Sonntag, 28. Juni 2020

Alexander Gosztonyi / Das große Buch der Seele

Evolution, Bewusstsein und transzendentale Intelligenz 

Klappentext
Das große Buch der Seele ist ein Leitfaden für alle, die auf dem Weg zum Erwachen sind. Jeder, der den Wunsch hat, bewusst zu leben, wird ab einem bestimmten Punkt seiner Entwicklung nach dem Sinn und dem Ziel des Lebens fragen und wissen wollen, wie er es erlangen kann. Dieses Buch beschreibt die Evolution der Seele in einmaliger Klarheit und Folgerichtigkeit. Es folgt dem Weg von ihrem Ursprung zur Vollendung, den die Seele in Form einer Entwicklungsspirale durchläuft. So nähert sich die Seele dem Ziel jedes einzelnen Menschen, sich an Weisheit und Mitgefühl auszurichten und zunehmend nach seinen Einsichten ein spirituelles Leben in Liebe und Vertrauen zu führen. Der Rückführungstherapeut Alexander Gosztonyi zeigt den Sinn hinter unseren Handlungen und den äußeren Umständen unseres Lebens auf. Mit dieser Einsicht erhält die Schöpfung die Chance, uns zu zeigen, wie sinnvoll sie angelegt ist. Und wir können unsere einzigartige Rolle darin verstehen und gestalten.

Autorenporträt
Alexander Gosztonyi, Dr. phil. (1925-2011), führte 40 Jahre lang eine Praxis als Lebensberater und Rückführungstherapeut in Zürich. Er veröffentlichte zahlreiche Publikationen über naturwissenschaftliche Themen, Philosophie, Psychologie, Theologie und Religionsgeschichte, die ihn international bekannt machten.Aus seinem Lebenswerk wurden von seiner Witwe Rita Gosztonyi die letzten beiden Werke vollendet, dessen zwei Bände im Herbst 2016 und im Herbst 2017 erscheinen werden. Sie kann zu Fragen seines umfassenden Werkes, das neben Büchern auch Mitschnitte seiner Vorträge umfasst, kontaktiert werden unter www.ritamaria.ch oder ritamaria.go@bluewin.ch.

Meine ersten Leseeindrücke

Siebzig Seiten habe ich bisher gelesen und bin von diesem dicken Wälzer mehr als angetan. Was hat mich zu diesem Buch bewogen? Permanent sind es Fragen zu Tieren, die auf unserem Planeten durch uns Menschen grauenhafte Erfahrungen machen müssen, und ich mich immer wieder frage, wo dieser Gott ist, der nicht einschreitet, um diesen Wesen zur Hilfe zu eilen. Diese Sichtweise ist eine kindliche Sichtweise, das ist mir bewusst, weil der Mensch selber für seine Taten einstehen muss, aber was, bitte schön, können Tiere dafür, wenn Menschen zu barbarischen Taten ihnen gegenüber neigen?

Zum anderen habe ich mich schon immer mit transzendentalen Fragen beschäftigt, die weitergehen, als unser Verstand diese zu erfassen vermag. Außerdem verfüge ich schon von Kindesbeinen an über feinstoffliche Erfahrungen, über die ich nie gesprochen habe. Sehr früh beschäftigten mich dadurch Fragen nach dem Woher und Wohin. Sehr früh schon habe ich das religiöse Weltbild, das man mir anzuerziehen versuchte, auf den Kopf gestellt. Später, im frühen erwachsenen Alter, stellte ich sämtliche andere Religionen auf den Kopf, bis ich die Religion in mir selbst habe finden können, die nicht abhängig ist von z. B. Kirchgang und Rosenkranz. Doch um zu solchen Erkenntnissen zu gelangen, musste ich mich innerlich erst leer machen, und habe viele Jahre atheistisch gelebt, bis ich in meinem Inneren neu gerufen wurde, und sich meine Glaubenssuche weiter fortsetzte. Ich bin schon immer eine Suchende gewesen, und bin es bis heute geblieben. Ich verfüge bis in die Gegenwart über eine Menge spiritueller Erfahrungen. 

Das Buch gibt mir tiefe Einblicke in der Entstehung und der Entfaltung der Seele aller Lebewesen und was damit in Verbindung gebracht werden kann, wie z. B. die evolutionäre Entwicklung unseres Planeten. Der Autor beantwortet mir so manche Fragen. Interessant, wenn auch für mich nichts Neues, dass Tiere Gott ebenbürtig seien. Der Schweizer Autor Alexander Gosztonyi sammelt seine Kenntnisse als Therapeut, wie aus dem Autorenporträt zu entnehmen ist, über Rückführungsprozesse verschiedener Proband*innen. Ich lese mit so viel Interesse, aber auch mit vielen Unterbrechungen, weil ich das Gelesene auch erst sacken lassen muss.

Für mich ist vieles dennoch nicht nachvollziehbar, weil mein Verstand dagegen rebelliert, z. B. bei der Vorstellung, dass Gott und auch bestimmte höhere Wesenheiten schon immer existiert haben sollen, so habe ich Probleme, mir dies vorzustellen. Wie kann etwas schon immer da gewesen sein? Aber es muss so sein, denn sonst ist es wie beim Huhn und dem Ei. Was davon war zuerst da? An solchen Fragen kann man schier verzweifeln.

Dennoch lese ich gerne weiter und hoffe, dass ich es schaffe, innerlich dahin zu kommen, wo mein Verstand definitiv versagt.

                                                                                       Ein Zitat des Autors:

Gib Gott eine Chance,
dass er dir die Schöpfung zeigt,
und du wirst staunen,
wie sinnvoll sie
eingerichtet ist.

