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Montag, 22. Januar 2018

Benedict Wells / Fast genial (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein wundervolles Buch. Zusammen mit Vom Ende der Einsamkeit sind das die beiden besten Bücher von Benedict Wells. Und was für ein interessantes Thema. Da ich den Klappentext nur oberflächlich gelesen und schnell wieder vergessen habe, habe ich mit dieser Thematik, Retortenkinder, nicht gerechnet.

Wells schreibt, dass das Buch nach einer wahren Geschichte verfasst wurde. Es hätte mich interessiert, wie er zu seinem Stoff gelangt ist. Im Nachwort gibt es dazu nur sehr wenige Informationen.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
»Ich hab das Gefühl, ich muss meinen Vater nur einmal anschauen, nur einmal kurz mit ihm sprechen, und schon wird sich mein ganzes Leben verändern.« Die unglaubliche, aber wahre Geschichte über einen mittellosen Jungen aus dem Trailerpark, der eines Tages erfährt, dass sein ihm unbekannter Vater ein Genie ist. Gemeinsam mit seinen Freunden macht er sich in einem alten Chevy auf die Suche nach ihm. Eine Reise quer durch die USA – das Abenteuer seines Lebens.

Auf den ersten Seiten habe ich geglaubt, es mit einem psychiatrischen Thema zu tun zu bekommen. Aber die Richtung änderte sich bald.

Die Handlung spielt in Clymont, ein Provinznest an der Ostküste Amerikas. Der Held dieser romanhaften Erzählung ist der noch 17-jährige Francis Dean, der unter der psychischen Erkrankung seiner 40-jährigen Mutter namens Katherine Angela Dean leidet. Francis ist vaterlos, er weiß nicht mal, wer sein Erzeuger ist, da sich darüber seine Mutter bedeckt hält. Es existiert ein Stiefvater ... Katherine Angela kommt aus einem Elternhaus, das ihr wenig psychische Stabilität geboten hat, und so reißt das damalige junge Mädchen von zu Hause aus …

Obwohl Katherine es zu einem Jurastudium gebracht hat, bricht sie ihre akademische Ausbildung aufgrund psychischer Instabilität wieder ab und macht eine Lehre als Sekretärin.

Später heiratet sie Ryan Wilco und nimmt Francis mit in die Ehe. Vier Jahre später bekommt sie von Ryan ein Kind, Nicky, mittlerweile 13 Jahre alt. Als die Ehe auseinanderbricht, ziehen Francis und seine Mutter in einen Wohnwagen auf dem Trailerpark. Francis kleiner Halbbruder Nicky bleibt beim Vater, doch der Kontakt zwischen den beiden Halbbrüdern bleibt bestehen.

Francis Mutter ist nicht in der Lage, für den Unterhalt zu sorgen, sodass Francis diese Verantwortung mit Nebenjobs nach der Schule übernimmt. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung verliert die Mutter immer wieder ihre Arbeitsstelle. Sie leidet an einer bipolaren Störung schizzoaffektiver Art mit einer deutlichen Suizidgefährdung.

Auch ist es Francis, der für eine psychiatrische Klinikeinweisung sorgt, wenn die Mutter seelisch zusammenbricht.

In dieser Klinik lernt er die etwas ältere Patientin Anne-May kennen, und wie soll das anders sein?  Er verliebt sich in sie. Zwischen ihnen beiden entwickelt sich eine nicht ganz einfache Bindung …
Anne-May ist eine junge Frau mit vielen Geheimnissen. Sie tischt Francis ein paar unwahre Geschichten auf …
Als Francis' Mutter auf der Station einen Suizidversuch verübt, hinterlässt sie ihrem Sohn einen Abschiedsbrief, in dem er erfährt, wer sein leiblicher Vater ist.

