Freitag, 10. Mai 2019

Temple Grandin / Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier (1)

Eine Autistin entdeckt die Sprache der Tiere    

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Mir hat das Buch recht gut gefallen. Ein Buch über Tiere, das diesmal nicht esoterisch besetzt ist, sondern rein naturwissenschaftlich, das auf viele empirische Studien aufgebaut ist. Jede Menge Forschungsergebnisse
von Labor und Feldstudien, verschiedene Ergebnisse im Bereich der Verhaltensforschung und viele mehr sind dem Band zu entnehmen. Viele Theorien, die ich auch in seriösen esoterischen Büchern gelesen habe, werden hier bestätigt. Grob gesagt, Tiere können sehr wohl denken und fühlen, Tiere sind Persönlichkeiten. Dies wissen alle Tierhalter*innen, die in der Lage sind, den Alltag mit ihren Haustieren auf Augenhöhe zu gestalten und nicht von oben herab.

Ich habe mir in dem Buch ganz viel Text angestrichen, obwohl ich nicht auf alles eingehen kann. Aber meine Bücher betrachte ich häufig als Nachschlagewerke, wenn ich Zitate zu einer bestimmten Thematik suche, finde ich sie schneller, wenn ich mich an die Markierungen halte.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorinporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Interessant ist auch, dass die Autorin Autistin ist, und sie sich mit Tieren identifizieren kann. Ihre Denkart ist ähnlich wie bei Tieren. Beide Wesensarten denken rein visuell. Und Grandin bezeichnet ihre Muttersprache als eine Bildsprache, die frei vom Verbalen ist. Deshalb hat sie es geschafft, sich in die Tiere einzufühlen, und hat viele Methoden entwickelt, wie Tiere, vor allem die, die in Schlachthäusern getötet werden, human behandelt werden.

Herausgefunden hat sie auch die Formen der Intelligenz, die von Tier zu Tier verschieden sein soll, wie dies auch bei uns Menschen der Fall ist. Temple Grandin war in der Lage, auch mithilfe der Gehirnforschung Parallelen zwischen tierischer und menschlicher Intelligenz zu entdecken, die der normalen Tierforschung entgangen war. (2015, 13)

Die Autorin hat über vierzig Jahren mit Tieren zugebracht. Sie hat in Amerika und in Kanada Methoden entworfen, mit denen die Tiere in den Schlachthöfen so getötet werden, dass sie dabei nicht gequält werden und der Vorgang sich zügig abspielt. Sie hat sich schon in jungen Jahren mit Tierwissenschaft auseinandergesetzt. Sie ging an die Uni und studierte Tierpsychologie. Derzeit ist sie Professorin an der Colorado State University. Sie ist um die Welt gereist und hat sich viele Schlachthäuser angeschaut. Die Schlachthäuser in Europa wären katastrophal. Schlechte Behandlung, viele Tiere würden bei lebendigem Leib geschlachtet werden, wenn z. B. der Bolzenschuss versagt und die Tiere zeppelnd an den Haken hangen.

Sie konnte herausfinden, was Tieren Angst macht. Sie schafft es, sich auf die Ebene der Tiere zu begeben, um die Dinge aus deren Perspektive zu erschliessen.

Das sollte der Mensch nicht nur mit Tieren machen; Der Mensch sollte lernen, sich in sein menschliches Gegenüber hineinzuversetzen, um die Welt aus seiner Sicht besser erfassen zu können. Das nennt die Autorin auch empathisches Verstehen. Wie wollen Menschen Tiere verstehen, wenn sie nicht einmal in der Lage sind, Menschen zu verstehen, die anders denken und anders empfinden als der Durchschnitt es tut?

Interessant fand ich auch die Form der Wahrnehmung, die die Autorin beschreibt. Tiere und Autisten seien in der Lage, Details wahrzunehmen, die der „normale Mensch“ nicht kann.
Das liegt daran, dass das Nervensystem eines normalen Menschen unzählige Details vernachlässigt und die Lücken mit dem füllt, was er zu sehen erwartet. (303)

Grandin ging auch in die Hirnforschung und verglich das Gehirn von Menschen und das der Tiere. Darüber hat sich die Autorin über mehrere Kapitel ausgelassen, dass ich unmöglich auf die Details eingehen kann, werde aber ein Beispiel einbringen. Die Gehirne zwischen Mensch und Schwein würden zum Beispiel auf dem ersten Blick identisch aussehen. Unterschiede fand sie schließlich an dem Neokortex. Was ist ein Neokortex? Ist hier nachzulesen.

Hier sind die Gehirne ein wenig unterschiedlich, Mensch und Tier würden die Welt dadurch unterschiedlich wahrnehmen, aber Mensch und Tier hätten auch viele Gemeinsamkeiten. In dem Buch sind viele interessante Beispiele zur Gehirnforschung, Großhirn, Kleinhirn, etc. zu Mensch und Tier angegeben und so verweise ich Weiteres auf das Buch.

Aber Tiere hätten alle möglichen Rezeptoren, sog. Sinnesorgane, die die Menschen nicht haben würden, und die Tiere seien dadurch in der Lage, Dinge zu tun, die die Menschen wiederum nicht tun können.

Grandin spricht auch von Basisemotionen, die die Tiere gemeinsam mit den Menschen haben würden. Sexuelle Anziehung, Trennungsangst zwischen Muttertier und Kalb, Soziale Bindung, die Freude am Spielen und Herumbalgen. Wenn man Tierkinder beim Spielen beobachtet, dann ähneln sie dabei auch den Menschenkindern.