Das Buch ist nicht gebunden an Konfessionen, nicht gebunden an Religionen, auch wenn der Autor sich später zu Jesus und zur Christus-Bewusstheit bezieht, aber in einer völlig anderen Form. Deshalb bin ich daran interessiert, denn für mich gibt es keine Religion, die besser ist als eine andere. 

Heute habe ich mit Anne telefoniert und ihr inhaltlich von dem Buch gesprochen. Sie hatte mir dazu ein paar Fragen gestellt, die ich ihr alle beantworten konnte. Eine davon war der Urknall und die göttliche Erschaffung des Planeten. Das Eine oder das Andere müsse man nicht ausschließen. Viele begehen den naiven Fehler, und betrachten Gott als einen Zauberer, der einmal Abra-Kadabra zelebrieren muss, und schon ist die Welt entstanden. Weil das nicht sein kann, zweifeln viele an Gott. Aber einen Planeten kann man eben nicht mit einem Zauberwort zustande bringen, sondern erfordert viel Zeit und evolutionäre Entwicklung. 

Außerdem ist Gott negativ besetzt durch das Mittelalter in der Vergangenheit, und gegenwärtig durch die Fundamentalisten im Islam. In beiden Zeitalter wurden menschliche Verbrechen im Namen Gottes begangen. Es wird nicht bedacht, dass Gott hier instrumentalisiert wurde, um diese Taten zu rechtfertigen.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Taschenbuch: 712 Seiten, 18,95 €
·         Verlag: Windpferd Verlagsgesellschaft mbH; Auflage: 3., Aufl. 2014 (21. Februar 2013)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3864100321

Hier geht es zu der Verlagsseite von Windpferd.

Hier geht es zur Buchbesprechung.


Sonntag, 21. Juni 2020

Dennis Lehane / Der Abgrund in dir (1)

Foto: Pixabay
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Da ich in der Regel keine Krimis lese, und ich den Klappentext nur grob überflogen habe, bin ich zu diesem Buch gelangt, weil es mich durch den Titel neugierig gestimmt hat. Ich dachte, ich bekomme es hier mit einer komplizierten fiktiven psychischen Familienbiografie zu tun, wenn auch der Fokus anfänglich hauptsächlich auf die gestörte Beziehung zwischen Mutter und Tochter gelegt zu sein schien. Aber der Roman entpuppte sich immer mehr zu einem blutrünstigen Krimi …  Obwohl man schon auf der ersten Seite angeblich mit einem Mord zu tun bekommt, hätte ich hellhörig werden sollen. Dennoch habe ich ihn weitergelesen, weil ich dachte, dass die komplexe Psyche der Protagonistin die Oberhand behalten würde. 

Daher möchte ich den Krimi, bzw. den Psychothriller ganz schnell wieder aus meinem Kopf verbannen, weshalb ich mich hier nur kurz und nur mit knappen Details auslassen werde.

Es gibt in der Realität genug Gewalt, kriminalistische aber auch legale, wenn ich z. B. an  die Schlachthäuser denke, in denen pro Sekunde weltweit 3000 Tiere gequält und anschließend geschlachtet werden, dann ist mir, als würde unser Planet eines Tages in einem Ozean von Blut versinken.

Deshalb möchte ich mich nicht auch noch fiktiv mit diesen brutalen Bildern befassen, meinen Geist mit diesen unschönen Vorstellungen nähren, die man so schnell nicht mehr vergessen kann, wenn sie sich im Kopf erst mal festgesetzt haben.

Aber an alle Krimileser*innen. Ich kann dieses Buch sehr wohl weiterempfehlen. Er war gut, authentisch, nur bei den brutalen Szenen musste ich mir die Ohren zuhalten, die Augen schließen und dann bin ich durch die Seiten gerast, um endlich einen fixen Abschluss daraus zu finden.

Nun ist es eine Woche her, seit ich den Roman ausgelesen habe, mal schauen, was ich nach diesem schnellen Lesen noch weiß, und ich merke, dass die brutalen Szenen durch den Zeitabstand in meiner Vorstellung wieder verblasst sind, wenn mir auch die Bilder noch durchaus präsent sind.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Zu Beginn bezieht sich die Handlung auf eine gestörte Beziehung zwischen Tochter und Mutter namens Rachel und Elizabeth Child. Elizabeth ist alleinerziehend und die Tochter  Rachel leidet darunter, ihren Vater nie kennengelernt zu haben. Elizabeth hatte mehrere Affären, mehrere Gelegenheitsliebhaber, sie konnte sich auf keine feste Bindung einlassen. Beruflich geht sie auf einem renommierten College einer Lehrtätigkeit in der Fachrichtung Psychologie nach und ist erfolgreiche Buchautorin von Die Treppe, ein psychologischer Ratgeber mit mehreren Folgebänden. Wer der Vater von Rachel ist, macht die Mutter ein großes Geheimnis daraus, das sie schließlich mit ins Grab nimmt. Nach dem Tod der Mutter engagiert Rachel einen Privatdetektiv, der den leiblichen Vater ausfindig machen soll. Brian Delacroix soll den ominösen Vater finden, obwohl er angibt, dass er dafür nicht geeignet sei, doch Rachel hält weiter an ihm fest. Im Laufe der Zeit wird aus dem Privatdetektiv Rachels Ehemann, nach dem ihre erste Ehe gescheitert ist.

Rachel konnte sich zu keiner stabilen Persönlichkeit entfalten, und so entwickelt sie psychische Störungen wie Panik und Angstattacken. Mitten vor laufender Kamera erleidet sie auf Haiti einen psychischen Zusammenbruch, der ihre Karriere daraufhin zerstört. Rachel verkriecht sich immer mehr in ihren vier Wänden.

