Samstag, 6. August 2016

Tomas Bannerhed / Die Raben


Klappentext
Småland in den 70er Jahren: Vögel sind Klas‘ Leidenschaft, er ist ein Vogelbeobachter. Ihr Flug ist für ihn wie eine Verheißung von Freiheit, tage- und nächtelang hält er nach ihnen Ausschau, lauscht ihren Rufen. Klas liebt die Vögel, weil er so wenigstens für kurze Zeit der schweren Feldarbeit und seinem schwierigen, zunehmend irrer werdenden Vater entfliehen kann. Klas soll später einmal den Hof übernehmen. Aber seine Träume sehen anders aus. Er sucht die Einsamkeit der Wälder und begeistert sich für die Eleganz von Raben. Spricht das für seinen eigenenen Irrsinn?

Autorenporträt
Tomas Bannerhed wuchs in Uråsa, einem Dorf in der Provinz von Småland in Südschweden auf. Heute lebt er in Stockholm. Bannerhed wurde für „Die Raben“ u.a. mit dem Carl-von-Linné-Preis ausgezeichnet sowie mit dem renommierten August-Preis. Das Buch stand monatelang auf der Bestsellerliste.
Auf das Buch wurde ich durch meine Bloggerkollegin Ina Degenaar aufmerksam, deren Buchbesprechung zu diesem Werk mich sehr angesprochen hat. Es liegt nun schon seit März auf meinem Stapel, und nun ist es endlich auch mal dran, gelesen zu werden.

Ich habe die ersten Seiten durch und die paar Seiten erwiesen sich mir als recht ansprechend. Der Schreibstil entspricht ganz meinem Geschmack. Bin neugierig auf die weitere Entwicklung.


Weitere Informationen zu dem Buch:

Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: btb Verlag (2. März 2015)
Sprache: Deutsch, 21.99 €
ISBN-10: 3442753929
ISBN-13: 978-3442753925





Freitag, 5. August 2016

Stefan Zweig / Sternstunden der Menschheit (1)

Lesen mit Anne ...

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe nicht alle Geschichten in dem Buch gelesen, da ich jemand bin, dem es nicht gelingt, von einer Geschichte in die nächste zu springen wenn es um solche anspruchsvolle Texte geht, die Stefan Zweig behandelt ...

Am liebsten habe ich die Geschichte zu dem Komponisten Georg Friedrich Händel gelesen. Anne hat diese Geschichte auch besonders gut gefallen.

Unwahrscheinlich interessant, wie es Händel gelingen konnte, Herr seiner eigenen Schicksalsschläge zu werden. Händel befand sich zwei Mal in schwere existenzielle Krisen. In der ersten Krise erlitt er einen Schlaganfall, von dem er durch die Musik trotz halbseitiger Lähmung wieder genesen konnte. Vor der Behinderung war Händel hoch verschuldet. Durch die Behinderung verschuldete er sich noch mehr. Er konnte das Geld an die Gläubiger nicht zurückzahlen. Und so geriet Händel in die nächste schwere Krise. Händel, der sehr temperamentvoll war, erlebte diese Form von Krise noch viel schärfer als die Krise zuvor. Ein tief gläubiger Mensch, der daraufhin mit Gott, ähnlich wie Hiob, ins Hadern geriet. Doch auch hier fand er aus der Krise wieder heraus und konnte mit Gott und mit sich wieder Frieden schließen.

Mehr möchte ich nicht verraten und verweise auf das Buch mit weiteren schönen Geschichten von Berühmtheiten.  

Weitere Informationen zu dem Buch:

Edition Anaconda, 4,95 €
Zweig, Stefan
Sternstunden der Menschheit
352 Seiten, 122 x 187 mm, mit Lesebändchen,
gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-7306-0045-0

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Gelesene Bücher 2016: 44
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86






Montag, 1. August 2016

Stefan Zweig / Sternstunden der Menschheit

Lesen mit Anne ...

