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Sonntag, 28. Oktober 2018

Jorge Bucay / Komm, ich erzähle dir eine Geschichte (1)

Lesen mit Tina    
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Mir haben die vielen therapeutischen Geschichten recht gut gefallen. Es war nur etwas anstrengend, die Geschichten hintereinander zu lesen. Eigentlich ist das ein Buch für zwischendurch.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt und zu den Buchdaten. 

Die Handlung
Demian ist ein junger Student, der sich in Therapie begibt, da er mit seinem Leben nicht wirklich zufrieden ist. Er landet bei Jorge, ein Gestalttherapeut, der sich in seiner Methode völlig unkonventionell gibt, da Demian es langweilig findet, bei einem Analytiker sich auf die Couch zu legen. Jorge arbeitet tatsächlich anders als seine Kolleg*innen, denn er erzählt Geschichten. Immer wenn Demian in der Therapiestunde sein Problem erläutert, packt Jorge eine passende Geschichte aus seinem Petto, und überreicht sie in Erzählform Demian. Dabei bekommt Demian von Jorge auch zu jeder Therapiestunde eine Tasse Matetee angeboten. Es sind weise Geschichten und Parabeln, die aus Märchen, aus dem Buddhismus, Geschichten aus der Gegenwart und Geschichten aus der griechischen Mythologie bestehen.

Das Schreibkonzept
Zu dem Schreibkonzept gibt es nicht viel zu sagen. Zusammen mit dem Epilog sind es 51 Geschichten. Das Inhaltverzeichnis befindet sich auf der letzten Seite. Gewidmet ist das Buch an die Tochter des Autors.

Cover und Buchtitel?
Passt wunderbar. Aber ob sich der angebundene Zirkuselefant physisch betrachtet wirklich von dem Balken befreien könnte, wenn er wollte, das wage ich zu bezweifeln.

Identifikationsfigur
Mit manchen Geschichten konnte ich mich sehr gut identifizieren.

Meine Meinung
Mir haben nicht alle Geschichten gefallen. Nicht alle haben mich überzeugen können und bei einigen lustigen Geschichten fehlte es mir an Humor. In vielen anderen Geschichten konnte ich mich gut hineinversetzen. Sechs Geschichten haben mir besonders gut gefallen.
1.    Der wahre Wert des Rings
2.    Die taube Ehefrau
3.    Die Exekution
4.    Wer bist du?
5.    Das weiße und das schwarze Zimmer
6.    Der gerechte Richter

Welche von den sechs Geschichten fand ich außerordentlich gut?
Der gerechte Richter und Der wahre Wert des Ringes.

Welche Geschichte fand ich gar nicht gut?
Zwei Nummern kleiner. Sich ein paar Schuhe zu kaufen, die zwei Nummern zu klein sind, damit man den ganzen Tag in beengten Schuhen sein Leben fristen kann, um abends, wenn man die Schuhe zu Hause wieder auszieht, eine Wohltat zu empfinden. Furchtbar. Nichts für mich. Dabei fällt mir der Film Barfuß ein, in dem die Hauptfigur immer barfuß lief, weil sie ihre Füße nicht in Schuhen einsperren wollte. 

Aber meinen Kolleginnen habe ich die Geschichte Der wahre Wert des Rings auf meiner Dienststelle vorgelesen, weil diese Geschichte zu deren Lebensphase und Problematik gepasst hat. Sie fanden die Geschichte richtig gut, haben sich bedankt, und mich danach wohlwollend umarmt. Und ich fand es wunderbar, den richtigen Riecher für meine Kolleginnen gehabt zu haben.

