Samstag, 12. Januar 2019

Dörte Hansen / Mittagsstunde

Und wieder ein Buch, das wir gemeinsam auf Whatchareadin lesen.  

Klappentext

Die Wolken hängen schwer über der Geest, als Ingwer Feddersen, 47, in sein Heimatdorf zurückkehrt. Er hat hier noch etwas gutzumachen. Großmutter Ella ist dabei, ihren Verstand zu verlieren, Großvater Sönke hält in seinem alten Dorfkrug stur die Stellung. Er hat die besten Zeiten hinter sich, genau wie das ganze Dorf. Wann hat dieser Niedergang begonnen? In den 1970ern, als nach der Flurbereinigung erst die Hecken und dann die Vögel verschwanden? Als die großen Höfe wuchsen und die kleinen starben? Als Ingwer zum Studium nach Kiel ging und den Alten mit dem Gasthof sitzen ließ? Mit großer Wärme erzählt Dörte Hansen vom Verschwinden einer bäuerlichen Welt, von Verlust, Abschied und von einem Neubeginn.

Autorenporträt
Dörte Hansen, geboren 1964 in Husum, lernte in der Grundschule, dass es außer Plattdeutsch noch andere Sprachen auf der Welt gibt. Die Begeisterung darüber führte zum Studium etlicher Sprachen wie Gälisch, Finnisch oder Baskisch und hielt noch an bis zur Promotion in Linguistik. Danach wechselte sie zum Journalismus, war einige Jahre Redakteurin beim NDR und arbeitet heute als Autorin für Hörfunk und Print. Sie lebt in der Nähe von Husum. „Altes Land“ ist ihr erster Roman.

Meine ersten Leseeindrücke

Ich habe bisher 150 Seiten gelesen und mir gefällt das Buch sehr gut, besser noch als den Vorgänger Altes Land. Eine sehr nachdenkenswerte Lektüre. Ich finde die Figuren alle spannend, interessant, wie sie in dem Dorf leben .... Man hat es hier auf jeden Fall mit differenzierten Charakteren zu tun. Das macht ein gutes Buch aus. Es befinden sich Beziehungen darunter, die still und leise harmonieren, während sie nach außen genau das Gegenteil zeigen.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
·         Verlag: Penguin Verlag (15. Oktober 2018)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3328600035

Hier geht es auf die Verlagsseite von Penguin.

Hier geht es zur Buchbesprechung. 



Dienstag, 8. Januar 2019

Clarence Day / Unser Herr Vater (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Eine wunderschöne Biografie der Familie Day in der Übersetzung von Hans Fallada. Sie hat mir bis zum Schluss sehr gut gefallen.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
In der Handlung bekommt man es mit einer sechsköpfigen amerikanischen Familie zu tun, die in New York ihren Lebensmittelpunkt hat. Die Handlung spielt noch im späten des 19. Jahrhunderts. Der Oberheld ist hier das Familienoberhaupt Clarence Day, der Anfang vierzig ist. Eine sehr gewissenhafte Figur, die stark auf Hausregeln achtet und auch in der Präfektur lässt er nichts auf sich kommen. Stets akkurat in der Buchhaltung und auch bei den Finanzen führt er streng Buch. Die Geldangelegenheit ist die empfindlichste Stelle dieses Mannes. Während er recht knauserig ist, ist seine Frau Vinnie das genaue Gegenteil. Sie gibt das Geld großzügig aus, muss sich aber immer rechtfertigen und immer wieder neue Tricks anwenden, um an das Geld zu kommen, das ihr Mann so fleißig im Safe hortet. …

Der älteste von vier Söhnen ist der am 1874 geborene Clarence, der ganz nach dem Vater benannt wurde, obwohl Clarence Junior ganz anders als sein Vater ist, denn er hat es satt, den feinen Herrn zu spielen, obwohl er aber auch stolz darauf ist, wenn der Vater ihn sonntags mit in die Präfektur nimmt.

Clarence Junior träumt davon, Landstreicher zu werden, da er gerne frei sein möchte von allen väterlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen und Konventionen. Ist klar, dass der Senior still die Erwartung hegt, der Junior möge doch in seine Fußstapfen treten. Der Junge offenbarte allerdings dem Vater, dass sein Berufswunsch eigentlich Cowboy sei, so lehnte der Senior mit der Begründung ab, dass Cowboy kein anständiger Beruf sei; dann könne er auch gleich Landstreicher werden J ...