Was die wenigsten wissen, ist, dass
Die meisten Tiere >>übermenschliche<< Fähigkeiten haben. Tiere haben tierische Begabungen. Vögel sind Navigationsgenies, Hunde Geruchsgenies und Adler visuelle Genies – jedes Tier besitzt auf einem anderen Gebiet eine besondere Begabung.

Das soll aber nicht heißen, dass Hunde nur riechen können. Natürlich können sie wesentlich mehr, deshalb empfehle ich dieses Buch selbst zu lesen, um sich auch die Details vornehmen zu können.

Als besonders intelligent wurden Vögel bezeichnet.
Vögel benutzen für ihre Lieder dieselben Wechsel von Rhythmus und Tonhöhe wie menschliche Musiker und können sie auch in eine andere Tonart setzen. Vögel verwenden Accelerandos, Crescendos und Diminuendos und viele Tonleitern, die Komponisten auf der ganzen Welt verwenden. (280)

Wenigstens sind die Singvögel frei, sie landen in kein Schlachthaus und können ihr Potenzial in ihrem Umfeld völlig frei entfalten.

Interessant fand ich die These, dass Hunde von Wölfen abstammen, und durch die Domestizierung über den Menschen ist aus dem Wolf ein Haushund geworden. Bemerkenswert daran ist, dass nicht nur der Mensch den Hund domestiziert hat, sondern im Umkehrschluss auch der Hund den Menschen. Man fand durch Ausgrabungen heraus, dass vor etwa 10000 Jahren im Todesfall der Mensch zu seinem Hund bestattet wurde.

Am Ende des Buches habe ich mir die Frage gestellt, weshalb Temple Grandin als ein wirklich sehr tierliebender Mensch in der Lage war, in einer Fleischfabrik zu arbeiten? Wie schafft sie es, beim Schlachten zuzuschauen? Auch stellten ihr andere die Fragen. Darauf die Anrtwort der Autorin:
Ich weiß noch, wie ich nach der Entwicklung meines Schlachthofsystems den Blick über den Hof schweifen ließ, in dem hunderte von Tieren in den Gehegen standen. Ich fühlte mich ganz bedrückt, weil ich soeben eine hocheffektive Schalachtfabrik entworfen hatte. Und Kühe sind die Tiere, die ich am allermeisten liebe.
Damals wurde mir klar, dass keines dieser Tiere existieren würde, wenn sie der Mensch nicht gezüchtet hätte. Seitdem weiß ich, welche Verantwortung damit einhergeht: Wir schulden ihnen ein anständiges Leben und einen anständigen Tod. Ihr Leben sollte so unbelastet wie möglich sein, und genau das ist mein Job.
 Dieses Buch habe ich deshalb geschrieben, weil ich den Tieren mehr wünsche als nur ein unbelastetes Leben und einen schnellen schmerzlosen Tod. Ich will, dass sie auch ein schönes Leben haben und eine sinnvolle Beschäftigung bekommen. Ich glaube, das sind wir ihnen schuldig. (308)

Mich macht das jetzt nicht zu einer Fleischkonsumentin, Grandin selbst konnte nicht auf Fleisch verzichten, aber ihre Einstellung ist für mich nachvollziehbar. 

Die Natur ist grausam, aber wir müssen es nicht auch noch sein. 

Grandin beochtet in einer TV-Tierdokumentation, wie ein Löwe ein Beutetier jagt und zerlegt. Das hatte sie dermaßen erschreckt, dass sie persönlich, wäre sie das gejagte Tier, auch lieber in einem Schlachthaus getötet werden wolle, als die Eingeweide von einem Löwen herausgerissen zu bekommen. Deshalb spricht sie von einem humanen töten. Die Tiere bis zu dem Tod gut zu behandeln, einfach weil sie es verdient hätten gut behandelt zu werden, denn sie opfern sich für uns Menschen. (Zu entnehmen aus ihrem biografischen Film) 

Ich bin nach wie vor dafür, sämtliche Schlachthäuser zu schließen, denn auch glückliche Tiere leben gerne. Für mich selbst gibt es kein humanes Töten, gerade was die Art in unseren Schlachthäusern hierzulande betrifft. Die Tiere erleben schon vorher den Stress, wenn sie aus ihrem Umfeld herausgerissen werden. Die Kühe sehen, wie ihre Artgenossen vor ihnen niedergestreckt werden …

Mein Fazit?
Wie ich eingangs schon geschrieben habe, findet man in dem Buch wirklich viele interessante wissenschaftliche Untersuchungen, die mich alle sehr neugierig gestimmt haben, und mich in meinem Denken weitergebracht haben. Aber es sind sehr viele Fachbegriffe, die den einen oder anderen abschrecken könnten. Aber ich fand sie wichtig, weil sie ja auch dadurch das Naturwissenschaftliche unterstreichen, und ein Buch dadurch auch glaubwürdiger wird.

Und hier geht es zu dem biografischen Film Du gehst nicht allein auf Youtube, der sehr sehenswert ist, da es nicht nur um Tiere geht, sondern zusammen mit den Tieren steht auch der Autismus im Vordergrund. Den Film, den ich mir mehrmals angeschaut habe, gibt es auch bei Amazon auf DVD zu kaufen oder man kann sich den Film dort auch virtuell ausleihen.