Sie ist durch ihre Erkrankung ihrem Ehemann gegenüber sehr misstrauisch geworden, denn sie ist es leid, ständig belogen zu werden, bis sie aus eigenem Antrieb herausfindet, dass Brian mit mehreren Identitäten unterwegs ist. Sie fühlt sich hintergangen und betrogen, sodass ihr Eheleben mit Brian dadurch immer mehr ins Wanken gerät.

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Die gesamte Tragik zwischen Rachel und der Mutter, die gesamte Tragik zwischen Rachel und der Beziehung mit Brian Delacroix. Die Mutter konnte gute Ratgeberbücher schreiben, hätte sich doch selbst einmal Rat geholt, um ihrer vaterlosen Tochter besser beistehen zu können.

Welche Szene hat mir gefallen?
Gefallen hat mir nur der Gerechtigkeit halber eine Szenerie aus einer Schauspielschule, die sich zwischen Dozent und Student zugetragen hat. Ein abwertender Hochschullehrer, der einen schwächeren Studenten mit einer Fäkalsprache dermaßen erniedrigt hat, sodass der Kommilitone Brian, der sehr sensibel darauf reagiert, den Raum verließ, einen Pümpel holte, um dem Dozenten damit die Fresse zu polieren, was ihm sichtlich gelungen war. Obwohl Brian nach dieser Aktion aus dem College geworfen wurde, glaubte er, dass dieser Denkzettel für alle Zeiten ausreichen würde, um keinen schwächlichen Studenten mehr drangsalieren zu müssen.

Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Kann ich nicht sagen.

Welche Figur war mir antipathisch?
Elizabeth Child. Ich fand es grausam, dass sie ihrem Kind den Vater vorenthalten hat.

Meine Identifikationsfigur
Keine.

Cover und Buchtitel
Das Cover fand ich das Beste von allem. Ein sehr surreales Motiv. Ganz nach meinem Geschmack.
Cover und Buchtitel haben dafür gesorgt, dass ich mir das Buch angeschafft habe. Interessant herauszufinden, von welchem Abgrund hier die Rede ist, wobei mir Abgründe im Nachhinein besser gefallen hätte. Erst dachte ich, als ich das Buch gekauft habe, dass es hier um den Abgrund von Rachel gehen würde. Abgründe, weil das Innenleben derjenigen Figur, die mit mehreren Masken unterwegs ist, viel zu komplex ausgestattet ist. 

Zum Schreibkonzept
Auf der ersten Seite sind zwei bemerkenswerte Zitate von Buddy Johnson und von René Descartes zu entnehmen, deren Zusammenhänge man eigentlich erst versteht, wenn man das Buch ausgelesen hat. Auf den 527 Seiten ist die Geschichte in 35 Kapiteln gegliedert. Zum Schluss gibt es die übliche Danksagung. Der Kontext ist klar und flüssig, die Abläufe logisch geschrieben, wenn sie auch auf den ersten Blick ein wenig in die Irre führen sollten. Dazu noch gut verständlich, und reichlich bestückt mit Aha-Erlebnissen. Viele Krimis habe ich bisher meist als gekünstelt erlebt, dieser dagegen empfand ich mit wenigen Ausnahmen als recht authentisch, weshalb ich ihn zu Ende gelesen habe.

Meine Meinung
Der Schluss hat mich allerdings überhaupt nicht überzeugen können. Außerdem muss ich auch dem Klappentext ein wenig widersprechen. Rachel habe ich überhaupt nicht als eine glückliche Persönlichkeit wahrgenommen, die alles hatte, was ein glücklicher Mensch braucht. Nicht nur, dass ihr der Vater fehlte, sondern auch das Leben, das sie führte, mehr als anstrengend war. Nachdem ihre Suche nach ihrem Vater und schließlich auch ihre erste Ehe gescheitert ist, bricht auch ihre zweite Ehe durch Lügen und Verrat auseinander. Rachel war für mich eine sehr betrübte und instabile Persönlichkeit, die nicht auf festem Boden stand. Die Wurzeln ihrer psychischen Instabilität sind in ihrer Kindheit zu finden. Die Mutter, die mehr mit sich und ihrem Leben beschäftigt war, ignoriert die tiefe Sehnsucht ihrer Tochter, ihren Vater kennenlernen zu wollen. Rachel war ein Kind, das sich mit dem Ausweichen der Mutter nicht abfinden konnte. Bis hierhin hatte das Buch starke psychologische Züge, als sich schließlich durch Brian Delacroix kriminalistische Szenen anschlossen.

Zu viel verraten? Keine Sorge, Rachels erste Ehe hatte in dem Roman nicht besonders viel Raum eingenommen. Alles andere habe ich nur kurz angerissen. Und vieles andere habe ich weggelassen. Es bleibt also noch genug Raum für eigene Fragen, eigene Entdeckungen und eigene Interpretationen.

Mein Fazit
Wie Eingangs schon geschrieben, ist es auf jeden Fall ein sehr lesenswerter Krimi für Leser*innen, die sich gerne mit diesem Genre befassen. 

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Auf der Buchmesse von 2019 habe ich es am Diogenes-Stand käuflich erworben. 

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Elf von zwölf Punkten.