Nun beginnt das Abenteuer durch ganz Amerika. Francis begibt sich auf die Suche nach seinem Vater. Aus dem Brief hat er erfahren, dass er ein geistiges Genie sei, der auf der Genie-Samenbank sein Sperma hinterlassen habe und Francis ein Retortenbaby sei.  Er benötigt für diese Reise viel Geld und bekommt letztmalig von seinem Stiefvater 5000,00 Dollar ausgehändigt. Mit dieser Summe macht er sich auf diese Reise …

… Doch nicht allein. Sein bester Freund Grover und Anne-May begleiten ihn mit Grovers Auto. Um mitzufahren musste Anne-May aus der Klinik ausbrechen, und so trickst sie ihren Krankenpfleger aus  …

Monroe ist der Gründer dieser Genie-Samenbank. Er eröffnete Anfang der 1980er Jahre in Los Angeles die Monroe-Klinik. Dieser Herr verfolgte das Ziel, für eine bessere Welt mehr Genies zu produzieren, und so kaufte er den Samen von Wissenschaftlern und Nobelpreisträgern, um die Dummheit in der Gesellschaft auszumerzen. Denn nur Dumme würden viele Kinder in die Welt setzen, während Akademiker oft ohne Nachkommen seien. Mit Hilfe der Genies sollen auch Kriege ausgerottet werden …

Francis kann es kaum abwarten, endlich seinen Vater zu finden, der einen IQ von 170 haben soll, Cello spielt und Haward-Absolvent ist. Zu wissen, dass sein Vater eine hoch entwickelte Persönlichkeit ist, hebt sein Selbstbewusstsein deutlich an. Zuvor hat er sich eher als ein Versager, als ein Verlierer der Gesellschaft gesehen. Die Schule schafft er nur mühsam. Wo ist denn nun sein geistiges Potenzial? Sein super Gen? … Nun hat er Hoffnung, dass er über die Gene seines Vaters neue Chancen bekommt. Ein kleines Zitat aus dem Brief der Mutter:
Und so kam es, dass ich nach einer längeren Testphase für geeignet erklärt wurde und in der Monroe-Klinik den Samen eines genialen Menschen eingepflanzt bekam. Neun Monate später kamst du zur Welt. Mein kleines Genie. (76)

Er macht sich von den Genen seines Vaters abhängig ... Francis litt zuvor unter einem massiven Vaterkomplex; soll das nun anders werden, wenn er seinen Vater gefunden hat? Als leicht gestaltet sich diese Suche nicht, da die Samenbank völlig anonym praktiziert wurde …
Aus welchen Gründen hat sich die Mutter an diese Samenbank gewendet, wo sie zuvor viele Männer hatte und problemlos weitere Kinder hätte bekommen können ...

Sie wünschte sich ein außergewöhnliches Kind. Sie wünschte sich ein Kind, das es in der Welt leichter hat zu bestehen als sie; Sie träumte von einem Kind mit besten Auszeichnungen … Beste Schulbildung, bester Beruf, bester Stand in der Gesellschaft …

Francis fasst diese Nachricht auf, als wäre er high. Er sieht seinen geistig hoch entwickelten Vater vor sich. Mit diesem Vater soll in seinem Leben alles besser werden und fängt an, den unbekannten Superhirn-Vater zu idealisieren …

Den Vater zu finden ist keine leichte Sache und auf den Weg dorthin passieren noch unendlich viele Dinge zwischen diesen drei jungen Leuten, die alle drei irgendwelche persönlichen Defizite zu verwinden haben. Wie aus den anderen Wells-Romanen geht es auch hier wieder um wahre Freundschaft, um komplizierte Beziehungen und um das gegenseitige Aushalten schwerer Lebenskrisen mit sich selbst und im Umgang mit anderen …
Zudem hat mir auch der Schluss sehr gut gefallen. Er bietet viel Gesprächsstoff. Leider kann ich darüber nicht schreiben, sonst ist die ganze Spannung weg.

Der Buchtitel ist supergut getroffen. Ich hatte mich die ganze Zeit während des Lesens nach der Bedeutung dieses Titels gefragt. Mit etwas Geduld kommt die Antwort …

… Die Antwort ist nicht fast genial, sondern absolut genial. Ein so kurzer und ein so vielfältiger Buchtitel. Nicht nur, dass in dem Wort genial ein Gen steckt, sondern sich dahinter viel Geschichte verbirgt ...

Mein Fazit?