Mein Fazit?
Ein Buch, das für jeden Menschen für den Alltag die passende Geschichte bereithält.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichten
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
11 von 12 Punkten

Und hier geht es zu Tinas Buchbesprechung
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Gelesene Bücher 2018: 46
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86







Freitag, 21. September 2018

Monika Maron / Ach Glück (1)

Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein Buch für alle Frauen ab der zweiten Lebenshälfte …

Mir und Tina hat das Buch gefallen. Man konnte sich gut in die Thematik reinfinden und sich in die Figuren hineinversetzen. Und trotzdem fällt es mir schwer, über dieses Buch zu schreiben. Ich quäle mich seit gestern mit dieser Rezension. Vielleicht liegt es daran, weil der Klappentext schon recht ausführlich ist und ich nicht nochmals alles wiederholen möchte …

Hier geht es zum Klappentext und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Protagonistin Johanna Märtin, 52 Jahre alt, durchleidet gerade eine Midlifecrisis. Sie macht Bekanntschaft mit einer sehr alten russischen Dame namens Natalja Timofejwna, 90 Jahre alt, und die in Mexiko lebt. Natalja macht Johanna Mut, auf ihr Herz zu hören, und lädt sie nach Mexiko ein. Johanna nimmt die Einladung nach langer Überlegung an, obwohl ihr Mann Achim stutzig wird, dass sie eine so lange Reise ohne ihn alleine in Angriff nehmen möchte. Johanna befand sich sonst immer mit Achim auf Reisen und jedes Mal war er es, der die Führung übernommen hatte ... Achim traut Johanna diese Reise alleine nicht wirklich zu …

Achim und Johanna sind beides Akademiker und haben Germanistik studiert. Verheiratet sind sie seit dreißig Jahren. Sie haben eine gemeinsame erwachsene Tochter namens Laura, die ihr eigenes Leben lebt ...

Johanna findet auf der Autobahn einen angebundenen Hund, die ihn zu sich nimmt und ihm den Namen Bredow gibt. Es entsteht eine Liebe zwischen diesen beiden, die Ihr Mann Achim eifersüchtig stimmt und bezeichnet die Beziehung zwischen Johanna und Bredow als obszön, als sie sich von ihm liebkosen lässt ...

Durch die Aktivitäten mit und durch den Hund erlangt Johanna ihre Freiheit wieder zurück. Mit der Zeit ist der Alltag mit Achim eintönig und einsilbig geworden.

Sie lernt den russischen Galeristen Igor kennen, der russische Künste ausstellt. Durch Igor machte sie Bekanntschaft mit Natalia, wenn erst mal nur aus den Beschreibungen, und später während des Austauschs via E-Mail. Doch nicht nur auf den Hund ist Achim eifersüchtig, sondern auch auf Igor. Johanna mag Igor nicht besonders gerne, hält ihn für arrogant, aber sie fühlt sich von ihm als Frau trotz ihres Alters geachtet. Für ihren Mann ist Johanna sexuell nicht mehr anziehend genug, und so fühlt sie sich eher wie ein altes Möbelstück …  Dies macht Johanna zu schaffen, verstärkt, als sie erfährt, dass Achim eine Affäre mit einer jungen Frau eingegangen ist ...

Johanna reflektiert ihr Leben pro- und retrospektivisch ...
Sie schafft es, alleine nach Mexiko zu fliegen und es gelingt ihr, den Hund zurückzulassen  und ihn, ohne es zu wollen, erneut der Angst aussetzt, wieder verlassen zu werden. Achim wird den Hund nicht betreuen können und so sucht Johanna ihm für die Zeit ihrer Abwesebheit eine andere liebevolle Hand …

Das Schreibkonzept
Auf den 218 Seiten ist die Handlung nicht in Kapiteln gegliedert, aber in Absätzen. Es gibt einen Erzähler und ein paar schriftliche Korrespondenzen zwischen Natalja und Johanna.

Cover und Buchtitel? 
Ich dachte erst, dass die Dame auf der Abbildung die Abbildung von Johanna ist, aber ich habe mich getäuscht. Trotzdem ist das Cover gut gelungen. Ebenso der Buchtitel; was ist schon Glück? Wird von Johanna immer wieder kritisch infrage gestellt.

Identifikationsfigur
Keine

Meine Meinung
Viele Gedanken habe ich mit Tina schon ausgetauscht, und wir waren uns immer einig in unseren Beobachtungen. Auch wenn ich mich gefreut habe, dass sich Johanna für die lange Reise entschlossen hat, hat mir Bredow sehr leid getan. Ich hätte es nicht geschafft, mich aufgrund eines möglichen Ausbruchs einer Retraumatisierung von dem armen Hund zu trennen. 

