Das Buch habe ich gestern Abend ausgelesen und
es hat mir sehr gut gefallen. Das ist nun das zweite Buch, das ich
von der Autorin gelesen habe. Beide waren nach meinem Geschmack gut geschrieben, sodass
ich Anita Shreve nun auch zu meinen LieblingsautorInnen einreihen werde.
Auch dieser Titel klingt nach einer gewöhnlichen
Liebesgeschichte, das ist sie aber nicht. Anita Shreve schreibt keine
gewöhnlichen Lovestorys, weshalb ich sie gerne lese.
Die Autorin nimmt zudem ihre LeserInnen mit auf
Reisen. Die beiden ProtagonistInnen dieses Romans sind die jungen Eheleute
Patrick und Margaret, beide kommen aus Amerika, aus Boston. Patrick ist Arzt,
kommt nach Afrika, nach Kenia für ein wissenschaftliches Projekt, indem er in
einem Krankenhaus Forschungen über tropische Krankheiten betreibt. Seine Frau
Margaret schließt sich dieser Reise an.
Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext
rein:
Ein Jahr in Kenia: Nur wenige Monate nach ihrer Hochzeit beschließen Margaret und Patrick, sich auf ein großes Abenteuer einzulassen. Sie wollen gemeinsam nach Afrika gehen, um dort als Journalistin und Arzt zu arbeiten. Doch sehr bald erkennt Margaret, wie wenig sie von diesem fremden Kontinent weiß – und wie wenig von ihrem Mann Patrick.
Margaret ist keine Journalistin, sondern
Fotografin einer politischen Zeitung. Die Texte zu den Fotos schreibt ein Journalist. Sie begibt sich in Kenia erst auf
Arbeitsuche, nachdem sie erkannt hat, wie wenig wertvoll Frauen in Afrika sind.
Patrick verdient eigentlich so viel, dass es für beide reicht. Margaret möchte
aber nicht weiter von ihrem Mann abhängig sein, und sucht sich daraufhin erst
eine Stelle als Fotografin. Margaret hat tatsächlich wenig Ahnung von Afrika
und geht ein wenig naiv in diese fremde Kultur rein.
Patrick hat keine Probleme mit der Kultur
Kenias, er akzeptiert sie, wie sie ist. Er hat genug inneren Abstand, kann sich
davon distanzieren, was ihm die Akzeptanz erleichtert. Vielleicht gelingt ihm
das besser, auch, weil er ein Mann ist und Afrika von Männern regiert wird,
während Frauen so gut wie keine Rechte haben.
Man muss eine fremde Kultur verstehen lernen, um
sie akzeptieren zu können, aber nicht gemessen an den Maßstäben der eigenen
Kultur. Jede Kultur hat Schwächen und Stärken. Diese herauszufiltern ist eine wahre Kunst. Das können nur wenige. Während viele dort lebende weiße Menschen von oben herab auf die
schwarzen Menschen schauen, gibt es doch andere, vereinzelt zwar, aber die gibt
es, die versuchen, das Fremdartige wertschätzend zu verstehen. Ein Beispiel aus
einem Dialog zwischen Patrick und seinem Kollegen Arthur:
"Aber sie wissen, wer sie sind", hielt Patrick Arthur entgegen. "Sie leben in einer uralten Nomadengesellschaft, die seit Jahrhunderten größtenteils intakt geblieben ist. Sie nehmen die Aufgabe sehr ernst, das Ihre zu beschützen, aber sie sind zufriedene Menschen. Sie sind weder teilnahmslos noch faul oder gelangweilt. Sie haben einen tiefen Glauben an ihre Gottheiten, Rituale und Zeremonien.""Sie haben keine Bildung", rief Arthur."Nicht unsere, das ist wahr. Aber innerhalb ihrer alten Kultur und Lebensweise sind sie gebildet."