Der Vater gab viel auf die Erziehung seiner Söhne. Er achtete drauf, dass sie neben der musikalischen Erziehung eine gute Allgemeinbildung erhalten. Allerdings wollte es mit der Musik beim Junior nicht so recht klappen, sowohl im Klavierunterricht als auch im Gesang. Der Junge brachte seinen Klavierlehrer schier zur Weißglut … Später kaufte ihm der Vater eine Violine, ohne es mit ihm abzusprechen, in der Hoffnung, dass das das richtige Instrument für den Filius sei …

Richtig gut hat mir seine Frau Vinnie gefallen, die versucht hatte, auf ihre Rechte als Frau zu kommen. Sie plante zusammen mit einer Freundin eine Reise nach Ägypten. Als sie Clarence fragte, ob er mitfliegen möchte, verneinte er, da er sich die Ägypter anschauen könne, ohne New York zu verlassen. Mumien zum Beispiel könne er sich genug in Museen betrachten. Auch die Ägypter seien nichts anderes als Wilde in ihrem Land ...

Senior Clarences Sorgen waren immerzu der richtige Umgang mit Geld, den seine Frau bei den Ausgaben häufig missachtet hatte. Hier konnte Clarence richtig cholerisch werden. Jedes kleinste Ärgernis brachte ihn in Rage. Ein richtiger Despot, der im Haus und sonst wo keine Veränderungen duldet und stellt seine Frau als unwissend, manchmal sogar als dümmlich dar, wie dies in dieser Zeit üblich war, da Frauen damals kaum Rechte hatten. Was die Geldangelegenheiten betreffen, hatte sie ihre eigene Strategie:
>>Ich verstehe eine ganze Menge davon. (…) Frau Glick sagt, die Pflicht jeder denkenden Frau sei es, sich selbst eine Meinung zu bilden, auch über Tarifreform, Kapital, Arbeit und alles andere!<< (201)

Dass Senior Clarence gar nicht gelingen wollte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, beschäftige nicht nur den Junior immens.
Außerdem blieb meinem Vater wenig Zeit, sich solchen kleinen Unannehmlichkeiten zu widmen, bald beanspruchte ihn das Drama unseres Familienlebens restlos. Unsere verblüffende Unfähigkeit, irgendeines unserer Gefühle zu verheimlichen, beschäftigte ihn ganz. (207)

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Es gab keine besondere Szene. Alles hat gepasst. Natürlich fand ich es nervend, wenn der Vater und Ehemann so schnell die Nerven verlor und laut wurde, und ganz besonders bei Geldausgaben, selbst wenn es nur um einige Cents ging. Mit welcher Raffinesse Vinnie es gelang, ihn wieder einigermaßen friedlich zu stimmen. Aber er war nicht böse, nur wahnsinnig besorgt und erregt …


Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Mir hat gefallen, dass sich Vinnie nicht hat unterkriegen lassen und ihren Weg als eine selbstbewusste Frau gegangen ist, auch wenn er anstrengend war.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Clarence Day Junior. Mit welchem Humor und mit welcher notwendigen Distanz er seine eigene Familie beleuchtet und porträtiert hat, fand ich bewundernswert.

Welche Figur war mir unsympathisch?
Keine.

Meine Identfikationsfigur.
Keine

Cover und Buchtitel   
Hat mir sehr gut gefallen. Ich finde den Einband sehr schön. Ein Leinenbuch ohne lästigen Schutzumschlag.

Zum Schreibkonzept
Die Handlung wird auf 238 Seiten aus der Sicht des jungen Clarence erzählt.

Meine Meinung
Mich hat diese amerikanische buddenbrooksche Familiengeschichte amüsiert, wenn sie auch teilweise recht ernst war. Ähnlichkeiten mit den Buddenbrooks sehe ich noch immer, nur dass Johann Buddenbrook verglichen mit Clarence ein viel ruhigerer Typ Mensch, Vater, Familienoberhaupt und Geschäftsmann war. Niemals hatte er seiner Frau das Gefühl gegeben, ihm unterlegen zu sein. Oder der kleine Hanno, der auch die hohen Erwartungen seines Vaters Thomas erfüllen musste ... 