Mein Fazit?
Ich habe mich etwas geärgert, wie sehr man versucht, die Lebensenergie einer Frau zu bremsen, die nicht mehr so jung ist, während der Mann, selbst zwar auch altert, sich aber jung genug fühlt, sich eine junge Frau zu suchen ... 

Mein Fazit zu dem Buch ist; das Leben leben, solange man noch gesund ist und sich keinerlei Einschränkungen auferlegen lassen. Weder von der Gesellschaft noch von dem Ehegatten. Und jede Erfahrung, die der Mensch macht, sollte immer lebenswert sein, unabhängig davon, wie alt Frau ist.  

Hier geht es zu Tinas Buchbesprechung, die immer die richtigen Worte findet, die Erlebnisse eines Buches zu beschreiben.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten.
___________
Der Mensch muss dankbar sein
für jedes Erlebnis, zur Not auch für jedes schlechte.
(Monika Maron)

Gelesene Bücher 2018: 40
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 3. September 2018

Matt Haig / Wie man die Zeit anhält (1)

Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Leider hat mir dieses surreale Buch nicht so gut gefallen, wie Haigs letzter Band Ich und die Menschen. Es hat mir an Tiefgang gefehlt und auch die Thematik, aus der man hätte mehr machen können, konnte mich nicht weiter fesseln. Meine Anfangseuphorie über die Zeitreise von mehreren hunderten von Jahren konnte leider nicht aufrechterhalten werden.

Hier geht es zum Klappentext und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung ist schnell erzählt.
Auf den ersten Seiten lernt man den Protagonisten Tom Hazard kennen, der unter einer seltenen Veranlagung leidet. Der Name dieser Veranlagung wird als Anagerie bezeichnet und ist nicht allzu sehr bekannt. Tom ist 439 Jahre alt, im besten Alter, für seine Verhältnisse noch jung, auch wenn er sich selbst als alt bezeichnet, wenn er sich mit ganz normalen Menschen vergleicht, die hier als Eintagsfliegen charakterisiert werden. Nur etwa 1000 Menschen seien universal in dieser fiktiven Welt von jener Anlage betroffen. Geboren wurde Tom 1581. Hendrich, Toms Compagnon, bzw. Toms Chef unter ihnen, stellt diverse Regeln auf, die helfen sollen, sich in der Welt zurechtzufinden, ohne aufzufallen, denn sonst bestünde die Gefahr, verfolgt zu werden. Im 16. Jahrhundert wurden solche Menschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder ertränkt. In der Moderne sind es WissenschaftlerInnen, die aus diesen Menschen Versuchskaninchen machen, würden sie in der Gesellschaft auf sich aufmerksam machen.

Menschen wie Tom gehören einer Albatros-Organisation an. Eine kleine Geheimgruppe, die sich weltweit gegenseitig hilft und schützt. Diese Menschen sind strengen Regeln unterworfen. Die erste Regel lautet: Du sollst nicht lieben. Wie will man sonst den PartnerInnen klarmachen, dass sie nicht altern? Dass selbst die eigenen Kinder eines Tages älter aussehen werden als man selbst?
Eine weitere Regel lautet, alle acht Jahre die Identität und den Wohnort zu wechseln ...

Menschen mit der Anagerie-Veranlagung verfügen über ein effektives Immunsystem. Bakterien und Viren können ihnen nichts anhaben. Ebenso von der Pest und der Cholera bleiben sie verschont. Auch der Alterungsprozess setzt sich nur sehr, sehr langsam fort.

