Samstag, 11. Februar 2017

Amy & Isabelle (1)

Lesen mit Anne


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich bin seit gestern mit dem Buch durch. Das zweite Buch, das ich von der Autorin gelesen habe, und auch dieses hat mir gut gefallen. Allerdings ist es ein reines Frauenbuch. Ich wusste nie so recht, woran man ein Frauenbuch erkennen konnte, da ich kaum Erfahrung damit habe. Mit diesem Buch weiß ich es nun ... Allerdings ist das kein typisches Frauenbuch, verglichen mit dem, was ich so bisher darüber gehört habe. Frauenbücher, solche, die sich hauptsächlich mit trivialen Themen trivial auseinandersetzen, finden bei mir keinen Anklang. Nein, dieses hier ist eher eines aus der oberen Klasse. Aber mit diesem Frauenbuch habe ich trotzdem erstmal genug, bin ausreichend von den darin enthaltenen Frauenthemen gesättigt.

Eigentlich ist die Geschichte recht schnell erzählt, weshalb ich mich hier kurz halten werde. Annes Klappentext verrät zu viel über den Ausgang des Romans. Dies hat uns beiden die Spannung genommen, als Anne mir ihren Klappentext beschrieben hat, der anders ist als meiner, da sie nicht wissen konnte, dass ich eine andere Ausgabe besitze. Meine Ausgabe ist älter und vom Piperverlag, Annes vom btb-Verlag.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
In jenem furchtbar heißen Sommer, als Mr. Robertson die Stadt verläßt, wird Amy erwachsen. Für sie ist plötzlich nichts mehr so, wie es einmal war – am wenigsten das Verhältnis zu Isabelle, ihrer verhaßten, gleichzeitig geliebten Mutter, die mit ihr zwar unter einem Dach, aber offensichtlich auf einem anderen Stern lebt.
Die Geschichte zwischen Amy und der Mutter Isabelle ist tatsächlich recht abgekühlt. Dadurch wirkt Amy recht schüchtern und distanziert. Auch in der Schule ist sie sehr zurückhaltend und ängstlich. Obwohl sie gute Zensuren hat, hat sie immer Angst zu versagen. Besonders vor ihrem neuen Mathematiklehrer namens Robertson.

Isabelle kommt mir arg spießig vor. Permanent reglementiert sie ihre Tochter. Sie ist alleinerziehend, gibt an, dass der Vater des Kindes gestorben sei, als Isabelle noch ein Säugling war. Sie wohnte damals noch bei ihrer Mutter, die beide das Kind großziehen wollten, da Isabelle noch sehr jung war, und sie auf die Universität wollte, um auf Lehramt zu studieren. Doch dann starb Isabelles Mutter ganz plötzlich, sodass Isabelle mit der Erziehung des Kindes alleine war und sich nicht mehr in der Lage sah, ihren Studien nachzugehen und verließ schließlich die Universität ohne Abschluss. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Amy dies zu spüren bekommen hat, da Isabelle kaum berufliche Perspektiven hat, und arbeitet schließlich in einem Großraumbüro, in dem nur Frauen sitzen.

Es folgt dazu eine Szene zwischen Mutter und der Tochter:
>>Ich bin deine Mutter<<, sage Isabelle in plötzlicher Verzweiflung, >>und du hast absolut keinen Grund, so mit mir zu sprechen. Ob es dir passt oder nicht, wir wohnen im selben Haus, und ich arbeite den ganzen Tag schwer in einem dämlichen Job, für den ich total überqualifiziert bin, damit du was zu Essen in den Magen kriegst.<< Isabell hasste sich dafür, dass sie das sagte. Zu behaupten, sie sei total überqualifiziert, war eine Dummheit, und das wussten sie beide. Isabelle hatte keinen Collegeabschluss. Konnte kaum mit einer besseren Stellung rechnen als der, die sie jetzt hatte. Trotzdem - sie hatte das College nicht abgeschlossen, weil ihre Mutter gestorben war und sie niemanden hatte, der auf das Kind aufpasste. Eigentlich war es also wegen Amy, derselben Person, die jetzt von der Treppe voll Verachtung auf sie herabsah. >>Und mach nicht so ein Gesicht<<, sagte Isabelle. >>Ich würde es begrüßen, wenn du ein bisschen Anstand zeigtest in der Art, wie du mich ansiehst, und auch in der Art, wie du mit mir sprichst.<< (...) Es machte sie manchmal gereizt, an die ungeheueren Opfer zu denken, die sie (...) für dieses Mädchen gebracht hatte, und so ärgerte es sie natürlich, wenn Amy ihre Bücher zuklappte und hinausging, kaum dass Isabelle hereingekommen war. (92f)
 In einem verglasten Extraraum sitzt der Chef in den mittleren Jahren, in den Isabelle sich verliebt hat, obwohl der Chef verheiratet ist und Kinder hat. 

Da scheint sich zwischen Tochter und Mutter etwas zu wiederholen. Denn auch Amy begibt sich im Jugendalter unvorhergesehen in ein sexuelles Abenteuer. Amy ist 16 Jahre alt, als sie von ihrem neuen Lehrer Robertson sexuell verführt wird. Sie verliebt sich in ihn. Es kommt zu einem Höhepunkt, als dann der Lehrer Amy in seinem Auto bei vollem Tageslicht sexuell begehrt. Amy macht ihre ersten sexuellen Erfahrungen, die sie irritierte … Sie liegt mit freiem Oberkörper auf dem Sitz, Robertson saugt an ihren Brüsten, als er es schließlich schafft, dass Amy auch noch ihren Schlüpfer ohne große Überredungskünste runterstülpt, bis plötzlich ausgerechnet Isabelles Chef auftaucht, dem dieses fremde Auto unweit von Isabelles Haus auffällt und  nach den rechten Dingen schaut. Isabelle und der Chef sind fast Nachbarn. Es ist also kein Zufall, dass gerade er sich in Amys Nähe begibt. Als der Chef die entkleidete Amy im Auto zu sehen bekommt, und den Mann, der sich an sie herangemacht hat, ist er mächtig schockiert … So begibt sich der Chef ins Büro und stellt Isabelle zur Rede. Er ist von Amy ziemlich angewidert.