Mich hat das Buch stark an Claus Zehrers Buch Das Genie erinnert. Auch in diesem Wort Genie steckt ein Gen. Zwischen diesen beiden Büchern gibt es so manche Parallele …

Auch Wells Charaktere jeder einzelnen Figur waren authentisch beschrieben. Über die Thematik in dem Buch scheint der Autor gekonnt recherchiert zu haben, und auch die vielen Problemfelder wie z. B. Vaterkomplex, Spielsucht, und Identitätsfindung hat Wells ausreichend glaubwürdig ausfüllen können.

Das Buch stimmt nachdenklich und wirft berechtigte Zweifel zu der Produktion von Retortenbabys auf. Die fiktive Monroe-Klinik stand in Verruf, da die Methoden sehr fragwürdig seien. Die Genie-Samenbank wurde von Kritikern als Dr. Frankenstein oder als Hitler-Gene bezeichnet. Und nicht auszudenken, was es mit den vielen vaterlosen Kindern macht, die erfahren, dass sie Retortenbabys sind, und sie kein Recht auf eine Akteneinsicht haben, um zu erfahren, wer der tatsächliche Vater ist …

Wells beschreibt in seinem Buch einen Science-Fiction-Film zu dieser Thematik mit dem Titel Blade Runner, in dem die Figuren ähnlich wie die Retortenkinder unter ihrer Herkunft leiden. Nur werden die Figuren in dem Film als Replikanten bezeichnet. Replikanten sind Menschen, die rein chemisch erzeugt wurden, ohne die Vermischung körperlicher Säfte von Menschen und sie wie Roboter funktionieren. Können wir uns in Zukunft den perfekten und fehlerfreien Menschen chemisch selber herstellen, dort wo die Gene versagen?

Diesen Film werde ich mir zulegen.

Und hier ein kurzer Filmtrip aus Youtube:

:

Meine Buchbewertung?

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Ganz klar dicke zwölf Punkte.


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Diogenes Verlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes.


·         Taschenbuch: 336 Seiten
·         Verlag: Diogenes; Auflage: 9 (23. April 2013)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3257241984

___________
Nicht die Eigenschaften machen,
dass zwei zusammenpassen,
die Liebe macht´s.
(Bernhard Schlink)

Gelesene Bücher 2018: 03
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Mittwoch, 27. Dezember 2017

John Fante / Der Weg nach Los Angeles (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Spannende Eindrücke in der Leserunde, interessant, sich mit anderen LeserInnen auszutauschen, wenn man nur genug Zeit für einen Austausch dieser Art hat. Ich werde am Ende dieser Buchbesprechung die Leserunde mit meinem Blog verlinken. Damit ich nicht alles nochmals schreiben muss, habe ich meine Argumente hier reinkopiert. Die späteren Argumente sind im Forum nachzulesen … 

... denn die Leserunde ist noch nicht abgeschlossen. Es lohnt sich also, dort immer wieder vorbeizuschauen. 

Wir waren uns in der Leserunde alle einig. Der 18-jährige Protagonist und Icherzähler Arturo Bandini ist uns total unsympathisch. Tina war die Einzige, die versucht hatte, Verständnis für den jungen Menschen aufzubringen. Revolte und Protest seien völlig normal in diesem Alter, doch später konnte ihm Tina auch keine Sympathie mehr abgewinnen.

Doch zuerst gebe ich erneut den Klappentext rein:
Anfang der dreißiger Jahre, ein Vorort von Los Angeles: Nach dem Tod seines Vaters muss sich der 18-jährige Arturo Bandini in einer heruntergekommenen Fischfabrik sein Brot verdienen. Doch er hat den Alltag und den endlosen Kleinkrieg zu Hause satt. Er liest Schopenhauer und Nietzsche und träumt von Höherem: Er möchte Schriftsteller werden. Und dafür muss er nach Los Angeles gelangen. Schnell schließt der Leser diesen arroganten, bös-witzigen und doch so sehnsuchtsvollen jungen Mann in sein Herz. Und träumt seinen großen Traum mit ihm. Der Roman erschien nicht mehr zu Fantes Lebzeiten, zu provokant waren Thema und Sprache für das Amerika der dreißiger Jahre.