1623 lernt Tom Rose kennen, die er zur Frau nahm, mit der er ein Kind gezeugt hat, ein Mädchen, das den Namen Marion erhält. Marion erbt die Anlagen ihres Vaters und kommt damit nicht klar, da der Vater Frau und Kind verlassen musste, um die Familie durch sich nicht in Gefahr zu bringen. An den Hauswänden sind böse Beschimpfungen geschrieben und weisen auf mögliche Morddrohungen hin. Obwohl Tom seine kleine Familie verlässt, gerät Marion trotzdem auf die schiefe Bahn …

Tom fühlte sich in der Einsamkeit sehr unglücklich und nicht selten denkt er daran, sein Leben selbst zu beenden. Aber die Liebe zu Marion hält ihn am Leben, obwohl er seine Tochter viele Jahre nicht mehr gesehen hat, und macht sich auf die Suche nach ihr …

In der Gegenwart ist Tom Lehrer an einer Gesamtschule und unterrichtet Geschichte. Lebendige Geschichte, da Tom vieles selbst erlebt hat. Nur wissen das seine SchülerInnen aus der neunten Klasse nicht. Er kennt z. B. Shakespeare und andere bedeutende Persönlichkeiten.

Tom sucht immer wieder nach dem Sinn seines Lebens und sehnt sich nach Normalität.

Das Schreibkonzept
Das Buch besteht auf den 380 Seiten aus vier Teilen und aus vielen Kurzkapiteln. Das Buch hält sich an keinen chronologischen Abläufen. Die Albatros-Organisation ist in dieser magischen Welt weit verbreitet. London, Los Angeles, New-York, Paris, Australien, Sri Lanka …
Auf der ersten Seite findet man eine kurze Einleitung zu der Geschichte, bevor es mit dem ersten Teil losgeht. Man kommt gut in die Handlung rein, die Kapitel sind alle leicht lesbar. Zum Ende hin entwickelt sich dieser Roman kurzweilig zu einem Thriller.

Cover und Buchtitel?  
Das Cover ist für mich sehr ansprechend und der Buchtitel hat mich bis zur letzten Seite beschäftigt. Ich hatte schon befürchtet, die Bedeutung überlesen zu haben, als ich dann schließlich ganz am Ende, auf der sogenannten letzten Seite, fündig geworden bin. Ob mich nun der Titel überzeugt hat, darüber muss ich noch weiter nachdenken.

Identifikationsfigur
Meine Identitätsfigur ist Tom, da auch ich im Laufe meines Lebens immerzu den Sinnfragen hinterhergerast bin. Damit angefangen hatte ich schon in meiner Kindheit. Mit zwölf Jahren legte ich mich in die Badewanne, die den Sarg ersetzen sollte und so spielte ich tot sein. Ich wollte wissen, wie sich der Tod anfühlt, denn was ist der Tod, was ist das Leben? Warum gibt es uns Menschen? Warum gibt es mich? Warum führen Menschen Kriege? Gibt es einen Gott? Müsste der Himmel nicht aus allen Nähten platzen, wenn immer mehr Menschen geboren werden, um wieder zu sterben, um anschließend in den Himmel zu gelangen? Was ist das Nichts? Ist das Nichts auch eine Religion? Bei dieser letzten Frage erinnere ich mich noch genau. Da war ich zehn Jahre alt. Ich hatte wirklich alle Theorien hinterfragt, religiöse und gesellschaftliche, mit der ich aus der erwachsenen Welt behaftet wurde. Wie einsam hatte ich mich mit diesen vielen Fragen damals schon gefühlt. Und wie schwer war es für mich, diesen Fragen ohne Antworten schuldig zu bleiben?

Meine Meinung
Mir wurde das Buch zur Mitte hin, als mir schließlich die Figuren vertraut geworden sind, langweilig. Der Autor hat in bestimmten Handlungen versucht, ein wenig Action reinzubringen, ging ein wenig in die kriminalistische Haltung rein, die sich aber schnell wieder gelöst hat. Am Anfang war ich ganz von der Thematik angetan. Stellte mir sehr häufig die Frage, was ich selbst alles tun würde, hätte ich ein so langes Leben wie diese Menschen aus der Albatros-Gesellschaft. Ich glaube, ich würde sehr verschwenderisch mit der Zeit umgehen. Allerdings bin ich ein sehr langsamer Mensch, und langsame Menschen sollten mehr Lebenszeit zur Verfügung haben. Wie häufig habe ich die Welt auf den Kopf gestellt, um alle Perspektiven betrachten zu können.