Nun ist es wieder soweit. Zum Monatsbeginn lesen Anne und ich gemeinsam ein Buch. Dieses Mal war Anne mit dem Aussuchen unserer gemeinsamen Lektüre dran. 



Klappentext
Stefan Zweig versammelt in diesen großartigen Miniaturen 12 schicksalhafte Augenblicke der Geschichte: von der Schlacht bei Waterloo über die Entstehung von Goethes berühmter Marienbader Elegie bis hin zur tragischen Südpolexpedition von Sir Robert Falcon Scott. Menschliche Größe und Schwäche, Schicksal und Charakter sind entscheidende Faktoren unseres Lebens, so zeigt uns Stefan Zweig. Und oft sind es die kurzen, vom Zufall bestimmten und hochdramatischen Augenblicke, die die Zukunft prägen - das sind die 'Sternstunden der Menschheit'.


Autorenporträt
Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren, lebte von 1919 bis 1934 in Salzburg, emigrierte von dort nach England und 1941 nach Brasilien. Sein episches Werk machte ihn ebenso berühmt wie seine historischen Miniaturen und die biographischen Arbeiten. Am 23. Februar 1942 schied er in Petrópolis, Brasilien, freiwillig aus dem Leben. Seine von einer vergangenen Zeit erzählenden Erinnerungen »Die Welt von Gestern« erschienen posthum.
Die Schachnovelle hatte mich tief beeindruckt. Wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Weitere Informationen zu dem Buch:

Edition Anaconda, 4,95 €
Zweig, Stefan
Sternstunden der Menschheit
352 Seiten, 122 x 187 mm, mit Lesebändchen,
gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-7306-0045-0

Und hier geht es per Mausklick auf unsere gemeinsame Bücherliste

Bitte auf der Linkseite runterscrollen ...



Sonntag, 31. Juli 2016

Joanna Rakoff / Lieber Mr. Salinger (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen, und es könnte sein, dass ich nun angespornt bin, noch weitere Werke von J. D. Salinger zu lesen, siehe Zitat unten, da ich nur, wie ich in der Buchvorstellung schon geschrieben habe, den Klassiker Der Fänger im Roggen gelesen habe.

Der Buchtitel von Rakoff hat mich daher sehr neugierig gestimmt … Außerdem möchte ich zu gerne wissen, wie eine Literaturagentur arbeitet, was sich hinter den Kulissen verbirgt. Alles, was mit Büchern und AutorInnen zu tun hat, interessiert mich eben brennend.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein. 
Von ihnen gibt es Hunderte: blitzgescheite junge Frauen, frisch von der Uni und mit dem festen Vorsatz, in der Welt der Bücher Fuß zu fassen. Joanna Rakoff war eine von ihnen. 1996 kommt sie nach New York, um die literarische Szene zu erobern. Doch zunächst landet sie in einer Agentur für Autoren und wird mit einem Büroalltag konfrontiert, der sie in eine längst vergangen geglaubte Zeit katapultiert. Joanna lernt erst das Staunen kennen, dann einen kauzigen Kultautor – und schließlich sich selber.
Den Schluss fand ich richtig gut, da er nicht eindeutig ist, wirft er ein kleines Rätsel auf …

Sich noch einmal in die 1990er Jahre zurückversetzt zu wissen, fand ich toll, da ich diese Übergänge selbst auch erlebt habe. Die Zeit, in der man von der Schreibmaschine auf den Computer umgesattelt ist, und in der man über Email anfing zu kommunizieren, diesen Prozess ging jeder unterschiedlich schnell an. Doch nicht für Joanna Rakoff. Sie arbeitet in einer Agentur, die sich für technische Neuerungen sperrt, weshalb sie ihren Büroalltag auf der Schreibmaschine tätigen muss. Später bekam die Agentur einen Computer, den sich allerdings alle MitarbeiterInnen teilen mussten. 1996 wusste die Chefin noch nicht, was ein elektronisches Buch ist ... Eine altmodische Agentur, die an die 1950er-Jahre-Büros erinnern lässt.