"Aber wir leben im zwanzigsten Jahrhundert und nicht im sechzehnten., verdammt noch mal. Der Mensch muss sich anpassen, auf die Gegebenheiten einstellen, wenn er sich weiterentwickeln will. Im Übrigen hätte ich gerade von Ihnen als Arzt eine andere Haltung erwartet, Patrick."
Margaret ist aber eine sensible Persönlichkeit,
die recht schnell die Probleme der Kenianer begreift, oftmals sogar verursacht
durch die weißen Menschen, die die Schwarzen zu ihren Gunsten und für ihre
Bequemlichkeiten missbrauchen. Margaret setzt sich für diese schwachen Menschen
ein. Sie macht Bekanntschaft mit einer jungen schwarzen Frau, die von schwarzen
Männern mehrfach vergewaltigt wurde. Margaret sucht diese Frau in ihrer Hütte
auf, in der sich die Frau eingeschlossen hält:
Da die Tür jetzt geschlossen war, zog Margaret die Fensterklappe hoch, um Licht hereinzulassen. Sie wollte die Scherben vom Boden einsammeln. Einen Mülleimer oder so etwas schien es jedoch nicht zu geben, deshalb legte sie sie in einem Häufchen auf das Bord. Woher bekam die Frau ihr Wasser? Wo wusch sie sich? Wo verrichtete sie ihre Notdurft? Margarets Zorn, der bisher den afrikanischen Männern gegolten hatte, richtete sich jetzt gegen die Ausländer, die ihre Bediensteten mit Hungerlöhnen abspeisten. Die wahrscheinlich nie gesehen hatten, wie diese Menschen lebten.
Da Margaret es in diesem Land als Frau schwerer
als Patrick hat, so macht sie eigene Erfahrungen, wie z.B. Frauen dürfen keine
Besitztümer anhäufen, weil sie als besitzlos betrachtet werden. Und so bekam
Margaret von schwarzen Männern ihren Fotoapparat abgenommen, den sie solange
konfisziert hielten, bis ihr Mann Patrick das Objekt wieder abholen kam.
Margaret und Patrick schlossen sich einer
Bergklettertruppe an. Leute, die den Mount Kenia bezwingen
wollten. Margaret, die sich der Klettertour nur aus Liebe zu ihrem Mann
anschloss, wollte eigentlich gar nicht den Berg bezwingen, sondern ihn nur
besteigen so weit es geht. Hier kommt das Leistungsdenken von Menschen aus der
westlichen Welt sehr gut zur Geltung. Immer auf dem Tripp sein, sich und
anderen immer etwas beweisen müssen. Und wer nicht mitkommt, der wird recht
schnell als Schwächling abgetan. Das Besteigen dieses Berges brachte Patrick
und Margaret zu hohen Herausforderungen, die sogar ihre junge Ehe gefährdeten.
Ich möchte nicht allzu viel verraten ...
Was ich schön finde, ist, dass die Autorin von
den Problemen Afrikas zu schreiben weiß, wie z.B. hohe Kriminalität,
Menschenrechtsverletzungen Frauen und politischen Aktivisten gegenüber, ohne
die Menschen dort abzuwerten. Sie schreibt völlig wertneutral und das finde ich
sehr gut, denn das zeichnet für mich hohe Literatur aus ... Magaret lernt einen Araber kennen, der über einen großen Verwandtenkreis verfügt. In dieser Familie leben Frauen mit Kopftüchern und andere laufen in Miniröcke ...
Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
Eigentlich zwölf von zehn Punkten. ;-) Das Welt- und Menschenbild der Autorin
hat mir sehr zugesagt, auch weil sie absolut nicht zu Stereotypen und
Vorurteilen neigt. Eine Autorin, die eine bunte Welt in sich trägt. Das findet
man besonders auch bei SchriftstellerInnen recht selten. Anita Shreve ist
Afrikaerfahren, da sie über mehrere Jahre in Kenia journalistisch tätig war.
_________
Man sollte sich an Dinge erinnern, die nie
passiert sind.
(Isabel Allende)
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