Auf jeden Fall hätte ich Zeit, alle Bücher zu lesen. Aber dennoch würde ich nicht mit Tom tauschen wollen. Zu erleben, wenn die Menschen und Tiere alle sterben, mit denen man groß geworden ist, oder mit denen man das Leben geteilt hat, würde mich sehr nachdenklich und traurig stimmen. Toms Hang zur Melancholie und Schwerfälligkeit sind für mich gut nachzuvollziehen. Am besten ist, die Jahre sinnvoll zu nutzen, die man zur Verfügung hat. Es ist gut, wie es ist, nicht unsterblich zu sein. Eine Lebenserwartung von mehr als 500 Jahren betrachte ich schon fast als unsterblich. Gut, dass es solche Menschen nicht gibt.

Mein Fazit?
Es war schön, sich in diese Ideen hineinversetzt zu haben. Ein nettes Märchen. 

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte, Spannung
1 Punkte: Fantasievoll ohne dass es zu kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
10 von 12 Punkten.

Tinas Buchbesprechung.
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Gelesene Bücher 2018: 35
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Samstag, 25. August 2018

Peter Wohlleben / Das geheime Netzwerk der Natur (1)

Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Mir hat dieses Buch, wie Wohllebens Vorgänger auch, ziemlich gut gefallen. In seiner einfachen, fantasievollen  und empathischen Sprache ist das Buch leicht zu verstehen. Für Wissenschaftler wurde es allerdings wegen seiner leichten Sprache eher belächelt. Doch was ist daran falsch, ein gut lesbares, leicht verständliches Buch zu schreiben, vor allem für Menschen, die nicht vom Fach sind? Auf der Seite 216 las ich mit Verwunderung, dass Wohlleben sich rechtfertigen musste, weshalb seine literarische Sprache zu emotional, zu bildhaft … schlussfolgernd zu unwissenschaftlich sei? Für mich selbst sind Emotionen auch nicht weniger wertvoll als unser Denken, unsere Vernunft …

Man denke dabei an die Auswirkungen des Nationalsozialismus´, woran man sehen konnte, wohin eine emotions- und empathielose Gesellschaft und Politik hingeführt haben.
Die Empathie (ist) eine der stärksten Kräfte im Umweltschutz und kann mehr bewirken als sämtliche Vorschriften und Gesetze. (2017, 117)

Die Wichtigkeit von Empathie trifft aus meiner Sicht nicht nur im Umweltschutz zu, sondern überall, wo man es mit Lebewesen zu tun bekommt.

Hier geht es zum Klappentext und zu den Buchdaten.

Mir war nicht alles neu, was Wohlleben in seinem Buch geschrieben hat, trotzdem fand ich das Buch interessant, ein paar dieser Kenntnisse nochmals aufzufrischen.

Interessant fand ich die Theorie mit der Evolution. Evolution bedeutet keinesfalls eine Veränderung im Sinne von Verbesserung, sondern lediglich eine Veränderung im Sinne von Anpassung. Auch unser menschlicher Körper ist davon betroffen. Zum Beispiel Anpassung des Kauapparats. Durch unsere weiche Ernährung wachsen dem Kiefer keine Weisheitszähne mehr. (Meinem Bruder sind tatsächlich keine Weisheitszähne gewachsen …)

Wohlleben vergleicht die Natur mit einem großen Uhrwerk, da alles in ihr übersichtlich geordnet sei, und alles und jedes habe dort seinen Platz. Selbst die Kleinstlebewesen, die man nur unter einem Mikroskop beobachten kann. Allerdings könne man ein mechanisches Uhrwerk leichter reparieren als das Uhrwerk der Natur. Fehlt beispielsweise bei einer mechanischen Uhr ein Rädchen, so könne man dieses leichter wieder ersetzen, während in der Natur ein fehlendes Rädchen viele weitere Störungen mit sich und nach sich ziehen würde. Er zeigt aufschlussreich, wenn z. B. Wölfe ausgerottet werden, welche Auswirkungen es auf die Natur hat. 

Die Themen zu den Tieren haben mich am meisten interessiert. Das heißt nicht, dass mir die Pflanzenwelt gleichgültig ist. Nein, das ist sie nicht. Für die Bäume hatte ich schon Mitleid, wie viele (natürliche) Feinde auch Bäume haben können und sie nicht in der Lage sind, ihnen aus dem Weg zu gehen oder gar vor ihnen wegzulaufen. Dies wurde mir durch das Buch richtig bewusst, und ich wirklich Mitleid mit ihnen hatte.