Meine Gedanken zu dem Buch
Ich finde es sehr interessant, dass Temple Grandin sich mit den Tieren identifizieren konnte. Dass sie außerdem noch ihre Muttersprache als die visuelle bezeichnet und nicht als die Amerikanische, fand ich faszinierend. Sie bestätigt meine Theorie, dass die Identitätsentwicklung bei einem Menschen sehr unterschiedlich verlaufen kann und selten genetisch gesteuert wird. 

Ähnlich wie die Autorin kann auch ich mich mit meinen Haustieren identifizieren, nur habe ich nie darüber gesprochen, weil es so untypisch ist. Mein Kater Momo besaß Charaktereigenschaften, die sich absolut mit meinen gedeckt haben.

Trotzdem möchte ich einen Naturwissenschaftler hinzuziehen, der meine These deckt, damit auch ich glaubwürdig erscheine. Ein Zitat von Erik Erikson, deutsch-amerikanischer Psychoanalytiker, der die Identitätsentwicklung folgendermaßen beschreibt:
 (= I.) [engl. identity development], [EW, PER]Identität wird laut Erikson (1968) durch Interaktion mit anderen und im Kontext der eigenen Kultur gebildet. Sie umfasst u. a. versch. Bereiche der Selbstwahrnehmung wie bspw. Geschlecht, Gruppenzugehörigkeiten, persönliche Eigenschaften (Persönlichkeitsmerkmal) oder eigenen Kompetenzen, wird während der gesamten Entwicklung gebildet und ist somit als ein Prozess zu verstehen, der lebenslang dauert.
Wie man lesen kann, ist die Identitätsentwicklung ein lebenslanger Prozess, das heißt, dass sie niemals abgeschlossen ist, und sich bis zum Lebensende jederzeit neu wandeln kann. Nur nutzen das so wenige, und übernehmen ein Leben lang die Identität, die ihnen von den Eltern in die Wiege gelegt wurde, ohne sie jemals hinterfragt zu haben.

Welches Buch über Tiere wird das nächste sein? Die heilende Kraft der Katzen. Aber wann ich mir dieses Buch vornehmen werde, das weiß ich nicht, da ich noch andere Leseprojekte am Laufen habe, und ich gerne abwechseln möchte. Erschienen ist das Buch 2019 im Goldegg - Verlag. Auf jeden Fall möchte ich es mir zeitnah vornehmen. 
________________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 18
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 5. Mai 2019

Familiärer Austausch

Die ersten Proust-Briefe mit Familienmitgliedern, 1879-1887  

Kindheit und Jugend in den Briefen
Mit den ersten beiden Briefen, April 1879 und Febr. 1881 war Marcel gerade mal sieben und neun Jahre alt, als er sich schon ans Schreiben machte, was ich phänomenal fand. Ein quicklebendiges, neugieriges und fabulierfreudiges Kind, das sich in der Auseinandersetzung mit hoher Literatur und im Umgang mit seinen Mitmenschen befindet. Was mir auffällt, ist, dass sich der kleine, sensible Proust in seinen Briefen hauptsächlich mit Erwachsenen beschäftigt und kaum etwas mit seinen Altersgenossen zu tun hat. Eine reife Seele in einem Kinderkörper? So kommt mir der Kleine vor. Er schreibt hier an seine Großeltern mütterlicherseits Nathé und Adèle Weil. Mit neun Jahren schreibt er seinen ersten Brief auf Deutsch. Mit neun Jahren lernt er auch Deutsch und Latein, 18 Monate bevor er aufs Gymnasium wechselt. Später scheint er ein humanistisches Gymnasium zu besuchen, da er hier auch Altgriechisch und Geschichte lernt. Dadurch wird er mit der griechischen Mythologie vertraut gemacht. Der junge Marcel saugt wie ein Schwamm alles auf, was er literarisch und zwischenmenschlich aufgetragen bekommt. Ein Junge mit so einer immensen Begabung kann unmöglich den Umgang zu Gleichaltrigen gesucht haben.

Auf Seite 87 geht aus dem Brief an die Großmutter hervor, dass er das Briefeschreiben vorzieht, um ihr eine Madame Catusse zu beschreiben, anstatt mit seinen Kameraden Krocket spielen zu gehen.
Mit zehn Jahren liest Marcel schon Dramen und Theaterstücke. Zudem liest er Honoré de Balzac, und Théophile Gautiers und zitiert daraus reichlich in seinen Briefen an die Großeltern.

Ein Faible hat er auch für ältere Frauen, was mir schon in seiner Recherche über die Madame Guermantes aufgefallen ist. Madame Marie-Marguerite Catusse ist hier eine junge Dame im geschätzten Alter zwischen 23 und 25 Jahren. Sie scheint eine Opernsängerin zu sein. Marcel war zu der Zeit 15 Jahre alt, als er ihren Umgang suchte. Die junge Frau ging eine Freundschaft mit Marcels Mutter ein. Der Kontakt mit dieser Frau blieb selbst dann noch bestehen, als seine Mutter 1905 aus dem Leben schied. Madame Catusse blieb eine intime Vertraute von Marcel ...

Eine prächtige Charakterisierung über diese Frau brachte der junge Marcel im Brief an die Großmutter zustande, die aber der Großmutter missfiel. Seine Reaktion dazu:
Ma chère Grand` mère,danke mir nicht für diesen Brief. Seit der Standpauke letzthin habe ich außerdem Angst, erneut gestriegelt zu werden. Aber Madame Catusse hat mir eine kleine Arie versprochen, wenn ich damit anfange, sie für dich zu porträtieren, eine große Arie, wenn ich damit fertig bin, und für alles zusammen alle Arien, die ich will. (2016, 87)

Hier habe ich mich gefragt, was eine Madame Catusse dazu treibt, sich mit einem minderjährigen Jungen abzugeben, doch es scheint wohl die Kunst, die sie beide verbindet, dazu geführt zu haben. Und hierbei zählt der Altersunterschied keine Rolle. Es sind die verwandten Seelen, die sich finden, würde der alte Goethe wohl sagen.

