Donnerstag, 15. November 2012

Javier Mariás / Die Reise über den Horizont (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Der literarische Ausdrucksstil hat mich durchaus befriedigt, so dass ich für mich sagen kann, dass der Autor gute Literatur schreibt. 

Was den Inhalt betrifft, so denke ich, da können wohl Männer besser mitreden als ich als Frau, denn in dem Buch treten Frauen eher als Nebenfiguren auf.

Der Roman spricht von einer Expedition auf dem Meer. Es wird eine geschlossene Gesellschaft gegründet, um auf einem großen Seegelschiff eine gemeinsame Reise zu starten, mehr in Richtung Abenteuer. Es finden sich hauptsächlich Künstler ein, ein Romancier, ein Pianist, eine Cellistin etc. Auf dem Schiff kommt es zu größereren Auseinandersetzungen, wo sich zwei Männer duellieren, nur weil der eine, namens Victor Arledge - der Romancier, einen Mitreisenden, den Dichter Mr. Meffre, höflich gebeten hatte, seinen Platz für ihn und seine Leute freizumachen, weil das, was er mit seinen Bekannten zu bereden habe, nicht für alle Ohren bestimmt sei. Der Dichter dachte nicht daran, ihnen seinen Platz zur Verfügung zu stellen. Zum einen, weil er neugierig auf dem Gesprächsinhalt war und zum anderen, weil an der Gesprächsgruppe eine Frau beteiligt war, für die er stilles Interesse empfand. Nun kam es zu keiner Einigung zwischen diesen beiden Männern. Nun, wie wurde das Problem gelöst? Sie duellierten sich, zumal noch Mr. Meffre wusste, dass Arledge ein Meister in der Anwendung von Pistolen sei. Obwohl eine Frau zu schlichten versuchte, ließen sich diese beiden Pseudohelden von ihrem Vorhaben nicht abbringen. 

Und auch hier, bei diesem Duell, bewies unser Meister sein Können. Der Dichter verlor, wurde getötet. Doch sein Sterben wurde eher als harmlos berichtet, in der Form, dass der Getötete gar keine Zeit mehr hatte, zu begreifen, dass er an der Stirn getroffen wurde. Dadurch wurde dieser Mord auch irgendwie bagatellisiert. Ist es wert, sein Leben zu opfern, nur weil niemand von den beiden Herren nachgeben konnte? 

Was mich aber an dieser Szene noch beschäftigt hatte, ist, als der Leichnam quasi ins Meer geworfen wurde und man eine menschliche Existenz so einfach auflösen konnte. Kaum befand sich der Getötete noch auf dem Schiff in der Gesellschaft von Menschen, so verschwand er in den Tiefen der Meere und ward nicht mehr gesehen. Ein Leben wurde so schnell ausgelöscht und ebenso schnell aus dem Blickfeld beseitigt. Auch für mich so sehr absurd... .

In dem Buch gibt es noch andere merkwürdige Figuren: Ein Betrunkener, Mr. Kerrigan, stolpert über einen Liegestuhl, auf dem eine Cellistin saß, und warf die Frau um. Kerrigan reagierte wutentbrannt, nachdem er sich von seinem Sturz wieder erhoben hatte, griff der Cellistin um die Hüfte und warf sie über Bord.

Gibt es diese Szenen wirklich, oder hat der Autor auch hier viel zu dick aufgetragen, um seinem Spannung zu verleihen? Mich hat diese Art von gekünstelter Spannung eher gelangweilt.

Mr. Kerrigan ist eigentlich die Hauptfigur dieses Romans. Ein reicher Mann um die vierzig, der seinen Reichtum allerdings nicht durch Fleiss und Arbeit erworben hatte, sondern durch Betrügereien... . Dass es solche Subjekte gibt, das wage ich nicht zu bezweifeln, und trotzdem stimmten mich gewisse Szenen einfach kritisch. 

Hier mache ich nun Schluss. Ich gebe mich mit diesen zwei Szenen zufrieden. Mich hat irgendwie keine Figur wirklich fasziniert oder mir gar imponiert... .

Normal finde ich in Büchern immer gewisse Helden, die mir als Vorbild dienen. Hier befand sich niemand darunter. 

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„Musik ist eine Weltsprache“ 
            (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2012: 82
Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 12. November 2012

Javier Marías / Die Reise über den Horizont



 Verlag Klett - Cotta
Jubiläumsausgabe 2002
204 Seiten
ISBN: 978-3-608-93239-3
18,00 €

Ist ein Restseller und war bei Jokers  für nur 4,99 € zu erwerben.

Klappentext

Wie die großen Abenteuerromane des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als deren Hommage »Die Reise über den Horizont« zu verstehen ist, hat auch dieser Roman als roten Faden die Geschichte einer Expedition: Kapitän Kerrigan, ein exzentrischer Millionär, keineswegs ein »unbeschriebenes Blatt«, stellt eine Antarktis-Expedition zusammen, an der Wissenschaftler und Schriftsteller teilnehmen sollen.



Autorenportrait

Javier Marías, 1951 in Madrid geboren, hat bisher zehn Romane, zwei Erzählbände und mehrere Sammelbände mit Essays und Zeitungsartikeln veröffentlicht. Seine Romane wurden in 34 Sprachen übersetzt, erscheinen in 44 Ländern und wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet: »Mein Herz so weiß« mit dem Spanischen Kritikerpreis und dem IMPAC Dublin Literary Award; »Morgen in der Schlacht denk an mich« mit dem Rómulo-Gallegos-Literaturpreis, dem Prix Femina étranger und dem Mondello-Preis. Für sein Gesamtwerk wurde er mit dem Nelly-Sachs-Preis geehrt. Weltweit wurden seine Bücher mehr als fünf Millionen mal verkauft.

Mir ist der Autor noch unbekannt. Ich habe gestern mit dem Probelesen begonnen, und mittlerweile bin gut in im Geschehen drin.

Mich hat das Cover eigentlich angesprochen, da ich das Meer liebe. Ich liebe das Meer aber nur als Beobachterin, nicht mitten drin, sondern neben dran und ein wenig auf Distanz. Mich berühren so merkwürdige Phantasien, dass das Meer mich mit seinem ganzen Fleisch verschlingen könnte. Ja, das fleischliche Meer, ihr habt schon richtig gelesen, es ist kein Ausdrucksfehler.


Sonntag, 11. November 2012

John Ronald Reuel Tolkien / Der Hobbit (1)

Eine kurze Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Selten habe ich ein Buch gelesen und ich dabei nur wenig Text markiert habe, von daher werde ich hier in dieser Buchbesprechung kaum Zitate einfügen.



Und es ist nicht annähernd so gut wie die Trilogie Der Herr der Ringe, wobei ich die Bücher noch lesen muss, kenne nur die Verfilmung. In dem obigen Buch fehlt mir hier ein wenig die Weisheit, oder aber die Übersetzung ist nicht so gut gelungen.   

