschichte, das ist sie aber nicht. Anita Shreve schreibt keine gewöhnlichen Lovestorys, weshalb ich sie gerne lese.

Die Autorin nimmt zudem ihre LeserInnen mit auf Reisen. Die beiden ProtagonistInnen dieses Romans sind die jungen Eheleute Patrick und Margaret, beide kommen aus Amerika, aus Boston. Patrick ist Arzt, kommt nach Afrika, nach Kenia für ein wissenschaftliches Projekt, indem er in einem Krankenhaus Forschungen über tropische Krankheiten betreibt. Seine Frau Margaret schließt sich dieser Reise an.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Ein Jahr in Kenia: Nur wenige Monate nach ihrer Hochzeit beschließen Margaret und Patrick, sich auf ein großes Abenteuer einzulassen. Sie wollen gemeinsam nach Afrika gehen, um dort als Journalistin und Arzt zu arbeiten. Doch sehr bald erkennt Margaret, wie wenig sie von diesem fremden Kontinent weiß – und wie wenig von ihrem Mann Patrick.
Margaret ist keine Journalistin, sondern Fotografin einer politischen Zeitung. Die Texte zu den Fotos schreibt ein Journalist. Sie begibt sich in Kenia erst auf Arbeitsuche, nachdem sie erkannt hat, wie wenig wertvoll Frauen in Afrika sind. Patrick verdient eigentlich so viel, dass es für beide reicht. Margaret möchte aber nicht weiter von ihrem Mann abhängig sein, und sucht sich daraufhin erst eine Stelle als Fotografin. Margaret hat tatsächlich wenig Ahnung von Afrika und geht ein wenig naiv in diese fremde Kultur rein.

Patrick hat keine Probleme mit der Kultur Kenias, er akzeptiert sie, wie sie ist. Er hat genug inneren Abstand, kann sich davon distanzieren, was ihm die Akzeptanz erleichtert. Vielleicht gelingt ihm das besser, auch, weil er ein Mann ist und Afrika von Männern regiert wird, während Frauen so gut wie keine Rechte haben.

Man muss eine fremde Kultur verstehen lernen, um sie akzeptieren zu können, aber nicht gemessen an den Maßstäben der eigenen Kultur. Jede Kultur hat Schwächen und Stärken. Diese herauszufiltern ist eine wahre Kunst. Das können nur wenige. Während viele dort lebende weiße Menschen von oben herab auf die schwarzen Menschen schauen, gibt es doch andere, vereinzelt zwar, aber die gibt es, die versuchen, das Fremdartige wertschätzend zu verstehen. Ein Beispiel aus einem Dialog zwischen Patrick und seinem Kollegen Arthur:
"Aber sie wissen, wer sie sind", hielt Patrick Arthur entgegen. "Sie leben in einer uralten Nomadengesellschaft, die seit Jahrhunderten größtenteils intakt geblieben ist. Sie nehmen die Aufgabe sehr ernst, das Ihre zu beschützen, aber sie sind zufriedene Menschen. Sie sind weder teilnahmslos noch faul oder gelangweilt. Sie haben einen tiefen Glauben an ihre Gottheiten, Rituale und Zeremonien.""Sie haben keine Bildung", rief Arthur."Nicht unsere, das ist wahr. Aber innerhalb ihrer alten Kultur und Lebensweise sind sie gebildet." 
"Aber wir leben im zwanzigsten Jahrhundert und nicht im sechzehnten., verdammt noch mal. Der Mensch muss sich anpassen, auf die Gegebenheiten einstellen, wenn er sich weiterentwickeln will. Im Übrigen hätte ich gerade von Ihnen als Arzt eine andere Haltung erwartet, Patrick." 
Auch Margaret schafft es nicht, fair zu bleiben, steckt alle schwarzen Männer in eine Schublade, indem sie herablassend über sie spricht. Sie hasst alle afrikanischen Männer, während Patrick ihr hilft, eine differenzierte Sichtweise zu entwickeln, um nicht alle schwarzen Männer über einen Kamm zu scheren. Und tatsächlich, nicht alle schwarzen Männer missbrauchen Frauen. Es gibt auch Schwarze, die versuchen, Frauen zu schützen. Schließlich erkennt dies auch Margaret.