Joannas Chefin, weit über sechzig, pflegt einen recht kühlen Umgang zu ihren MitarbeiterInnen und geht einer außergewöhnlichen Liebesbeziehung nach …

Für Joanna ist das erstmal eine sehr öde Tätigkeit, da die Arbeit darin besteht, jede Menge Standardbriefe zu bewältigen, die man viel leichter auf einem PC-ausüben könnte …

Was Jerome David Salinger betrifft, bekommt Joanna von ihrer Chefin strikte Anweisungen, wie sie sich diesem Kultautor gegenüber zu verhalten habe. Hier war absolute Distanz angesagt, denn viele junge Mädchen hatten sich zuvor um einen Job in der Agentur beworben, nur um mit Salinger in Kontakt zu treten.

Strikt verboten war auch, die Fanpost an Salinger weiterzureichen, um seine Privatsphäre zu schützen. Auf Wunsch des Autors sind die Leserbriefe an die Agentur adressiert.

Es war nun Joannas Aufgabe, diese sehr persönlichen Briefe zu bearbeiten. Darunter befanden sich auch Briefe von vielen jungen LeserInnen, da Salinger in seinen Büchern Themen behandelt, mit denen sich junge Leute identifizieren konnten. Doch er bekam auch Post von älteren Menschen, die derselben Generation angehören, aus der Salinger stammt. Menschen, die so wie er, 1919 geboren, einen Weltkrieg erlebt haben ...

Joanna fühlt sich verantwortlich, und möchte die Leserbriefe nicht so einfach mit Floskeln abservieren. Sie liest jeden Brief und einer ging ihr besonders nahe. Ein junger Mensch, der sich über die Romanfigur Holden Gedanken gemacht hat, woraus dieser Leser schlussfolgert, dass sich die Menschen nicht wirklich für andere Menschen interessieren würden:
Ich denke viel über Holden nach. Plötzlich taucht er vor meinem geistigen Auge auf, und dann denke ich an ihn, wie er mit der guten Phoebe tanzt oder in der Pencey im Waschraum vor dem Spiegel rumalbert. Wenn ich an ihn denke, kriege ich so ein dummes Grinsen ins Gesicht. Weil ich erst dran denke, was ein witziger Typ er ist und so. Aber dann werde ich meistens irrsinnig deprimiert. Wahrscheinlich werde ich deprimiert, weil ich immer nur dann an Holden denke, wenn ich sehr emotional drauf bin. Ich kann schon emotional sein. Die meisten Leute kümmern sich, glaube ich, einen Scheißdreck darum, was jemand denkt und fühlt. Und wenn Sie eine Schwäche sehen - warum zum Teufel ist es eigentlich schwach, Gefühle zu zeigen; Mann, dann machen sie dich fertig! (Mann ist hier mit Doppel-n-geschrieben, Anmerkung der Rezensentin), (2014, 119).
Joanna, der die Menschen keineswegs gleichgültig sind, Joanna, die selbst auch nah am Wasser gebaut ist, identifiziert sich mit diesem (und anderen Leserbriefen) und beschließt, im Namen der Agentur empathisch darauf zu antworten.                      

Ob das gut geht? Überschreitet Joanna hier nicht eine Grenze, selbst wenn es gut gemeint ist? Dringt sie nicht in die Privatsphären der Fans ein? Kann man ahnen, wie der und die anderen LeserInnen auf ihre Antwortschreiben reagieren werden, wo sie doch eine Antwort vom Schriftsteller selbst erwartet hatten, die aber ausbleibt? Diese Fragen hatte ich mir zwischenzeitlich selbst gestellt.

Diese Szenen mit der Fanpost haben mir recht gut gefallen.