Auch Isabelle ist entsetzt, es kommt zwischen der Tochter und der Mutter zum Eklat, und die Beziehung entzweit sich nun endgültig. Die Mutter wird Amy gegenüber sogar handgreiflich … Wie die Geschichte weiter geht, soll jeder selbst lesen.


Mein Fazit?

Mich hat dieser Lehrer total angewidert, der sich an das junge Mädchen vergriffen hat. Solche Lehrer sollte man aus der Schule nehmen. Viele Männer denken, dass 15/16-jährige Mädchen erwachsene Frauen sind, weil der Körper dieser Mädchen schon ausgereift zu sein scheint. Allerdings ist die Psyche eines jungen Menschen in diesem Alter keinesfalls schon ausgereift. Amy hat sich verführen lassen, und am Ende ist sie mit ihren Problemen von ihrer Mitwelt alleine gelassen worden. Wie sie, oder ob sie damit überhaupt fertig wird, möchte ich gerne offen lassen.

Ein Frauenroman? Ich bin jetzt hier nicht auf alle Frauenthemen eingegangen. Sie zu lesen hat mir vollkommen ausgereicht, sodass ich keinerlei Bedürfnis verspüre, auch noch darüber zu schreiben.

Neben den Frauenthemen gibt es aber auch noch einen Mord an einem zwölfjährigen Mädchen. Ob Amy damit etwas zu tun hat oder nicht, auch dies lasse ich offen.  

Das Buchcover ist mir ins Auge gestochen. Es passt gut zum Inhalt des Romans. Auch den Schreibstil, wie die Autorin ihre Fäden geknüpft hat, fand ich recht kreativ.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.

Telefongespräch mit Anne:

Auch Anne hat das Buch gefallen. Die Charaktere der einzelnen Figuren haben wir ähnlich wahrgenommen. Leider kann ich nicht zu viel über unser Gespräch schreiben, denn sonst verrate ich zu viel. Aber das Gespräch war sehr schön. 

Und hier geht es zu Annes Buchbesprechung.


Weitere Informationen zu dem Buch


·         Gebundene Ausgabe: 414 Seiten
·         Verlag: Piper (2000)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3492042007
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Gelesene Bücher 2017: 06
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Sonntag, 5. Februar 2017

Elizabeth Strout / Amy & Isabelle

Lesen mit Anne

Klappentext
In jenem furchtbar heißen Sommer, als Mr. Robertson die Stadt verläßt, wird Amy erwachsen. Für sie ist plötzlich nichts mehr so, wie es einmal war – am wenigsten das Verhältnis zu Isabelle, ihrer verhaßten, gleichzeitig geliebten Mutter, die mit ihr zwar unter einem Dach, aber offensichtlich auf einem anderen Stern lebt. 


Autorenporträt
Elizabeth Strout wurde 1956 in Portland, Maine, geboren und wuchs in Kleinstädten in Maine und New Hampshire auf. Nach dem Jurastudium begann sie zu schreiben. Ihr erster Roman »Amy & Isabelle« wurde für die Shortlist des Orange Prize und den PEN/Faulkner Award nominiert. Für »Mit Blick aufs Meer« bekam sie 2009 den Pulitzerpreis, »Die Unvollkommenheit der Liebe« kam auf die Shortlist des Man Booker Prize 2016. Alle ihre Romane waren Bestseller. Elizabeth Strout lebt in Maine und in New York City.
Gelesen habe ich von der Autorin Mit Blick aufs Meer, ein historischer Roman, der bei mir recht gut abgeschnitten hat. 


Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 414 Seiten
·         Verlag: Piper (2000)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3492042007

Dieses Mal war Anne mit dem Aussuchen unserer gemeinsamen Lektüre dran. 



Samstag, 4. Februar 2017

Elena Ferrante / Meine geniale Freundin (1)

Lesen mit Tina


Ein Verriss

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe eine Nacht über das gelesene Buch geschlafen, und ich muss sagen, so wenig Positives die Autorin in ihrem Buch gebracht hat, so wenig Positives kann ich über das Buch selbst schreiben.
Denn leider kann ich mich zu dem Buch nicht der allgemeinen Beliebtheit anschließen. Ich werde hier kaum Lobeshymnen aussprechen können. Ich bin etwas von dem Buch enttäuscht, andererseits ahnte ich schon im Vorfeld, welche Themen auf mich zukommen werden. Meine Befürchtungen bestätigten sich recht schnell. Die Figuren habe ich so ziemlich bald durchschaut, auch die Ereignisse waren für mich vorhersehbar, es gab für mich keinerlei Überraschungseffekte. Ich hatte außerdem so ziemlich schnell hinter die Fassade der Icherzählerin blicken können. Mir wurde schnell klar, wie sie selbst gestrickt ist, wie ihre Denkweise und ihr Umgang mit ihrer angeblichen genialen Freundin ist, deren Ton ich unterschwellig als abfällig und den Buchtitel als zynisch empfunden habe, selbst wenn dies nicht die Absicht der Autorin war. 

