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Sonntag, 1. April 2018

Michael Hugentobler / Louis oder der Ritt auf der Schilkröte (1)

Coverbild Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte von Michael Hugentobler, ISBN-978-3-423-28152-2
Lesen mit der Leserunde auf Watchareadin

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Hinter dem Buchtitel lässt sich ein Abenteuerroman vermuten, und nicht nur das, sondern auch etwas Skurriles. Denn auf einer Schildkröte zu reiten stelle ich mir unmöglich vor. Sicher gibt es Schildkröten mit großen Panzern, aber ob man darauf reiten kann, aus meiner Sicht, nein, da sie von der Geschwindigkeit her viel zu langsam sind. Dies klärt sich im Verlauf der Geschichte von selbst. Das Cover an sich finde ich wunderschön. Da hat sich der Verlag etwas einfallen lassen. Nicht so ein Nullachtfünzehn-Cover, wie man es immer häufiger auf dem Buchdeckel zu sehen bekommt, das außerdem leicht austauschbar ist.

Ein Abenteuerroman? Ich habe ihn eher als einen Reiseroman erlebt.
Bevor ich mit dem Buch angefangen habe zu lesen, fragte ich mich, wer Louis sein könnte? Louis hieß ursprünglich Hans Roth und ist in der Schweiz 1849 in den Bergen geboren. Weil Hans eher kleinwüchsig auf die Welt gekommen ist, und sein Kopf im Verhältnis dazu recht groß wirkte, hatte seine Mutter ihn abgelehnt. Sie konnte sich keine Zukunft für Hans vorstellen, und gibt ihrem Kind immer wieder zu verstehen, dass er in der Welt überflüssig sei.

Hans ist ein Arbeiterkind, der Vater war von Beruf Kutscher, als dieser vier Jahre nach seiner Geburt zusammen mit der Kutsche von den Bergen stürzte …
Hans wurde von anderen Kindern wegen seines Aussehens mit Zwerg vom Berg gehänselt, doch er ließ sich nicht unterkriegen. Mit 14 Jahren zog er von zu Hause aus, um von Ort zu Ort die Welt zu bereisen. Zu Hause hielt ihn nichts mehr.

Mit seinem Namen Hans Roth fühlte er sich unwohl, weshalb er in eine andere Identität namens Louis Montesanto schlüpfte. Wie es dazu kam, ist dem Buch zu entnehmen.
Louis Montesanto machte sich einen Namen als ein französischer Weltenbummler, der Reiseberichte über die Aborigines Australiens geschrieben hat. Niemand stellte seine Berichte infrage, alle glauben ihm, bis eines Tages Lügen aufgetischt werden. Louis Montesanto entpuppte sich nicht nur zu einem wissbegierigen und weisen Menschen, er entpuppte sich auch zu einem hochnäsigen Hochstapler. Schon auf den ersten Buchseiten wird man mit seinen Lügen konfrontiert, nicht nur, was der Inhalt seines Referates betrifft, sondern auch seine geschwindelte Identität, sodass Hans Roth aus dem Saal fliehen musste …

Hans Roth ist zwar eine fiktive Figur, doch sie ist angelehnt an Louis de Rougemont, ein Schweizer, ein Abenteurer, den es tatsächlich gegeben hat. Dieser reale Louis wurde 1847 geboren und starb 1921. Ich kann nicht mehr sagen, wo ich das nachgelesen habe …
Mehr möchte ich nicht verraten. Alles Weitere wird in der Leserunde besprochen. Aber Vorsicht, wer nicht zu viel im Vorfeld über dieses Buch erfahren möchte, diesen LeserInnen rate ich von der Leserunde ab.

Mein Fazit?
Mir kamen die Figuren alle ein wenig kühl vor. Ich hatte Mühe, sie zu verinnerlichen. Aber später schließlich, als ich mehr Hintergrundwissen hatte, konnte ich mich besser in diese Figuren hineinversetzen.
Hans Roth/Louis Montesanto ist absolut kein Sympathieträger aber für das, dass er ohne Mutterliebe aufwachsen musste, hat er das Beste aus seinem Leben zu machen gewusst. Wenn es nach seiner Mutter gegangen wäre, hätte Hans Roth vor der Gesellschaft wegen seines äußeren Erscheinungsbildes im Haus versteckt werden müssen.

Mir persönlich hat ein wenig die Authentizität der Figuren gefehlt. Viel zu kühl, viel zu distanziert kommen mir die Figuren rüber.Man hätte mehr erfahren sollen, was in den ProtagonistInnen innerlich vorgeht, weshalb sie handeln wie sie gehandelt haben ... Oder was sie denken? Was sie fühlen? Dadurch habe ich die Lesefreude vermisst. Viel zu kopflastig. 

Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
0 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
10 von 12 Punkten

Weitere Informationen zu dem Buch

Vielen Dank an Watchareadin und an den dtv-Verlag für dieses Leseexemplar.

  • Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft; Auflage: Originalausgabe (9. März 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3423281529

Hier geht es zur Leserunde. 
Hier geht es auf die Verlagsseite vom dtv.


   Und hier die audible Version auf Youstube. Der Autor liest selbst.



___________________
Da war kein Ort auf der Welt,
den Louis lieber mochte als die Hauptstadt.
Es war nicht der Reichtum,
es war die Vielfalt.
(Aus: Louis oder der Ritt auf der Schildkröte)

Gelesene Bücher 2018: 14
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Montag, 2. Oktober 2017

John Williams / Nichts als die Nacht (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Was für ein Buch. Eine sehr gut geschriebene Erzählung.