________________
Jeder kann die Welt mit seinem
Leben ein kleinwenig besser machen.
(Charles Dickens)

Gelesene Bücher 2020: 14
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)
Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)

Donnerstag, 4. Juni 2020

Dennis Lehane / Der Abgrund in dir

Klappentext  
Aus dem Amerikanischen von Steffen Jacobs und Peter Torberg
Rachel Childs hat alles, was man sich erträumt: ein Leben ohne finanzielle Sorgen, einen liebevollen Ehemann. Doch im Bruchteil einer Sekunde macht ausgerechnet dieser Mann ihr Leben zu einer Farce aus Betrug, Verrat und Gefahr. Nichts ist mehr, wie es scheint, und Rachel muss sich entscheiden: Wird sie kämpfen für das, was sie liebt, oder im Strudel einer unglaublichen Verschwörung untergehen?
In seinem 13. Roman erfindet sich der Erfolgsautor Dennis Lehane vollkommen neu. Zum ersten Mal schreibt er aus der Perspektive einer Frau; es entstand ein psychologischer Spannungsroman, ein actionreicher Thriller und eine berührende Liebesgeschichte. Der Leser findet sich wieder in einem Spiegelkabinett, das in seiner psychologischen Raffinesse an den Weltbestseller ›Shutter Island‹ erinnert.
Autorenporträt
Dennis Lehane, irischer Abstammung, geboren 1965 in Dorchester, Massachusetts, schrieb für ›The Wire‹ und war Creative Consultant für ›Boardwalk Empire‹. Seine erfolgreich verfilmten Bücher ›Mystic River‹ und ›Shutter Island‹ sind Weltbestseller. Dennis Lehane lebt in Los Angeles und Boston.

Auszeichnungen

 Shortlist des ›CWA Gold Dagger Award 2018‹ für Since We Fell, 2018
 ›Edgar Allan Poe Award‹ für Live by Night, 2013
 ›Finnischer Krimipreis‹ ­ Kategorie ›International‹ der finnischen Krimivereinigung »Suomen dekkariseur« für sein bisher ins Finnische übersetztes Werk, 2011

·   ›Dilys Award‹ für Mystic River, 2003
·   ›Deutscher Krimipreis‹ für Spur der Wölfe / Mystic River, 2003
·   ›Prix Mystère de la critique‹ für Mystic River, 2003
·   ›Deutscher Krimipreis‹ für Regenzauber, 2002
·   ›Anthony Award – Bester Roman‹ für Mystic River, 2002
·   ›Barry Award‹ für Mystic River, 2002
·   ›Deutscher Krimipreis‹ für Kein Kinderspiel, 2001
·   ›Dilys Award‹ und ›Barry Award‹ für Gone Baby Gone, 1999
·   ›Nero Wolfe Award‹ für Sacred, 1998
·   ›Shamus Awards‹ für den besten Erstlingsroman A Drink Before the War, 1994


Verfilmungen

·      The Drop. Bargeld., Michaël R. Roskam, 2014
·      Shutter Island, Martin Scorsese, 2010
·      Mystic River, Clint Eastwood, 2003


Meine ersten Leseeindrücke

Tolles Buch. Ich befinde mich auf der Seite 102 und ich freue mich so sehr auf das Wochenende, an dem ich am Stück viele Seiten lesen kann, ohne ständig von lästigen Alltagspflichten unterbrochen zu werden. Spannende Figuren mit einer interessanten Psyche, hinter deren Fassade ich unbedingt noch stärker blicken möchte.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 528 Seiten, 25,- €
·         Verlag: Diogenes; Auflage: 2 (29. August 2018)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 9783257070392

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Dienstag, 26. Mai 2020

David Michie / Die Katze des Dalai Lama (1)

Klappentext         
»Der Dalai Lama ist ein Meister im Umgang mit dem Dosenöffner«, weiß die Katze Seiner Heiligkeit. Dass er zudem einer der wichtigsten spirituellen Führer der Welt ist, findet sie durchaus angemessen ... Auf leisen Pfoten und auf höchst vergnügliche Weise vermittelt die Hauskatze in Dharamsala die ganze Fülle buddhistischer Lebensweisheit. Eine bezaubernde Lektüre für Menschen, die Glück und Sinn suchen, für Katzenliebhaber und alle, die wissen wollen, warum der Dalai Lama kein Fan von toten Mäusen ist.

Autorenporträt
DER AUTOR David Michie, geboren in Zimbabwe, lebt heute in Australien. Ursprünglich Thriller­Autor, gelingt es dem praktizierenden Buddhisten und Meditationslehrer mit Bravour, buddhistische Gedanken in moderner, verständlicher Form einem breiten Publikum nahezubringen.
 David Michies Bücher wurden in 25 Sprachen übersetzt.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Taschenbuch: 272 Seiten
·         Verlag: Heyne Verlag (11. November 2019)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3453703812

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Kurze Buchbesprechung / Kritik / Buch abgebrochen

Leider haben mich schon die ersten Seiten nicht überzeugen können und so wurde ich recht schnell enttäuscht, dass diese Himalaja Katze mit den bernsteinblauen Augen sehr vermenschlicht wurde. Das Einzige, was an der Katze kätzisch war, war der Katzenkörper. Sie hat gefühlt wie ein Mensch, sie hat gedacht wie ein Mensch und sie hatte wie ein Mensch Gewissensbisse, wenn sie sich angeblich danebenbenommen hatte. Das hat mir gar nicht behagt. Als sie eine Maus jagt und die Katze sie im Tempel abliefert, wird sie getadelt, da Mäuse schließlich auch Lebewesen seien. Ein Assistent der Heiligkeit hat die Maus wieder ins Freie ausgesetzt. Gut, hatte ich mir gedacht, in dem Tempel wird scheinbar kein Fleisch gegessen. Von wegen. Sie alle im Tempel essen Fleisch, selbst die Katze bekommt Fleisch und Leber zu essen. Das fand ich widersprüchlich und irrational. Da werden in Massen Tiere für den Verzehr u. a. getötet und die Katze wird wegen der Maus gerügt, obwohl sie nur ihren Instinkten nachgegangen ist.