Die Icherzählerin Elena kommt mir vordergründig als die einzig "Gute" im Roman vor. Elena, die glaubt allen Missständen auf den Grund zu gehen. Eine Weltverbesserin im Alleingang? Aber Elena ist mir genauso unsympathisch wie all die anderen Figuren auch. 

Kann eine Welt dermaßen schlecht sein? Wieso gibt es nicht eine Figur, die mir annähernd sympathisch war?
Kann das realistisch sein, dass alle Menschen in dem Roman gar nicht fähig sind, ihre Probleme sachlich zu lösen?
Und wo sind die anständigen Menschen? Will mir die Autorin weis machen, dass es die in Neapel nicht gibt?

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Sie könnten unterschiedlicher kaum sein und sind doch unzertrennlich, Lila und Elena, schon als junge Mädchen beste Freundinnen. Und sie werden es ihr ganzes Leben lang bleiben, über sechs Jahrzehnte hinweg, bis die eine spurlos verschwindet und die andere auf alles Gemeinsame zurückblickt, um hinter das Rätsel dieses Verschwindens zu kommen. Im Neapel der fünfziger Jahre wachsen sie auf, in einem armen, überbordenden, volkstümlichen Viertel, derbes Fluchen auf den Straßen, Familien, die sich seit Generationen befehden, das Silvesterfeuerwerk artet in eine Schießerei aus. Hier gehen sie in die Schule, die unangepasste, draufgängerische Schustertochter Lila und die schüchterne, beflissene Elena, Tochter eines Pförtners, beide darum wetteifernd, besser zu sein als die andere. Bis Lilas Vater seine noch junge Tochter zwingt, dauerhaft in der Schusterei mitzuarbeiten, und Elena mit dem bohrenden Verdacht zurückbleibt, eine Gelegenheit zu nutzen, die eigentlich ihrer Freundin zugestanden hätte. Ihre Wege trennen sich, die eine geht fort und studiert und wird Schriftstellerin, die andere wird Neapel nie verlassen, und trotzdem bleiben Elena und Lila sich nahe, sie begleiten einander durch erste Liebesaffären, Ehen, die Erfahrung von Mutterschaft, durch Jahre der Arbeit und Episoden politischer Bewusstwerdung, zwei eigensinnige, unnachgiebige Frauen, die sich nicht zuletzt gegen die Zumutungen einer brutalen, von Männern beherrschten Welt behaupten müssen. Sie bleiben einander nahe, aber es ist stets eine zwiespältige Nähe: aus Befremden und Zuneigung, aus Rivalität und Innigkeit, aus Missgunst und etwas, das größer und stiller ist als Lieben. Liegt hier das Geheimnis von Lilas Verschwinden?

Das Buch ist dermaßen düster, hat einen kafkaesken Touch, Licht scheint es in diesem Milieu, in dem die beiden Mädchen Elena und Lila aufwachsen, nicht zu geben. Selbst die Freundschaft der beiden Mädchen wirkt recht kühl und lieblos auf mich. Für mich ist das keine echte Freundschaft.

Wie kann ein Land nur bestehen, das gefüllt ist von so viel roher Gewalt? Die Figuren wirken auf mich wie Höhlenmenschen. Völlig undiszipliniert und triebhaft in ihrem Auftreten. Wie kann ein Kind in so einer geistigen Armut und emotionaler Lieblosigkeit überhaupt groß werden? Sowohl Elena als auch Lila haben ihre Kindheit überstanden, und auch die NeapolitnerInnen scheinen nicht dem Untergang geweiht zu sein. Irgendwas muss doch auch gut gewesen sein. Nur was? Aus meiner Sicht hält Elena einen recht selektiven, gefilterten Blick auf Land und Leute.

Aus meiner Sicht sind diese Darstellungen alle arg übertrieben. Nun bekommen die LeserInnen wieder das Bild vorgesetzt, das sie eh schon von den ItalienerInnen glauben zu wissen. Laut, explossiv, ungebildet, traditionell, kriminell …

Arm zu sein ist keine Schande, und nicht jeder mittellose Mensch wird durch seine Armut per se ein schlechterer Mensch.

Doch selbst die Gebildeten in dem Buch treten recht rigide und anstandslos auf.
Das Einzige, das mir an dem Buch wirklich gefallen hat, das ist das Cover.

Ich habe mit meiner Bücherfreundin Tina gelesen und wir haben recht heftig diskutiert. Ich habe einen ganz anderen Background als Tina, daher die unterschiedlichen Wahrnehmungen. Ich kenne die vielen Vorurteile, die vielen Stereotypen, den Rassismus, den viele Deutschen bewusst oder unbewusst ItalienerInnen gegenüber hegen, weshalb sie die ItalienrInnen immer wieder als Exoten beschreiben. Dabei sind das Menschen wie alle anderen auch. Ich kenne aber auch die Vorurteile und den Rassismus, den die ItalienerInnen gegenüber ihren Landsleuten hegen …

Ich weiß nicht, ob ich es tatsächlich schaffen werde, alle vier Bände von Ferrante zu lesen. Tina und ich haben jetzt erstmal beschlossen, uns den zweiten Band noch vorzunehmen, aber ich glaube nicht, dass sich an dem Erzählstil etwas verändern wird. Neugierig bin ich schon, und hoffe auf eine differenziertere Wahrnehmung der Erzählerin.


Mein Fazit?

Aus meiner Sicht wird viel zu viel Wirbel um Ferrantes Bücher gemacht. Auf www.perlentaucher.de fand ich eine Buchbesprechung, die mir aus der Seele gesprochen hat. Hierzu der Link einer Buchreporterin aus der Frankfurter Allgemeine, abgelegt auf perlentaucher, bitte runterscrollen.


