Montag, 19. Dezember 2016

Benedict Wells / Spinner (1)

Lesen mit Janine B.

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun bin ich durch mit Wells, und das Buch hat mir sehr gut gefallen, sodass ich beschlossen habe, ihn zu meinen LieblingsautorInnen zu küren. Das war jetzt mein drittes Buch von ihm und alle drei fand ich sehr interessant.
Die Handlung ist eigentlich schnell erzählt, und gebe zur Erinnerung nochmals den Klappentext rein:
»Ich habe keine Angst vor der Zukunft, verstehen Sie? Ich hab nur ein kleines bisschen Angst vor der Gegenwart.«Jesper Lier, 20, weiß nur noch eines: Er muss sein Leben ändern, und zwar radikal. Er erlebt eine turbulente Woche und eine wilde Odyssee durch Berlin. Ein tragikomischer Roman über Freundschaft, das Ringen um seine Träume und über die Angst, wirklich die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Im Nachwort konnte entnommen werden, dass der Buchtitel ursprünglich eine andere Fassung hatte und mit Der Traumfänger betitelt wurde, wobei mir der alte Titel besser gefallen hat, da ich Jesper Lier keineswegs für einen Spinner gehalten habe, auch wenn der Titel komikhaft gemeint ist. Ein junger Mensch, der auf der Suche ist, seinen Lebensweg als Schriftsteller zu finden, der auch in der Liebe seinen Halt sucht, und er nirgends so richtig anzukommen scheint.

Aus meiner Sicht hat Jesper Lier alles richtig gemacht, denn er hat die Erfahrungen gebraucht, die er gemacht hat. Auch wenn er später in eine schwere und schmerzvolle Krise verfällt und so manches an seinem Verhalten bereut. Krisen sind immer eine Chance, sich aus dem tiefsten Inneren selbst zu finden, und Verhaltensmuster über Bord zu werfen, die nicht zu einem passen. Jesper hat mit zwanzig Jahren die Erfahrung gemacht, die manch andere erst in der Mitte ihres Leben machen. Wenn überhaupt.

Auch ist es ein Buch über Freundschaft, die in der Krise schwere Zeiten durchstehen muss, und erst am Ende jener Krise zeigt sich, wie stark diese  Freundschaft tatsächlich ist.

Nach dem Abitur verlässt Jesper das Elternhaus in München und zieht in die Hauptstadt Berlin, in eine sehr unattraktive Souterrainwohnung. Jesper befindet sich auf der Suche nach seiner Identität. Er möchte unbedingt Schriftsteller werden, und so manches Mal vermischt er Fiktion und Realität. Und in der Zwischenzeit, bis er sich selbst gefunden hat,  belügt er seine Umwelt. Seiner Mutter erzählt er, was er alles in Berlin  treiben würde. Studium und feste Partnerschaft … Seiner Tante, die permanent fragt, ob er einen Verleger gefunden habe, so erwidert er ihr mit einer positiven Antwort.

Jesper hat zudem noch mit dem Verlust seines Vaters zu kämpfen, der vor mehreren Jahren tragisch verstorben ist. Auch wenn Jesper auf cool macht und so tut, als würde ihn der Tod seines Vaters wenig ausmachen, so ist das nur die Flucht, sich mit der Trauer auseinanderzusetzen. Dabei sind sich beide sehr ähnlich. Vater und Sohn hatten nicht die beste Beziehung. Aber was wusste Jesper schon von den Problemen seines Vaters? …

Jesper verliert nicht nur seinen Vater, sondern auch einen wichtigen Freund, der 72 Jahre alt ist und pensionierter Germanistikprofessor war. Dieser Freund sollte Jespers Manuskript lesen, sein erstes Buch in einem Umfang von über tausend Seiten mit dem Titel Leidensgenossen

Auch sein Freund Gustav liest das Manuskript, allerdings nur quer:
Du hast dein erstes scheiß Telefonbuch geschrieben.
Zudem befasst sich Wells auch in diesem Buch wieder mit der Einsamkeit, in die nicht nur alte Menschen getrieben werden können. Damit zeigt mir der Autor, wie viel menschliche Reife er selbst in seinen jungen Jahren schon besitzt. Wer sie nicht besitzt, kann auch nicht darüber schreiben. Er beschreibt eine Episode über einen alten Menschen, der schon zwei Wochen tot in der Wohnung lag. Niemand hatte ihn vermisst. Es lag an dem Verwesungsgestank, der die Nachbarn dazu trieb, den Hausmeister zu rufen. Was für ein trauriger Fall und wie arm die Mitwelt doch ist. Jesper stimmt dies sehr betroffen und identifiziert sich als ein einsamer junger Mensch mit diesem Schicksal des alten Menschen. Er weiß, dass dies jedem Menschen passieren kann, der alleine lebt. Seine Mutter, die in München lebt, besitzt nicht einmal die Festnetznummer, da Jesper vorgegeben hat, kein Telefon zu besitzen. Wie würde sie im Falle eines tödlichen Ereignisses davon erfahren?