Ich werde mir trotzdem den Film anschauen, der ab dem 14. Dezember in den deutschen Kinos anlaufen wird, erwarte aber nicht die selbe Größe wie Herr der Ringe... .

Am Anfang des Buches konnte ich mich total gut in den armen kleinen Hobbit Bilbo Beutlin hineinversetzen. Bilbo Beutlin genießt sein Leben in seinem Häuschen knapp unter der Erde. Er liebt die Sicherheit und seinen regelmäßigen Lebensrhythmus. Er liebt sein Heim und die Natur, von der er umgeben ist. Nun kommt Gandalf, der Zauberer und bringt Bilbos Leben total durcheinander. Zusammen mit dreizehn Zwergen ist er dazu prädestiniert, sich auf lange, weite Reisen zu begeben, den Einsamen Berg aufzusuchen, und dem dort lebenden Drachen die Schätze wegzunehmen. Der arme Bilbo, dem alles andere als recht ist, sein gemütliches Domizil zu verlassen und sein Leben zu riskieren, mitten im Herbst bei Sturm und Wetter. Während ich im Warmen gesessen habe und mit den Gefährten nur geistig mitgelaufen bin, hoch oben auf einem Berg, wo es verregnet und bitterkalt ist, und ich Zeuge wurde, als sich der arme Bilbo Beutlin so sehr nach seinem warmen, und gemütlichen Zuhause sehnte. Die Kälte, unter der sie alle litten, durchlief auch durch meine Knochen, mich hat es echt gefroren, *brrrrrrr*. Die Gefährten waren von dem kalten Regen völlig durchnässt und ich benötigte in meiner Lesestube noch zusätzlich eine warme Decke.

Irgendwie ähneln sich die Geschichten alle sehr, weisen alle irgendwie dasselbe Muster auf. Man weiß eigentlich schon recht bald, wie das Buch ausgehen wird und man kann auch recht bald den Zauberer Gandalf einschätzen- Ich wusste nach ein paar Seiten schon, dass Gandalf die Reisegruppe vorübergehend verlassen wird, was in der Trilogie auch der Fall war, denn die Abenteurer müssen auch hier Lebensprüfungen bestehen, damit sie am Ende gereift aus ihren Abenteuern nach Hause zurückkehren können. 

Es geht auch hier wieder um viele Prüfungen, Gut und Böse, die Überwindung des Bösen. Und dass dies gelingt, weiß man auch recht schnell. Und es sollen nicht irgendwelche Gefährten sein, sondern die, die Gandalf auserwählt hat. Die Zwerge mochten erst den Beutlin nicht, hielten ihn für die Abenteuer als recht ungeeignet, doch Gandalf gab Widerpart, dass nur er wissen könne, wer sich für diese sonderbare Reise eignen würde. 

Eigentlich blieben die Zwerge bis zum Schluss Bilbo gegenüber misstrauisch, und Bilbo musste sich immer wieder anstrengen, sich unter Beweis stellen, damit ihr Urteil sich nicht bestätigen würde.

Bilbo Beutlin wurde von Gandalf zum Reiseführer ernannt. Es gab drei Kriterien,  die nur er erfüllte: Glück, ein wenig Verstand und Güte. Desweiteren galt Beutlin als Meister im Stehlen.

Das Stehlen galt hier als eine hohe Tugend und man erfährt erst später den Grund. Ich verrate ihn nicht. 

Der Drache hütete den Schatz, obwohl er nichts mit ihm anfangen konnte. Er wurde den Hobbits einst mal gestohlen und sollte wieder zurückerobert werden. 

Ein Zitat möchte ich doch noch einbringen: 
Es gibt Menschen, die mehr Geld besitzen als sie brauchen.
In dem Buch wurde der Wunsch geäußert, dass mit dem Überfluss mehr für die Bedürftigen getan werden sollte. In dem Buch tauchen immer wieder Stellen auf, dass Gold nicht essbar sei:
Wie wollt ihr euch ernähren ohne die Freundschaft und das Wohlwollen eurer Nachbarn? 
Obwohl Bilbo Beutlin seine Prüfungen mit Erfolg bewältigt hat, träumte er bis zum Ende seiner Abenteuer immer wieder von seinem trauten Heim.

Ich konnte mir so gut vorstellen, wie schwer es ihm gefallen ist, sich den Abenteurern anzuschließen. Ein gewisses Schicksal, dem er sich nicht widersetzen konnte, dafür achtete schon Gandalf.

In dem Buch erfährt man auch, wie Beutlin zu dem goldenen Ring kam. Der Ring, den in den späteren Bänden Frodo übergeben wurde. Ein Wiedersehen mit Gollum.

So, ich mache jetzt hier Schluss. Möchte nicht noch mehr verraten. Wer mehr erfahren möchte, sollte das Buch selbst lesen oder auf den Kinofilm warten. 


Mir hat das Buch, trotz des geringen Anspruchs, gut getan, mal in ganz andere Gefilden von Welt abzutauchen. Obwohl Fantasiebücher nicht meine bevorzugten Genres sind.
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„Musik ist eine Weltsprache“
        (Isabel Allende)

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Mittwoch, 7. November 2012

John Ronald Reuel Tolkien / Der Hobbit



Klett-Cotta Verlag

Hobbit Presse

Vierte Auflage, 2012

396 Seiten

ISBN: 978-3-608-93800-5

Klappentext


Ohne große Ansprüche lebt Bilbo Beutlin im Auenland, bis er von dem Zauberer Gandalf und einer Horde Zwerge aus seiner Beschaulichkeit und seinem gemütlichen Alltag gerissen wird. Auf einmal findet er sich mitten in einem Abenteuer wieder, das ihn zu dem riesigen und gefährlichen Drachen Smaug führt, der einen kostbaren Schatz in seinen Besitz gebracht hat und eifersüchtig hütet ... Mit 26 Farbtafeln und 38 Schwarzweißzeichnungen des bekannten Tolkienkünstlers Alan Lee, der für den Herr-der-Ringe-Film maßgeblich die Visualisierung von Tolkiens Welt und Figuren gestaltet hat.

Autorenportrait

John Ronald Reuel Tolkien wurde am 3. Januar 1892 in Bloemfontein (Südafrika) geboren und wuchs in England auf. Von 1925 an war er Professor für englische Philologie in Oxford und erwarb sich schon bald großes Ansehen als einer der angesehensten Philologen weit über die Grenzen Englands hinaus. Seine besondere Vorliebe galt den alten nordischen Sprachen.
Seine weltbekannten Bücher »Der Hobbit«, »Der Herr der Ringe«, »Das Silmarillion« haben die Fantasyliteratur entscheidend geprägt und wurden in über 40 Sprachen übersetzt. Millionen von Lesern werden seither von den Ereignissen in Mittelerde in Atem gehalten. J. R. R. Tolkien starb 1973 in Bournemouth.