Mein Fazit
Eine wahrlich gelungene Biografie mit viel Ironie und Witz. Sehr spannend hinter die Kulissen einer amerikanischen Familie dieser Art zu blicken. 

Aber Vorsicht, es gibt noch vieles andere in dem Buch zu entdecken ...

Im Internet habe ich gesehen, dass Clarence auch über seine Mutter Vinnie Day einen Buchband geschrieben hat, allerdings ist er im Rowohltverlag erschienen, was ich schade finde, wegen der unterschiedlichen Größe und der unterschiedlichen Aufmachung. Kann das nicht bei einem Verlag bleiben? Wenn man Bücher zusammen ins Regal stellt, die vom selben Verlag sind, gibt es häufig ein ganz harmonisches Bild im Regal ähnlich wie dies mit den Diogenesbüchern der Fall ist. 

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Sehr gute Übersetzung
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten

Eine klare Leseempfehlung.
________________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 02
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 6. Januar 2019

Clarence Day / Unser Herr Vater


Klappentext
Mit heiterem Spott und voller Liebe beschreibt Clarence Day das temperamentvolle Leben in seinem Elternhaus im New York der Jahrhundertwende. Seine Texte machten ihn über Nacht bekannt. Die Bühnenfassung wurde einer der größten Broadway-Erfolge aller Zeiten. Im Mittelpunkt steht der polternde „Herr Vater“, Clarence Day senior, der gegen die Plagen des Familienlebens aufbegehrt: gegen andere Meinungen, Verwandtenbesuch, Köchinnen oder diese neuartige Erfindung namens Telefon. Eine kluge, bissige, warmherzige und zeitlose Schilderung der ganz alltäglichen Klippen des Zusammenlebens, übersetzt von dem damals bereits weltbekannten Hans Fallada, der den wunderbar beiläufigen Humor Days mühelos ins Deutsche überträgt.

Autorenporträt
Clarence Day (1874–1935), in der Nachfolge Mark Twains ein Klassiker amerikanischen Humors, war durch eine schwere Gelenkentzündung die meiste Zeit seines Lebens ans Bett gefesselt. Er eröffnete indes ein Handschuhgeschäft, spekulierte an der Börse, veröffentlichte literarische Artikel und Karikaturen. „Unser Herr Vater“ erschien 1935 und machte ihn schlagartig berühmt.

Meine ersten Leseeindrücke
Merkwürdig, der Schreibstil erinnert mich ein wenig an Thomas Mann und auch der Inhalt erinnert mich stark an die Buddenbrooks, wobei mir scheint, dass der Protagonist Clarence Day, ein Tyrann, nichts von der Ruhe hat, die man vom Johann Buddenbrook her kennt. Mir gefällt die Geschichte sehr gut. Diese Art von Literatur zieht mich an.

Das Werk Die Buddenbrooks zählt auch zu meinen Liebelingsbüchern und zu meinen Lieblingsfilmen.

Die Ironie bezogen auf Clarence Day ist nicht zu überhören.

Weitere Informationen zu dem Buch
Wie man aus dem Cover entnehmen kann, lernt man hier Hans Fallada in einer anderen Rolle kennen. Er ist nicht selbst Autor, sondern Übersetzer. Das kannte ich vorher von ihm noch nicht, und ich finde, die Rolle steht ihm nicht schlecht. Da mir dieses Buch sehr gut gefällt, hat man es auch seiner Übersetzung zu verdanken.

Ich freue mich auf die Fortsetzung der Geschichte.

Buchdaten

·         Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
·         Verlag: Aufbau Verlag; Auflage: 1 (1. April 2015)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3351035969

Hier geht es zur Buchbesprechung. 

Samstag, 5. Januar 2019

Aktuell gelesene Bücher



Ich werde die Bücher nicht alphabetisch sortieren, sondern in der Reihenfolge darstellen, wie ich sie gelesen habe. Die Zahl in der Klammer ergibt die Vergabe von Punkten. Die Höchstzahl ist zwölf. 