Ich werde nun meine Posts von der Leserunde hier einfügen, damit ich nicht alles neu schreiben muss. Außerdem ist in der Leserunde noch viel nachzulesen für alle, die mehr über das Buch erfahren möchte. Aber Vorsicht, es wird dort viel verraten, damit tue ich mir oftmals schwer, über den Inhalt so zu sprechen, ohne zu viel vom Inhalt preis zu geben ...

Morgen ist Feiertag, und so werden die anderen TeilnehmerInnen sich der Runde noch anschließen.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Das Leben des jungen Arthur Maxley scheint beherrscht von Müßiggang und einem nie verwundenen Trauma aus der Kindheit. Einen Abend, eine Nacht lang, folgen wir Arthur. Zunächst zu einem Dinner mit seinem Vater, den er viele Jahre nicht gesehen hat. Etwas Schwerwiegendes steht zwischen ihnen, Schuld und Scham lasten auf dieser Begegnung, deren hoffnungsloses und abruptes Ende einen Vorgeschmack gibt auf das verheerende Finale dieser Nacht. Die Straßen und Bars des nächtlichen San Francisco sind die Kulisse, vor der sich Arthurs innerer Abgrund auftut. Während er der sinnlichen Verführung durch eine fremde Schöne nachgibt, enthüllt sich Arthurs ganze existenzielle Not: Sein Begehren ist tiefer, als dass erotische oder sexuelle Erfüllung es befriedigen könnten.

Mir ging es ähnlich wie meiner Mitstreiterin Anne Parden. Bin auch nicht so leicht in die Geschichte reingekommen und hatte schon die Befürchtung, aus Arthurs dunklem Traum nicht mehr rauszukommen. Aber die Wende kam ja ziemlich bald. Auf den ersten Seiten lernen wir Arthur kennen, in seiner dunklen Welt lebend und recht einsam. Man spürt als Leserin, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt.  Außerdem hat mich die Einsamkeit des jungen Arthurs betroffen gestimmt. Sehr sprachgewaltig habe ich diese Szene bzw. diese Beschreibung erlebt.
Und während er so an diesem Hochsommerabend durch überfüllte Straßen ging, überfüllte ihn jene, die man nur in der monströsen Unpersönlichkeit einer Menschenmenge empfinden kann, dieses unvergleichliche Gefühl puren Alleinseins, wie man es unter keinen anderen Umständen spürt. Die einsame Gestalt in der sich kaum veränderten Weite einer Wüste ist nicht so allein, wie man sich in der Unendlichkeit einer überfüllten Stadt verloren fühlen kann. (...) Die aberhundert fremden Leiber, die unwissentlich streifen, die aberhundert fremden Blicke, die auf sein Gesicht fallen, ohne es zu sehen oder zu erkennen, die Stimmen, die um ihn herum und über ihn hinwegreden, nie aber mit ihm - darin liegt wahre Einsamkeit. (2017,84)

Man bekommt schnell mit, dass der junge Arthur seine Mutter wohl verloren haben muss. Man weiß aber noch nicht, was tatsächlich passiert ist. Man nimmt an seinen Gedanken teil, an seinen Erlebnissen mit der Mutter, an die er sich süßlich erst zurückerinnert in der Art, wie ich es von Proust kenne ... Dann die Angst vor dem Vater, oder vielmehr die Abneigung gegen ihn. Man muss weiterlesen, um mehr Klarheit zu bekommen, denn so scheint es, dass beide vor irgendetwas davonlaufen. Die Beziehung zwischen dem Vater und Arthur scheint auch gestört zu sein.

Zwischendrin besucht Arthur ein Tanzlokal, in dem Striptease auf der Bühne auftreten. Nun ist er unter Menschen, lernt Claire kennen, und doch fühlt er sich nicht wohl. Er sehnt sich danach, wie Blinde und Gehörlose zu leben, die die Welt von innen erfassen, und sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen … Arthur fühlt sich zu Claire hingezogen. Findet an ihr Seiten, die ihn stark an seine Mutter erinnern lassen. Nach der Tanzparty gehen sie gemeinsam zu Claire nach Hause und dort passieren Dinge, mit denen man als Leserin nicht gerechnet hätte.

Auch mit der Art des Ausgangs habe ich nicht gerechnet. Nun ist es raus, was mit der Mutter passiert ist. Nun ist es raus, weshalb Arthur ein so einsamer Mensch ist, der sich in einer dunklen Welt am wohlsten fühlt, so scheint es. Das Ende erlebte ich als sehr schockierend und stimmt mich sehr nachdenklich. Da dies eine relativ kurze Erzählung ist, möchte ich nicht zu viel verraten.

Aber es bleiben auch Fragen offen. Nicht alles konnte geklärt werden ... 

Mein Fazit?
Super Schreibstil, super Themen, sodass ich von dem Autor noch die anderen Bücher lesen möchte. John Williams verfügt über fundierte Kenntnisse der Psychologie, ist literarisch sehr sprachgewandt und versiert, er schafft es, so schwere Themen wie diese auf wenigen Seiten zu packen. Auch das Nachwort von Simon Strauß fand ich sehr hilfreich und sehr interessant, gibt von dem Autor auch etwas Biografisches kund.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkten


Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim Forumsbetreiber Helmut Pöll für sein Engagement bedanken, dieses Leseexemplar erfolgreich beim dtv Verlag angefragt zu haben.
Ein großes Dankeschön geht auch an den dtv-Verlag, der uns UserInnen die Lesexemplare hat zukommen lassen.

·         Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
·         Verlag: dtv Verlagsgesellschaft; Auflage: Deutsche Erstausgabe (8. September 2017)
·         Sprache: Deutsch, 18,00 €.

Und hier geht es auf die Verlagsseite vom dtv. 
Und hier geht es auf die Website von John Williams. 
Und hier geht es zu der Leserunde von Watchareadin
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Gelesene Bücher 2017: 42
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