Ich zitiere:
Wo zwei Mädchen im Grundschulalter die Puppe der jeweils anderen in ein schwarzes Kellerloch werfen, geht es nicht zimperlich zu. Von Beginn an spielen Unfälle aller Art eine Rolle. Menschen werden verletzt, gehen mit Messern aufeinander los oder tragen die Zeichen des Krieges noch mit sich herum. Ein Vater wirft seine Tochter aus dem Fenster. Die Jungs der Straßenbande bewerfen die Mädchen mit Steinen, und die wehren sich. Und wo das der Fall ist, kann es um literarische Verzauberung glücklicherweise nicht gehen. Die Welt, von der erzählt wird, ist dafür zu hart und zu sehr von Gewalt durchdrungen.
Außerdem ging es mir ähnlich wie dieser Rezensentin.
Ferrante mit Dickens, Proust … zu vergleichen, finde ich arg übertrieben. In Dickens Bücher gibt es neben den dunklen Gestalten auch positive, Figuren mit guten Charakteren, die man bei Ferrante erst mit der Lupe suchen muss. Die Welt in Dickens Bücher erlebte ich wesentlich authentischer und vor allem differenzierter ...

Und wie bei der Rezensentin ließ auch bei mir die Konzentration recht schnell nach, wo ich doch anfangs recht neugierig war. Tina und ich haben uns total auf das Buch gefreut, so viel Furore wurde um diese Lektüre gemacht, sodass wir uns wie von einem Virus angesteckt fühlten. Ich bin nun enttäuscht, dass mir das Buch nichts Neues bieten konnte. Ich will nicht behaupten, dass die Szenen alle unglaubwürdig sind, nein, das sind sie nicht, sie sind nur recht einseitig und undifferenziert dargestellt.   

Haben wir LeserInnen nun etwas Neues in dem Buch zu Italien und seinen Leuten erfahren?

Italien wird niemals diesen schlechten Ruf verlieren, denn dafür sorgen schon diese Art von Büchern. Und darunter leiden in dem Land viele unschuldige Menschen, anständige Leute, wenn Vorurteile, Rassismus … dadurch weiter forciert werden.

Ich musste aber an Michael Degen denken, der das Buch über den Nationalsozialismus und über die Deutschen geschrieben hat Nicht alle waren Mörder. Und so schließe ich mich Degen an und sage, liebe Leserinnen und liebe Leser, nicht alle in Neapel sind bei der Mafia, nicht alle gehen mit dem Messer aufeinander los, nicht alle Männer vergreifen sich an jungen Mädchen …

Wegen dieser mangelnden Differenziertheit in verschiedener Hinsicht bekommt das Buch von mir nur fünf von zehn Punkten.

Ich verweise zusätzlich auf den amerikanischen Spielfilm Im Teufelskreis der Armut; selbst im reichen Amerika grassiert Armut ähnlich wie in Neapel. Der Film zeigt, wie schwer es ist, diesen Kreislauf zu durchbrechen, wenn eine unmenschliche Gesellschaft nicht in der Lage ist, sozial benachteiligte Menschen aufzufangen. Und was sie alle zeigen, ist, dass viele dieser Menschen, die existentiell bedroht sind, nicht offen für Bildung sind. Das wird in dem Film deutlich, und das hat absolut nichts mit der Nationalität zu tun. 

Hier der Film.



Noch einen Gedanken hinterhergeschoben:

Falls jemand meinen italienischen Namen mit dem Buch und Neapel in Verbindung bringt, so muss ich sagen, das ist nicht das Italien, das ich kenne. Die Armut der ItalienerInnen ist mir bekannt. Ich kenne auch die korrupte Regierung, die sich auf Kosten der Leute bereichert. Die meisten ItalienerInnen, die ich kenne, sind wirklich arm, aber sie arbeiten hart für ihren Unterhalt. Die meisten ItalienerInnen, die ich aus dem Land kenne, sind sehr kinderlieb, die alles tun, um ihren Kindern eine gute Schulbildung zu ermöglichen, es sind freundliche und ehrliche Menschen. Ferrante geht gar nicht auf die politische Situation ein und meine Aufgabe betrachte ich als Leserin, auf politische Sichtweise, auf Rassismus, Klischees und Stereotypen aufmerksam zu machen. Menschen, die mich kennen, wissen aber auch, dass ich mich aber für jedes andere Land auch stark machen würde. 


Ein Nachtrag, 05.02.17:

Ich habe mir gestern Abend nochmals die Klappentexte von den übrigen drei Bänden vorgenommen. Im vierten und letzten Band steht:
Lila, die ihren Schicksalsort nie verlassen hat, ist eine erfolgreiche Unternehmerin geworden, aber dieser Erfolg kommt sie teuer zu stehen. Denn sie gerät zusehends in die grausame, chauvinistische Welt des verbrecherischen Neapels, eine Welt, die sie Zeit ihres Lebens verabscheut und bekämpft hat. 
So, nochmals eine Nacht drüber geschlafen, habe ich mich nun entschlossen, die Bücher von Ferrante nicht weiter zu verfolgen, da die Verallgemeinerungen selbst im letzten Band unverändert geblieben sind.  
Ich lese lieber meinen Proust weiter und all die anderen interessanten Bücher, die auf meinem SuB warten.   


2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
0 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus


Und hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.