Nun sind es zwei Jahre, seit dem ich die gelesenen Buchseiten mit angegeben habe, die an erster Stelle in der Klammer eingetragen sind, und danach, durch ein Semikolon abgetrennt, ist die Buchbewertung zu entnehmen. Somit ist die Auswertung gelesener Bücher viel genauer.




*** Abgebrochene Bücher


2019

1. John Irving: Laßt die Bären los (177, ***)
2. Clarence Day: Unser Herr Vater (240; 12)
3. Dörte Hansen: Mittagsstunde (320; 12)
4. Rosemarie Marschner: Das Bücherzimmer (414; 12)
5. Kent Haruf: Abendrot (413; 12)
6. Markus Zusak: Nichts weniger als ein Wunder (70, ***)
7. Paolo Cognetti: Sofia trägt schwarz (234; 7)
8. Rana Ahmad: Frauen fürfen hier nicht träumen (318; 12)
9. Han Kang: Deine kalten Hände (312; 8)
10. Ferdinand von Schirach: Verbrechen (40, ***)
11. Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall (287; 10)
12. Nicoletta Giampietro: Niemand weiß, dass du hier bist (416; 12)
13. Fatima Farheen Mirza: Worauf wir hoffen (478; 12)
14. Rober W. Haas: Der Tierheiler (200; 12)
15. Charles Lewinsky: Der Stotterer (410; 12)
16. Lucy Fricke: Töchter (127; 4; ***)
17. Lukas Hartmann: Der Sänger (288; 12)
18. Grandin Temple: Ich sehe die Welt wie ein glückliches Tier (372; 12)
19. Erich Kästner: Der Gang vor die Hunde (320; 12)
20. Ian McEwan: Maschinen wie ich (403; 10)
21. Elke Söllner: Die heilende Kraft der Katzen (102; ***)
22. Gary Shteyngart: Willkommen in Lake Success (430; 9)
23. Astrid Lindgren: Ronja Räubertochter (230; 11)
24. Henning Mankell: Die italienischen Schuhe (365; 7)
25. Andrej Kurkow: Graue Bienen (445; 12)
26. Henning Mankell: Die schwedischen Gummistiefel (475; 7)
27. Juli Zeh: Unterleuten (650; 10)
28. Simone Lappert: Der Sprung (336; 11)
29. Tracy Barone: Das wilde Leben der Cherri Matzner (500; 11)
30. John Strelecky: Das Café am Rande der Welt (128; 9)
31. Marcel Proust Briefe, BD 1 (400 von 787 Seiten)
32. Ulrich Ladurner, Der Fall Italien (114 von 230)
33. Charles Dickens, Dombey und Sohn BD 1, (380; 11)
34. Michi Brezel: Witzvorlagen / Kartoons (Rezension folgt noch) (12 Punkte)

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10394 gelesene Seiten. 

Mein lese ärmstes Jahr. Letztes Jahr hatte ich doppelt so viel gelesen. 

34 Bücher gelesen, eins davon geschaut. 
05 Bücher habe ich abgebrochen. Und bleiben dadurch ohne Bewertung. 
14 Bücher haben von mir die Höchstpunktzahl erhalten. 
04 Bücher haben elf Punkte erhalten.
02 Bücher haben 10 Punkte erhalten.
02 Bücher haben 9 Punkte ...
01 Buch ... 8 Punkte
03 Bücher ... 7 Punkte
01 Buch ... 4 Punkte