Arturo ist für mich nur ein Pseudointellektueller. Er steckt in einem Identitätskonflikt, da er jemand anderes sein möchte. Viel Wind für nichts. Ich kann ihn nicht wirklich ernst nehmen. Er rennt mit Büchern namhafter Autoren durch die Gegend, um jedem zu zeigen, was er für Bücher liest. Er zitiert sehr häufig Friedrich Nietzsche und dessen ZarathustraArturo ist demnach ein Mensch, ein potenzieller Tagträumer, der nicht in seiner Welt lebt.

Er lehnt wie Nietzsche auch sämtliche Religionen ab, er lehnt auch Frauen ab. Aber Arturo ist dadurch auch sehr widersprüchlich in seiner Lebensart … Und er ist ein Kotzbrocken. Er beschimpft Gott, die Welt und seine Familie, die aus seiner Mutter, seiner 16-jährigen Schwester und einem Onkel besteht.

Er versucht unbewusst in die Identität von Friedrich Nietzsche zu schlüpfen und nimmt sich dabei viel zu wichtig. Doch manche Äußerungen sind zum Wegschießen, dreist- und lustig zugleich …

Er führt Krieg mit Krebstieren und mit Insekten. Er tötet diese Tiere in einer sehr sadistischen Form. Grauenvoll, diese Szenen möchte ich nicht wiedergeben …  

Onkel Frank ist auch eine merkwürdige Kreatur. Er bezeichnet Arturo als Hurensohn; in dieser Beziehung fand ich es gut, wie sich Arturo gegen diese Äußerung auflehnt, in der Art, dass, wenn er der Sohn eine Hure sei, müsse der Onkel der Bruder der Hure sein ...

Aber Arturo gebraucht selbst auch anderen Menschen gegenüber diesen und andere vulgäre, primitive Ausdrücke ...

Arturos Vater ist verstorben, und nun muss er als das Familienoberhaupt für seine Mutter und seine Schwester sorgen. Er hält die Jobs nicht aus, und kündigt immer wieder, oder er wird gekündigt und seine Rolle als Arbeiter ist für ihn nicht hinnehmbar, da viel zu bieder, er habe etwas Besseres verdient.

Ich versuche, mich diesbezüglich in seine Lage hineinzuversetzen. Arturo hat die High-School mit Abschluss verlassen, ist 18 Jahre alt und zu der damaligen Zeit war man mit 18 Jahren noch minderjährig. Es stört mich, dass er die Familie versorgen muss. Eigentlich müsste die Mutter, die sehr einfach gestrickt zu sein scheint, arbeiten gehen, aber sie macht sich vom Sohn und von den Almosen ihres Bruders, Arturos Onkel, abhängig. Mich nervt ihre Abhängigkeit, und dass sie sich zum schwachen Geschlecht macht. Sie könnte sich auch auf den Weg machen, einen Job zu finden, um für sich und für ihre beiden minderjährigen Kinder zu sorgen. Auch damals gab es schon Frauen, die arbeiten gingen. Und so wird die gesamte Verantwortung dem Sohn übertragen, weil er der Mann im Haus ist, sodass er gar keine Möglichkeit hätte, sich weiterzubilden bzw. eine berufliche Ausbildung zu absolvieren.
Doch Arturo könnte auch eine Abendschule besuchen aber dafür zeigt er auch keinen Elan, außer, dass er sich von Beruf als Schriftsteller ausgibt, allerdings ohne einen Text verfasst zu haben. Ein Traumtänzer, der in anderen Sphären lebt, und in Konflikten gerät, wenn beide Welten, Traum und Wirklichkeit, aneinander geraten.

Auf den späteren Seiten zeigt Arturo Autoaggressionen, verletzt sich selbst am Daumen, erkennt aber, dass der Schmerz der Einsamkeit größer sei. Auf Seite 161 versucht er zu beten, hält seine innere Krise schwer aus. Ein stark ambivalentes Verhalten, zwischen Auf- und Abwertung sich selbst gegenüber ... Auf der Seite 163 spricht er von seinen inneren Kämpfen mit sich selbst ... Niemand sei in der Lage, in sein Inneres zu dringen. Wie denn auch, er tut alles Mögliche, die Menschen von sich fernzuhalten.