Aber dann waren die buddhistischen Weisheiten, die mir erst gefallen hatten, doch je weiter ich mich in die Geschichte hineingelesen hatte, desto mehr fing sie an, mich zu langweilen. Die vielen Klischees war der zweite Grund, der mich immer mehr frustriert hatte und die schnellen Lösungen auf Probleme stimmten mich kritisch. Außerdem erwarte ich von einem Buddhisten, dass er Menschen nicht in Schubladen packt, sie stattdessen, unabhängig aus welchem Land jemand kommt, differenziert wahrnimmt. Eine Italienerin wurde zum Beispiel als heißblütig dargestellt, die in ihrem vulkanischen Wutausbruch nicht zu bremsen war, als man ihre Vorräte in der Küche stibitzt hatte. Des Weiteren wurde die Italienerin wieder mal aufs`Kochen und auf die italienische Küche reduziert, die für den Dalai Lama und seine Mönche und Bedienstete als Köchin eingestellt war. Hier wurde die Italienerin für das Buch des Autors instrumentalisiert, denn an ihr wollte er zeigen, wie man einen Wutrausch mit buddhistischer Weisheit verwinden kann.  

Was schließlich zum Abbruch des Buches geführt hat, war die Szene eines größeren Kindes, ein Mädchen, das zusammen mit den Eltern sich vegetarisch ernährt hatte, und brachte so das Fass zum Überlaufen. Denn heimlich hatte es Steine verzehrt. Irgendwann fand die Mutter größere Steine unter dessen Bett und hat die Tochter zur Rede gestellt, die gestand, dass sie Steine essen würde. Die Mutter ist mit dem Kind zum Doktor, der herausgefunden hat, dass sie unter einem Eisenmangel litt. Eigentlich hätte das Kind sofort in die Chirurgie gemusst, um die Steine wieder aus dem Körper herauszuholen, wenn man wirklich glauben wollte, dass jemand Steine isst. Aber stattdessen diagnostiziert der Doktor einen Eisenmangel. Das war genauso unrealistisch, Steine zu essen, weil man einen Eisenmangel hat. Und auch hier das Klischee, dass Menschen, die kein Fleisch konsumieren, Mängel im Blut haben, wobei es mehr Fleischesser gibt, die von zu viel Fleisch richtig lebensbedrohlich krank werden. ich denke dabei an die Gicht, an die Fettleber, etc. In so viel Gemüse und Obst sind Eisen und andere Mineralstoffe zu finden. Sachlich betrachtet rechtfertigen fleischlose Mahlzeiten keinen Mangel jeglicher Art, es sei denn, der Mensch ernährt sich einseitig, das tun viele Fleischkonsumenten aber auch …

Nach 180 Seiten habe ich schließlich aufgegeben. Zu unsachlich, zu populistisch, zu flach, was mein Leseanspruch betrifft. Wer reine Unterhaltung sucht, und der Klischees liebt und dem es nicht auf Sachlichkeit ankommt, der kann ruhig dieses Buch lesen ... 
Buddhistische Weisheiten? Die kann ich nur ernst nehmen, wenn auch der Rahmen dafür stimmt.
Ich war in dem Buch Buddhismus für Mensch und Tier so verliebt, dass ich gehofft hatte, dass der Autor seine Kenntnisse in diesen Roman hineingepackt hatte. Aber nichts dergleichen. Diese beiden Bücher unterscheiden sich wie Tag und Nacht.

Ich selbst präferiere Sachbücher, wenn es um Tierthemen geht. Ich mag eigentlich keine Romane, weil hier häufig die Tiere vermenschlicht werden. Ausnahmen sind Comics. Aber mit diesem belletristischen Buch Die Katze des Dalai Lama hatte ich wirklich gedacht, ich bekomme es mit einer anderen Art von Buch zu tun, und muss erkennen, dass ich mich getäuscht habe.

Und dieser Dalai Lama? Der hat nichts mit dem Dalai Lama zu tun, den wir gegenwärtig politisch kennen. Dalai Lama kann sich dort jeder Buddhist nennen, der eine gewisse Erleuchtungsstufe erlangt hat. 

Ich werde David Michie nicht aufgeben. Ich habe noch sein neustes Werk Die drei magischen Worte – Buddhistische Weisheitsgeschichten vor mir liegen, da ich hoffe, dass seine späteren Werke besser und ausgereifter sind, als seine älteren. Das obige Buch Die Katze des Dalai Lama ist wahrscheinlich ein älteres Buch, das 2019 in der vierten Auflage gedruckt wurde. Aber zu welchem Zeitpunkt das Buch das erste Mal herausgebracht wurde, habe ich keine Ahnung. Demnach bekommt der Autor von mir noch eine Chance, ich selbst gebe mir noch eine Chance, da ich Weisheiten liebe, um mich in dem nächsten Werk wieder inspirieren zu lassen, wie ich es bei dem Buch Buddhismus für Mensch und Tier erlebt hatte. Hier geht es noch einmal zur Buchbesprechung. 

Also, auf eine zweite Chance.

Vielen herzlichen Dank an den HEYNE-Verlag für das Leseexemplar. 