Donnerstag, 3. Januar 2019

John Irivng / Laßt die Bären los


Abgebrochen

Klappentext  
Was tun, wenn gleich zwei Eulenspiegel aus Wien aufs Mal es sich in den Kopf gesetzt haben, durch ihre Universitätsexamen zu fallen und auf einem geliehenen Motorrad in die Welt zu fahren und die Bären zu befreien? Mit einem Salzfass und Siegfrieds Geistesblitzen aus einer Papiertüte bewaffnet, kann das Biest Motorrad unter ihnen auch schon losgelassen werden – bis zum Hietzinger Zoo. Unterwegs gilt es, Salzfässer, dicke und dünne Mädchen zu erobern und wachsame Tanten, pflichtbewusste Parkwächter und wütende Bienen zu überlisten. Und natürlich auch Weisheiten von sich zu geben wie ›Es lohnt sich, gute Angewohnheiten fanatisch durchzuboxen‹ oder ›Irgendwo muss man eine Grenze setzen‹ oder ›Finesse ist kein Liebesersatz …‹ und andere gesalzene Weisheiten aus Siggys Papiertüten. Das Motorrad hat einen Vorgänger und Siggy einen Vater, und vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges in Österreich bekommt die Schelmenreise bis ans Ende der Welt vor den Toren Wiens eine tragisch-skurrile Vorgeschichte, und die Wiener scheinen noch Schonzeit zu haben. Doch wenn erst das Nilpferd, die Affen, der Elefant und natürlich die Bären los sind, dann Gnade den Tanten, den Bienen, den Mädchen von Wien.

Autorenporträt
John Irving, geboren 1942 in Exeter, New Hampshire, lebt in Toronto. Seine bisher vierzehn Romane wurden alle Weltbestseller und in mehr als 35 Sprachen übersetzt, vier davon verfilmt. 1992 wurde Irving in die National Wrestling Hall of Fame in Stillwater, Oklahoma, aufgenommen, 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für die Verfilmung seines Romans ›Gottes Werk und Teufels Beitrag‹. 2013 erhielt er die weltweit wichtigsten Auszeichnungen für seine Darstellung von sexueller Toleranz und Gleichbehandlung in seinem literarischen Werk.

Meine ersten Leseeindrücke

Die ersten einhundert Seiten aus Irvings Debüt habe ich gelesen, und ich erkenne auch hier seinen Stil. Er nimmt wieder jede Menge Leute auf die Schippe, sodass er mich schon gleich am Anfang zum Lachen gebracht hat. Je gewöhnlicher der Durchschnittsmensch ist, desto skurriler zeichnet Irivng diese Figuren auf.

Ich finde seinen Humor nicht schlecht, Irving darf nur nicht zu dick auftragen, sonst verliert die Geschichte für mich an Glaubwürdigkeit, weil ich dann darüber nicht mehr lachen kann.

Die richtige Würzmischung, so kann Irving für mich ein literarischer Freund werden.

Die Sexualität? Auch in diesem Buch wird sie mit in den Vordergrund gestellt und so begreife ich seine Art, über sie in der absurdesten Form zu schreiben, als ein wichtiger Tabubruch. Doch auch hier, so finde ich, kommt es auf die richtige Würze und auf die richtige Dosis an. Wenn Irivng auch hier viel zu dick aufträgt, dann wirkt das auf mich nur noch banal.

Dadurch, dass ich so viele ungelesene Irvings von alt bis neu in meinem Regal stehen habe, habe ich mir für das neue Jahr vorgenommen, mein Irivng-Leseprojekt auf meinem Blog zu vertiefen. Mal schauen, ob John Irivng und ich Freunde werden können. Mal schauen, wie viele Irvings ich schaffen werde.

Gelesen habe ich bisher: Bis dass ich dich finde und In einer Person.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Taschenbuch: 506 Seiten
·         Verlag: Diogenes (25. August 1987)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 9783257213232

Hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes, woraus man auch die vielen Auszeichnungen entnehmen kann, die der Autor erworben hat.

Mein Bucherlebnis
Das Buch war nichts für mich. Irgendwann, nach 177 Seiten, hatte ich mich an den Humor gewöhnt, sodass ich nichts mehr Lustiges daran fand. Außerdem hat mich der Inhalt nicht wirklich gefesselt. 
Ich mache trotzdem mit dem Irving-Leseprojekt weiter, und bin wahnsinig neugierig, welche Irvings bein mir bestehen werden und welche nicht. 

Wie sagt meine Bücherfreundin Sabine?
Selbst bei abgebrochenen Büchern habe man einen Lesegewinn, den man für sich verbuchen könne. Das sehe ich genauso.

