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Mittwoch, 10. August 2016

Tomas Bannerhed / Die Raben (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich fand das Buch wunderschön. Es gab nur einen Nachteil, der aber meine persönliche Sache ist. Ich kann es nicht sehen, wenn Nutztiere geschlachtet oder auf eine andere Art und Weise durch Menschenhand gequält und getötet werden. Das Buch ist voll davon. Passt ja auch zum Kontext. Passt zu dem Ort des Geschehens.

Der Wirkungskreis findet in der Landschaft Smaland in Südschweden statt. Smaland, umgeben von Bauernhöfen und tiefen Wäldern.

Man befindet sich in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Ein interessanter Familienroman, der mich recht nachdenklich gestimmt hat, obwohl es darin vordergründig keine wirklich bösen oder fiesen Menschen gibt … Aber die Figuren, wie sie in ihren inneren Mustern gestrickt sind, fand ich sehr spannend.

Der Roman wird in der Ichperspektive des zwölfjährigen Klas dargestellt.

Besonders stark beschäftigt haben mich Klas und sein Vater Agne. Aber die vielen Nebenfiguren fand ich nicht weniger interessant. Zu jeder gibt es einiges zu sagen, beschränke mich aber hauptsächlich auf die beiden oben erwähnten Figuren.

Klas ist ein Heranwachsender, der zu wissen scheint, was er möchte. Er ist anders als die anderen Menschen seines Alters. Er beschäftigt sich viel allein, erkundet in seiner Freizeit die Wälder und die vielen darin lebenden Vögel. Zudem ist er ein Vielleser. Auch baut er sich eigene Drachen … Ein multitalentierter Jugendlicher. Für einen Bauernjungen ist vor allem die Leserei recht ungewöhnlich. Lesen wird hier als eine recht passive Eigenschaft gesehen. Klas glänzt auch in der Schule und zählt zu den Besten. Vor allem in Mathematik gelingt es ihm, mit hohen Zahlen frei aus dem Gedächtnis heraus zu operieren …

Klas weiß auch schon, dass er in Zukunft nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten möchte und glaubt, dass er für etwas Besseres geschaffen sei. Doch wie bringt er dies seinem Vater bei, der andere Pläne mit ihm hat?

Der Vater scheint anfangs recht normal zu sein, wobei er auf mich kontaktarm und wie ein Eigenbrötler wirkt ...
Emotionale Nähe zu seinen beiden Kindern zeigt er kaum, zu sehr ist er mit seiner eigenen Welt als Landwirt beschäftigt, der später immer mehr krankhafte Züge einnimmt.

Klas sehnt sich nach seinem Vater, zeigt es aber nicht. Er wundert sich, dass dieser sich kaum für seine Welt interessiert. Der Vater stellt keine Fragen an seine Kinder, immerzu äußert er Gedanken zu den Härten und den Missständen seines Guts… Er wirkt mit der Zeit recht zwanghaft. Unter den DorfbewohnerInnen ist er dadurch recht unbeliebt.

Agne ist mit seinem Hof ein wenig überfordert, das sieht auch Klas, der mit einer einzigen Ausnahme aber alles andere tut, als ihm unter die Arme zu greifen.

Agne hütet sich, Hilfe von seinem Sohn zu erbitten. Er kann überhaupt nicht bitten. Wünscht sich aber insgeheim, der Sohn würde von sich aus anpacken. Auch Klas schafft es nicht, mit seinem Vater ins Gespräch zu kommen. Beide leben sie abgeschottet in ihrer eigenen Welt …

Klas behandelt den Vater gedanklich ein wenig abfällig:
Woran denkst du, Vater? wollte man fragen. Wenn du da so sitzt? Denkst du an die Arme, die sich im Stall von selbst heben? Das Wetter, das nur Ärger macht? An den Schrott, der Tag und Nacht herumliegt? An alles, was zu Hause erledigt werden muss und niemals fertig wird? Dass es ein Jahr mit dreizehn Monden und ein Schaltjahr ist?Eine ewige Plackerei.Denkst du jetzt daran?An Arbeit und Krankheit. An alles, was dir Steine in den Weg legt. (2015, 88f)
Klas zählt alle Mühen auf, die dem Vater unaufhörlich plagen.