Nicht nur wie ein Uhrwerk, nein auch wie ein Netzwerk beschreibt der Autor die Naturabläufe, die zwischen allen Lebewesen bestehen. Alles sei miteinander verknüpft, und einfache und komplizierte Zusammenhänge würden sich daraus ergeben. Nichts würde ohne Sinn geschehen.

Interessiert hat mich auch das Leben der Insekten. Nicht gerade meine Lieblingstiere aber im Sommer hat man ungewollt mit ihnen auch in der Wohnung zu tun, und ich sie schnellstmöglich wieder draußen haben möchte. 
Fasziniert fand ich den Borkenkäfer, da er nicht so schlecht sein soll wie sein Ruf. In den Medien werden sie als Schwächeparasiten angeprangert, die eine Gefahr für alle Bäume darstellen würden. In Wirklichkeit würden die Borkenkäfer nur kranken und angeschlagenen Bäumen zu Leibe rücken. Nur durch die Massenvermehrung können diese Tierchen auch gesunden Bäumen gefährlich werden. Eine Massenvermehrung sei allerdings durch uns Menschen verursacht, durch zu große Plantagen, durch den massigen Schadstoffausstoß und durch den Klimawandel gerät die Käferpopulation aus dem Gleichgewicht.
Einzelne Bäume dagegen, die krankhaft befallen werden, werden als Lebensgrundlage für Ameisenbuntkäfer, für Spechte und viele andere Arten.
Insofern sind Borkenkäfer die Türöffner für solche Totholzbewohner und schaffen für sie im Falle einer in ehemaligen Plantagen vorübergehend ein Schlaraffenland. (…) Insofern sind Borkenkäfer nicht nur Totengräber, sondern auch Geburtshelfer. (81)

Neugierig stimmte mich auch das Leben verschiedener Insekten in der Nacht. Insekten können von Menschen erzeugtes künstliches Licht nicht von dem Mondlicht unterscheiden. Vor allem die Nachtfalter sind irritiert, wenn sie gegen eine leuchtende Lampe knallen, weil sie die Lampe mit dem Licht des Mondes verwechseln. Immer wieder umkreisen sie bis zu ihrer Erschöpfung die Lampe. Deshalb sind diese nachtaktiven Insekten so versessen darauf, in ein leuchtendes Zimmer zu flattern, während es draußen dunkel ist. Wohlleben bezeichnet die leuchtende Lampe als ein Kunstmond. Ich fand diesen Begriff sehr passend und schön.

Glühwürmchen, auch Leuchtkäfer genannt
Diese Käferchen benötigen bis zur Geschlechtsreife ca. drei Jahre. Erst wenn diese Tierchen erwachsen sind, ist deren Leben auf nur wenige Tage beschränkt. Während das Leben der Männchen nach der Paarung zu Ende geht, stirbt das Weibchen nach der Eiablage. In ihrem Sexualtrieb leuchtet das Hinterleib der Käferdame zwecks Partnersuche in der Nacht, da sie selbst, verglichen mit ihrer männlichen Gattung, nicht fliegen kann, weshalb sie das Licht benötigt, um auf sich aufmerksam machen zu können. Interessant finde ich, dass die Glühwürmchen das Licht nicht selbst erzeugen können. Im Hinterleib befindet sich eine Kammer mit Bakterien, die dafür sorgen, dass zum Leuchten Chemikalien freigesetzt werden.