Ich habe mir im neuen Jahr vorgenommen, mich an den Wochenenden nicht mehr mit unliebsamen Büchern zu quälen, da Lesezeit auch Lebenszeit ist und auf mich noch viele andere ungelesene Bücher warten. Trotzdem interessiert es mich, wie Irvings Erstlingswerk auf Amazon abgeschnitten hat. Das Ergebnis wundert mich nicht. Nicht besonders gut, aber die Rezensent*innen haben mir Mut gemacht, dass die nachfolgenden Werke besser werden. Mal schauen. 
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Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 01
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Montag, 31. Dezember 2018

Vera Buck / Das Buch der vergessenen Artisten (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Was für ein tolles Buch. Ich habe es fast gefressen, weil es mich von der ersten bis zur letzten Seite so gezogen hat. Ich fand die Thematik total spannend und brisant. Ein Schmöker? Nein, für mich war es ein historischer Roman über Zirkusartist*innen im Nationalsozialismus, über die die Autorin wahnsinnig gut recherchiert hat.

Dadurch, dass das Buch im Bücherforum von Whatchareadin besprochen wird, werde ich mich hier kurzhalten. Hier auf meinem Blog möchte ich wirklich nicht zu viel verraten, auch, weil ich jeder Leser*in denselben Lesegenuss gönnen möchte, den ich auch hatte. Wem aber meine Besprechung zu oberflächlich ist, diese verweise ich auf die Buchdiskussion auf Whatchareadin.

Hier geht es zur Leserunde.

Hier geht es zum Klappentext, Autorinporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Zu Beginn der Geschichte bekommt man es mit der Kindheit von Mathis Bohnsack zu tun, der 1887 in Langweiler zur Welt gekommen ist. Er kommt aus einer Bauernfamilie, in der 13 Jungen geboren wurden, wovon Mathis der Jüngste unter ihnen ist. Er ist nicht nur das jüngste, sondern auch das schwächste Kind. Mathis erkrankte an der Kinderlähmung und lahmt dadurch mit einem Bein. Auf dem Feld ist er nicht zu gebrauchen und hilft stattdessen der Mutter im Haushalt. In dieser Familie geht es durch die vielen Männer recht rau zu … Unter den Geschwistern herrscht auch viel Neid, da die älteren Brüder auf dem Feld hart arbeiten müssen, während Mathis durch seine Behinderung eher geschont wird.

Eines Tages zieht für zwei Tage ein Zirkus in dieses langweilige Kaff ein, das den Namen Langweiler verdient hat. Mathis, mittlerweile 15 Jahre alt, verbringt dort während dieser Frist die meiste Zeit. Das zieht noch mehr Neid bei den Brüdern an, da sie während der gesamten Artistenzeit bis spät abends auf dem Feld arbeiten mussten. Aus Rache verhauen sie Mathis, während der Vater dabei zuschaut und auch er danach auf den Jungen einschlägt. Was für einen schwächlichen Sohn ich habe … Die Mutter, die immer auf Mathis` Seite steht, ist zu schwach, ihren Jungen gegen so vielen Männern im Haus zu verteidigen ...

Mathis erntet nicht nur bei den Brüdern immerzu Prügel, auch von seinen zwei besten Freunden wird er wegen eines Mädchens verhauen.

Mathis lässt die Prügel über sich ergehen. Ein Grund, nun seine Familie zu verlassen? Mathis fühlt sich zu dem Artisten Meister Bo und seiner Durchleuchtungsmaschine  hingezogen, als er darauf ein Skelett eines Menschen gesehen hat. Heute würde man zu dieser Maschine Röntgenapparat sagen.

Tatsächlich verlässt Mathis 1902 nach diesen Prügeln in der Nacht unauffällig das Elternhaus und lässt eine Nachricht für die Mutter zurück.

Meister Bo, dem diese Maschine gehört, nimmt den Jungen bei sich auf, da er einen Assistenten gut gebrauchen kann. Aber es war nicht leicht, ihn von Mathis Künsten zu überzeugen. Außerdem war Mathis noch minderjährig, aber der Junge hörte nicht auf, den Meister von sich zu überzeugen …

Mathis verliebt sich in die Maschine. Er spricht mit ihr, er pflegt sie immer aufs Neue, damit die gute alte Dame immer funktionsträchtig bleibt … Außerdem bestimmt diese Maschine seine Zukunft. Aber das konnte er damals noch nicht wissen ... 