Nicht nur Joanna, auch ich stellte mir die weitere Frage, welchen Anlass Salinger besaß, seine Fanpost abzulehnen; Warum bekam er so viele Nachrichten, die er nicht mal zu würdigen wusste?                    
Mit einem Mal verstand ich, warum ihm die Fans schrieben; ihm nicht nur schrieben, sondern sich ihm anvertrauten, mit einer solchen Dringlichkeit und Empathie, solchem Mitgefühl und solcher Geständnisbereitschaft. Wenn man Salinger liest, ist es nicht so, als läse man eine Erzählung; es ist, als flüsterte einem Salinger höchstpersönlich seine Geschichten ins Ohr. Die Welt, die er in seinen Texten erschafft, ist greifbar, real und zugleich so wunderbar überhöht, wandelte er mit frei liegenden Nervenenden auf Erden. Salinger zu lesen ist ein so intimer Akt, dass man sich dabei hin und wieder unbehaglich fühlt. Seine Figuren sitzen nicht herum und denken über Selbstmord nach. Sie nehmen Pistolen und schießen sich in den Kopf. (…) Er zeigt uns seine Figuren völlig unverhüllt, legt ihre geheimsten Gedanken und ihre verräterischen Fragen offen. Wegen ihrer verräterischen Taten offen. Es ist fast zu viel. (240)
Nach diesem Zitat bin ich gewillt, mir das eine oder andere Werk von Salinger anzuschaffen ...

Nun habe ich meinen Fokus hauptsächlich auf die Fanpost und die Reaktionen dazu gesetzt. Das Buch bietet aber noch vieles mehr. Die Beziehung zwischen Joanna und ihren KollegInnen, zwischen ihren Eltern, die merkwürdige Geburtstagsgeschenke zu machen pflegten, und ihre partnerschaftliche Bindung mit Don. Man bekommt nebenbei das gesellschaftliche Leben Amerikas mit.

Mein Fazit?

Da ich ein Nachwort vermisste, denn ich wollte zu gerne wissen, welche reale Beziehung Nakoff zu Salinger hatte, musste ich nochmals die Anmerkung auf der ersten Seite lesen, in der die Autorin darauf ein wenig Bezug genommen hat.

Schade finde ich die Haltung Salingers seinen Fans gegenüber. Ich an seiner Stelle würde mich über die Fanpost sehr freuen. Das sind doch jede Menge Outputs, die einiges über die Bücher des Autors aussagen. Ist das nicht interessant zu wissen, was die Bücher in anderen Menschen so auslösen? Und ich wäre neugierig, welche LeserInnen zu einem finden würden. In die Haut eines Schriftstellers versetzt, würde ich wissen wollen, was das für Menschen sind, die meine Bücher lesen. Wo kommen sie her? Was haben sie für Bedürfnisse literarischer Art? Was sagen die LeserInnen über mich aus? Und wie setzen sie das Gelesene um? Setzen sie das Gelesene um oder betrachten sie die Bücher eher als reine Unterhaltungslektüren? Sicher sind die LeserInnen nicht alle gleich, aber das würde es ja so spannend machen.

Zehn von zehn Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim Bloggerportal-Knaus-Bücherverlag in München für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars bedanken.

  • Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
  • Verlag: Albrecht Knaus Verlag (23. Februar 2015)
  • Sprache: Deutsch, 19,99 €
  • ISBN-10: 3813505154

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Gelesene Bücher 2016: 43
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Donnerstag, 28. Juli 2016

Joanna Rakoff / Lieber Mr. Salinger

Klappentext
Von ihnen gibt es Hunderte: blitzgescheite junge Frauen, frisch von der Uni und mit dem festen Vorsatz, in der Welt der Bücher Fuß zu fassen. Joanna Rakoff war eine von ihnen. 1996 kommt sie nach New York, um die literarische Szene zu erobern. Doch zunächst landet sie in einer Agentur für Autoren und wird mit einem Büroalltag konfrontiert, der sie in eine längst vergangen geglaubte Zeit katapultiert. Joanna lernt erst das Staunen kennen, dann einen kauzigen Kultautor – und schließlich sich selber.