Der Junge verbringt seine Freizeit auch in der Bibliothek, was, wie schon erwähnt, ungewöhnlich für einen Dorfjungen ist, so auch die Meinung der Bibliothekarin. Dorfmenschen, die zwar alles Mögliche treiben würden, nur keine Bücher lesen und so stellt sie Klas die Frage, ob er wissen würde, was die Menschen dort so alles treiben? Auch sie ignoriert das mühsame Treiben eines Bauern.
Bei uns zu Hause hat jedenfalls, solange ich denken kann, keiner jemals ein Buch aufgeschlagen. Außer der Bibel. Wenn Mutter krank ist, liest sie immer das Buch Hiob. Und das Sündenbekenntnis. Obwohl sie das eigentlich auswendig kann. (99)
Klas lernt die aus der Großstadt zugezogene Veronica in der Bibliothek kennen, deren Vater Leo ein Intellektueller ist und sich gut mit Büchern auskennt. Er besitzt eine Bibliothek von über 4000 Büchern. Man möchte meinen, er tut nichts Anderes als Bücher zu lesen. Veronica stellt ihrem Vater Klas vor … Leo identifiziert Klas mit dem Steppenwolf von Hermann Hesse … (Die Art und Weise, wie Leo den Steppenwolf interpretiert hat, hat mir recht gut gefallen. Mich hat das nochmals an den Steppenwolf erinnert, den ich vor langer Zeit auch gelesen hatte.)

Und ich fand seine Interpretation sehr treffend.

Klas verliebt sich in Veronica und versucht ihr seine Welt in der Natur nahezubringen, wo ich mich erst fragen musste, ob er ihr seine Welt nicht zu sehr aufdrängen würde, ähnlich wie der Vater es mit ihm machte? ...

Klas` Treiben in der Natur habe ich auch ein wenig als eine Flucht vor seiner Familie erlebt. Der Vater nimmt zunehmend krankhafte Formen an, triftet immer mehr in eine wahnhafte Welt ab, nimmt starke paranoide Züge an, fühlt sich selbst vom Unwetter verfolgt,  das seine Farm zerstören wolle. Die Raben lösen mitunter in ihm auch Verfolgungszwänge aus … Zudem versucht er Ungeziefer auf eine stark krankhafte Form zu bekämpfen. Er sieht sogar Ungeziefer, wo gar keines ist. Nimmt in allem eine stark existentielle Bedrohung wahr.

Klas wurde eines Nachts von einem Höllenlärm wach.
(Ich) Schaltete die Nachttischlampe an, stützte mich mit schlafverklebten Augen auf den Ellbogen. Knall auf Knall erschallte und verhallte in einem gleichmäßigen Rhythmus. (…)
Widerwillig hob ich das Rollo leicht an und sah meinen Vater wie in rasender Wut auf eine alte, durchgelegte Matratze eindreschen, sah ihn weit ausholen und mit dem Teppichklopfer zuschlagen, als ginge es um Leben und Tod. (…) Die Matratzen auf der Teppichstange und ein ganzer Stapel Flickenteppiche, die darauf warteten, dass sie an die Reihe kamen. Im Schnee lagen Sofakissen und Decken.In einer Wolke aus Staub und Flusen stehen und immer weiter schlagen und schlagen, als hätte ihn jemand dazu gezwungen. Als wäre er von höheren Mächten beseelt oder als hätte ihn jemand in der Gewalt.Das hält doch keiner aus, von Millionen Partikeln umgeben zu sein. Die Milben, die Flöhe und Läuse, sie müssen weg, sie müssen alle weg. Peitschen und schlagen, bis nichts mehr da ist. Was macht es schon, dass dies mitten in der Nacht geschieht, wenn das ganze Haus voller Ungeziefer ist! (420)
Agne wird psychiatrisch zwangseingewiesen, und wird leise zum Gespött anderer DorfbewohnerInnen, worunter vor allem auch Klas´kleinerer Bruder Göran leidet, sieben Jahre alt, der immer mehr in die Kleinkindphase regrediert, und seinen Schnuller zurückverlangt, selbst dann noch, als der Vater wieder nach Hause entlassen wurde. Dieser wundert sich über das Verhalten seines jüngeren Sohnes und zieht falsche Schlüsse:
Vater versenkte die Zeitung, sah Göran erstaunt an, fragte sich, was das wohl für ein Knirps war. Ein großer Junge mit einem Schnuller, der die gesamte erste Klasse noch einmal würde absolvieren müssen, wenn er nicht lernte, in den Schulstunden still zu sitzen. (381)
Der Vater erlitt immer wieder Rückschläge und erwies sich als große Last für die gesamte Familie. Selbst Klas leidet seelisch darunter, fängt an, nachts einzunässen. Geplagt von der Angst, er müsse seinen Vater auf dem Hof ersetzen …

Auf den letzten Seiten erfährt man ein wenig über die familiäre Herkunft seines Vaters. Zwölf Geschwister hatte er, und sie alle mussten auf dem Hof mitanpacken. Klas erfährt, dass auch sein Vater intellektuell sehr begabt war, so wie er ein Genie im Rechnen, aber die Schule musste er vorzeitig abbrechen und durfte sie nicht weiter besuchen. Und somit konnte der Vater seine Talente nicht ausleben ...