Dass Röntgenstrahlen schädlich sind, das wusste man zu der damaligen Zeit noch nicht. Mathis verliert durch diese Maschine ein paar seiner Finger … Aber er kann es nicht lassen, die Beziehung zu dieser Maschine bleibt ungetrübt, obwohl er mittlerweile weiß, dass die Röntgenstrahlen schädlich sind. 

Meister Bo stirbt an einer gefährlichen Infektionskrankheit und so findet Mathis mit der Durchleuchtungsmaschine seines Meisters bei anderen Artist*innen einen neuen Platz.
Später, nach mehreren Jahren, lernt er eine Frau namens Meta Kirschbacher kennen. Meta sieht wie ein muskulöser Kerl aus. Sie stemmt Gewichte wie ein Mann und nimmt es auch mit den Boxern auf. Auf der Bühne gibt es keinen Mann, der sie besiegen kann und so macht sich Meta dadurch bei den Männern unbeliebt, die sie zu schwerwiegenden Folgen führen … Auch die Presse äußert sich zu Metas Kraftakt recht abfällig ... 

Im Jahr 1935 ist Hitler an der Macht, und so befinden sich die ganzen Artist*innen in Gefahr. Zirkusleute verschwinden einfach so, unauffällig, bis sie vermisst werden. Menschen, die anders sind, will Hitler aus der Gesellschaft schaffen … Kleinwüchsige, siamesische Zwillinge, geistig Behinderte, Homos, Transvestiten, ... damit sie sich nicht vermehren können, um zu verhindern, dass sie eines Tages die Gesellschaft in Überzahl bestimmen. Deshalb müssen sie eliminiert werden ...

Mathis will ein Buch schreiben. Das Buch der vergessenen Artisten, damit diese Artisten, die verschwunden sind, nicht vergessen werden. Er bezieht ganz klar Stellung gegen Hitler und sein Regime ...  

Ob er es zum Buch schafft, möchte ich nicht verraten.

Meta, die mittlerweile mit Mathis zusammen ist, hat einen geistig behinderten jüngeren Bruder. Er heißt Ernsti und ist total unangenehm, da er sich immer zwischen der Beziehung seiner Schwester und Mathis mischt, weil er eifersüchtig ist … aber Meta liebt ihren Bruder abgöttisch und verteidigt und schützt ihn vor jeder unangenehmen Situation. Man fragt sich, weshalb Meta die blinden Flecken ihres Bruders nicht sehen will, obwohl er ein absoluter Zerstörer ist? Ernsti zerreißt Mathis` Manuskript, zerreißt seine Kleider, nimmt alle Gegenstände auseinander, wenn ihm langweilig ist, weil sich seine Schwester angeblich nicht sorgfältig um ihn kümmert. Er fängt Katzen und erschlägt sie …  Er hat Tötungspotenzial und Meta weiß es nicht mal… Auf Ernsti hat es Hitler abgesehenen … Die, die noch nicht eingefangen wurden, begeben sich auf die Flucht, tauchen woanders unter, obwohl sie alle ihre Träume haben. Mathis träumt von seinem Buch, Meta träumt von einem freien Artistenleben in Amerika ... 

Meta und Mathis bekommen es immer wieder mit der Gestapo zu tun …

Cover und Buchtitel
Gefällt mir beides richtig gut. Die Frau auf dem Cover könnte Meta sein, aber sie sieht darauf viel zu weiblich aus. Im Buch hat sie eher ganz massive männliche Züge. Sie ist stark korpulent und muskulös. Denn auch auf diese Menschen setzt Hitler seinen Rotstift, da solche Frauen, die Männern körperlich überlegen sind, sind für Hitler eine Gefahr. Keine Frau der Welt darf den Mann dominieren. Hitler sieht in solchen autonomen Frauen eine potentielle Gefahr, die den Männern die Macht absprechen, weshalb er sie lieber an dem Herd haben möchte.

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Mich hat dieser Ernsti genervt und dass Meta ihm keine Grenzen aufzeigen konnte. Ja, er ist behindert, und hat durch den Tod seiner Eltern im Heim viel Schlimmes erlebt aber deswegen muss ich ihn nicht lieben. Er weiß schon sehr gut, mit welchem raffiniertem Muster er Menschen austricksen und ihnen schaden kann.