___________________
Jeder kann die Welt mit seinem
Leben ein kleinwenig besser machen.
(Charles Dickens)

Gelesene Bücher 2020: 13
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)
Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)


Freitag, 22. Mai 2020

Saša Stanišić / Herkunft (1)

Foto: Geralt / PIxabay
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Leider konnte mich der fiktionale autobiografische Roman zum Ende hin nicht mehr überzeugen. Den letzten Teil hätte man auch weglassen können, da ich von der Thematik der an Alzheimer erkrankten Großmutter des Autors über die Seiten hin reichlich gesättigt war. Saša Stanišić hätte zwei Bücher schreiben sollen, denn zwei Hauptthemen, Herkunft und Alzheimer, waren mir definitiv zu viel, auch wenn mir bewusst ist, dass die Großmutter zur Herkunft dazugehört, sie aber nicht ihr ganzes Leben an Alzheimer litt. Aber sie nahm immer mehr Raum ein, dass ich schließlich die Hauptthematik zum Ende hin aus dem Blickfeld verloren hatte. Ich hatte so viele tolle Gedanken zu dem Buch, die am Ende verblasst waren, weil ich mit der kranken Großmutter abgelenkt wurde. Außerdem ließ die Konzentration in den letzten Kapiteln immer mehr nach. Es gibt so viele Bücher über Alzheimer, egal, in welchem Land sie sich bei einem Menschen ausbreitet, vom Krankheitsbild her sind sie alle gleich. Was sie unterscheidet sind die Charaktere der dementen Menschen.

Ich sehe ein, dass der Autor von einer großen Fabulierlust erfasst wurde, dass er Schwierigkeiten gehabt haben muss, einen Punkt zu setzen. Und dennoch ist es insgesamt ein gelungenes und ein absolut lesenswertes Buch, wie in der Besprechung weiter unten noch zu entnehmen ist.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung ist eigentlich schnell erzählt, auch wenn sie sehr komplex ist, noch dazu, weil sie  aus Fragmenten besteht.

In dieser Autobiografie geht es um die Flucht der Kleinfamilie von Saša Stanišić aus dem ehemaligen Jugoslawien. Der junge Saša ist gerade mal 14 Jahre alt, als er zusammen mit seiner Mutter über Serbien, Ungarn und Kroatin nach Heidelberg flüchtet, während sein Vater wegen seiner an Demenz erkrankten Mutter erst noch zurückbleibt. Sechs Monate später kam schließlich auch der Vater nach, nachdem er alles Notwendige für seine Mutter besorgt hatte. Sašas Vater ist serbischer Abstammung, seine Mutter kommt aus einer bosnischen-muslimischen Familie. Die Familie lebte vor der Flucht in dem Dorf namens Višegrad.
Es ist so: Das Land, in dem ich geboren wurde, gibt es heute nicht mehr. Solange es das Land noch gab, begriff ich mich als Jugoslawe. Wie meine Eltern, die aus einer serbischen (Vater) bzw. einer bosniakisch-muslimischen Familie stammten (Mutter). Ich war ein Kind des Vielvölkerstaats, Ertrag und Bekenntnis zweier zugeneigter Menschen, die der jugoslawische Melting Pot befreit hatte von den Zwängen unterschiedlicher Herkunft und Religion. (2019, 14)

Die Mutter hat Politologie studiert, der Vater Betriebswirt.
Mutter schrieb sich für Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Marxismus in Sarajewo ein. 1980 kehrte sie nach Višegrad zurück mit knapp den besten Abschlussnoten ihres Jahrganges, wurde Marxismus-Dozentin am Gymnasium und stand von überteuerte Waren von fragwürdiger Qualität. Sie echauffierte sich über die unfähige Regierungsriege und soziale Ungleichheit. Fürchtete sich vor dem erstarkten Nationalismus und nahm ihn nicht wirklich ernst. (119f)

Rassistische Auswirkungen gegen Muslime nahmen in dem Land weiter zu, gegen die sich die Mutter zu widersetzen versuchte.
Als der Polizist ihr im April 1992 nahelegte, aus Višegrad zu verschwinden, weil es den Muslimen bald an den Kragen ginge, lautete ihre Antwort in einem Leben, das ich für sie geschrieben hätte: > Wer hat entschieden, dass ich eine Muslima bin? < (121)

In Deutschland angekommen wurden die Eltern allerdings nicht in ihren Berufen eingesetzt. Die Mutter bekam einen Job in der Wäscherei, der Vater auf dem Bau. Der Asylantrag der Eltern wurde nach ein paar Jahren dennoch abgelehnt. Saša konnte in Deutschland bleiben, hat sich sein Bleiberecht über Studium und als freischaffender Künstler erwirkt.

Zurückgeblieben ist die an Demenz erkrankte Großmutter, mit der im Roman alles beginnt, und er mit ihr endet.

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Ich fand es sehr, sehr traurig, dass der Asylantrag der Eltern in Deutschland abgelehnt wurde und die Familie ein weiteres Mal getrennt wurde. Wie muss das für den jungen Saša
 
gewesen sein, dass er erst seine Großmutter, sich dann von den Eltern trennen musste? Wie muss es für die Eltern gewesen sein, nach Amerika ohne den Sohn zu emigrieren? Was macht die Politik mit Menschen, die ganze Familien auseinanderreißt?

Auf der Seite 36 fand ich eine Szene, die sich wiederholt mit der Frage beschäftigt, wo ein Mensch mit dieser inneren Zerrissenheit hingehört? Mutig, dass Saša ohne die Eltern in Deutschland ein Leben wagte, das zu seiner neuen Heimat wurde.
Man will gelegentlich von mir wissen, ob ich in Deutschland zu Hause sei. Ich sage abwechselnd ja und nein. Die Leute meinen es selten ausgrenzend. Sie sichern sich ab. Sie sagen: >Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, meine Cousine hat einen Tschechen geheiratet. <

Diese Erfahrung machen sogar Menschen, die nicht nach Deutschland geflüchtet sind, sondern hier mit etwas Ausgrenzendem geboren sind, um bei dem Ausdruck zu bleiben. Fremder Name, andere Religion, andere Hautfarbe ... Viele müssen sich ein Leben lang ausgrenzende Bemerkungen anhören. In der vierten sogenannten Migrantengeneration wird man in Deutschland immer noch ausgegrenzt, man wird daran erinnert, dass man in ihren Augen nicht zu den Deutschen zählt.  