Ein Lügenbold, erzählt zu Hause, er habe sich in der Fabrik verletzt und bezeichnet sich als Sklave, er opfere sich für die Familie, doch eigentlich habe er kein Leben in der Fischindustrie verdient, sondern er sehnt sich nach einem Leben im Land des Arkadien, in dem Milch und Honig fließen ... Arkadien, eine literarische Metapher, in dem die Menschen für das süßliche Leben nichts tun müssen, außer den Mund aufzutun. Alles fließt von selbst in den Mund.

Ziemlich dreist belügt er auch seinen Chef in der Fischfabrik in voller Länge, der die Lüge nicht durchschaut und so wird Arturo durch Mitleid für mehre Wochen freigestellt …

Zu Hause findet er seine Schwester lesend vor. Er reißt ihr das Buch aus den Händen und zerreißt es in tausend Stücken, als sie sich geweigert hatte, den Buchtitel preiszugeben. Doch was war es denn für ein Buch? Welchen Titel hatte es? Das hätte mich wirklich brennend interessiert. Ich hätte mir den Buchtitel vor dem Zerreißen angeschaut.
>>Ich ernähre deinen Leib. Da habe ich wohl das Recht zu erfahren, womit du deinen Geist fütterst. << (170)
Es ist ganz klar, dass Arturo Vorbilder sucht, und seine Vorbilder sind namhafte Schriftsteller. Der schlechte Umgang mit Frauen, den muss er sich auch von Nietzsche abgeguckt haben. Er zitiert viel aus Zarathustra. Nietzsche als der große Atheist und Nietzsche, der kein Freund von Frauen war. In meiner Jugend hatte ich den Zarathustra selber gelesen und erinnere mich vage, dass auch Nietzsche etwas gegen Frauen hatte ... Einerseits war Nietzsche von Frauen abhängig und andererseits fühlte er sich von den Frauen angewidert.

Unser Held Arturo behandelt die Frauen wie Insekten …

Ich habe mal gegoogelt, und tatsächlich war Nietzsches Frauenbild negativ besetzt, habe es also richtig in Erinnerung.

Arturo kommt hin und wieder dazu, sich selbst zu reflektieren, nur leider nicht besonders lange. Er gibt schließlich selber zu, dass er keine Lust habe, über sich groß nachzudenken.

Aber eine Wende gibt es schließlich doch noch, er hat sich endlich ans Schreiben gemacht und schreibt über eine männliche Figur, die auf der Suche nach seiner Traumfrau ist ...

Ich hatte mich gefragt, was uns denn der Buchtitel mitteilen wollte? Die Antwort kommt im Buch zum Schluss.

Es sind für mich viele Fragen offengeblieben. Ich hänge immer noch an der Frage fest, was Arturo zu dem gemacht hat, was er geworden ist? Schade ...

Das Nachwort von Alex Capus fand ich sehr lesenswert. Aber dass Bukowski Fante zu den besten Autoren Amerikas zählt, ist mir ein Rätsel. Noch scnlimmer, er betrachtete Fante als seinen Gott unter den Schriftstellern ... Ich habe schon bessere Bücher gelesen.

Mein Fazit?
Viel zu einseitig erschienen mir die Erzählperspektiven. Immer aus Arturos Sicht. Das war mir zu wenig. Ich hätte gerne mehr von seiner Mutter und der Schwester Mona erfahren. War Mona wirklich so religiös? Wollte sie wirklich ins Kloster? … Monas Sichtweisen haben mir definitiv gefehlt. Und Arturo war mit seinem Größenwahn richtig frech, hat überall Menschen beleidigt, kritisiert, und Ausländer wie Mexikaner und Latinos hat er von oben herab behandelt. Dass ihm keiner eine reingehauen hat, das kann ich nicht glauben. 

Deshalb drei Punktabzüge.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Neun von zwölf Punkten.

Und hier geht es zur Leserunde von Watchareadin.

Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Aufbau/Blumenbar-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken. Auch bei Helmut Pöll, dem Forumsbetreiber von Watchareadin, ein großes Dankeschön für die Mühe, sich bei dem Verlag für die Leseexemplare eingesetzt zu haben.