Die Familie war zu arm, um sich eine Schule für die Kinder zu leisten, wo es auf dem Hof viel zu tun gab ...

Klas erfährt, dass auch sein Vater sich selbst einen Drachen bastelte, den sein Vater, Klas´Großvater, allerdings zerstört hat, da er nichts vom Spielen hielt ...


Mein Fazit zu dem Buch?

Klas und sein Bruder Göran wachsen in einer recht emotionsarmen Familie auf. Nicht nur, dass die Kinder zu wenig Nähe erfahren, auch zwischen den Eltern finden wenige körperliche und verbale Berührungen statt. Klas stellt das fest und versucht über Veronica herauszufinden, ob sich ihre Eltern mehr berühren, mehr lieben würden?
Klas ist für sein Alter ein sehr reflektiertes Kind, aber zu jung, um auf die vielen (schwerfälligen) Fragen eine Antwort zu finden, weshalb auch er seelische Störungen entwickelt. Die Mutter ist ebenso mit der ganzen Situation schier überfordert, obwohl sie es sehr gut mit ihrem Mann und den Kindern meint ...

Auch wenn man es nicht wahrhaben möchte, so waren der Vater und der ältere Sohn sich sehr, sehr ähnlich ... Und es ist zu wünschen, dass Klas es schafft, seinen Weg selbst zu bestimmen und ihn auch konsequent zu gehen, damit ihm nicht dasselbe Schicksal ereilt, wie das seines Vaters. In dieser Beziehung wäre es gesund, egoistisch die eigenen Ziele zu verfolgen, auch mit dem Risiko, den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern zu gefährden. Kinder sind nicht auf der Welt, um die Sorgen der Eltern zu bewältigen …

Insgesamt wurden die menschlichen Schwächen aller ProtagonistInnen hier in diesem Buch sehr differenziert und authentisch dargestellt und die Sprache fand ich recht kreativ und fantasievoll gewählt ...

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.

P. S. Die Rezension scheint ein wenig lang geraten zu sein, aber ich konnte nicht loslassen von den Figuren dieser romanhaften Erzählung. Sie haben mich sehr beschäftigt.

Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar beim btb-Bücherverlag, Randomhouse München, bedanken. 

Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: btb Verlag (2. März 2015)
Sprache: Deutsch, 21.99 €
ISBN-10: 3442753929
ISBN-13: 978-3442753925

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Gelesene Bücher 2016: 45
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Mittwoch, 20. Juli 2016

Guido Westerwelle / Zwischen zwei Leben (1)

mit Dominik Wichmann
Von Liebe, Tod und Zuversicht

Es gibt Rezensionen, die leben von schönen Zitaten. Diese gehört dazu …


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein Buch, das mich tief berührt hat …

Guido Westerwelle lebte ein schnelles Leben, als habe seine Seele gewusst, dass er nicht viel Zeit hat. Der jüngste Politiker, der im Vergleich zu den vielen alten PolitikerInnen recht früh gestorben ist. Sein Buch ist mit so viel Weisheit geschrieben, dass es mich wirklich beeindruckt hat. Wer Guido Westerwelle als Mensch erleben möchte, der sollte dieses Buch lesen.

Er war mir als Politiker recht   unsympathisch. Auch sein großes Mundwerk hatte mich genervt. Aber hier lerne ich ihn als Mensch kennen.
"Ein Herz hat nur, wer es für andere hat.“ Wer hätte jemals gedacht, dass der Politiker Guido Westerwelle ein Herz für andere hat. Zumindest hatte er es nicht für die Menschen, die sein Verständnis und seinen Schutz gebraucht hätten.

Ihm war es wichtig, dieses Buch zu schreiben, um anderen krebskranken Menschen Mut zu machen. Auch wenn bei ihm die Leukämie-Erkrankung tödlich verlaufen ist.