Ich habe zwei verschiedene Ausgaben, eine vom dtv-Verlag (Der kleine Hobbit)  und diese vom Klettverlag. Die vom Klettverlag hatte ich erst später entdeckt, die viel schöner ist als die vom dtv. Sie war auch um einiges teurer, dafür jede Menge schöne Illustrationen.
Heute habe ich mir dann zusätzlich die Trilogie Herr der Ringe gekauft. Die Verfilmung dazu habe ich mir mehrmals angeschaut, da ich sehr von dem Inhalt angetan war. Ich bin nicht sicher, ob ich das Buch durchhalten werde wegen der vielen brutalen Kämpfe. Aber die Kämpfe haben alle eine starke symbolische Bedeutung, und sind deshalb nicht einfach nur sinnlose Kämpfe, ein sinnloses Hinmorden ohne Ende.

Ich habe gestern Abend damit begonnen und bin neugierig, ob ich die vielen Abenteuer durchhalte. Ich bin ein wenig wie Bilbo Beutlin, der auch eine enorme Angst davor hat, doch ausgerechnet Bilbo Beutlin wird auserwählt, an dem Abenteuer teilzunehmen und muss sich den dreizehn Zwergen anschließen. Der arme Hobbit, der lieber zu Hause im Gemütlichen und in Sicherheit sitzt. Eigentlich ist er ja zufrieden mit seinem kleinen Leben, und nun erscheint dieser unverschämte Zauberer Gandalf und hetzt ihm diese dreizehn Zwerge auf den Hals. Die dreizehn Zwerge können nur dann die Abenteuerreise antreten, wenn sie ein letztes Mitglied gefunden haben. Dieses Mitglied muss die Diebeskunst beherrschen, was Bilbo Beutlin auszeichnet :mrgreen:, denn er gilt als der Meister der Diebe. Hier, in dieser Welt, scheint ja das Stehlen eine wertschätzende Tugend zu sein... . 

Die Reise geht auf einen einsamen Berg und Die Reisetruppe muss einen Drachen bezingeln, der umgeben ist von wichtigen und den Zwergen gestohlenen Schätzen, den der Drache freiwillig nicht herausgeben möchte, obwohl er mit den Schätzen rein gar nichts anfangen kann, eigentlich ohne jeglichen Wert für ihn ist. 

Man ahnt schon, dass sowohl die Zwerge als auch Bilbo Beutlin eine wichtige Lebensprüfung zu bestehen haben, aber wohl mehr Bilbo Beutlin... 




Fabio Geda / Emils wundersame Reise (1)

Selten kommt es vor, dass ich keine Lust habe, den Inhalt eines Buches zu besprechen. Selten, aber es kommt vor. Fabio Geda hat mich mit seinem Buch alles andere als inspiriert.

Ich gehe mal davon aus, dass es ein Jugendbuch ist, ist aber als solches nicht deklariert. Ich lese Jugendbücher nur gerne, wenn sie auch wirklich gut geschrieben, und die Themen nicht all zu unreif wirken. 


Gefallen hat mir, als Emils Großvater ihm Briefe aus Deutschland, Berlin, mit verdrehten Buchstaben geschrieben hat. Er hat herausgefunden, dass, wenn an einem Wort der Anfangs-  und der Endbuchstabe richtig sind, so kann man ruhig die restlichen Buchstaben vertauschen, ohne dass der Sinn verloren geht. Die Wörter lassen sich flüssig runter lesen. Und das stimmt auch.


Ich bruhcae mcih nchit mher um lstäige Behcutsenbrhaerdhr zu kmmüren... . 

So, das war das einzige, das mir gefallen hat. Deshalb verweise ich auf den Klappentext, s. Post. weiter unten im Blog, Buchvorstellung, wer mehr wissen möchte.


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„Musik ist eine Weltsprache“
            (Isabel Allende)

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Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 5. November 2012

Fabio Geda / Emils wunderbare Reise



DEUTSCHE ERSTAUSGABE
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 256 Seiten,

ISBN: 978-3-8135-0487-3

€ 17,99  





Klappentext


Quer durch Europa – dem eigenen Glück entgegenEmil ist erst 13 und hat doch schon mehr gesehen, als ein Kind je sehen sollte. Ohne Papiere hat er sich mit seinem Vater von Rumänien bis nach Italien durchgeschlagen. Doch als der ausgewiesen wird, ist Emil ganz auf sich allein gestellt. Seine einzige Hoffnung: Er muss seinen Großvater finden, den er nur aus Briefen kennt und der mit seiner Artistentruppe in Berlin gastiert. Mit einer Gruppe Jugendlicher – alle schräge Außenseiter wie er selbst – macht er sich auf die abenteuerliche Reise. Sie führt ihn quer durch Europa, immer ein Stück dem eigenen Glück entgegen.

Autorenportrait

Fabio Geda, 1972 in Turin geboren, arbeitete viele Jahre mit Jugendlichen und schrieb für Zeitungen. Bereits sein erster Roman „Emils wundersame Reise“ war in Italien ein Überraschungserfolg; das Buch „Im Meer schwimmen Krokodile“ brachte ihm auch international den Durchbruch.
 „Ich wollte einen Abenteuerroman schreiben, so etwas wie Huckleberry Finn. Eine optimistische Geschichte, denn trotz aller widrigen Umstände schafft Emil es am Ende. Er ist der Typ Junge, den sich jeder Erzieher wünscht.“

Das Buch habe ich durch Zufall entdeckt. In einer Buchhandlung. Nun ist es aber Anne zu verdanken, die das Buch auf meine kleine SuB-Liste gesetzt hat, und ich nun das Buch lesen werde.

Der Autor selber ist mir unbekannt. Die ersten fünfzig Seiten lesen sich recht locker, glaube aber nicht, dass er eine Chance hat, ihn zu meinen Favoriten einzureihen. Oftmals sind mir seine Beschreibungen zu Menschen aus den verschiedenen Ländern zu einseitig. Überall auf der Welt sind Menschen verschieden, im Aussehen und im Charakter. Ein gutes Buch sollte dies berücksichtigen, was der Autor leider nicht tut. Gerade ein Autor / eine Autorin sollte darin vorbildlich sein.

Sonntag, 4. November 2012

Anne Enright / Das Familientreffen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

So, ich habe das Buch nun durch und, gleich vorneweg gesagt, dass der literarische Ausdruck super ist. Ich gebe nur dem Ausdruck alleine zehn von zehn Punkten.  Er ist tiefgründig und fantasievoll.

Was der Inhalt betrifft, so frage ich mich wiederholt, ob die Autorin nicht auch Biografisches in dem Werk hat einfließen lassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man diese Schwere an Gedanken und Erlebnissen erfinden kann, ohne sie selbst erlebt zu haben... . 