Die Todesthematik bezieht Jesper auch auf sich und malt sich demnach seinen eigenen Tod aus. Wie würde sein weiteres Umfeld darauf reagieren, wer würde davon überhaupt erfahren?
Die fünfzehn, zwanzig wichtigsten Menschen aus deinem Leben erfahren sofort davon. Aber der Rest? Der Rest weiß erstmal gar nichts von deinem Schicksal. Dein alter Schulfreund, der jetzt in Kanada lebt? Fehlanzeige. Auf eine seltsame, falsche Art bleibst du dort noch lebendig, bis die Nachricht deines Ablebens auch die entlegensten Ecken der Welt erreicht hat. Erst dann bist du richtig tot. (2016, 141)
Mit der Beziehung scheint es auch nicht voranzugehen. Jesper wirkt sehr ernst für sein Alter, kommt bei den Menschen, verglichen zu seinem Freund Gustav, nicht wirklich gut an, was aber eher an seiner Unsicherheit liegt, weshalb er nicht authentisch wirkt.

Seiner neuen Bekanntschaft Miriam, in die er sich unglücklich verliebt, stellt er sich als einen Menschen vor mit einem traurigen Verstand und einer lächelnden Seele, als Miriam ihn darauf anspricht, dass er zu ernst für sein Alter wirken würde.

Jespers Suche nach seinem Weg erweist sich nicht als ganz einfach. Er weiß, dass er nicht so enden möchte wie die meisten, spießigen Erwachsenen:
All  diese  miesen kleinen Kreaturen mit ihren sicheren Einkommen, ihren sauberen Wohnungen und ihrem vergeudeten, leeren Leben. Mir war heiß. (253)
Wobei Jesper selbst unter dieser Leere leidet. Aber er ist blutjung, und muss sich noch finden. Sein Traum, Schriftsteller zu werden, lässt ihn einfach nicht los, bis er seinem Chef einer Zeitung, in der er  als Jobber angestellt ist, sein Manuskript für eine kritische Beurteilung vorlegt …

Jesper verfällt immer mehr in eine Krise, als er hört, was er gar nicht hören möchte, doch am Ende schöpft er daraus wichtige lebenswichtige Erkenntnisse:
Doch es gibt Fehler, die notwendig sind. Manchmal muss man ein kleines bisschen sterben, um wieder ein wenig mehr zu leben. (314)


Mein Fazit?

Ich habe zu Beginn meiner Besprechung schon gesagt, dass die Geschichte eigentlich schnell erzählt ist, aber das Spannende liegt vielmehr darin, was zwischen den Zeilen passiert. Zudem habe ich auch in diesem Buch die Sprache als recht einfach, aber doch sehr bildhaft erlebt. Sie drückt viel Symbolkraft aus, was mich sehr angesprochen hat.

Ich habe mir nur einzelne Szenen rausgepickt, die für mich bedeutsam waren, und habe versucht, sie so zu beschreiben, dass ich nicht zu viel verraten muß. Das ist nicht immer leicht. Aber ein Buch bis zur letzten Seite zu lesen und es wieder zuzuklappen scheint mir zu wenig zu sein. Ich habe es gerne, mir gute Handlungen und gute Gedanken rauszuschreiben, sie in meinem Blog zu verewigen, damit sie nicht verloren gehen und so bleibt mir die Verbindung zu diesem Buch und zu dem Autor immer erhalten.

Zudem fand ich nicht nur die Handlung, sondern auch die Charaktere gut getroffen. Dem Autor ist es zudem gut gelungen, menschliche Probleme aufzuzeigen und die Art und Weise, psychisch damit umzugehen.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.

Janine und ich hatten viel Stress, weshalb wir so lange für das Buch gebraucht haben, wobei ich noch nicht weiß, wie weit sie ist. Es steht noch ein Austausch via Chat an, und ich werde später, wenn dieser Austausch stattgefunden hat, über diesen noch eine nachträgliche Ergänzung vornehmen. Es eilt nicht. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Taschenbuch
320 Seiten
erschienen am 01. September 2016

978-3-257-24384-0
€ (D) 12.00 / sFr 16.00* / € (A) 12.40 

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes.

___________
Es ist immer besser, etwas zu bereuen, was man getan hat, als etwas, was man nicht getan hat. 
(Benedict Wells)

Gelesene Bücher 2016: 70
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 12. Dezember 2016

Benedict Wells / Spinner

Lesen mit Janine 

Zweites Buch aus der 
diesjährigen Buchmesse



Klappentext

Vom Autor überarbeitete Fassung
»Ich habe keine Angst vor der Zukunft, verstehen Sie? Ich hab nur ein kleines bisschen Angst vor der Gegenwart.«Jesper Lier, 20, weiß nur noch eines: Er muss sein Leben ändern, und zwar radikal. Er erlebt eine turbulente Woche und eine wilde Odyssee durch Berlin. Ein tragikomischer Roman über Freundschaft, das Ringen um seine Träume und über die Angst, wirklich die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Autorenporträt
Benedict Wells wurde 1984 in München geboren. Im Alter von sechs Jahren begann seine Reise durch drei bayerische Internate. Nach dem Abitur 2003 zog er nach Berlin. Dort entschied er sich gegen ein Studium und widmete sich dem Schreiben. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit diversen Nebenjobs. Sein vielbeachtetes Debüt ›Becks letzter Sommer‹ erschien 2008, wurde mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet und 2015 fürs Kino verfilmt. Wie bereits sein dritter Roman ›Fast genial‹ steht auch sein soeben erschienener Roman ›Vom Ende der Einsamkeit‹ auf den Bestsellerlisten. Wells wurde dafür mit dem European Union Prize for Literature (EUPL) 2016 ausgezeichnet. Er lebt in Berlin.