Dominik Wichmann schreibt dazu im Nachwort:
War deshalb alles umsonst? Hat er den Kampf gegen die Krankheit verloren? Nein. Denn die Auseinandersetzung mit dem Krebs ist keine Frage von Sieg oder Niederlage. Der Überlebende ist kein Sieger und der Sterbende kein Verlierer. Die Angelegenheit ist viel komplexer, komplexer auch als die Sentenz, wonach derjenige, der kämpft, verlieren kann; aber der, der nicht kämpft, schon verloren hat. Treffender ist da ein Zitat des Dichters und Politikers Václav Havel: >>Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht.<< (2016, 242f) 
In der Auseinandersetzung mit der tödlichen Erkrankung stellte sich auch Westerwelle die Warum-Ich-Frage (…)
… so lange, bis mir die ersten leukämiekranken Kinder begegneten. Nachdem ich in deren so unschuldige und traurige Gesichter geblickt habe, stellte ich mir diese Frage nie, nie wieder. (158) 
In dem Buch findet man weitere schöne Zitate von anderen AutorInnen. Die Auseinandersetzung mit dem Krebs ist ein langer Prozess. Westerwelle fand viele AutorInnen, die ihm vorgelebt haben, diesen Prozess anzugehen, sich mental nicht in der Erkrankung zu verlieren. Hierbei möchte ich so gerne ein Zitat von Nietzche aufgreifen, das Westerwelle in seinem Buch festgehalten hat:
Man müsse die Phantasie des Kranken beruhigen, dass er wenigstens nicht, wie bisher, mehr von seinen Gedanken über die Krankheit zu leiden hat, als von der Krankheit selbst. (159) 
Guido Westerwelle selbst gebraucht folgendes personifiziertes Bild in der Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung, das absolut passend ist.
Die Krankheit ist ein Egoist, sie zieht alles an sich, saugt alle Aufmerksamkeit auf und gibt sie nicht wieder her. (210).
Sein Ehepartner Michael Mronz litt ein wenig darunter, dass Westerwelle keine Zeit mehr für sein Leben zeigen konnte.

In dem Buch spricht Westerwelle nicht nur über seine Erkrankung. Er spricht auch über sein ehemaliges politisches Leben als FDP-Vorsitzender und als Außenminister, geht erneut auf die von 2010 Hartz-IV-geführte Debatte ein, bezogen auf die „spätrömische Dekadenz“, die für viel Wirbel in den Medien und in der Gesellschaft gesorgt hat.

In der Mitte des Buches sind ein paar Fotos abgebildet; aus seiner Kindheit und Jugend und Westerwelle als Politiker in der FDP. Westerwelle ist schon sehr früh, Anfang zwanzig, den „Jungen Liberalen“ beigetreten.

Auch hat er über sein Leben als Homosexueller geschrieben, und dass er die Liebe in seinem Ehemann Michael Mronz gefunden habe.


Mein Fazit zu dem Buch?

Der Buchtitel Zwischen zwei Leben kommt sehr gut rüber. Darin beschreibt Westerwelle  sein Leben vor der Erkrankung und das Leben mit der Erkrankung. Ein Auf und Ab, zwischen beiden Leben jonglierend.

Westerwelle ist in seinem Buch immer sachlich geblieben, trotz seiner schweren Lebenslage. Er hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, hat gekämpft, auch dann noch, als sich sein erster Spender einen Tag vor der Operation zurückgezogen hat.

Insgesamt finde ich, hat Westerwelle mit seinem Buch viel Größe gezeigt.

Das Buch ist sehr mutig, recht offen und sehr persönlich geschrieben, was mir gut gefallen hat.

Und es sind längst nicht alle schönen Zitate, die ich herausgeschrieben habe. Es gibt für die LeserIn, die, so wie ich, schöne Gedanken liebt, thematisch noch viele mehr im Buch zu entdecken.

Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim btb-Bücherverlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken. 

Taschenbuch: 256 Seiten, 10.00 €
Verlag: btb Verlag (9. Mai 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3442715024

ISBN-13: 978-3442715022

Zehn von zehn Punkten.
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Ein Herz hat nur, wer es für andere hat.
(G. W. zitiert aus dem Herzzentrum)

Gelesene Bücher 2016: 41
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Montag, 20. Juni 2016

Nils Uddenberg / Die Katze, die kam, um zu bleiben (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein sehr seichtes Buch, das man schnell durchhat. Aber solche Bücher müssen als Vielleserin hin- und wieder auch mal sein, damit sich der Kopf während des Lesens ein wenig ausruhen kann ...