Ich finde das Buch gar nicht so einfach zu lesen, weil Veronica, die Protagonistin, mich als Leserin hauptsächlich mit Reflexionen konfrontiert, ohne dass ich selbst an den Handlungen teilnehme. Es entstehen dadurch jede Menge Verknüpfungen zu anderen Familienmitgliedern. Durch Lians Tod, der um ein Jahr ältere Bruder, reflektiert sie nochmals den Tod ihrer Großeltern und den ihrer Eltern und vergleicht sie miteinander, auch die verschiedenen Lebensweisen.

Das Familienbild, an dem Veronica einen teilhaben lässt, ist schon recht hart, aber manchmal auch mit Witz erzählt, an vielen Stellen spürt man aber auch die Wut, die Irland gilt. Wut an die Gesellschaft, sowohl Männer, die sich nehmen, was sie benötigen als auch Frauen, die sich von den Männern in vielerlei Hinsicht benutzen lassen, s. dazu unten.


Auch hier trifft man wieder ein düsteres Bild zu Irland; Armut, Kinderreichtum, Elend, Alkoholismus, Sexueller Missbrauch, Katholizismus... 

Und in einem Bild ausgedrückt:
Dort am Fenster zeigte sich ein Gesicht, oder stell dir vor, unter Dublin läge ein Vulkan, oder wir fielen ihn ein Loch und hätten den Mund voller Maden.
Irland, in eine Metapher gepackt, der Mund voller Maden und steht für mich für große und ekelerregende Fäulnis.

Veronica kommt aus einer Großfamilie, mit ihr zusammen sind es zwölf Kinder, davor gab es noch sieben Fehlgeburten.


Erst am Schluss des Buches erfährt man, weshalb sie eine Wut auf ihre Mutter hat. Ist doch ihr gutes Recht, Kinder zu gebären so viel sie will, denkt man erst, aber aus Veronicas Sicht wird ihre versteckte Anklage auch verständlich. 

In unseren Familien findet sich alles, und spätnachts ergibt alles einen Sinn. Wir begleiten unsere Mütter, was mussten sie nicht alles über sich ergehen lassen im Bett oder in der Küche, und wir hassen sie, oder wir verkörpern sie, aber immer weinen wir um sie - ich zumindest. Der undenkbare Schmerz meiner Mutter, gegen den ich mein Herz verhärtet habe. Nur ein Glas über das übliche Maß hinaus, und ich schlage auf den Tisch wie alle anderen auch und heule nach ihr.
Diese Ambivalenz, vermehrt der Mutter gegenüber, zeigt sich in ihren Gedanken, in der Auseinandersetzung mit ihrer Familie.

Veronica und Liam waren miteinander stark verbunden, Liam, der ein Jahr älter als sie war und der im erwachsenen Alter sich suizidierte... .

Veronica reflektiert nicht nur ihre eigene Kindheit, sie geht noch weiter zurück, und reflektiert das Leben ihrer Großeltern, und deren gesellschaftliche Rollen und erwirbt dadurch jede Menge Erkenntnisse, und dieses Verständnis sich auf ihr eigenes Leben übertragen lässt... .


Großmutter Ada hatte mehrere Verehrer, und sie entschied sich aber nicht für den Mann, der besser zu ihr passte. Das Leben weist Rätsel auf:

Ich weiß nicht, warum Ada Charlie geheiratet hat, wenn es doch Nugent war, der zu ihr passte. Und obwohl Sie sagen könnten, dass sie nur Nugent deswegen nicht geheiratet hat, weil sie ihn nicht mochte, so reicht diese Erklärung doch nicht wirklich aus. Nicht immer mögen wir die Menschen, die wir lieben - nicht immer haben wir diese Wahl.
Nicht immer mögen wir die Menschen, die wir lieben, dieses Zitat gibt mir zu denken, und ich weiß für mich, dass da was dran ist.
Und vielleicht war das ihr Fehler. Sie glaubte, wählen zu können. Sie glaubte, jemanden heiraten zu können, den sie mochte, mit ihm glücklich sein und glückliche Kinder haben zu können. Sie begriff nicht, dass jede Wahl verhängnisvoll ist. Für eine Frau wie Ada ist jede Wahl ein Irrtum, und zwar sobald sie getroffen ist.
Dabei spricht Veronica auch viel von ihrer Ehe mit Tom, die auch recht ungewöhnlich war, da Veronica sich als Ehefrau Freiräume schaffte und selbst entschied, wie oft sie Sex haben wollte. Sie wollte es anders machen als ihre Mutter, die sexuell ständig ihrem Mann zur Verfügung stand, selbst wenn sie keinen Sex wollte... .

Veronicas Vater war Dozent an einer pädagogischen Hochschule. Er starb 1986 an einem Herinfarkt und die Menschen am Begräbnis lächelten über ihn, dass das viele Bumsen ihn zermürbt hätte. Ich denke, darauf war auch Veronica wütend. Einen geilen Vater zu haben, wütend auf die Mutter, die sich bumsen ließ und sie das Zeugen vieler Kinder nicht verhindern konnte. Wenn mal Ruhe war in der Sexualität der Eltern, bezeichnete Veronica dies als eine vorübergehende Lücke in der Fortpflanzungsfähigkeit ihrer Mutter. 


Vorbildlich war für Veronica ihre Großmutter Ada,  die im Gegensatz zu ihrer Mutter eigenständig existierte und auch mit Männern flirtete. Das hätte sich Veronicas Mutter niemals erlaubt. Ada war auch so frei, zwischen zwei Männern zu wählen, wer ihr Gatte werden sollte.


Männer und Sexualität; Männer holten sich, was sie brauchten. Ich finde das Bild so schön:

Bezahlter Sex im irischen Freistaat. 