Margaret ist aber eine sensible Persönlichkeit, die recht schnell die Probleme der Kenianer begreift, oftmals sogar verursacht durch die weißen Menschen, die die Schwarzen zu ihren Gunsten und für ihre Bequemlichkeiten missbrauchen. Margaret setzt sich für diese schwachen Menschen ein. Sie macht Bekanntschaft mit einer jungen schwarzen Frau, die von schwarzen Männern mehrfach vergewaltigt wurde. Margaret sucht diese Frau in ihrer Hütte auf, in der sich die Frau eingeschlossen hält:
Da die Tür jetzt geschlossen war, zog Margaret die Fensterklappe hoch, um Licht hereinzulassen. Sie wollte die Scherben vom Boden einsammeln. Einen Mülleimer oder so etwas schien es jedoch nicht zu geben, deshalb legte sie sie in einem Häufchen auf das Bord. Woher bekam die Frau ihr Wasser? Wo wusch sie sich? Wo verrichtete sie ihre Notdurft? Margarets Zorn, der bisher den afrikanischen Männern gegolten hatte, richtete sich jetzt gegen die Ausländer, die ihre Bediensteten mit Hungerlöhnen abspeisten. Die wahrscheinlich nie gesehen hatten, wie diese Menschen lebten. 
Da Margaret es in diesem Land als Frau schwerer als Patrick hat, so macht sie eigene Erfahrungen, wie z.B. Frauen dürfen keine Besitztümer anhäufen, weil sie als besitzlos betrachtet werden. Und so bekam Margaret von schwarzen Männern ihren Fotoapparat abgenommen, den sie solange konfisziert hielten, bis ihr Mann Patrick das Objekt wieder abholen kam.

Margaret und Patrick schlossen sich einer Bergklettertruppe an. Leute, die den Mount Kenia bezwingen wollten. Margaret, die sich der Klettertour nur aus Liebe zu ihrem Mann anschloss, wollte eigentlich gar nicht den Berg bezwingen, sondern ihn nur besteigen so weit es geht. Hier kommt das Leistungsdenken von Menschen aus der westlichen Welt sehr gut zur Geltung. Immer auf dem Tripp sein, sich und anderen immer etwas beweisen müssen. Und wer nicht mitkommt, der wird recht schnell als Schwächling abgetan. Das Besteigen dieses Berges brachte Patrick und Margaret zu hohen Herausforderungen, die sogar ihre junge Ehe gefährdeten. Ich möchte nicht allzu viel verraten ...

Was ich schön finde, ist, dass die Autorin von den Problemen Afrikas zu schreiben weiß, wie z.B. hohe Kriminalität, Menschenrechtsverletzungen Frauen und politischen Aktivisten gegenüber, ohne die Menschen dort abzuwerten. Sie schreibt völlig wertneutral und das finde ich sehr gut, denn das zeichnet für mich hohe Literatur aus ... Magaret lernt einen Araber kennen, der über einen großen Verwandtenkreis verfügt. In dieser Familie leben Frauen mit Kopftüchern und andere laufen in Miniröcke ... 

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Eigentlich zwölf von zehn Punkten. ;-) Das Welt- und Menschenbild der Autorin hat mir sehr zugesagt, auch weil sie absolut nicht zu Stereotypen und Vorurteilen neigt. Eine Autorin, die eine bunte Welt in sich trägt. Das findet man besonders auch bei SchriftstellerInnen recht selten. Anita Shreve ist Afrikaerfahren, da sie über mehrere Jahre in Kenia journalistisch tätig war. 
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Man sollte sich an Dinge erinnern, die nie passiert sind.
(Isabel Allende)

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