Welche Szene hat mir gefallen?
Manche Szenen habe ich als recht surreal erlebt, die mir aber total gut gefallen haben. Schon auf der ersten Seite wird man mit einer davon konfrontiert. Die Großmutter Kristina, 87 Jahre alt, die ein kleines Mädchen sieht, es ruft, es hinter ihr herläuft, bis sie das kleine Mädchen aus den Augen verliert, weil es vor ihr wegläuft. Das kleine Mädchen war sie selbst.

Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Nur eine Nebenfigur? Und doch zeigt mir folgende Szene über den Vater eines Freundes innere Größe gegenüber einem geflüchteten Kind. Mir war Rahims Vater sehr sympathisch. Rahim selbst ist ein Jugendlicher mit drei weiteren Geschwistern, der mit seiner Familie in Heidelberg in geordneten Verhältnissen lebte, während Saša mit seinen Eltern noch in einer Notunterkunft wohnte, für die er sich geschämt haben muss, da er sich gewünscht hatte, dass die Familie mal seine Eltern besuchen kommen würde, er aber einen Besuch nicht zusammenbringen konnte, obwohl Rahims Eltern nach Auskunft des Autors sich über eine Einladung gefreut hätten. Rahim war mit Saša befreundet. Seine Eltern sind fränkische Atheisten und Geisteswissenschaftler. Der Vater ist Semitist. Saša hatte die Familie durch die ruhige und respektvolle Art innerhalb der Familienmitglieder sehr bewundert. Doch was mir gefallen hatte, war Folgendes:
Nachdem (Rahims Eltern) erfahren hatten, dass ich vor dem Bosnien-Krieg geflohen war, erzählten die beiden weder von einem Kroatien-Urlaub in den Achtzigern auf der „Wie-hieß-die-Insel- noch-mal?“, noch eröffneten sie einen Mentalitätskurs über die >Serben<.Der Vater sagte: > Tut mir leid, dass du das erleben musstest, Saša. Ich lese mich gern ein, und wir sprechen über den Konflikt, wenn du wieder vorbeikommst. Falls du das möchtest. < (188)

Diese Empathie hat mich total beeindruckt. Außerdem hat dieser Mann dem Kind Interesse bekundet, sich in die Materie erst einzulesen, statt loszuplappern, und zu prahlen, was er über das Land über triviale Urlaubserfahrungen an Halbwissen verfügt. Der Ausdruck Mentalistätskurs fand ich zudem wahnsinnig gut getroffen.

Welche Figur war mir antipathisch?
Keine.

Meine Identifikationsfigur
Keine.

Cover und Buchtitel 
Der Buchtitel wird leider zu sehr von der demenzkranken Großmutter eingenommen, wie ich eingangs schon beschrieben habe. Das Cover? Die vielen Wappen darauf sind mir unbekannt, die wohl zu der Herkunft des Autors gehören. Sie sind wahrscheinlich mit dem ehemaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien in Verbindung zu bringen.

Zum Schreibkonzept
Das Buch ist auf den 360 Seiten chronologisch und stilistisch nicht wie ein Roman verfasst, wie man das sonst gewohnt ist. Man muss sehr viele Zeitsprünge vor und zurück hinnehmen. Der Stoff ist zudem in Fragmenten gepackt, sodass es schwierig ist, eine Beziehung zu den Figuren herzustellen. Die jeweiligen Kapitel sind nicht nummeriert, ich weiß also nicht, aus wie vielen Kapiteln das Buch besteht, ich werde sie nicht zählen, und sie sind außerdem noch recht kurzgehalten. Eigentlich gibt es ein Epilog, der allerdings mit einem weiteren Teil des Buches Der Drachenhort anschließt. Das etwaige Ende, das aus verschiedenen möglichen Ausgängen bestehen kann, welcher, das entscheiden die Leser*innen selbst, ist sehr außergewöhnlich, das ich ein wenig verspielt erlebt habe. Der Erzählstoff besteht aus einem Mix zwischen Fiktion und Wirklichkeit.

Meine Meinung / Meine Gedanken
Bis zu dem letzten Abschnitt war ich total fasziniert von dem Buch. Es hat mich nachdenklich gestimmt, wobei die Thematik nicht neu für mich ist. Nachdenklich bin ich immer wieder, was die Herkunft eines Menschen betrifft, weil man nicht so eindeutig bestimmen kann, woher ein Mensch kommt. Für viele Menschen weltweit, die aus einer homogenen Herkunft stammen, für sie ist alles glatt, übernehmen die kulturellen und nationalen Zuschreibungen, die sie von Kindesbeinen an übermittelt bekommen, ohne diese später zu hinterfragen. Doch auch bei diesen Menschen würde sich ein Weiterdenken lohnen, denn, wie selbst der Autor schreibt, ist die Herkunft durch Zufall determiniert. Kein Kind, das genau in diese Familie, in dieses Land, in jene Gesellschaft, geboren wird, hat selbst diese Wahl treffen können. Selbst eine homogene Herkunft ist, wenn man sie sich genau betrachtet, differenziert zu einer anderen homogenen Herkunft. Sašas Eltern hatten sich entschieden, das Kriegsland zu verlassen, andere sind dortgeblieben, weil sie nicht bedroht wurden, oder sich woanders versteckt haben, etc. Die Eltern hatten entschieden, nach Deutschland zu fliehen, andere fliehen in andere Länder. Deutschland ist nicht das einzige Land, in das Menschen flüchten, wenn auch die Medien uns dieses Gefühl vermitteln. Wer wäre man geworden, wäre man im Land geblieben? Wer wäre man geworden, wäre man in ein anderes Land geflüchtet? Man könnte den Gedanken noch unendlich weiterspinnen. Wer wäre man geworden, wäre man in einer anderen Familie geboren? Auf jeden Fall immer ein ganz anderer Mensch, der aus sich das zu machen gezwungen ist, was er nach der Geburt an Werkzeug für sein Leben vorfindet, um sich zu formen.
In Bosnien hat es geschossen am 24. August 1992, in Heidelberg hat es geregnet. Es hätte ebenso gut Osloer Regen sein können. Jedes Zuhause ist ein zufälliges: Dort wirst du geboren, hierhin vertrieben, da drüben vermachst du deine Niere der Wissenschaft. Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann. Wer sein Zuhause nicht verlässt, weil er muss, sondern weil er will. Glück hat, wer sich geographische Wünsche erfüllt. Das gibt dann vorzügliche Sprachreisen, Alterswohnsitze in Florida und Auswanderinnen in die Dominikanische Republik zu besser aussehenden Männern. (123)