Bis Ende der 1970er Jahre wirkte sich dies noch aus:

Denn plötzlich war ich mir vieler Dinge sicher. Unter anderem, dass die Leute vögelten, das war eines von den Dingen, die sie trieben: Männer vögelten Frauen - und nicht umgekehrt; und dieser überraschende Mechanismus sollte nicht meine Zukunft verhindern, die sich zu verändern begann, kaum dass ich sie ins Auge gefasst hatte, sondern ebenso die weitere und in sich geschlossene Welt meiner Vergangenheit. 
Sowohl Veronica als auch ihr Bruder wurden als Kinder Opfer der sexuellen Gewalt und der häuslichen Gewalt, wie z.B Kindstod durch Mord an einem Geschwisterkind durch die Mutter, die erneut schwanger war.... . Veronika erfährt schon recht früh in ihrem Leben, dass die einzige Sünde der Sex sei, auch hier im Vergleich zwischen ihrer Großmutter Ada und ihrem Liebhaber Nugent:
Nugent öffnet mit seinen sündhaften, eckigen Fingern Adas Bauch, taucht ein in ihren Höhlungen, nimmt mit achtsamen Verlangen ihre wunderschönen Lungenflügel und drückt kosend- "Ach", seufzt Ada, als die Luft aus ihr entweicht - ihre rosa Lungen zusammen.
Während Veronica dadurch Probleme mit ihrem Körper bekommt, und sich wünscht, ihm zu entfliehen: 
Nichts als Sex. Ich würde liebend gern meinen Körper verlassen. Vielleicht geht es ja genau darum, bei diesen Fragen nach Welch und nach wessen Loch, nach den richtigen Körpersäften an den falschen Stellen, diesen kindlichen Verwirrungen und kleinen verbissenen: die Eröffnung der Möglichkeit uns auf diesem Fleisch heraus zu kämpfen (am liebsten einfach heraus schwimmen, wissen Sie?, Hinausschnellen wie ein Wort aus meinem Mund und mit einem Schlag meiner Schwanzflosse verschwinden), es gibt eine Grenze, was man ficken kann und womit.
Dennoch trauerte Veronicas sehr, als ihr Vater starb:
Heute tut es weh, dass Daddy tot ist. (...) Er ist also nie in ein Geschäft gegangen, wo Kondome gleich neben der Registrierkasse verkauft werden. Er brauchte also nie umzulernen, nicht einmal geringfügig.
Obwohl Veronicas Vater seine Frau liebte, er liebte sie,  aber er liebte sie nicht innig genug, um sie in Ruhe zu lassen.
 Meine arme Mutter hatte zwölf Kinder. Immer wieder musste sie die Zukunft zur Welt bringen. Ein ums andere Mal. Zwölfmal Zukunft. Noch öfter. Vielleicht gefiel es ihr ja, all diese Kinder zu kriegen. Vielleicht verfügte sie über mehr Vergangenheit, die sie abstreifen muss, als die meisten Menschen. (lol)

Ich komme nun an eine Textstelle zu sprechen, die für mich wichtig war und noch ist, die mehr als makaber ist, dabei erinnere ich mich, als Veronica sagte, dass ihr Bruder und sie Geschichten erzählten, die wie erfunden klangen. 


Veronica besuchte zusammen mit ihrer Schwester ein Krankenhaus auf, und auf dem Schild Behindertendienst zu vernehmen war. Eine Klinik mit hohen Schornsteinen, das aus viktorianischen roten Backsteinen gebaut war. Es lebten darin psychisch kranke Menschen und Menschen mit einer geistigen Erkrankung:
"Behindertendienste" steht auf dem Schild, und erleichtert denke ich, dass die Irren nicht mehr sind. Die Irren sind, ganz naturgemäß, zu Staub geworden. Die Menschen sind nicht länger verfolgt. Die Irren in diesen Zimmern sind nur noch Hautreste, abgeschafft, abgehackt oder auch nur abgeworfen: Eine Million Schuppen, etwas weiches unter den Dielenbrettern, die Qualität des Lichts".
Klingt stark nach dem Nationalsozialismus, aber es ist auch bekannt, dass behinderte Menschen in Irland noch darüber hinaus schlecht behandelt wurden:
"Himmel", sagt meine Schwester, die wie ich eine Sekunde lang gedacht hat, dass man darin geisteskranke Patienten verbrennt, um im Krankenhaus die Heizkörper zu erwärmen. 
Viele irische Frauen, die sexuell vergewaltigt wurden, erkrankten psychisch und wurden lebenslänglich in diesen Heilanstalten eingesperrt. Viele kamen nicht mehr lebend heraus. Die Vergewaltiger dagegen, meist Mitglieder der Familie, liefen frei herum... . 
Auch uneheliche Kinder wurden nicht geduldet. Die Kinder wurden den Müttern weggenommen, und zur Adoption freigegeben. 

Selbst der suizidierte Bruder Lian galt als Sünder, da Selbstmord aus der Sicht der katholischen Kirche damals nicht zu verzeihen war. 


Ein kritisches Denken zur katholischen Kirche war in den Familien oft nicht erlaubt. Veronica erlangte eine starke Ohrfeige von ihrem Vater, als sie fragte, wo die heilige Jungfrau Maria, als sie in den Himmel hochgefahren ist, zur Toilette ging?


Und nun komme ich zu den Abschlussgedanken:



Am Ende kam ein so schönes Zitat, das mich glauben lässt, dass Veronica sich durch die nächste Generation mit ihrem schweren Schicksal ausgesöhnt hat.

Veronica zieht sich in ein Hotel zurück, auch fern von ihren Kindern, zwei Töchter, als fliehe sie vor ihnen und sie schließlich merkt, dass es gar nicht möglich ist, ihre Kinder zurückzulassen, da sie in Gedanken immer bei ihr sind und spürt sogar im Bett das seidige Haar ihrer Tochter und macht plötzlich folgende Erkenntnis: 

"Was für ein großartiger und leiser Sieg es ist, meine Kinder in der Welt zu haben." 
Eine höhere Wertschätzung kann es gar nicht geben den Kindern gegenüber, sich aber auch selbst gegenüber. Keine Anklagen mehr, nur noch Wertschätzung.

Nach dem Veronica nun ihre Geschichte erzählt hat und sie sie damit verarbeitet hat, und  sie sich mit ihrem Leben ausgesöhnt hat, gibt sie zu erkennen, dass sie gar kein anderes Schicksal haben wolle, sie wolle kein anderes Leben, keine andere Familie, keinen anderen Ehemann... .

So frage ich mich, ob wir Menschen auf der Welt sind, um genau dieses Leben zu leben, das wir leben, um Erkenntnisse zu machen... 

Fettdruck im Text durch die Autorin hervorgehoben!
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„Musik ist eine Weltsprache“
            (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2012: 79
Gelesene Bücher 2011: 86




Donnerstag, 1. November 2012

Anne Enright / Das Familientreffen


Verlag: btb
2011, 9,99 €
Gebunden, Miniausgabe
Seitenzahl: 416

ISBN-10: 3442742595




Klappentext


Der Hegarty-Clan versammelt sich in Dublin, um Liam, das schwarze Schaf der Familie, zu Grabe zu tragen – doch schnell gerät der Anlass zur Nebensache. Nur Veronica wagt es, nach den Umständen zu fragen, die ihren Bruder in den Tod getrieben haben mögen. Ein beeindruckend intensiver Roman über die Frage nach Schuld und Verantwortung, nach der Liebe und ihren Folgen.


Autorenportrait

Anne Enright wurde 1962 in Dublin geboren und lebt heute im irischen Bray, County Wicklow. Die vielfach ausgezeichnete Autorin zählt zu den bedeutendsten englischsprachigen Schriftstellern der Gegenwart. Ihr Roman „Das Familientreffen“ (DVA 2008) wurde unter anderem mit dem renommierten Booker-Preis belohnt, ist in gut dreißig Sprachen übersetzt und weltweit ein Bestseller. "Anatomie einer Affäre" ist ihr fünfter Roman.