·         Gebundene Ausgabe: 268 Seiten
·         Verlag: Blumenbar; Auflage: 1 (4. Dezember 2017)
·         Sprache: Deutsch, 20,00 €
·         ISBN-10: 3351050453

Und hier geht es auf die Verlagsseite von AUfbau/Blumenbar.
___________
Wenn du die Wahl hast, ob du recht behalten oder freundlich sein sollst,
wähle die Freundlichkeit.
(Dr. Wayne D. Dyer aus dem Buch Wunder)

Gelesene Bücher 2017: 58
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Donnerstag, 21. Dezember 2017

Raquel J. Palacio / Wunder (1)

WunderEine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein WUNDERvolles Buch. Ein Buch mit so viel Liebe. Allen Kindern der Welt wünsche ich diese Liebe, die die Kinder dieser Familie, Olivia und August, durch die Eltern erfahren durften. Eltern mit einem demokratischen und autarken Erziehungsstil. Eine Erziehung mit Herz und Verstand ... 

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
August ist anders. Dennoch wünscht er sich, wie alle Jungen in seinem Alter, kein Außenseiter zu sein. Weil er seit seiner Geburt so oft am Gesicht operiert werden musste, ist er noch nie auf eine richtige Schule gegangen. Aber jetzt soll er in die fünfte Klasse kommen. Er weiß, dass die meisten Kinder nicht absichtlich gemein zu ihm sind. Am liebsten würde er gar nicht auffallen. Doch nicht aufzufallen ist nicht leicht, wenn man so viel Mut und Kraft besitzt, so witzig, klug und großzügig ist - wie August.

August leidet an einer seltenen Krankheit, die sich Treacher-Collin-Syndrom nennt. Es sind mehrere Defekte in den Genen. Kurz gesagt, August kommt mit einem entstellten Gesicht auf die Welt. Die Augen befinden sich zum Beispiel auf der Wange. August musste in seinem kurzen Leben mehrere Schönheitsoperationen über sich ergehen lassen … Die Ärzte gaben dem Jungen nicht viel Hoffnung was seine Lebenserwartung im Kleinkindalter betraf. Aber August hat überlebt ... 

Es ist eine große Herausforderung, August nach vier Jahren Homeschool einer öffentlichen Schule zu übergeben. Obwohl die Schule sich sehr kooperativ und tolerant zeigt, Rektor und Lehrer, hat es August trotzdem sehr schwer mit seinen Klassenkameraden, die ihn zeitweise seines Aussehens wegen gemobbt haben. Mitunter muss er sich einige bösartige Spitznamen wie z. B. Zombie gefallen lassen, und später, auf einer mehrtägigen Freizeit mit der Schule wird er von größeren Jungs verspottet und tätlich angegriffen. August wird von diesen Jungs mit Gollum verglichen und mit den Orks, Gollum und die Orks sind die hässlichen Figuren aus dem Fantasyroman Herr der Ringe. Das nimmt August psychisch sehr mit, obwohl er von seiner Familie immer zu spüren bekommen hat, dass er trotz seines Gesichtes ein wunderschönes Kind sei, denn hier zählen die inneren Werte und weniger die äußeren:
>>Du bist wunderschön, ganz gleich, was andere sagen, Worte können dir nichts anhaben. Du bist wunderschön in jeder Weise. Ja, Worte können dir nichts anhaben.<<

August hat Pech mit seiner Geburt, aber Glück mit seinen Eltern. Unabhängig davon, wie unschön Augusts Gesicht geformt  ist, die Eltern lieben ihren Jungen trotzdem abgöttisch. Olivias Freund Justin zum Beispiel sehnt sich nach einem Vater wie August und Olivia ihn haben. Justin nimmt sich Olivias Vater zum Vorbild, er selbst möchte eines Tages für seine Kinder der Vater sein, den er selber nicht hatte … Daran kann man sehen, wie viel Glück August mit seinen Eltern hat. Viele Kinder, die mit Anomalien geboren werden, werden von den Eltern verstoßen … Es ist demnach nicht selbstverständlich, solche verständigen Eltern zu haben. Doch August hat nicht nur Glück mit seinen Eltern, er hat auch Glück mit seiner älteren Schwester Olivia, die für den Bruder einen Beschützerinstinkt entwickelt hat. Obwohl Olivia durch den Bruder von ihren Eltern stark zurück treten musste, lernte sie dadurch recht schnell selbständig zu werden. Aber sie leidet auch hin und wieder darunter, dass der Bruder so viel braucht und so viel bekommt. 