Weitere Informationen zu dem Buch

D: 22,00 € 
A: 22,70 € 
CH: 31,50 sFr
Erschienen: 29.08.2016
Gebunden, 422 Seiten
ISBN: 978-3-518-42553-4 
Auch als 
eBook erhältlich

Und hier geht es auf die Suhrkamp-Verlagsseite.
______
In jedem Land sind die Dummköpfe in Überzahl.
(Marcel Proust)

Gelesene Bücher 2017: 05
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Donnerstag, 26. Januar 2017

Elena Ferrante / Meine geniale Freundin

Lesen mit Tina


Klappentext
Sie könnten unterschiedlicher kaum sein und sind doch unzertrennlich, Lila und Elena, schon als junge Mädchen beste Freundinnen. Und sie werden es ihr ganzes Leben lang bleiben, über sechs Jahrzehnte hinweg, bis die eine spurlos verschwindet und die andere auf alles Gemeinsame zurückblickt, um hinter das Rätsel dieses Verschwindens zu kommen.Im Neapel der fünfziger Jahre wachsen sie auf, in einem armen, überbordenden, volkstümlichen Viertel, derbes Fluchen auf den Straßen, Familien, die sich seit Generationen befehden, das Silvesterfeuerwerk artet in eine Schießerei aus. Hier gehen sie in die Schule, die unangepasste, draufgängerische Schustertochter Lila und die schüchterne, beflissene Elena, Tochter eines Pförtners, beide darum wetteifernd, besser zu sein als die andere. Bis Lilas Vater seine noch junge Tochter zwingt, dauerhaft in der Schusterei mitzuarbeiten, und Elena mit dem bohrenden Verdacht zurückbleibt, eine Gelegenheit zu nutzen, die eigentlich ihrer Freundin zugestanden hätte.Ihre Wege trennen sich, die eine geht fort und studiert und wird Schriftstellerin, die andere wird Neapel nie verlassen, und trotzdem bleiben Elena und Lila sich nahe, sie begleiten einander durch erste Liebesaffären, Ehen, die Erfahrung von Mutterschaft, durch Jahre der Arbeit und Episoden politischer Bewusstwerdung, zwei eigensinnige, unnachgiebige Frauen, die sich nicht zuletzt gegen die Zumutungen einer brutalen, von Männern beherrschten Welt behaupten müssen.Sie bleiben einander nahe, aber es ist stets eine zwiespältige Nähe: aus Befremden und Zuneigung, aus Rivalität und Innigkeit, aus Missgunst und etwas, das größer und stiller ist als Lieben. Liegt hier das Geheimnis von Lilas Verschwinden?


Autorenporträt
Elena Ferrante hat sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans im Jahr 1992 für die Anonymität entschieden. Ihre vierbändige Neapolitanische Saga – bestehend aus Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege und Die Geschichte des verlorenen Kindes – ist ein weltweiter Bestseller. Ab Herbst 2017 erscheinen im Suhrkamp Verlag auch Ferrantes frühere Romane Lästige Liebe, Tages des Verlassenwerdens und Frau im Dunkeln.
Das Buch scheint richtig interessant zu sein. Ich habe die ersten dreißig Seiten gelesen, und es gefällt mir richtig gut. Mal schauen, wie sich der Roman noch weiter entwickeln wird.


Weitere Informationen zu dem Buch

D: 22,00 € 
A: 22,70 € 
CH: 31,50 sFr
Erschienen: 29.08.2016
Gebunden, 422 Seiten
ISBN: 978-3-518-42553-4 
Auch als 
eBook erhältlich

Und hier geht es auf die Suhrkamp-Verlagsseite.


Mittwoch, 25. Januar 2017

John Fante / 1933 war ein schlimmes Jahr (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Wenn man 1933 liest, dann denkt man automatisch an das Dritte Reich Deutschlands. Nein, hier ist nicht das Dritte Reich Deutschlands gemeint, denn der Roman führt uns nach Amerika, wo zu dieser Zeit auch die Weltwirtschaftskrise grassierte.

Der Roman behandelt die Geschichte eines 17-jährigen Schülers namens Dominic Molise, dessen Eltern recht einfache Leute sind und die schon in der dritten Generation in Amerika leben. Schon Doms Großeltern wanderten nach Amerika aus. Der Großvater ist mittlerweile verstorben. Seine Großmutter Bettina lebt mit Doms Familie im Haus. Eine recht engstirnige, geizige alte Dame, die nicht viel von Amerika hält, und an ihren Sehnsüchten Italiens hängen geblieben ist. Doms Vater ist selbständiger Maurer und ist von Armut gezeichnet, da er als Maurer nicht wirklich gut verdient, und hoch verschuldet ist. Die Weltwirtschaftskrise erschwert die finanzielle Lage um Weiteres. Der Vater wirkt ein wenig schräg, hält an Idealen fest, mit Dom eine Vater/Sohn-Maurerfirma zu gründen, sobald Dom die Schule hinter sich gebracht hat. Dom möchte aber kein Maurer werden, er träumt stattdessen von einer Karriere als Baseballspieler. Der Vater hält nicht viel von dieser Sportart ... Irgendwie wirkt der Vater recht unsympathisch. Vielleicht auch altmodisch. Außerdem begeht er Seitensprünge, verbringt die meiste freie Zeit im Billardclub, während Doms Mutter wie ein Opfer allein zu Hause sitzt und sich die beste Mühe gibt, ihm noch zu gefallen, da der Vater für sie kaum noch emotionales und sexuelles Interesse zeigt. Dom durchschaut seinen Vater, er weiß um die Seitensprünge …

Ich fand das erste Kapitel total gut. Der Sarkasmus, die bildhafte Sprache und die Selbstreflexionen fand ich sehr bemerkenswert. Dies hat mich etwas an meine Jugendzeit erinnert. Mit 14 und 17 Jahren hatte auch ich komplett mein anerzogenes religiöses und gesellschaftlichen Weltbild auf den Kopf gestellt.