Von der Autorin habe ich noch nichts gelesen und bin durch Zufall auf dieses Buch gestoßen. Wie so viele Irland-Bücher geht es wieder Mal um das Elend in einer Familie. Ich habe schon ein paar Seiten gekostet und es hat mir gut gefallen. Bin recht neugierig, wie der Roman weitergeht.




Mittwoch, 31. Oktober 2012

Philippe Pozzo Di Borgo / Ziemlich beste Freunde (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun ja, das Buch habe ich nun durch aber so richtig gefallen hat es mir nicht. Vom literarischen Anspruch her gehört es meiner Meinung nach nicht zur höheren Literatur. Was das Menschenschicksal betrifft, so kann man es bedauern, und dies nicht nur für den Rollstuhlfahrer, der einen schweren Unfall erlitt, sondern auch für seine Frau, die fast zeitgleich an Blutkrebs erkrankte und sie nach fünfzehn Jahren ihrer Krankheit erlag. 

Trotzdem kann ich das Buch weiter empfehlen, denn dass ich so hohe literarische Ansprüche habe, soll nicht die Schuld des Autors sein. Aber ob ich den Erweiterungsband, erzählt aus der Sicht des Pflegers, noch lesen möchte, das muss ich mir noch überlegen. 

 Der Pfleger ist kein richtiger Pfleger, sondern jemand, der dem behinderten Menschen Philippe Pozzo etwas aushilft. Er ist ein Schwarzer, der in Algerien beheimatet ist, aber in Paris lebt. Die Rede ist von Abdel Sellou. Abdel hatte sich wie viele andere auf die Stellenanzeige beworben, und er hatte die Stelle auch bekommen, obwohl er über keinerlei Kenntnisse aus der Pflege verfügte, er aber seinen Charme hat spielen lassen, was für den kranken Patienten, sein zukünftiger Chef, ausschlaggebend war, obwohl es kulturelle Unterschiede gab, die Abdel deutlich zu zeigen gibt. Doch dazu später mehr. 

Philippe Pozzo, Gleitschirmflieger, ist mit seinem Fluggerät unglücklich gestürzt, dass er davon querschnittsgelähmt wurde und es kommen eine Reihe von Problemen auf ihn zu, mit denen er fertig werden musste. Er konnte sich nicht mehr um seine krebskranke Frau kümmern. Auch die beiden adoptierten Kinder mussten untergebracht werden, wenn die Mutter Beatrice wieder Schübe hatte... . Sowohl Philippe, als auch seine Frau unterstützten sich gegenseitig so gut es ging. Wenn man so etwas liest, diese vielen Schicksale in einer einzigen Familie, so nimmt man irgendwie vieles im Leben nicht mehr so ernst... . Auch Philippe musste lernen, über sich zu stehen und Humor zu entwickeln, wenn er psychisch überleben wollte, bis er Abdel kennenlernte:
Abdel ist der erste, der sich auf meine Anzeige beim Arbeitsamt hin vorstellte. Es sind 90 Bewerber, darunter ein einziger Franzose; ich gehe nach dem Ausschlussprinzip vor, und am Ende bleiben nur noch Abdel und der Franzose übrig. Jeder bekommt eine Woche Probezeit. Ich spüre bei Abdel eine Persönlichkeit, eine situative Intelligenz und etwas fast Mütterliches. Außerdem kann er gut kochen, auch wenn er hinterher nie aufräumt.Der Franzose macht den Fehler, mir zu sagen, wenn man einen Moslem in sein Haus lasse, könne man auch gleich dem Teufel die Tür öffnen. Daraufhin stelle ich Abdel unverzüglich ein.
Abdel ist eine recht ungewöhnliche Persönlichkeit mit vielen Widersprüchen. Aber es gelang ihm, auf die Bedürfnisse Philipps einzugehen. Und er brachte ihm eine große Portion Humor entgegen:
Er ist unerträglich, eitel, stolz, brutal, unzuverlässig, menschlich. Ohne ihn wäre ich zugrunde gegangen. Abdel hat mich pausenlos gepflegt, wie ein Säugling. Er hat auf jedes noch so kleine Zeichen von mir geachtet, während jeder einzelnen meiner Ohnmacht war er zur Stelle, er hat mich befreit, wenn ich gefangen war, beschützt, wenn ich wach war. Er hat mich zum Lachen gebracht, wenn ich nicht mehr konnte. Er ist mein Schutzteufel.
Philippe empfand große Schuldgefühle, auch gegenüber seiner Frau und seinen beiden Adoptivkindern, klagte sich an, dass er Gleitschirm geflogen sei, was seine Krise noch weiter verstärkte, und ihm öfter fast der Lebenswille versagte. 
Schuldgefühle stellten sich ein. Sie sind unnütz und lassen einen doch nie mehr los. Hätte ich diesen Tag des 23. Juni vermeiden können, dann hätte Beatrice nicht soviel Kraft lassen, die Kinder hätten nicht diesen Schock erleben müssen, meine Tochter wäre nicht so zerrissen und mein Sohn nicht so verstört. Sie mussten sich derart anstrengen, damit ich nicht aufgebe! Es war zu viel für ihr Alter, es ging über ihre Kräfte. Für mich begann an diesem 23. Juni meine Gegenwart.
Ich habe diese Familie sehr bewundert, der Zusammenhalt und die Liebe, die hier zum Tragen kam.

Philippe Pozzo musste lernen, seine alten Werte aufzugeben und neue zu gewinnen:
Jenseits der Worte, jenseits der Stille entdeckt man die eigene Menschlichkeit.
Der Körper, den man bisher vergöttert hat, verblasst allmählich zu Gunsten eines erneuerten Geistes, einer vertieften Spiritualität. Eine Kehrtwendung des Herzens.
Auf dem Grunde seines Herzens, in der Innerlichkeit, im eigenen Mysterium entdeckt man den anderen.
Der glatte, geschniegelte Privilegierte, der ich einmal war und der heute gekreuzigt auf seinem Bett liegt, malt sich ein Miteinander zwischen einer aufrecht stehenden und einer liegenden Menschheit aus. Das universelle Kreuz als Ausgangspunkt einer neuen Welt.
Schade, dass einem solche Erkenntnisse meistens erst in der Not kommen. 

Zwischen Philippe und Abdel gibt es oft kulturelle Meinungsverschiedenheiten, speziell was der Umgang mit Frauen betrifft, worüber ich über folgende Textstelle schmunzeln musste:
"Abdel, Frauen muss man respektieren ".
" Respektieren? Sagen wir mal so, es ist nicht an uns, sie zu respektieren, sondern an ihnen, sich Respekt zu verschaffen."
"(…)Abdel, Frauen sichern das Überleben der Menschheit."
Sympathisch fand ich allerdings, dass Philippe Abdel nicht verurteilt hatte, sondern er durchaus in der Lage war, ihm auch seine positiven Seiten abzugewinnen, und ihn als Mensch akzeptierte. 