Madame Catusse schienen Prousts literarische Vorlieben und seine Fantasien dazu, Menschen zu beobachten und zu beschreiben, aufgefallen zu haben, zu denen sie sich ein wenig narzisstisch hingezogen fühlt, denn warum sonst möchte sie von dem jungen Proust porträtiert werden? Andere Künstler malen mit Aquarelle, Marcel malt seine Figuren mit der Feder.

Aus dieser Feder wurden schon die ersten Figuren der Recherche geboren. Marcel übt sein Metier über das Schreiben von Briefen, das später übergeht in seinen siebenbändigen Büchern Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

Was ist noch aus diesen zehn Seiten zu entnehmen? Proust hat noch einen jüngeren Bruder namens Robert, der auf diesen Seiten nur peripher erwähnt wird, weil Robert noch zu klein ist. Einen Robert gibt es aber auch in der Recherche … Marcels Vater, Adrien Proust, ist Zahnarzt von Beruf.
Marcel beschäftigt sich auch mit anderen Charakteren und lernt den Kollegen seines Vaters Magitot kennen, der aus den Briefen einer Madame Victorine Ackermann, geb. Choquet, Literatin, zitiert:
Um, wie der Burgherr von Auteuil zu sagen pflegt, der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich im Übrigen sagen, dass der Doktor ein sehr gutmütiger Mann ist, sehr offen, sehr natürlich, sehr gebildet, sehr klug. Er hat sich anderntags damit vergnügt, vor einem Publikum höchst devoter Frauen und Ehemänner atheistische und gotteslästerliche Verse einer Madame Ackermann zu lesen und von A bis Z zu beweisen, dass die Religionen menschliche Einrichtungen seien, die den gesellschaftlichen Fortschritt aufhielten (…). (89)

Auf Seite 91 geht hervor, dass Marcels Mutter, Jeanette Weil, ihren Vater bittet, einen Brief vom Enkel sofort nach dem Lesen wieder zu vernichten. Auch hier zeigt sich, dass die Briefe peinlich berühren konnten. Den Brief an eine Madame Antoinette Faure hatte die Mutter sogar selbst zerrissen, angeblich, weil die Schrift zu schlecht sei, aber Marcel vermutet eher politische Motive, die darin beschrieben wurden.

Meine Meinung zu den ersten zehn Seiten, (81-91)
Wie gehaltvoll Marcels Werke sind, sowohl seine Briefe als auch seine anderen Werke, zeigen, wie viel auf diesen zehn Seiten zu entnehmen ist. Wenn ich sie nicht aufschreiben würde, hätte ich das ganz schnell wieder vergessen, denn der Inhalt wird nach dem Lesen im Schreibprozess noch weiter intensiviert und dadurch besser verarbeitet.

Ich finde es schön, dass in den Briefen auch männliche Autoritäten erwähnt werden, wie zum Beispiel den Großvater und den Vater, die mir in der Recherche ein wenig zu kurz gekommen sind.

Ich finde diesen jungen Marcel sehr sympathisch, was später aber bei mir wieder kippen wird, wenn er Menschen von oben herab behandelt und so blasiert daherredet. Man merkt, dass er seine Zeit zu sehr mit Erwachsenen verbringt und sich schon recht früh mit schweren Themen befasst, sodass diese unbeschwerte Kindheit, die er auch hatte, aber einen Schatten abgeworfen zu haben scheint, wenn er als Erwachsener zu altklug erscheint.

Ich bin so neugierig auf die weiteren Briefe, und so lassen wir das Ganze noch weiter in uns sacken.

Marcel Proust ist für mich in der Literatur, was ein Wolfgang Amadeus Mozart in der Musik ist, denn auch Mozart begann schon recht früh zu musizieren; er komponierte im Kindesalter auch erste Musikstücke. 

Telefongespräch mit Anne, 05.05.19
Ich habe mit Anne telefoniert, und ich bin richtig froh, dass auch sie die Briefe interessant findet. Wir haben unsere gemeinsamen Eindrücke geteilt. Anne hat zudem herausgefunden, dass Marcel Prousts Mutter deutsche Jüdin ist. Das hatte ich nämlich auch vermutet, da die Mutter mit Mädchennamen Weil heißt. Dass Proust Jude war, das ließ sich schon aus der Recherche herauslesen. Anne und ich waren beide erstaunt darüber, wie früh der kleine Marcel schon begonnen hatte, sich literarisch auseinanderzusetzen. Seine Ausdrucksweise faszinierte uns einerseits, doch aus der Feder eines Zehnjährigen wirkte sie ein wenig zu reif. Lange Briefe erstaunten uns, aber auch die kurzen, die aus einem Vierzeiler stammen, sind sehr einfallsreich. Was wir als mühselig empfunden haben, sind die vielen Unterbrechungen durch die Fußnoten. Positiv haben wir erlebt, dass die Fußnoten nicht hinten in einem gesonderten Glossar abgedruckt sind, sondern noch auf derselben Seite, am Ende eines Schreibens. Uns beschäftigt noch die Frage, weshalb Marcel Proust seiner fiktiven Figur aus der Recherche seinen Namen vergeben hat? Wir hoffen auf eine Lösung durch die Briefe.