Domenic hält Selbstgespräche:
Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, wieso es so viel Böses gibt, wo Gott doch so gütig ist, oder wieso unser allwissender Gott die Menschen nach seinem Ebenbild erschafft, um sie doch in die Hölle zu schicken. (...) Dann kannst du dich zurücklehnen und dir den Kopf darüber zerbrechen, wie Gott wohl aussieht und wieso verkrüppelte Babys zur Welt kommen und wer Hunger und Tod geschaffen hat. (2016,10) 
Zu seiner Grübelei hat mir dieses Bild gefallen, als er sich auch über das Sterben und über Tote Gedanken gemacht hat:
Warum wälze ich solche Gedanken und machte die Welt zu einem Friedhof? Fiel ich von meinem Glauben ab? Oder war es, weil ich arm war? Unmöglich. Alle großen Baseballspieler waren Kinder armer Leute gewesen. (11)
Und auf Seite 19 nimmt er die ganzen Klischees auf die Schippe. Interessant, wenn Menschen fraglos Klischees, die es in einer Gesellschaft gibt, übernehmen und damit sich selbst und andere diskriminieren. Das fand ich ganz klasse. Kennen wir ja auch von uns hier in Deutschland, Vorurteile anderen gegenüber. Für alles gibt es eine Schublade. Die Mutter des Jungen, die nie in Kalabrien und Sizilien gewesen ist, spricht so abfällig über diese Menschen. Da musste ich an Astrid Lindgrens Buch denken, die klischeehaft über Amerika, Italien und Paris geschrieben hat.

Hierzu Doms Gedanken, der sich ein wenig über diese klischeehafte Denkweise seiner Großmutter und seiner Mutter belustigen tut:
Nach Grandma Bettinas Ansicht waren die Leute aus Potenza gleich nach den Amerikanern die lächerlichsten Leute der Welt. Nicht, dass Grandma jemals selber in Potenza gewesen wäre und den Ort mit eigenen Augen gesehen hätte, aber sie hat ihr ganzes Leben wilde Geschichten über die Potenzesi gehört. Weil die Abbruzzer jemanden brauchten, auf den sie hinabschauen konnten, hatten sie sich auf Potenza geeinigt; genauso, wie die Kalabresen die Sizilianer verachteten und die Neapolitaner alles südlich von Neapel verhöhnten, während die Römer sich erhaben über die Neapolitaner fühlten und die Florentiner über die Römer die Nase rümpften. Für die Abruzzen waren die Leute aus Potenza nationale Witzfiguren, als würden dort nur Zwerge in schiefen Häusern wohnen. Mein Vater grinste jedes Mal herablassend, wenn die Rede auf Potenza kam. Er hatte, Gott stehe ihm bei, versehentlich die Tochter eines Mannes aus Potenza geheiratet, aber er trug es mit Fassung und war guten Willens, ironisch über den Streich zu lächeln, den ihm das Schicksal da gespielt hatte; auch hatte er jederzeit die Größe, seiner Gattin ihre Eltern zu verzeihen (…) Mama hielt ein Ohr an Grandma Bettinas Tür, dann schnalzte sie nachsichtig mit der Zunge - denn die Leute aus Potenza schauten ihrerseits auf die Abbruzzer hinab. 
>>Sie meint es ja gut, das arme alte Ding<<, sagte Mama. >>Sie hat so ein schweres Leben gehabt … Alle diese Leute.<<
>>Was für Leute?<<
>>Die aus den Abbruzzen. Kein Wunder, dass sie so grob und schlecht gelaunt sind. Dort gibt es nichts als Felsen und ein paar Ziegen und kein elektrisches Licht. Wie in Kalabrien und Sizilien und all die armen Gegenden.<<
Meine Mutter war nie dort gewesen. War niemals irgendwo gewesen außer in einem Mietshaus am Rand von Chicago. (19)
Diese Textstellen fand ich höchst interessant.


Mein Fazit?

Es ist mir bekannt, dass Italien ein Land ist, in dem die ItalienerInnen Rassimus gegen die eigenen Landsleute hegen. Ich kenne kein anderes Land mit solch einem Rassismus, wie er in Italien "zelebriert" wird. Aber es stellt sich mir die Frage, wenn schon Doms Mutter Italien noch nie gesehen hat, was ist da schief gelaufen, dass sie die Identität als Italienerin übernommen hat? Kulturunreflektierte Menschen hinterfragen das Welt- und Menschenbild nicht in komplexer Form, sie übernehmen somit die Identität ihrer Eltern, die Identität, die ihnen anerzogen wurde. Dies ist aber bei den meisten Menschen, was die Identitätsentwicklung betrifft, nicht anders …

Den Schluss, der für Überraschungen sorgt, mit denen man partout nicht gerechnet hat, fand ich genial. Und auch das Nachwort habe ich mit großem Interesse gelesen, weil Alex Copus wichtige Informationen über die Entstehung und weitere Hintergründe dieses Romans gegeben hat.


2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Die Klischees und die Vorurteile gehören zu dem Inhalt dieses Romans.

Zehn von zehn Punkten.

Und hier geht es zu der Leserunde auf der Seite von Watchareadin.


Weitere Information zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim Forumsbetreiber des Watchareadin für sein Engagement bedanken, durch den wir im Forum dieses Buch erhalten haben. Das Buch wird derzeit in der Leserunde gelesen, an der ich auch beteiligt bin, aber aufgrund unvorgesehener privater Missstände fehlt es mir gerade an Zeit, mich stärker an der Leserunde zu beteiligen. Werde mich aber morgen anschließen können.

Ich werde später hier auf dieser Seite eine Verlinkung zu dem Forum und der Leserunde vornehmen.