In dem Buch fand ich viele Parallelen zu meinen eigenen beiden Katzen.

Eine sehr schöne Erfahrung, die der Autor beschreibt, dass er die Katze, eine ganz gewöhnliche Europäische Kurzhaarkatze, die zu ihm kam, um zu bleiben, als ein Geschenk betrachtet hat, während andere KatzenbesitzerInnen eine Menge Geld bei einem Züchter ausgeben, um eine bestimmte Rassenkatze zu erwerben. Ich selbst finde es viel schöner, wenn eine Katze auf natürlichem Wege ihr neues Zuhause und ihren Menschen findet, mit dem sie ihr Leben teilt, ohne dass sie erst gezüchtet werden muss.

Einen Gedanken kann ich mit dem Professor allerdings nicht teilen.

Katzen als böse zu betrachten, nur, weil sie neben den Mäusen auch Vögel jagen, kann ich nicht teilen. Was sind denn Menschen, die auch alles Mögliche an Tierischem zu sich nehmen? Was sind denn Menschen, wenn sie Tiere im Schlachthaus quälen, bevor sie abgeschlachtet werden? Was sind denn Menschen, die die Tiere in Mastanlagen halten und Jungtiere totschlagen? Oder Elefanten abschlachten wegen des Elfenbeins. Die Liste könnte ich noch unendlich weiter fortsetzen, ich belasse es aber dabei.

Wenn die Katze nur deshalb böse ist, weil sie Vögel jagt, dann hat der Mensch den Stempel mit *Böse* um das Vielfache verdient. Viele vergessen, dass Vögel fliegen können, und Katzen nicht. Katzen können nur die Vögel erwischen, die gesundheitlich beeinträchtigt sind. Was ist denn mit den vielen Vögeln, die alt sind, oder die verletzt sind? … Ich habe noch nie einen Vogel vom Himmel fallen gesehen, es sei denn, sie werden totgeschossen. Ansonsten reinigt sich die Natur von selbst …

Dem Autor ist es, wie ich schon in der Buchvorstellung geschrieben habe, weiterhin sehr gut gelungen, die Authentizität sowohl was das Katzenleben als auch das Leben als Katzenfreund betrifft, zu wahren. Ich mag keine Katzenbücher, in denen die Katzen vermenschlicht werden. Zum Glück ist das hier anders.

Auch die Liebe zu der Katze kommt sehr gut rüber, wie der Menschenfreund sich deren Bedürfnisse anzupassen weiß. Oder die Sorge, wenn die Katze mal nicht gleich nach Hause kommt, konnte ich sehr gut teilen … Man spürte deutlich die Liebe, die der Professor seiner Katze gegenüber empfunden hat. Das fand ich sehr schön zu lesen und er hat es zusammen mit seiner Frau sehr gut gemeistert, die Bedürfnisse der Katze zu befriedigen.

Mein Fazit?

Man merkt dem Autor an, dass er mit Katzen nicht besonders erfahren ist. Katzen können sehr wohl höherwertige Gefühle empfinden. Sie können zwar nicht denken, wie Menschen das tun, aber sie besitzen eine außerordentliche emotionale Intelligenz, die mit einer gewissen Spiritualität gleichzusetzen ist. Ich würde Tiere, auch Hunde … niemals als dumm bezeichnen. Es gibt mittlerweile sehr viele Forschungen darüber, dass man sehr wohl mit Tieren kommunizieren kann. Anders als mit Menschen, aber es geht … Ich selbst habe einige Methoden an meinen Katzen ausprobiert, und habe noch zusätzlich andere wunderbare Erfahrungen gemacht. Möchte mich jetzt aber hier nicht weiter dazu äußern, da es den Rahmen sprengen würde.

Ansonsten zählt dieses Buch zu den besten Katzenbüchern, die ich bisher gelesen habe. Verschiedene Meinungen dürfen und sollen auch sein.

Und hier meine neueste Art, ein Buch zu bewerten:

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne, dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und
\oder
Rassismus

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.



Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte schöne Rezensionsexemplar beim btb-Bücherverlag-Bloggerportal München, bedanken. 