Obwohl es schwer für August auf der Schule ist, geht er tapfer seinen Weg, denn die Welt draußen ist nicht nur schlecht. Und einige seiner Schulkameraden lernen ihn schließlich kennen ... Ein einziges Mal erlebt er eine für ihn unerträgliche Situation, sodass er gar nicht mehr in die Schule gehen wollte, und fragt seine Mutter:
>>Mom? Werde ich mir immer wegen dieser Mistkerle Sorgen machen müssen? (…) Auch wenn ich erwachsen bin, meine ich – wird das immer so sein? <<
(…)>>Es wird immer Mistkerle auf der Welt geben. (…) Aber ich glaube ganz sicher, und Daddy glaubt das auch, dass es mehr gute Menschen auf dieser Welt gibt als böse, und die guten Menschen passen aufeinander auf und kümmern sich umeinander. <<

Ein Jahr Schule hat August schließlich gepackt, als im neuen Schuljahr der Rektor in der Aula eine Rede an seine Schüler hält:
>>… aber<<, fuhr er fort, >>ich wünsche mir für euch, meine Schüler, dass das, was ihr von der Middle-School auf euren Lebensweg mitnehmen könnt, das sichere Wissen ist, dass in der Zukunft, die ihr euch selbst gestaltet, alles möglich ist. Wenn jede einzelne Person in diesem Raum es sich zur Regel machen würde, wo immer sie sich befindet, wann immer es möglich ist, zu versuchen, sich etwas freundlicher zu verhalten, als notwendig ist – würde die Welt zu einem besseren Ort werden. Und wenn ihr das tut, wenn ihr euch etwas freundlicher verhaltet als notwendig, dann wird irgendjemand irgendwo und irgendwann vielleicht in jedem Einzelnen von euch das Antlitz Gottes erkennen. << 

Da jeder Mensch von dem anderen Menschen lernen kann, unabhängig vom Alter und von der Herkunft, war auch der Rektor in der Lage von August zu lernen. August hat die Menschen in seinem Umfeld menschlicher gemacht. Durch seine Präsenz, durch sein Denken, durch sein Wirken hat er schließlich sein Umfeld positiv beeinflusst. Welch ein Verlust für die Gesellschaft, würde August weiter vor der Öffentlichkeit versteckt gehalten werden.


Mein Fazit?

Das Buch wird aus mehreren Perspektiven erzählt. August erzählt seine Sichtweise, Olivia ihre, etc. Dieser Erzählstil macht es noch zusätzlich spannend, an den Gedanken und den Gefühlen der verschiedenen Figuren teilhaben zu können. Es gibt nämlich nicht nur eine Wahrheit. Es gibt mehrere Wahrheiten und jede Wahrheit hat ihre Berechtigung ...

Ein Buch mit so viel Weisheit; ein Buch über Freundschaft, ein Buch über familiäre Liebe, ein Buch über Schwächen und Stärken und dies nicht nur auf August bezogen. Ein Buch für Groß und Klein …

Ich finde, wir neigen alle dazu, Menschen nach äußeren Maßstäben zu beurteilen. Viele Kinder werden von ihren Eltern abgelehnt, wenn sie den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprechen. Deshalb finde ich dieses Buch unbedingt auch für Erwachsene geeignet, weil sie ihr Verhalten den Kindern gegenüber bewusst oder unbewusst vorleben. Es reichen schon kleine abweichende Merkmale, um von den Eltern abgelehnt zu werden. Deshalb ist es auch ein Buch für Erwachsene ... 

Und den Schluss, der sich auf den Buchtitel bezieht, fand ich grandios  ... 

Und es gibt zusätzlich noch so viele wunderbare Zitate in dem Buch zu lesen ... 

Und hier geht es zu dem Interwiev zwischen Renie und der Autorin.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Zwölf von zwölf Punkten.

Weitere Informationen zu dem Buch

Das Buch ist 2014 mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet worden.

·         Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
·         Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG; Auflage: 17 (28. Januar 2013)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3446241752
___________
Wenn du die Wahl hast, ob du recht behalten oder freundlich sein sollst,
wähle die Freundlichkeit.
(Dr. Wayne D. Dyer)

Gelesene Bücher 2017: 57
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86