Aber ich pflege auch gerne Gedanken, die andere nicht haben. Ich werde also nicht alles, was ich hier geschrieben habe, in die Leserunde übertragen. 

Einen kurzen telefonischen Austausch hatte ich auch wieder mit meiner Lesefreundin Tina, die ebenfalls an der Leserunde beteiligt ist. Auch Tina ist von dem Buch recht angetan gewesen, und ich habe es wieder genossen, mich mit ihr auszutauschen. Unsere Beobachtungen waren recht ähnlich. 

Ein großes Dankeschön auch an den Aufbau-Verlag, der uns dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. 

Und hier geht es per Mausklick auf die Verlagsseite von Aufbau.

Übersetzt von Alex Capus
Gebunden mit ausklappbarem Vorsatz, 144 Seiten
Blumenbar, erschienen 14.11.2016
978-3-351-05031-3 
16,00 € *)Inkl. 7% MwSt.
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Gelesene Bücher 2017: 04
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Montag, 23. Januar 2017

John Fante / 1933 war ein schlimmes Jahr

Klappentext
Gefangen in einer Kleinstadt am Fuß der Rocky Mountains in den dreißiger Jahren, wünscht sich der 17-jährige Dominic Molise nichts mehr, als ein Baseball-Star zu werden. Die großen Siege, die große Anerkennung, die große Liebe. Aber er kämpft stattdessen mit der italienischen Herkunft seiner Eltern und dem Druck, im Familienbetrieb mitzuarbeiten. Ziegelsteine zu stapeln ist nichts für ihn. Sein Vater hingegen versucht ihn vor dem unausweichlichen Scheitern zu bewahren und zu überzeugen, statt des Baseballschlägers doch lieber eine Maurerkelle in die Hand zu nehmen. Seine Mutter weiß sich nicht besser zu helfen, als zu beten. Aber Dominic hört nicht auf zu träumen.


Autorenporträt
John Fante, geb. 1909 in Denver als Sohn italienischer Einwanderer, zog als Mittzwanziger nach L.A. In einer Stadt, die aus Filmträumen bestand, war er mehr als fehl am Platz, und so entstand sein unnachahmlicher Stil aus innerer Zerrissenheit, Großmut und erlösenden Rachegelüsten. Sein erster Roman „Warte auf den Frühling, Bandini“ wurde 1938 veröffentlicht, im Jahr darauf folgte „Warten auf Wunder“. Er starb 1983 an einer Folge seiner Diabetes-Erkrankung. Posthum verlieh man ihm den PEN Award für sein Lebenswerk.
Ich muss gestehen, ich habe das Buch schon ausgelesen und werde mich morgen auf unsere Leserunde im Bücherforum Watchareadin darauf beziehen.

Ich habe das Buch arg klischeehaft empfunden, aber es ist ja bekannt, dass Menschen, gleich welcher Herkunft, sich selbst mit Stereotypen, die sie in einer Gesellschaft erleben, diskriminieren. Aber der Schluss und das Nachwort hat mich ausgesöhnt, denn da wurde es deutlich, wie kritisch der Autor mit diesen Klischees umgegangen ist. 

Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen.

Eine Buchbesprechung folgt noch. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Und hier geht es per Mausklick auf die Verlagsseite von Aufbau.

Übersetzt von Alex Capus
Gebunden mit ausklappbarem Vorsatz, 144 Seiten
Blumenbar, erschienen 14.11.2016
978-3-351-05031-3 
16,00 € *)Inkl. 7% MwSt.






Sonntag, 22. Januar 2017

Amos Oz / Judas (1)

Internationaler Literaturpreis 2015

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Mir hat das Buch von Amos Oz sehr gut gefallen. Zwischen den Seiten haften wieder mal jede Menge Blättchen, und ich muss mich noch entscheiden, welche ich bearbeiten möchte. Amos Oz hat nicht nur den Literaturpreis von 2015 verdient, nein, er hätte auch den Friedensnobelpreis bekommen sollen. Der Autor beschreibt in diesem Buch die religiösen und die territorialen Problematiken zwischen Juden und Arabern, die zum sinnlosen Blutvergießen führen. Beide Parteien hätten das Recht auf Grund und Boden, doch beide Parteien lassen von ihrem Glauben nicht ab, ein alleiniges Vorrecht für dieses Land zu haben. Was mir sehr gut gefallen hat, ist, dass der Autor hier nicht die Partei für die Juden oder für die Araber ergreift. Mit Hilfe seiner Figuren setzt er sich mit dieser Thematik in verschiedenen Perspektiven kritisch auseinander. Es gibt Figuren, die Argumente aus der Sicht der Juden anbringen, die im Glauben sind, ihnen stehe der Boden zu für die Bildung eines jüdischen Staates. Verschiedene Bürgerkriege werden im Buch aufgezeigt. 1948 findet der Nahostkrieg statt, in dem Walds Sohn umgekommen ist, und zeigt die Sinnlosigkeit des Krieges auf, der wie alle anderen (Bürger)-Kriege auch, viele Opfer fordert. Dieses sinnlose Blutvergießen und dieses sinnlose Sterben und die Unfähigkeit, sich für die Gleichheit aller Menschen einzusetzen, macht der Autor immer wieder in seinem Buch deutlich. Es gibt Figuren, die sehr wohl diese Sinnlosigkeit einsehen, weshalb sie für die Gründung eines gemeinsamen Staates sind, in dem sowohl Juden als auch Araber brüderlich und freundschaftlich zusammenleben können. Aber das sind eher die Ausnahmen.