Am 06. Mai 2017 hatten wir begonnen zu lesen. Ich kopiere mal unsere ersten Leseeindrücke rein, ich zitiere:

Erster Eintrag von 06.05.2017
Ich habe mit den Briefen begonnen, ich habe allerdings aus dem ersten Band erst die Chronologie geschafft, die relativ umfangreich ist. Die Briefe daraus beginne ich nächste Woche mit meiner Lesepartnerin Anne-Marit zu lesen. Aus der Chronologie konnte ich viel Interessantes entnehmen, ein paar wenige Fakten möchte ich auch hier festhalten, Weiteres ist meiner separaten Buchbesprechung zu entnehmen.

Wie den meisten bekannt ist, ist Marcel Proust Asthmatiker gewesen. Dadurch hat er permanent den Tod vor Augen gehabt, musste jede Menge Anfälle über sich ergehen lassen. Solche Asthmaanfälle sind schon erschreckend, wenn man sich vorstellt, dass einem die Luft wegbleibt und man zu ersticken droht. Durch seine Atemwegserkrankung ist Proust tatsächlich nicht alt geworden. Er starb mit 51 Jahren (1871-1922).
Als er noch lebte, quälte ihn die Sorge, er würde vorzeitig sterben, ohne seine Recherche beendet zu haben. Außerdem hatte er Angst, seine vielen Briefe, die teilweise sehr persönlich sind, würden veröffentlicht werden, kaum dass er tot sei. Ich denke mir dabei, dass er selbst die Wahl hatte. Er hätte die Briefe vor seinem Tod verbrennen können. Aber er tat das nicht, also stand er einer Veröffentlichung ambivalent gegenüber.

Worunter er noch litt, war sein Ruf. Nicht wenige bezeichneten ihn als einen Snob. Darüber musste ich so schmunzeln, denn auch ich zähle mich zu den Leser*innen, die ihn für arg blasiert hielten, siehe im oberen Text. Interessant, dass ich mit dieser Charakterisierung nicht alleine dastehe.

Sorgen bereitete ihm auch, dass die Leser*innen zwischen dem fiktiven und dem realen Marcel nicht unterscheiden könnten. Diese Sorge ist berechtigt, denn ich selbst stellte mir wiederholt die Frage, weshalb Proust dem Protagonisten aus der Recherche denselben Vornamen verpasst hatte? Nicht nur die Leser*innen sind vor diese Herausforderung gestellt, die beiden Marcels auseinanderzuhalten. Auch er, Marcel Proust, der Vater des fiktiven Marcels, muss selbst vor dieser schweren Aufgabe gestanden haben, beide Marcels auseinanderzuhalten. Wie kann er einen fiktiven Marcel kreieren und gleichzeitig Abstand gewinnen zwischen den beiden gleichen Namensträgern?

In seinen siebenbändigen Büchern gibt es sehr wohl Parallelen zu seinem eigenen Leben. Dies zeigt mir, dass es ihm nicht gelungen ist, sich als realer Marcel von dem fiktiven Marcel zu distanzieren. Warum aber war es ihm so wichtig, seinem Protagonisten seinen Namen zu verpassen? Vielleicht gibt es in den Briefen eine Antwort dazu, denn er muss sich ja etwas dabei gedacht haben.



DIe ersten Proust-Briefe mit Familie

Die ersten Proust-Briefe, 1879-1887   

Kindheit und Jugend in den Briefen
Mit den ersten beiden Briefen, April 1879 und Febr. 1881 war Marcel gerade mal sieben und neun Jahre alt, als er sich schon ans Schreiben machte, was ich phänomenal fand. Ein quicklebendiges, neugieriges und fabulierfreudiges Kind, das sich in der Auseinandersetzung mit hoher Literatur und im Umgang mit seinen Mitmenschen befindet. Was mir auffällt, ist, dass sich der kleine, sensible Proust in seinen Briefen hauptsächlich mit Erwachsenen beschäftigt und kaum etwas mit seinen Altersgenossen zu tun hat. Eine reife Seele in einem Kinderkörper? So kommt mir der Kleine vor. Er schreibt hier an seine Großeltern mütterlicherseits Nathé und Adèle Weil. Mit neun Jahren schreibt er seinen ersten Brief auf Deutsch. Mit neun Jahren lernt er auch Deutsch und Latein, 18 Monate bevor er aufs Gymnasium wechselt. Später scheint er ein humanistisches Gymnasium zu besuchen, da er hier auch Altgriechisch und Geschichte lernt. Dadurch wird er mit der griechischen Mythologie vertraut gemacht. Der junge Marcel saugt wie ein Schwamm alles auf, was er literarisch und zwischenmenschlich aufgetragen bekommt. Ein Junge mit so einer immensen Begabung kann unmöglich den Umgang zu Gleichaltrigen gesucht haben.

Auf Seite 87 geht aus dem Brief an die Großmutter hervor, dass er das Briefeschreiben vorzieht, um ihr eine Madame Catusse zu beschreiben, anstatt mit seinen Kameraden Krocket spielen zu gehen.
Mit zehn Jahren liest Marcel schon Dramen und Theaterstücke. Zudem liest er Honoré de Balzac, und Théophile Gautiers und zitiert daraus reichlich in seinen Briefen an die Großeltern.