Ich komme nun zum Abschluss meiner Aufzeichnungen, habe die für mich schönen Textstellen herausgeschrieben, und so beende 
ich nun meine Buchbesprechung mit einem Gebet, das Philippe gelernt hatte zu beten, das ein so ziemlich bekanntes und in der Gesellschaft der westlichen Welt sogar ein weit verbreitetes Gebet ist:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
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 „Musik ist eine Weltsprache“
            (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2012: 78
Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 29. Oktober 2012

Philippe Pozzo Di Borgo / Ziemlich beste Freunde



  • Gebundene Ausgabe
  • Verlag: Hanser Berlin; Auflage: 15 (16. März 2012)
  • 350 Seiten, 14,90 €
  • ISBN-10: 3446240446


Klappentext

Der bewegende Roman von Philippe Pozzo di Borgo, Ziemlich beste Freunde, handelt von zwei Männern, die unterschiedlicher kaum sein könnten: dem nach einem Fallschirmsprung querschnittsgelähmten Geschäftsführer der Firma Champagnes Pommery, Philippe Pozzo di Borgo, und dem Ex-Sträfling Abdel Yasmin Sellou.
Sellou bewirbt sich bei Pozzo di Borgo als Intensivpfleger, um eine Unterschrift für das Sozialamt zu bekommen – und wird engagiert. Die lebensfrohe, mitleidslose Art des Ex-Sträflings gefällt dem Querschnittsgelähmten, der durch seinen Pfleger neue Lebensfreude gewinnt. Die beiden gehen zusammen durch dick und dünn – und erleben lustige wie auch dramatische Ereignisse. Eine Geschichte, die als kitschig bezeichnet werden könnte, wenn sie nicht das Leben selbst geschrieben hätte.

Das Buch steht schon lange auf meiner Liste, habe es aber immer wieder aufgeschoben, doch jetzt, heute habe ich es mir feste vorgenommen. Empfohlen wurde mir das Buch von einer Literaturfreundin B. Q.
Wer ist Philippe Pozzo Di Borno? Ich konnte nirgends ein Autorenportrait ausfindig machen, weder im Klappentext noch online. Ich gehe mal davon aus, dass der Autor keine weiteren Bücher verfassen, und es bei diesem einen Roman bleiben wird... .

Es gibt noch eine Erweiterung zu diesem Buch und zwar aus der Sicht des Pflegers geschrieben. Auch dieser Band liegt nun endlich auf meiner momentanen SuB-Liste.


Sonntag, 28. Oktober 2012

Romeo and Juliet


Das Schneemädchen von Eowyn Ivey


Isabel Allende / Die Stadt der wilden Götter (1)

Die Stadt der wilden Götter - Isabel Allende Buch gebrauchtEine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun habe ich das Buch zu Ende gelesen und man hat dem Buch schon angemerkt, dass es ein Jugendbuch ist,  in dem eine künstliche Spannung erzeugt wird, die mehr Jugendlichen reizt. An manchen Stellen ist es aber auch die Sprache, die so salopp gesprochen ist, die ich von Allende so nicht gewohnt bin. Ein zweites Mal würde ich das Buch nicht lesen, habe aber überlegt, welchem Jugendlichen ich dieses Buch herantragen würde? 


Der Roman hat mich ein wenig auch an Mozarts Zauberflöte erinnert, denn auch hier gibt es eine Flöte, die alle Tiere und Naturmenschen mit ihren Tönen verzaubert und friedlich stimmt. Mit Hilfe der Flöte werden die Abenteuer und die damit verbundenen Gefahren des Flötenträgers überwunden....

Die Hauptperson in dem Buch ist der junge Alex Cold, fünfzehn Jahre alt, Flötenspieler, und lebt mit seiner fünfköpfigen Familie in Kalifornien. Seine Mutter ist krebskrank, im Endstadium, und kann sich nicht mehr um ihre Kinder, die sie abgöttisch liebt, kümmern. Der Vater ist Arzt, der beschließt, Alex zu seiner Mutter (Großmutter) Kate nach New York zu schicken, da er die Mutter in ein besseres Krankenhaus für längere Zeit begleiten möchte, das  außerhalb von Kalifornien liegt. 

Alex hadert, er möchte nicht zu seiner Großmutter, er möchte lieber mit seinen beiden Schwestern zur Großmutter mütterlicherseits, was nicht möglich ist, da die Großmutter sich unmöglich noch um drei Kinder kümmern könne... . 

Großmutter Kate ist eine merkwürdige Person, von Beruf ist sie Journalistin. Sie zeigt keinerlei Gefühlsregung ihrem Enkel gegenüber und stellt sich später eher als eine harte Nuss mit einem weichen Kern heraus...

 Mit ihren recht unkonventionellen Erziehungsmethoden fordert sie Alex immerzu heraus und sorgt dadurch für Überraschungen... Z.B.  holt sie Alex nicht wie vereinbart vom Flughafen ab und nach einiger Zeit des Wartens schließt er sich einem jungen Mädchen an, die sich als Junkie herausstellt und sie bringt Alex dazu, Drogen zu rauchen. Alex wollte kein Spielverderber sein, und kiffte mit und macht die Erfahrung, die viele Leute auch gemacht haben, dass in den Drogen nichts Außergewöhnliches festzustellen war:
Die Male, wenn er gekämpft oder etwas getrunken hatte, war er sich überhaupt nicht vorgekommen wie auf einem Flug ins Paradies, was einige seiner Freunde behaupteten, sondern hatte bloß gespürt, wie sich sein Kopf vernebelte und seine Beine wie Watte wurden. Richtig high wurde er davon, an einem Seil an einer Felswand zu hängen, unter sich den Abgrund, und genau zu wissen, wohin er als nächstes den Fuß setzen musste. Nein, mit Gras und solchem Zeug hatte nichts am Hut.
Alex bestieg recht oft mit seinem Vater Berge... .
Gemeinsam mit Kate tritt er eine Expedition an ins Reich des Amazonas. Alex zeigte Widerstände, doch als sie schließlich dort ankamen, wollte er auch nicht mehr zurück. Eine Gruppe von Amerikanern, geführt von einem Anthropologen, der schon viele fragliche Studien zu den Lebensweisen der Indianer veröffentlicht hatte, und weiter das Ziel verfolgte, die Studien fortzusetzen. Seine Studien allerdings bestätigen das abfällige und primitive Bild, das er selbst von den Naturmenschen gemacht hat und so bekommt man gut mit, wie hier wissenschaftliche Studien manipuliert werden. 