Das Buch beinhaltet auch eine interessante Liebesgeschichte zwischen dem jungen Schmuel Asch und der viel älteren Atalja Abrabanel, die unter den Folgen des Bürgerkrieges von 1948 leidet. Atalja gibt sich Schmuel gegenüber sehr geheimnisvoll. Ich persönlich fand Atalja eine sehr interessante Persönlichkeit, die auf mich trotz ihrer kühlen Art sehr sympathisch wirkte. Auch sie äußert ihre persönlichen politischen/religiösen Ansichten, die ich mir unbedingt rausschreiben muss. Die Geschichte in diesem Roman spielt sich im Winter 1959 / 1960 ab. Atalja ist gezeichnet, da sie ihren Mann 1948 im Unabhängigkeitskrieg, im Nahostkonflikt verloren hat. Sie bekundet Schmuel schließlich ihre Trauer, aus der ersichtlich wird, weshalb sie sich Männern gegenüber reserviert gibt.
Jeden Tag sehe ich ihn. Jede Nacht. Jeden Morgen. Ich mache die Augen zu und sehe ihn. Ich mache die Augen auf und sehe ihn. Ich habe weiter hier gelebt, mit den beiden Großvätern, die nie Großväter werden würden, und ich habe beide gepflegt. Was war mir sonst geblieben? Männer zu lieben, das ist unmöglich. Ihr habt schon seit Tausenden von Jahren die Macht über die Welt, und ihr habt sie in ein Ort des Schreckens verwandelt. In ein Schlachthaus. Vielleicht kann man euch wirklich nur benutzen. Manchmal sogar Mitleid mit euch haben und versuchen, euch ein bisschen zu trösten. Wofür? Ich weiß es nicht. Vielleicht wegen eurer Unfähigkeit. (2015, 207)
Schmuels Liebe konnte von Atalja nicht erwidert werden. Je mehr sie sich Schmuel gegenüber abweisend verhält, desto mehr fühlte sich Schmuel zu ihr hingezogen. Bis auf wenige Nachtspaziergänge und Kinobesuche blieb diese Liebe recht einseitig. Was Männer beträfe, so habe Atalja nach dem Tod ihres Mannes keinerlei Wünsche.
Wozu auch? Männer kämen ihr fast immer kindisch vor und trieben in einem ständigen Strom von Erfolgen und Siegen, ohne die sie versauerten oder verwelkten. (98)
Atalja nahm kein Blatt vor dem Mund, wenn es darum geht, Schmuel den Spiegel vorzusetzen. Atalja gelingt es immerzu, hinter die Fassade eines Menschen zu schauen.
Du (…) bist entweder ein begeisterter, lauter Hund, der herumtobt und sich anschmiegt, sogar, wenn du im Sessel sitzt, scheinst du immerfort deinem Schwanz hinterher zu laufen, oder du bist das Gegenteil, du liegst tagelang im Schlafzimmer herum wie eine ungelüftete Zudecke. (Ebd)
Atalja und ihr Schwiegervater Wald waren gegen den Krieg und gegen die Gründung eines israelischen Staates. Jüdische Menschen dieser Art machen sich bei ihren Landsleuten zu Feinden, da sie als die Verbündeten der Araber bezeichnet werden.

Interessant fand ich auch die Figur Wald, ein älterer Mann, der mittlerweile pflegebedürftig ist. Schmuel bricht aufgrund verschiedener ungünstiger Umstände seine Zelte ab, folgt einer Annonce, die zu Wald und Atalja führt. Atalja ist Walds Schwiegertochter. Schmuels Aufgabe ist es, mit Wald Diskussionen zu führen. Kritische Diskussionen. Eigentlich sollte Schmuel Asch Wald immerzu widersprechen, damit Wald sich nicht langweilen würde. Auch hier findet man interessante Argumente.
Wenn wir die Welt nur einen Tag lang von allen Religionen und allen Revolutionen befreien könnten – von allen, ohne Ausnahme -, dann würde es weniger Kriege auf der Welt geben, das verspreche ich Ihnen. Immanuel Kant hat geschrieben: >Aus so krummem Holz, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts Gerades gezimmert werden.<
Wir sollten nicht versuchen, ihn zu schleifen und zu hobeln, damit wir nicht bis zum Hals im Blut stehen. (77f)
Im Buch wird zudem Jesus aus der Sicht der Juden behandelt. Jesus sei aus Fleisch und Blut gemacht, sei ein Mensch wie jeder andere auch. Kein Prophet, wie ihn die Christen feiern. Auch hier werden verschiedene Perspektiven behandelt.


Mein Fazit?

Man bekommt es hier mit recht vielen Sichtweisen zu tun, sodass man als Leserin nicht in eine Ecke gedrängt wird, nein, man wird gefordert, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Aber nicht nur die vielen tollen Gedanken haben mir gut gefallen, auch den Schreibstil finde ich sehr bemerkenswert, den ich als recht fantasievoll erlebt habe, siehe auch obiges Zitat. Schmuel, eine rastende Figur, die schwer zur Ruhe kommt, weil sie sich von ihren Schicksalsschlägen getrieben fühlt, beschreibt sich Atalja gegenüber als einen Menschen, der sich selbst hinterherrennen würde. Dieses Bild hat mir so gut gefallen.
Des Weiteren ist hier das Wissen mit Weisheit gepaart ...

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus


Zehn von zehn Punkten. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Suhrkamp - Verlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.

Gebunden: 22,00 € 
Erschienen: 07.03.2015
Suhrkamp 332 Seiten
ISBN
3518424793 
Auch als eBook erhältlich

DIeses Buch ist am 11.04.2016 auch als Taschenbuch erschienen.

Und hier geht es auf die Verlagsseite vom Suhrkamp / Insel.

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