Welche Szene hat mir gefallen?
Es hat mir gefallen, dass es in dieser schweren Zeit wie dem Nationalsozialismus viele Menschen gegeben hat, die Zivilcourage bewiesen haben. Überall auf der Welt gibt es gute und weniger gute Menschen. Das Nazideutschland ist davon nicht ausgenommen. Und dies hat die Autorin gut aufzeigen können. Die Charaktere sind hier alle sehr differenziert. Nur in der Biografie von Hitler hat mir etwas gefehlt. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass im Stammbaum Hitlers es auch einen Juden gegeben haben soll. Einen jüdischen Großvater über mehrere Ecken. Davon hat die Autorin leider nichts geschrieben, denn das könnte seinen Wahn gegen Juden zusätzlich erklären. Hitlers Vater war schon sehr cholerisch. Welche Verhaltensmuster muss dann erst der Vater des Vaters gehabt haben und sie auf den Sohn übertragen hat? Wobei das nicht heißen muss, dass eine subotimale Kindheit alles entschuldigen kann ... 

Meine Identifikationsfigur
Keine

Zum Schreibkonzept
Auf den 750 Seiten bekommt man es mit zwei Parallelen zu tun. Die Geschichte beginnt mit einem Prolog, der ins Jahr 1935 führt. In dem Prolog lernt man schon das Paar Mathis und Meta kennen. Auf Meta hat es ein Bildhauer namens Thorak abgesehen, der von ihrem Körper gerne eine Steinstatue herstellen möchte. Sie wird von den Nazis als Mannsweib bezeichnet. Ist diesem Thorak zu trauen, der ein Hitlerliebender ist? Thorak, der sich von seiner jüdischen Frau hat scheiden lassen, um rein zu sein? Meta und Mathis sind kritisch und durchschauen die Politik auch, aber sie wissen nicht, wie sie ihn umgehen können, da sie von dem Bildhauer erpresst werden …

Das anschließende erste Kapitel beginnt in Langweiler in der Zeit von 1902. Das zweite Kapitel spielt in Berlin in der Zeit von 1935. Diese beiden Zeitepochen wechseln einander ab, was ich richtig spannend fand. Das Buch beinhaltet insgesamt 40 Kapitel. Danach endet es mit Die letzte Seite. Mit dem Ausgang auf dieser letzten Seite war ich nicht ganz so erfüllt, darauf werde ich mich im Forum noch stärker beziehen. Anschließend gibt es ein Nachwort und Dankesworte zu lesen. Auf den allerletzten Seiten werden alle Figuren historisch gelistet.

Meine Meinung
Die Autorin scheint über ihren Stoff ziemlich gut recherchiert zu haben. Sabine, meine Lesefreundin, hat sich die Mühe gemacht und hat gegoogelt und so konnte sie in Erfahrung bringen, dass es viele von den Figuren tatsächlich gegeben hat. Wie ich oben geschrieben habe, hat sich die Autorin im Abschlusskapitel selbst auch zu ihrer Entstehungsthematik und zu ihren Figuren geäußert.

Mein Fazit
Mir wurde zum ersten Mal richtig bewusst, wie sensationsgierig Leute sein können. Ich fand es sehr traurig, dass Menschen, die anders geartet sind, keinen Platz in der Gesellschaft finden, und sie gezwungen sind, ihr Anderssein in einem Zirkus zur Schau zu stellen. Ich kann für mich sagen, wie froh ich bin, noch nie einen Zirkus von innen betreten zu haben. Sonst immer nur wegen der Tiere, nun auch wegen der Menschen. Ja, und wie traurig, dass diese Menschen durch Hitler ihre Daseinsberechtigung abgesprochen bekommen haben.

Ein sehr lesenswerter historischer Roman zum Nationalsozialismus und zu den Zirkusartisten im Überlebungskampf mitten im Naziregime.

Meine Punkteverteilung:
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkten. Klare Leseempfehlung

Vielen Dank an den Limes-Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars. 

Vielen Dank auch an Whatchareadin für diese tolle Leseempfehlung und für das Engagement mit dem Verlag. 

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Damals … lachten wir über Hitler.
Ein Verrückter, sagten wir, ein Hanswurst,
ein Idiot; von der Sorte haben wir viele.
(Vicki Baum, zitiert von Vera Buck)

Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86