Autorenporträt
Nach ihrem Studium an renommierten amerikanischen Universitäten stürzte sich Joanna Rakoff in die Welt der Literatur. Sie arbeitete als Kritikerin für die „New York Times“, die „Los Angeles Times“ und die „Vogue“ und veröffentlichte einen Roman („A Fortunate Age“), der zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Joanna Rakoff lebt in Cambridge, Massachusetts.
Die Autorin ist mir neu und bin durch den Titel auf ihr Buch aufmerksam geworden. J. R. Salinger ist mir als Autor durch Der Fänger im Roggen bekannt.

Habe die ersten fünfzig Seiten gelesen und es gefällt mir recht gut.


Weitere Informationen zu dem Buch:

  • Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
  • Verlag: Albrecht Knaus Verlag (23. Februar 2015)
  • Sprache: Deutsch, 19,99 €
  • ISBN-10: 3813505154



Montag, 25. Juli 2016

Oliver Hilmes / Berlin 1936 (1)

Sechzehn Tage im August


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Es gibt sehr viele Bücher und Filme über den Nationalsozialismus, und ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass noch mehr Bücher dazu geschrieben werden. Es zeigt, dass man nie fertig ist mit dieser Thematik.

Berlin 1936 hat mir auch recht gut gefallen.

Ich denke, dass es dem Historiker Oliver Hilmes ziemlich gut gelungen ist, zu den Olympischen Spielen 1936 hinter die Kulissen zu schauen. Am 1. August begann die Eröffnungsfeier und endete mit einer Abschlussfeier am 16. August. Adolf Hitler bzw. das Deutsche Reich ist Gastgeber gewesen.

Die sechzehn Tage werden jeweils in einzelne Kapitel gegliedert. Zu Beginn eines neuen Tages gibt es einen kleinen Wetterbericht.                     

Neben den sportlichen und politischen Ereignissen beschreibt Hilmes auch das Berliner Stadtleben, in dem viele Feierlichkeiten in Bars und gehobenen Tanzlokalen stattgefunden haben ...

Der Autor hat die Propagandapolitik gut beschreiben können. Viele interessante Zitate aus verschiedenen Tagebüchern der Akteure wie z. B. Hitler, Goebbels und diverse andere Tagebuchschreiberlinge können dem Buch entnommen werden.

Was sehr nachdenklich stimmt, ist, dass nicht nur das deutsche Volk manipulierbar gewesen ist, sondern auch die Sporttouristen. In diesem Sinne wurden die Olympischen Spiele zu politischen Zwecken im Nazi-Deutschland instrumentalisiert.

Hitler und Goebbels waren eigentlich gegen die Olympischen Spiele. Goebbels äußerte sich in seinem Tagebuch recht abfällig dazu und dass er froh sei, wenn alles wieder schnell  vorbei ginge. Manche Beteiligte bezeichnete er als Zirkusflöhe.

Goebbels und Hitler fühlten sich in ihrer Politik gestört, niemand sollte dahinterkommen, dass sie antisemitische Politik betreiben. Während der Olympischen Spiele setzte die Politik kurzweilig aus. Anderenorts wurde sie im Untergrund heimlich weiter betrieben. 1936 gab es schon vereinzelt KZ.

Hitlers Auftreten in der Öffentlichkeit zeugte von großer Sympathie bei den Touristen. Seine Ausstrahlung war geprägt von väterlichem Charisma. Nur wenige konnten hinter seine Fassade schauen.

Hilmes stellt sich die Frage, ob Hitler sich sogar als getarnter Friedensstifter ausgab, als dieser zu den verschiedenen Nationen spricht:
>>Wir wollen uns kennen und schätzen lernen und dadurch eine Brücke bauen, auf der die Völker Europas sich verständigen können. << (2016, 106) 
Oliver Hilmes gebraucht den Begriff Das Spiel als Massensuggestion.

Dazu ein kritisches Zitat der Sportjournalistin Bella Fromm aus ihrem Tagebuch:
>>Die Ausländer werden verwöhnt, verhätschelt, umschmeichelt und getäuscht (…). Indem man die Olympischen Spiele als Vorwand benutzt, versucht die Propagandamaschine bei den Besuchern einen günstigen Eindruck vom Dritten Reich zu schaffen.<< (105) 
Was hat mich persönlich berührt?