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Aus dem Schwedischen von Hanna Granz
Originaltitel: Gubbe och katt
Taschenbuch, Broschur, 192 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
       Mit zahlreichen s/w-Illustrationen
ISBN: 978-3-442-74917-1
        € 7,99 [D] | € 8,30 [A] | CHF 11,50* (* empfohlener Verkaufspreis)
Verlag: btb
Erschienen: 15.06.2015

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Gelesene Bücher 2016: 36
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Montag, 11. April 2016

Noam Shpancer / Der gute Psychologe (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Der Autor hat sein Thema ziemlich versiert angepackt, sowohl was die klinische Berufspraxis betrifft, als auch die Tätigkeit als Schriftsteller. Den Schreibstil habe ich dazu noch als recht flüssig erlebt. Dadurch, dass Shpancer in seinem Roman die Perspektiven wechselt, hatte ich als Leserin jede Menge Abwechslung. Tagsüber behandelt der Psychologe seine KlientInnen und abends unterrichtet der Professor seine StudentInnen dahingehend, was einen guten Psychologen ausmacht. Beides hatte mich gefesselt.

 Es war schön, dass gestern Sonntag war, sodass ich das Buch bis zum Schluss mit nur ganz wenigen Pausen in vollen Zügen genießen konnte. Ich habe ein ganzes Döschen Kaugummis verbraucht, dermaßen spannend fand ich diese Lektüre.

Ich könnte so viel über das Buch schreiben, aber ich werde mich kurzhalten, um die Spannung, die ich selbst so sehr genossen habe, anderen LeserInnen nicht vorwegzunehmen.

Während des Lesens hatte ich das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein.

Der Psychologe, dessen Namen erfährt man bis zum Schluss nicht, ist Professor für klinische Psychologie. Sein Spezialgebiet sind hauptsächlich Angststörungen, da KlientInnen mit dieser psychischen Problematik leichter zu behandeln seien als z. B. Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Der Psychologe beschreibt kurz das Leben von vier seiner AngstpatientInnen, doch der Fokus ist hauptsächlich auf die Angstproblematik der Stripperin namens Tiffany gelegt, die sich beruflich und familiär in einer schweren Krise befindet und hofft, sich mithilfe ihres Psychologen aus diesen seelischen Fesseln wieder zu befreien. Derzeit ist Tiffany so stark von ihrer Angststörung gefangen, dass sie gezwungen ist, sich beruflich eine Auszeit zu nehmen. Doch ihr Chef macht ihr Druck, er könne abends unmöglich auf Tiffany verzichten und macht auch dem Psychologen Druck, mischt sich in die Behandlung ein ...

Tiffany arbeitet in einem Nachtklub, aus dem sie unbedingt aussteigen möchte, aber ihr Chef nagelt sie fest, setzt sie psychisch und moralisch weiterhin unter Druck. Tiffany sei eine wichtige Tänzerin, mit der er gute Geschäfte machen würde. Tiffany selbst verdient auch nicht schlecht, aber der Preis, den sie mit ihren körperlichen Reizen zu bezahlen hat, ist recht hoch.

Die 25-jährigeTiffany hegt neue Lebenspläne und hofft bei der Umsetzung auf die psychische Mithilfe ihres Psychologen. Sie möchte unbedingt wieder gesund werden und neue Wege gehen. Ihr Chef möchte auch, dass sie schnellstmöglich wieder gesund wird, allerdings aus geschäftlichen Gründen, damit sie bald wieder zurück auf die Bühne kommt.

Tiffanys Probleme wühlen den Psychologen teilweise emotional auf, als er nebenbei erfährt, dass seine Klientin eine Tochter hat, die bei dem Vater lebt und sie das Kind unbedingt zurückhaben möchte. Hierzu gerät der Psychologe in einen inneren Konflikt, da er an sein eigenes unbewältigtes Problem erinnert wird …

Zum Ende hin nimmt der Roman durch Tiffanys Chef ein wenig angedeutet kriminalistische Züge an, doch der Autor weitet sie nicht weiter aus und lässt diese Episode einfach offen.

  Das fand ich auch ganz gut, wobei sich mir am Schluss viele Fragen gestellt haben.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieser Lektüre dieselbe Spannung, wie ich sie erleben durfte.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

Ein großes Dankeschön nochmals an den btb-Buchverlag, Bloggerportal, über dieses so tolle Rezensionsexemplar. 

Weitere Informationen zu dem Buch:

Gebundene Sonderausgabe; 384 Seiten
Verlag: btb Verlag (9. Juni 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3442747910
ISBN-13: 978-3442747917
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Man glaubt, was man sieht.
Man sieht, was man glaubt.
(Noam Shpancer)

Gelesene Bücher 2016: 16
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86