Das verwesende und das weniger verwesende Fleisch / Mein Widerspruch
In dem Kapitel Leichenschmaus behandelt Wohlleben Aasfresser, die verwesende Kadaver als delikate Nahrung zu sich nehmen und wir dabei Ekelgefühle entwickeln und vergessen, dass der Mensch selbst auch Leichen konsumiert. Wohlleben sieht allerdings einen Unterschied zu den verwesenden Tieren in der Natur und den geschlachteten Tieren, die auf unserem Teller landen. Der Grad der Verwesung sei bei geschlachteten Tieren nicht so gravierend wie der in der Natur. Hier muss ich widersprechen, denn beim geschlachteten Tier werden dem Fleisch künstliche Zusatzstoffe hinzugefügt, um den Verwesungsprozess zu stoppen oder gar zu verdecken. Das geschlachtete Tier landet schließlich im Kühlfach und bleibt dort bis das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Das kann bis zu 14 Tagen dauern. Niemand kann mir weismachen, dass das getötete Tier hier keinem Verwesungsprozess ausgesetzt ist. Das angeblich rötliche Fleisch in der Fleischtheke ist nicht die Naturfarbe des getöteten Tieres, es sind eher die Farbstoffe. Die beigemengte Chemie sorgt dafür, dass das Fleisch gut aussieht und dass es nicht nach Fäulnis riecht. Demgegenüber verzehrt auch der Mensch verwesendes Fleisch und dies ist genauso eklig wie die verwesenden Kadaver in der freien Wildbahn. Denn das Fleisch aus dem Schlachthaus setzt sofort den Fäulnisprozess ein, das Fleisch verliert seine natürliche Farbe, wird grau, sobald das Tier tot ist. 

Die empathische bzw. die nonverbale Tierkommunikation
Interessant finde ich, dass auch Wohlleben die Erfahrung mit der Kommunikation mit Tieren gemacht hat. Das hat nichts mit Naivität zu tun, aber man wird schnell als naiv bezichtigt, weshalb man, um dies zu vermeiden, nicht mit jedem über diese Thematik sprechen kann. Ich war mutig, und habe dem ein ganzes Label auf meinem Blog gewidmet, weil ich jede Menge Erfahrungen mit meinen eigenen Haustieren damit machen konnte.

Wohlleben teilt uns seine Erfahrung einer dankbaren Krähe namens Koko mit, die im Winterhalbjahr regelmäßig vor seinem Haus geflogen ist, wenn sie dort Körner gefüttert bekommen hat:
Dass die Krähe nonverbal mit uns kommunizierte, hatte ich völlig übersehen. Sie flog eines Tages mit einer Eichel im Schnabel an mir vorbei und versteckte sie vor mir im Gras. Als sie jedoch sah, dass ich sie dabei beobachtete, holte sie die Eichel wieder heraus und flog noch ein Stückchen weiter, um sie endgültig meinen Blicken zu entziehen und sicher zu vergraben. Erst dann kam sie wieder herübergeflogen, und holte sich ihre morgendliche Körnerportion.

Darüber sind noch mehrere Seiten in Wohllebens Buch gedruckt, auf die ich gerne von Seite 115 bis 117 verweisen möchte, um weitere Details zu entnehmen.

Das geheime Netzwerk der Natur: Wie Bäume Wolken machen und Regenwürmer Wildschweine steuernCover und Buchtitel?   
Sehr ansprechend. Dadurch, dass dies ein Fachbuch über die Natur ist, gibt es nicht viel zu interpretieren. Den Titel finde ich passend, weil sich das Leben in der Natur tatsächlich im Geheimen abspielt, sich vieles im Stillen zuträgt, im Dnkeln, wo wir mit dem bloßen Augen nicht hinkommen. 
Allerdings stört mich der Spielgelaufkleber ein wenig. Das Politmagazin Spiegel bewertet die Bücher nicht, sondern es richtet sich lediglich nach den Verkaufszahlen. Platz 1 bedeutet demnach nicht, dass das von Spiegel das bestbewertete Buch ist, sondern das meistverkaufte Buch. 

Mein Fazit?
Immer mal wieder eine Wohltat, neben belletristischen Büchern auch ein Fachbuch zu lesen, wobei ich beruflich auf meinem Gebiet reichlich mit Fachliteratur eingedeckt bin.

Eine sehr schöne Buchbesprechung von Tina zu dem Buch, die viel umfangreicher ist als meine, ist  hier nachzulesen.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Authentizität der Geschichten im Buch
2 Punkte: Tolle Recherchen über die Natur und den Lebewesen
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten.

Vielen Dank an den Ludwig Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.
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Gelesene Bücher 2018: 34
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86