Ein Faible hat er auch für ältere Frauen, was mir schon in seiner Recherche über die Madame Guermantes aufgefallen ist. Madame Marie-Marguerite Catusse ist hier eine junge Dame im geschätzten Alter zwischen 23 und 25 Jahren. Sie scheint eine Opernsängerin zu sein. Marcel war zu der Zeit 15 Jahre alt, als er ihren Umgang suchte. Die junge Frau ging eine Freundschaft mit Marcels Mutter ein. Der Kontakt mit dieser Frau blieb selbst dann noch bestehen, als seine Mutter 1905 aus dem Leben schied. Madame Catusse blieb eine intime Vertraute von Marcel ...

Eine prächtige Charakterisierung über diese Frau brachte der junge Marcel im Brief an die Großmutter zustande, die aber der Großmutter missfiel. Seine Reaktion dazu:
Ma chère Grand` mère,danke mir nicht für diesen Brief. Seit der Standpauke letzthin habe ich außerdem Angst, erneut gestriegelt zu werden. Aber Madame Catusse hat mir eine kleine Arie versprochen, wenn ich damit anfange, sie für dich zu porträtieren, eine große Arie, wenn ich damit fertig bin, und für alles zusammen alle Arien, die ich will. (2016, 87)
Hier habe ich mich gefragt, was eine Madame Catusse dazu treibt, sich mit einem minderjährigen Jungen abzugeben, doch es scheint wohl die Kunst, die sie beide verbindet, dazu geführt zu haben. Und hierbei zählt der Altersunterschied keine Rolle. Es sind die verwandten Seelen, die sich finden, würde der alte Goethe wohl sagen.

Madame Catusse schienen Prousts literarische Vorlieben und seine Fantasien dazu, Menschen zu beobachten und zu beschreiben, aufgefallen zu haben, zu denen sie sich ein wenig narzisstisch hingezogen fühlt, denn warum sonst möchte sie von dem jungen Proust porträtiert werden? Andere Künstler malen mit Aquarelle, Marcel malt seine Figuren mit der Feder.

Aus dieser Feder wurden schon die ersten Figuren der Recherche geboren. Marcel übt sein Metier über das Schreiben von Briefen, das später übergeht in seinen siebenbändigen Büchern Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

Was ist noch aus diesen zehn Seiten zu entnehmen? Proust hat noch einen jüngeren Bruder namens Robert, der auf diesen Seiten nur peripher erwähnt wird, weil Robert noch zu klein ist. Einen Robert gibt es aber auch in der Recherche … Marcels Vater, Adrien Proust, ist Zahnarzt von Beruf.
Marcel beschäftigt sich auch mit anderen Charakteren und lernt den Kollegen seines Vaters Magitot kennen, der aus den Briefen einer Madame Victorine Ackermann, geb. Choquet, Literatin, zitiert:
Um, wie der Burgherr von Auteuil zu sagen pflegt, der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich im Übrigen sagen, dass der Doktor ein sehr gutmütiger Mann ist, sehr offen, sehr natürlich, sehr gebildet, sehr klug. Er hat sich anderntags damit vergnügt, vor einem Publikum höchst devoter Frauen und Ehemänner atheistische und gotteslästerliche Verse einer Madame Ackermann zu lesen und von A bis Z zu beweisen, dass die Religionen menschliche Einrichtungen seien, die den gesellschaftlichen Fortschritt aufhielten (…). (89)

Auf Seite 91 geht hervor, dass Marcels Mutter, Jeanette Weil, ihren Vater bittet, einen Brief vom Enkel sofort nach dem Lesen wieder zu vernichten. Auch hier zeigt sich, dass die Briefe peinlich berühren konnten. Den Brief an eine Madame Antoinette Faure hatte die Mutter sogar selbst zerrissen, angeblich, weil die Schrift zu schlecht sei, aber Marcel vermutet eher politische Motive, die darin beschrieben wurden.

Meine Meinung zu den ersten zehn Seiten, (81-91)
Wie gehaltvoll Marcels Werke sind, sowohl seine Briefe als auch seine anderen Werke, zeigen, wie viel auf diesen zehn Seiten zu entnehmen ist. Wenn ich sie nicht aufschreiben würde, hätte ich das ganz schnell wieder vergessen, denn der Inhalt wird nach dem Lesen im Schreibprozess noch weiter intensiviert und dadurch besser verarbeitet.

Ich finde es schön, dass in den Briefen auch männliche Autoritäten erwähnt werden, wie zum Beispiel den Großvater und den Vater, die mir in der Recherche ein wenig zu kurz gekommen sind.

Ich finde diesen jungen Marcel sehr sympathisch, was später aber bei mir wieder kippen wird, wenn er Menschen von oben herab behandelt und so blasiert daherredet. Man merkt, dass er seine Zeit zu sehr mit Erwachsenen verbringt und sich schon recht früh mit schweren Themen befasst, sodass diese unbeschwerte Kindheit, die er auch hatte, aber einen Schatten abgeworfen zu haben scheint, wenn er als Erwachsener zu altklug erscheint.

Ich bin so neugierig auf die weiteren Briefe, und so lassen wir das Ganze noch weiter in uns sacken.

Marcel Proust ist für mich in der Literatur, was ein Wolfgang Amadeus Mozart in der Musik ist, denn auch Mozart begann schon recht früh zu musizieren; er komponierte im Kindesalter auch erste Musikstücke. 