Tief berührt hat mich der amerikanische Sportler Jesse Owens, schwarze Hautfarbe, der in den Olympischen Spielen mit mehreren Goldmedaillen ausgezeichnet wurde, über die sich Hitler massiv erregt hat. Hitler konnte nicht verstehen, dass die Amerikaner Schwarze für sich  kämpfen ließen. Dass Jesse Owens so athletisch war, erklärte Hitler damit, dass Schwarze (Nigger) gegenüber der weißen Rasse keine fairen Konkurrenten abgeben würden, da die Schwarzen aus dem Dschungel kommen würden. Als würden die Menschen dort wie Affen nur auf Bäumen klettern  ... Wobei der dunkelhäutige Athlet Amerikaner ist und nicht aus Afrika kommt.

Auf Seite 206 findet man ein kritisches Gedicht mit dem Titel Nazi-Olympiade von dem Schriftsteller Alfred Kerr, der in London im Exil lebte. In seinem Gedicht hat er den Rassismus gegenüber Juden und Schwarzen deutlich gemacht.

Dazu dritter Vers:
Der >>Führer<< ächzt: >>Die Olympiad´
(Das ist schon durchgesickert)
Scheint ganz wie der Franzosenstaat
Verjuddet und Verniggert<<.
Er stöhnt: >>Gott, du Gerechter!<<
(Olympisches Gelächter).
Der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe hat mich auch beschäftigt. Wolfe liebte Berlin so sehr, dass er erst Probleme hatte, die rassistisch gefärbte Politik, auch gegen andersgeartete Menschen, in Deutschland wahrzunehmen. Zu sehr idealisierte er das Land. Später kommt er zu einer anderen Erkenntnis:
Ihm wird klar, dass die Nationalsozialisten dieses Land, das Tom so sehr liebt, schleichend mit ihrem Gift durchsetzen, dass sie es zerstören wollen: >>Es war eine solche Leistung -unsichtbar, aber unverkennbar, wie der Tod. (214f)

Mein Fazit?

Oliver Hilmes bestätigt meine Theorie, dass in den Sportmeisterschaften die Menschen hochgradig manipulierbar sind, und dass die Spiele aus meiner Sicht auch heutzutage noch politisch instrumentalisiert werden, weshalb ich mich selbst nicht für Sport interessiere. Fußball-WM und -EM können Sportdesinteressierten dadurch völlig kalt lassen. Man kann aber bei der Vorstellung, wenn die Masse vor dem Kasten sitzt und sie sich von dem Spiel und dem Sportmoderator emotional hochkochen lässt, leicht Gänsehaut bekommen, weil es deutlich macht, wie sehr der Mensch sich davon beeindrucken und beeinflussen lässt ...

Nun habe ich durch dieses Buch jene Sportattraktionen im Nazi-Deutschland mitbekommen. Das hatte ich bisher neben den vielen anderen Nationalsozialistischen Büchern, die ich gelesen habe, noch nicht gehabt.

Das Buch ist gut geschrieben, leicht verständlich, sehr interessant und gut recherchiert.

Zehn von zehn Punkten.

Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim Bücherverlag-Siedler bedanken für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar. 

Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Siedler Verlag; Auflage: 2 (2. Mai 2016)
Sprache: Deutsch. 19,99 €
ISBN-10: 3827500591
ISBN-13: 978-3827500595

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Ein Herz hat nur, wer es für andere hat.
(G. Westerwelle zitiert aus dem Herzzentrum)

Gelesene Bücher 2016: 42
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Freitag, 22. Juli 2016