Auch für mich ist die Herkunft, homogen oder different, immer eine komplexe Frage. Die einen sind Adoptivkinder, andere Kinder wurden abgetrieben und bekamen nie eine Chance, ein Mensch zu werden, andere wurden in armen Familien geboren, andere in reiche, etc. Wer sucht sich das aus? Schaut man sich die homogenen Väter an, unterscheiden sie sich von anderen homogenen Väter. Die Mütter ebenso. Die eine Mutter trinkt, der andere Vater ist ein Schläger, andere sind auf unterschiedliche Weise wohlwollend, etc. Stolz auf ein Land zu sein, das wir als das unsrige bezeichnen, ist als sterbliches Wesen, das ein Land aus diesem Grund niemals besitzen kann, genauso ein Nonsens. Und trotzdem denken viele, anders sind nur die, die woanders herkommen, weil sie angeblich über andere Sitten und andere Gene verfügen würden.

Auch für den Autor lässt sich eine Herkunft nicht nur in eine Blutgruppe pressen.
Also doch, Herkunft, wie immer, (…) eine komplexe Frage: Zuerst müsse geklärt werden, worauf das Woher ziele. Auf die geografische Lage des Hügels, auf dem der Kreißsaal sich befand? Auf die Landesgrenzen des Staates zum Zeitpunkt der letzten Wehe? Provenienz der Eltern? Gene, Ahnen, Dialekt? Wie man es dreht, Herkunft bleibt doch ein Konstrukt! Eine Art Kostüm, das man ewig tragen soll, nachdem es einem übergestülpt worden ist. (32f)

Da wir gerade europaweit wieder eine Tendenz zum Nationalismus erleben, sind sich Menschen, die das Land, das sie als ihr eigenes bezeichnen, nicht bewusst, dass das Land, auf das sie so stolz sind, auch Früchte anderer Länder trägt. Der Autor macht dies aus eigener Erfahrung / Beobachtung anschaulich:
Ausgerechnet hier! Auf diesem Balkan, Mann! An der Kreuzung zwischen Orient und Okzident! Alle sind hier irgendwann aufmarschiert, alle! Alle haben sich breitgemacht, wurden besiegt, (oder auch nicht) zogen sich zurück. Und sie alle ließen etwas da. Rom, Venedig, die osmanischen Heere, Österreich-Ungarn. Und all die Slawen. Juden kamen von der iberischen Halbinsel und blieben. Roma-Enklaven existieren im gesamten Raum. Die Deutschen schliefen in Betten meiner Vorfahren. Alle waren hier, wo du dasselbe Lied in verschiedenen Tonarten anstimmst (…). Hier, wo du türkischen Kaffee trinkst, deutsche und arabische Lehnwörter selbstverständlich benutzt, mit urslawischen Vilen in den Wäldern tanzt und auf Hochzeiten zu gleichermaßen miesen kroatischen oder serbischen Schlagersongs. Hatten wir nicht die Tore von „Roter Stern“ gemeinsam bejubelt? Offenbar nicht. (99f)

Mein Fazit
Ein sehr lesenswertes Buch, das mich total bereichert hat. So viele Zitate hätte ich gerne noch herausgeschrieben. Toll, es gelesen zu haben. Am schönsten fand ich allerdings die Sprache; sehr verspielt, sehr ideenreich, sehr kreativ. Wundervoll.

Eine klare Leseempfehlung!!!

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Als Mitglied bei der Büchergilde stand erneut ein Quartalskauf an. Dort im Laden ausgelegt ist mir das Buch sofort ins Auge geschossen. Da es mir schon auf der Frankfurter Buchmesse 2019 aufgefallen ist, war es klar, dass ich dieses Buch erwerben wollte. So kam mir die Büchergilde entgegen, die es in ihrem Bestand zum Verkauf angeboten hatte.

Es ist ein bepreistes Buch. Ich mache mir aber nichts mehr aus Buchpreisen, da ich schon häufig damit enttäuscht wurde, und ich deshalb mit Buchpreisen so etwas auf Kriegsfuß stehe. In letzter Zeit scheine ich Glück zu haben, denn auch dieses Buch hat meinen Geschmack treffen können und hat auch aus meiner Sicht absolut seinen Preis verdient. Er erhielt den Deutschen Buchpreis.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Der Autor hätte allein der Sprache wegen seine 12 Punkte verdient. Wenn alles andere minderwertiger ausgefallen wäre, hätte ich dem Buch trotzdem 12 Punkte vergeben.

Deshalb zwölf von zwölf Punkten, auch wenn es von der Rechnung her elf Punkte sind.

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Jeder kann die Welt mit seinem
Leben ein kleinwenig besser machen.
(Charles Dickens)

Gelesene Bücher 2020: 12
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)
Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)