Telefongespräch mit Anne, 05.05.19
Ich habe mit Anne telefoniert, und ich bin richtig froh, dass auch sie die Briefe interessant findet. Wir haben unsere gemeinsamen Eindrücke geteilt. Anne hat zudem herausgefunden, dass Marcel Prousts Mutter deutsche Jüdin ist. Das hatte ich nämlich auch vermutet, da die Mutter mit Mädchennamen Weil heißt. Dass Proust Jude war, das ließ sich schon aus der Recherche herauslesen. Anne und ich waren beide erstaunt darüber, wie früh der kleine Marcel schon begonnen hatte, sich literarisch auseinanderzusetzen. Seine Ausdrucksweise faszinierte uns einerseits, doch aus der Feder eines Zehnjährigen wirkte sie ein wenig zu reif. Lange Briefe erstaunten uns, aber auch die kurzen, die aus einem Vierzeiler stammen, sind sehr einfallsreich. Was wir als mühselig empfunden haben, sind die vielen Unterbrechungen durch die Fußnoten. Positiv haben wir erlebt, dass die Fußnoten nicht hinten in einem gesonderten Glossar abgedruckt sind, sondern noch auf derselben Seite, am Ende eines Schreibens. Uns beschäftigt noch die Frage, weshalb Marcel Proust seiner fiktiven Figur aus der Recherche seinen Namen vergeben hat? Wir hoffen auf eine Lösung durch die Briefe.


Mittwoch, 1. Mai 2019

Marcel Proust Briefe 1879 - 1913 (1)

Lesen mit Anne   

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Wie ich in der Buchvorstellung schon verkündet habe, lesen Anne und ich die Briefe von Marcel Proust, BD 1 von 1879 – 1913, 2016 im Suhrkamp-Verlag erschienen, allerdings nur häppchenweise, damit wir den Inhalt besser reflektieren und verinnerlichen können. Wir lesen jeden Samstag / Sonntag zehn Seiten, deren Inhalt ich hier dann festhalten werde. Wir machen daraus ein literarisches Ritual.

Jeden neuen Eintrag stelle ich oben an, damit wir immer auf dem neusten Stand sind. Die älteren Beiträge können unten im Text immer nachgelesen werden. Weiter unten, erster Beitrag von Mai 2017, befindet sich zu dem Buch der erste Blogeintrag. 

Änderung: Ich werde die Beiträge nun doch nicht alle auf eine Seite posten, denn sonst verlieren wir den Überblick, wenn immer mehr besprochene Briefe hinzukommen. Wir haben uns eine Struktur überlegt. Ich werde jede Abhandlung mit einem Untertitel versehen, sodass wir bstimmte Beiträge im Label Proust-Briefe schneller finden können. 

Wir hatten schon vor zwei Jahren, Mai 2017, mit den Briefen begonnen. Da sie aber so anstrengend zu lesen waren, hatten wir irgendwann den Faden verloren und aufgehört weiter zu lesen. Das waren sehr teure Bände, und es wäre sehr schade, wenn die Bücher im Regal ungelesen verkommen. Jetzt geben wir Proust eine weitere Chance, auch weil ich wieder totale Lust auf ihn habe, konnte ich somit glücklicherweise auch Anne mit ins Boot holen. 


Anne hat sich bereit erklärt, ein Personenregister zu entwerfen. Es werden verschiedene Listen sein, auf denen alle wichtigen Namen aus dem Buch darauf übertragen werden, denn sonst befürchten wir, irgendwann Probleme zu bekommen, wenn die Namen nicht mehr richtig zugeordnet werden können. 

Und im Folgenden geht es unten durch Mausklick zu den Listen, die Anne zügig umgesetzt hat, und die sie regelmäßig aktualisieren wird.
Prousts Briefpartner*innen
Fußnoten Frauen
Fußnoten Männer
Marcel Valentin Louis Eugéne Georges Proust kommt am 10.07.1871 in Auteuil zur Welt. Der Bruder Robert kommt am 24.05.1873 zur Welt.

Obere Abbildung, Proust-Briefe, die auf Wikipedia als gemeinfrei deklariert sind.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.



Temple Grandin / Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier

Klappentext         
Eine Autistin entdeckt die Sprache der Tiere
Nur einer hochbegabten Autistin wie Temple Grandin konnte es gelingen, das Verhalten von Tieren so genau zu beobachten und zu analysieren, dass sie mehr über sie verstand als die meisten anderen Menschen. Denn Tiere sind uns ähnlich, viel mehr, als wir bislang dachten.Temple Grandin gehört zu den wenigen Autisten, denen es gelang, sich die Welt der Sprache zunutze zu machen, um ihre Welt der Farben, Bilder und Filme anderen zugänglich zu machen. Sie machte eine beispiellose Karriere und gilt heute als eine der weltweit bedeutendsten Tierpsychologinnen. Denn sie kann die Welt so sehen, wie es Tiere tun. Und deshalb kann sie das Verhalten, die Begabungen und Ängste von Tieren verstehen und so den Umgang mit ihnen verbessern helfen.Immer wieder findet Temple Grandin bestätigt, wie sehr ihre eigene Wahrnehmung derjenigen von Tieren ähnelt. In ihrem Bewusstsein und ihrem Gedächtnis sind nur Bilder, die sie für die Außenwelt in Worte übersetzt. Und sie kann Gedanken und Gefühle von Tieren in unsere Sprache übersetzen. Damit revolutioniert sie unser Verständnis von Tieren.

Autorinporträt
Ich finde es immer sehr schade, wenn in einem Buch das Autor*innenporträt fehlt. Kommt häufig vor, und so muss ich mir über Wikipedia aushelfen. Nur die wichtigsten Daten habe ich herauskopiert, deckt sich mit dem, was ich von der Autorin weiß.
Mary Temple Grandin (* 29. August 1947 in Boston) ist die führende US-amerikanische Spezialistin für den Entwurf von Anlagen für die kommerzielle Viehhaltung. Sie ist Dozentin für Tierwissenschaften an der Colorado State University in Fort Collins und Autistin.