Oliver Hilmes / Berlin 1936

Sechzehn Tage im August

Klappentext
Die Diktatur im Pausenmodus: Stadt und Spiele im Sommer 1936Im Sommer 1936 steht Berlin ganz im Zeichen der Olympischen Spiele. Zehntausende strömen in die deutsche Hauptstadt, die die Nationalsozialisten in diesen sechzehn Tagen als weltoffene Metropole präsentieren wollen. Oliver Hilmes folgt prominenten und völlig unbekannten Personen, Deutschen und ausländischen Gästen durch die fiebrig-flirrende Zeit der Sommerspiele und verknüpft die Ereignisse dieser Tage kunstvoll zum Panorama einer Diktatur im Pausenmodus. 
Die »Juden verboten«-Schilder sind plötzlich verschwunden, statt des »Horst-Wessel-Lieds« klingen Swing-Töne durch die Straßen. Berlin scheint für kurze Zeit eine ganz normale europäische Großstadt zu sein, doch im Hintergrund arbeitet das NS-Regime weiter daran, die Unterdrückung zu perfektionieren und das Land in den Krieg zu treiben. 
In »Berlin 1936« erzählt Oliver Hilmes präzise, atmosphärisch dicht und mitreißend von Sportlern und Künstlern, Diplomaten und NS-Größen, Transvestiten und Prostituierten, Restaurantbesitzern und Nachtschwärmern, Berlinern und Touristen. Es sind Geschichten, die faszinieren und verstören, überraschen und bewegen. Es sind die Geschichten von Opfern und Tätern, Mitläufern und Zuschauern. Es ist die Geschichte eines einzigartigen Sommers.

Autorenporträt
Oliver Hilmes, 1971 geboren, studierte Geschichte, Politik und Psychologie in Marburg, Paris und Potsdam. Er wurde in Zeitgeschichte promoviert und arbeitete in der Intendanz der Berliner Philharmoniker. Seine Bücher über widersprüchliche und faszinierende Frauen „Witwe im Wahn. Das Leben der Alma Mahler-Werfel“ (2004) und „Herrin des Hügels. Das Leben der Cosima Wagner“ (2007) wurden zu Bestsellern. Zuletzt erschienen „Liszt. Biographie eines Superstars” (2011) und „Ludwig II. Der unzeitgemäße König” (2013).

Das Buch kam durch Anne über Umwegen zu mir. 

Habe nur ein paar Seiten erst gelesen, kann noch gar nicht viel zu meinen ersten Leseeindrücken sagen. Scheint aber recht spannend zu sein. 


Weitere Informationen zu dem Buch:

Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Siedler Verlag; Auflage: 2 (2. Mai 2016)
Sprache: Deutsch. 19,99 €
ISBN-10: 3827500591
ISBN-13: 978-3827500595



Mittwoch, 20. Juli 2016

Guido Westerwelle / Zwischen zwei Leben (1)

mit Dominik Wichmann
Von Liebe, Tod und Zuversicht

Es gibt Rezensionen, die leben von schönen Zitaten. Diese gehört dazu …


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein Buch, das mich tief berührt hat …

Guido Westerwelle lebte ein schnelles Leben, als habe seine Seele gewusst, dass er nicht viel Zeit hat. Der jüngste Politiker, der im Vergleich zu den vielen alten PolitikerInnen recht früh gestorben ist. Sein Buch ist mit so viel Weisheit geschrieben, dass es mich wirklich beeindruckt hat. Wer Guido Westerwelle als Mensch erleben möchte, der sollte dieses Buch lesen.

Er war mir als Politiker recht   unsympathisch. Auch sein großes Mundwerk hatte mich genervt. Aber hier lerne ich ihn als Mensch kennen.
"Ein Herz hat nur, wer es für andere hat.“ Wer hätte jemals gedacht, dass der Politiker Guido Westerwelle ein Herz für andere hat. Zumindest hatte er es nicht für die Menschen, die sein Verständnis und seinen Schutz gebraucht hätten.

Ihm war es wichtig, dieses Buch zu schreiben, um anderen krebskranken Menschen Mut zu machen. Auch wenn bei ihm die Leukämie-Erkrankung tödlich verlaufen ist.