Zu den Zeremonien der Indianer gibt der Professor vor, dass sie kämpferisch, kaltblütig, wild und mörderisch seien. Ein Bild, das man von vielen Westernfilmen kennt, die man als Kind sich angeschaut hat. Doch die Ärztin verteidigt die Indianer:

"Sie ist ein Ritus, die Zeremonie, um den eigenen Mut auf die Probe zu stellen. Die Indianer malen ihren Körper, bereiten ihre Waffen vor, singen, Tanzen und dringen (...) in das Dorf eines anderen Stammes ein. Sie bedrohen sich gegenseitig und teilen auch ein paar Hiebe mit Holzprügel aus, aber dabei gibt es selten mehr als einen oder zwei Toten. In unserer Kultur ist es genau umgekehrt: von Zeremonie keine Spur, nur Massenmord…"
Zu den ExpediteurInnen gehört auch eine Ärztin, ganz zum Leidwesen des Anthropologen, die ein ganz anderes Indianerbild besitzt, absolut kein abfälliges und so gibt sie dem Professor oft Widerpart, wenn er sich zu den Indianern minderwertig äußert. Doch Vorsicht, diese Ärztin gibt sich anders als sie wirklich ist...
In dem Amazonadschungel leben auch Bestien und Alex fragt den Athropologen, welche gefährlicher seien, die Bestien oder die Indianer? Die Indianer würden wie Raubtiere leben, zudem noch kannibalisch, da sie andere Menschen fressen würden, sogar Menschen aus dem eigenen Stamm. Sie würden auch morden, um sich Frauen zu beschaffen... 

Kate ist wieder mal witzig, die gerne auf Abenteuer aus ist. Auch vor dem Dschungel und den Indianern habe sie keine Angst, denn sie würde lieber von den Indianern umgebracht werden, als in New York an Altersschwäche sterben.

Nach außen hin verfolgt die Ärztin das Ziel, die Indianer gegen verschiedene Krankheiten zu impfen, mit dem Argument, dass immer mehr Weiße in die Indianerreservate eindringen, und diese mit Krankheiten anstecken. Das Immunsystem der Indianer sei gegen unbekannte Viren zu schwach, der Körper produziere keine ausreichenden Abwehrstoffe... . (Masern, Grippe u. a. m.)

Unter den Expediteuren befindet sich auch die zwölfjährige Nadia zusammen mit ihrem Vater und ein paar Soldaten. Nadia ist ein Dschungelkind, zwölf Jahre alt, die eine tiefe Freundschaft mit Alex eingeht.

In den tiefen Wäldern macht Alex zum ersten Mal die Erfahrung, verschiedene Frauenkörper zu sehen, als sich diese in den Flüssen sich wuschen und badeten, fast nackt, die Kleider von sich geworfen. Folgende Textstelle hat mir außergewöhnlich gut gefallen, als Alex den fast nackten Körper seiner Großmutter mit dem eines Kinderkörpers von Nadia und mit dem einer jungen Frau (die Ärztin), kurvenreich und stramm, verglich. Ich fand das recht sympatisch, dass Alex sich nicht vor dem Körper seiner Großmutter geekelt hat, sondern eine interessante Sichtweise pflegte:

Nun vergleicht er den Körper seiner Großmutter -spindeldürr, voller Knötchen, die Haut zerfurcht-mit den zarten goldenen Kurven der Ärztin, die einen züchtigen schwarzen Badeanzug trug, und mit Nadia, die noch so kindlich unbefangen wirkte. Er stellte fest, wie sich der Körper mit dem Alter verändert, und dachte, dass alle drei, jede auf ihre Weise, schön waren.
Alex und Nadia werden nun von den Nebelmenschen aus der Reisegruppe entführt und nun beginnt das Abenteuer. Besonders Alex wird nun mit Gefahren konfrontiert, die er zuvor nicht kannte. Jaguar ist sein Seelennamen und Adler den von Nadia. Alex entwickelt übersinnliche Fähigkeiten, die Nadia schon längst beherrschte. Sie hatte noch nie eine Schule besucht, beherrscht aber das Dschungelleben und sämtliche Sprachen der Indianer, und bereichert mit ihrem Wissen Alex, der oft an seine Schulkameraden zurückdenkt, die neben Nadia recht langweilig wirkten.

Interessant fand ich auch das Bild, dass Indianerfrauen sogar kleinen Welpen, die keine Mutter mehr hatten, an ihren Brüsten saugen ließen. Ich hatte mal ein Foto dazu gesehen, glaubte eher an einer optischen Täuschung.

Interessant fand ich auch folgende Lebensweise, von der ich schon bei den Arabern gelesen hatte. Es geht um den Umgang mit Tiertötung als Nahrungsquelle.

Der Indianer bittet den Fisch um Erlaubnis und erklärt ihm, dass er ihn töten muss, weil er etwas zu essen braucht; und danach bedankt er sich bei ihm dafür, dass er sein Leben für für ihn gegeben hat, (…). Der Fisch versteht das, weil er vorher selbst andere Fische gefressen hat, und jetzt ist er an der Reihe. So läuft das.
Sowohl der Indianer, als auch das Tier, jagen nur soviel, wie ihr Hunger zulässt. Und beide, sowohl Mensch als auch Tier, leben in freier Natur. Das Tier lässt sein Leben in freier Natur und nicht in Massenzuchtanlagen wie in der westlichen Welt.

Von den Arabern weiß ich, dass sie, wenn sie an Festtagen ein Lamm schlachten, sich bei dem Lamm entschuldigen und bedanken sich gleichzeitig, dass es geopfert wird. 

Die Indianer sehen zwischen Tieren und Menschen keinen Unterschied. Die Tiere werden den Menschen nicht untergeordnet. Beide stehen, Mensch und Tier, auf einer Stufe.
Als eine große Tierschützerin sind mir solche Umgangsformen mit Nutztieren mehr als willkommen.


Zum Schuss sei noch gesagt, dass Isabel Allende eigentlich bekannt dafür ist, ihre Themen gut zu recherchieren, um über Amerika und Lateinamerika zu schreiben. Die Handlungen an sich sind schon fiktiv, aber die Fakten, mit denen die Handlungen ausgeschmückt werden, eigentlich real, mit Ausnahme mancher Wesen hier in diesem Buch, wie z.B. die Nebelmenschen und die Bestien, die als Symbolfigur fungieren.


Ich mache hier nun Schluss, möchte nicht alles verraten. Große Abenteuer, die diese beiden jungen Menschen in der Stadt der wilden Götter eingegangen sind, lasse ich im Buch zurück und gehe nicht darauf ein. Soll sie jeder selber nachlesen und geistig gesehen selbst diese Abenteuer mitmachen.
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Musik ist eine Weltsprache 
(Isabel Allende)

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