Meine ersten Leseeindrücke
Hier geht es nicht darum, die Tiere vor dem Schlachten zu retten. Hier geht es eher darum, dass die Tiere ohne viel Leid geschlachtet werden, dass es gelingt, mit einem einzigen Bolzenschuss sie zu töten, damit die Tiere es nicht merken, dass sie getötet werden. Die Autorin spricht von einem humanen Sterben. Der Ausdruck gefällt mir gar nicht, denn zu töten hat absolut nichts mit Humanität zu tun, aber so wie die Autorin es erklärt, kann ich es auch verstehen. Unter humanem Sterben versteht Temple Grandin eine Tierbehandlung ohne Qualen, im Leben und auch während dem Schlachten sie würdevoll zu behandeln, wo man mittlerweile auch beobachten konnte, dass die Bolzenschüsse nicht immer gelingen und die Tiere werden halbbetäubt zu Fall gebracht... Ich kenne einen deutschen Film, in dem die Bäuerin ihre Tiere liebevoll behandelt hat, sie die Tiere aber trotzdem schlachten konnte. Sie nahm ihr Schwein in die Arme, drückte es, die Schweine waren zahm, und versetzte dem Tier einen tödlichen Messerstich. Auch grausam, aber das Tier lebte in Freiheit und in Liebe. Wenigstens das. Was mich überzeugt hat, dass es keine Nutztiere mehr gäbe, wenn der Mensch aufhören würde Fleisch zu konsumieren. Kein Farmer / Bauer würde weiterhin Tiere züchten. Dann muss ich sagen, das wäre nicht das Schlechteste. Dann gäbe es halt keine Zuchttiere mehr, wenn dafür dieses ewige Blutvergießen aufhören würde. Das wäre für mich die bessere Alternative. Ich brauche kein Fleisch, ich esse seit dreißig Jahren kein Fleisch mehr. Angewidert hat es mich schon als Kind, konnte es aber gegen meine Eltern nicht durchsetzen, fleischfrei meine Mahlzeit einzunehmen. Ich habe gesehen, wie meine Großeltern die Hühner geköpft hatten. Das fand ich grausam, dies als Kind gesehen zu haben. Andere Kinder sehen so etwas auch, sie aber trotzdem weiterhin Fleisch konsumieren. Jedes Kind geht anders damit um. Es ist also nicht gesagt, dass man per se zu einer Vegetarierin wird, wenn man dem Schlachten zugeschaut hat.

Ich habe derzeit fünfzig Seiten gelesen, werde heute den Feiertag nutzen, weiter zu kommen.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Format: Kindle Ausgabe
·         Dateigröße: 2004 KB
·         Seitenzahl der Print-Ausgabe: 372 Seiten
·         ISBN-Quelle für Seitenzahl: 3945668107
·         Verlag: Rad und Soziales (14. November 2013)
·         Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
·         Sprache: Deutsch, 17,90 €

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Montag, 29. April 2019

Marcel Proust Briefe 1879-1913



   Ich glaube nicht an Briefe, die nicht ankommen. 
(Marcel Proust)

Lesen mit Anne
Seit Okt. 2020 ist Anne aus dem Leseprojekt ausgestiegen, da sie zu Proust nicht dieselebe Bindung habe finden können, wie ich sie hätte. 


Klappentext
Das Panorama einer ganzen EpocheMarcel Proust war ein äußerst produktiver Briefschreiber. Für den Dichter, der häufig ans Bett gefesselt war, trat der Brief oft an die Stelle des persönlichen Gesprächs. In seinen Korrespondenzen erleben wir den Autor von den verschiedensten Seiten: als Schriftsteller, der mit seinem Verleger bis buchstäblich zum letzten Atemzug um jede Zeile seines Werkes kämpft. Als mutigen Literaten, der im Skandalprozess um den jüdischen Hauptmann Dreyfus früh das Wort ergreift und sich für den zu Unrecht Verurteilten einsetzt. Als Muttersohn und als Werbenden in homoerotischen Freundschaften. Immer wieder brilliert Proust auch als witziger Erzähler mit Blick fürs skurrile Detail. Wie er sich verzweifelt gegen Handwerkerlärm aus der Nachbarwohnung zur Wehr setzt oder auf groteske Finanztransaktionen einlässt, gehört zu den amüsantesten Aspekten dieser Korrespondenz.Diese erste umfassende deutsche Briefausgabe mit ihren annähernd 600 Briefen an Freunde, an die Mutter, an Schriftstellerkollegen, Gesellschaftsmenschen, Kritiker und Verleger dokumentiert aus Prousts unzensiert-privater Sicht seine ganze Entwicklung von den frühen literarischen Fingerübungen bis hin zur Vollendung der Recherche. Einleitung, ausführliche Stellenkommentare, Zeittafel, Kurzporträts aller Briefempfänger und Register erschließen die Briefe und damit das faszinierende Panorama einer ganzen Epoche.

Autorenporträt
Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist zu einem Mythos der Moderne geworden.Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem – nur vermeintlich müßigen – Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. In Swanns Welt, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, Im Schatten junger Mädchenblüte, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der Suche nach der verlorenen Zeit wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 1479 Seiten
·         Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 1 (11. September 2016)
·         Sprache: Deutsch, 78,-€
·         ISBN-10: 3518425404

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