Dominik Wichmann schreibt dazu im Nachwort:
War deshalb alles umsonst? Hat er den Kampf gegen die Krankheit verloren? Nein. Denn die Auseinandersetzung mit dem Krebs ist keine Frage von Sieg oder Niederlage. Der Überlebende ist kein Sieger und der Sterbende kein Verlierer. Die Angelegenheit ist viel komplexer, komplexer auch als die Sentenz, wonach derjenige, der kämpft, verlieren kann; aber der, der nicht kämpft, schon verloren hat. Treffender ist da ein Zitat des Dichters und Politikers Václav Havel: >>Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht.<< (2016, 242f) 
In der Auseinandersetzung mit der tödlichen Erkrankung stellte sich auch Westerwelle die Warum-Ich-Frage (…)
… so lange, bis mir die ersten leukämiekranken Kinder begegneten. Nachdem ich in deren so unschuldige und traurige Gesichter geblickt habe, stellte ich mir diese Frage nie, nie wieder. (158) 
In dem Buch findet man weitere schöne Zitate von anderen AutorInnen. Die Auseinandersetzung mit dem Krebs ist ein langer Prozess. Westerwelle fand viele AutorInnen, die ihm vorgelebt haben, diesen Prozess anzugehen, sich mental nicht in der Erkrankung zu verlieren. Hierbei möchte ich so gerne ein Zitat von Nietzche aufgreifen, das Westerwelle in seinem Buch festgehalten hat:
Man müsse die Phantasie des Kranken beruhigen, dass er wenigstens nicht, wie bisher, mehr von seinen Gedanken über die Krankheit zu leiden hat, als von der Krankheit selbst. (159) 
Guido Westerwelle selbst gebraucht folgendes personifiziertes Bild in der Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung, das absolut passend ist.
Die Krankheit ist ein Egoist, sie zieht alles an sich, saugt alle Aufmerksamkeit auf und gibt sie nicht wieder her. (210).
Sein Ehepartner Michael Mronz litt ein wenig darunter, dass Westerwelle keine Zeit mehr für sein Leben zeigen konnte.

In dem Buch spricht Westerwelle nicht nur über seine Erkrankung. Er spricht auch über sein ehemaliges politisches Leben als FDP-Vorsitzender und als Außenminister, geht erneut auf die von 2010 Hartz-IV-geführte Debatte ein, bezogen auf die „spätrömische Dekadenz“, die für viel Wirbel in den Medien und in der Gesellschaft gesorgt hat.

In der Mitte des Buches sind ein paar Fotos abgebildet; aus seiner Kindheit und Jugend und Westerwelle als Politiker in der FDP. Westerwelle ist schon sehr früh, Anfang zwanzig, den „Jungen Liberalen“ beigetreten.

Auch hat er über sein Leben als Homosexueller geschrieben, und dass er die Liebe in seinem Ehemann Michael Mronz gefunden habe.


Mein Fazit zu dem Buch?

Der Buchtitel Zwischen zwei Leben kommt sehr gut rüber. Darin beschreibt Westerwelle  sein Leben vor der Erkrankung und das Leben mit der Erkrankung. Ein Auf und Ab, zwischen beiden Leben jonglierend.

Westerwelle ist in seinem Buch immer sachlich geblieben, trotz seiner schweren Lebenslage. Er hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, hat gekämpft, auch dann noch, als sich sein erster Spender einen Tag vor der Operation zurückgezogen hat.

Insgesamt finde ich, hat Westerwelle mit seinem Buch viel Größe gezeigt.

Das Buch ist sehr mutig, recht offen und sehr persönlich geschrieben, was mir gut gefallen hat.

Und es sind längst nicht alle schönen Zitate, die ich herausgeschrieben habe. Es gibt für die LeserIn, die, so wie ich, schöne Gedanken liebt, thematisch noch viele mehr im Buch zu entdecken.

Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim btb-Bücherverlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken. 

Taschenbuch: 256 Seiten, 10.00 €
Verlag: btb Verlag (9. Mai 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3442715024

ISBN-13: 978-3442715022

Zehn von zehn Punkten.
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Ein Herz hat nur, wer es für andere hat.
(G. W. zitiert aus dem Herzzentrum)

Gelesene Bücher 2016: 41
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86