Auszeichnungen

  •  ›Bayerischer Kunstförderpreis‹ in der Sparte Literatur u. a. an Benedict Wells für seinen Debütroman Becks letzter Sommer, 2009
  •  ›Lieblingsbuch der Unabhängigen‹ anlässlich der Woche unabhängiger Buchhandlungen (WUB) in Deutschland für Vom Ende der Einsamkeit, 2016
  •  ›DER LESERPREIS‹ Bronze-Auszeichnung bei Lovelybooks.de für Vom Ende der Einsamkeit, 2016
  • ›Buchpreis Familienroman‹ der Stiftung Ravensburger Verlag für Vom Ende der Einsamkeit, 2016
  •  ›Literaturpreis der Europäischen Union‹ Deutschland an Benedict Wells für Vom Ende der Einsamkeit, 2016

Verfilmungen

·      Becks letzter Sommer, Frieder Wittich

Von dem Autor habe ich gelesen:

Vom Ende der Einsamkeit und Becks letzter Sommer. 

Beides gute Bücher. Aber Vom Ende der Einsamkeit hat mich mehr beeindruckt. Das habe ich viel authentischer erlebt.

In diesem vorliegenden Band habe ich eine Widmung persönlich von Benedict Wells geschrieben bekommen. Sie wird mich immer an den Buchmessebesuch mit ihm erinnern, und dem, was noch drum herum war. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Taschenbuch
320 Seiten
erschienen am 01. September 2016

978-3-257-24384-0
€ (D) 12.00 / sFr 16.00* / € (A) 12.40 

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes.





Sonntag, 11. Dezember 2016

Sasa Stanisic / Fallensteller (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Zwölf Kurzgeschichten, auf die ich mich gefreut hatte. Die Sprache wirkt grandios, sehr metaphorisch, oftmals recht surreal, wie zum Beispiel als die denkenden Gardinen eines Nachbarn sich fragen, ob sich jemand heimlich im Internet eine Bauanleitung Sprengstoff herunterlädt … Die Gardinen würde ich als eine sehr wichtige Metapher des Ausspionierens begreifen … Gibt es überhaupt noch eine Privatsphäre?

Es werden politische und gesellschaftliche Themen behandelt, Themen wie z. B. Rassismus, Vorurteile, die Flüchtlingsproblematik, heimlich werden terroristische Anschläge geplant, und dass das Wahlverhalten der Wähler dadurch sich verändert habe; dies alles wird kurz angedockt, dann springt der Autor wieder zu anderen Themen über. Alltagsthemen, wie zum Beispiel das Schicksal eines Bäckers, der sein Raucherbein verloren hat, und der Icherzähler der Meinung ist, dass man sich über diesen Verlust nicht in Selbstmitleid suhlen sollte, stattdessen sollte der Bäcker den Verlust eher positiv sehen, denn immerhin habe er ja noch sein zweites Bein.

Mit schwarzem Humor, wie der Icherzähler manche Schicksalsschläge betrachtet, hat mich wiederum trotz ernster Thematik zum Lachen gebracht. Davon gibt es im Buch noch einiges mehr zu lesen.

Ein Sammelsurium an Themen? Ich hätte mir eher eine Fokussierung gewünscht.

 … Deshalb haben mich persönlich die Art und Weise, wie der Autor die Themen literarisch angegangen ist, nicht ansprechen können. Diese ließ mich weiterhin kalt.

Und der Fallensteller? Der Fallensteller bekommt verschiedene Aufträge; nicht nur Tieren, sondern auch bestimmten Menschen sollen Fallen gestellt werden. Wobei die Tiere manchmal, besonders der Wolf, auch bildhaft gemeint sind.

Dann sind da noch surreale Fallen, die gestellt werden müssen. Eine Frau, die unter Albträumen leidet, bittet den Fallensteller darum, ihren Albträumen Fallen zu stellen. Dieses Bild hat mir sehr gefallen. Oder ein ganzes Rudel von Mäusen in einer Backstube, und man ihnen wegen der vorhandenen Lebensmittel nicht mit Gift nachkommen könne und vermehren sich weiterhin. Diese Mäuse werden auch nachts aktiv, dringen in die Träume der Bäckersfrau ein und schaben dort eifrig weiter. Fiktion und Realität vermischen sich auch hier …  

Der Autor nimmt so manches auf die Schippe. Auch Journalisten ist nicht zu trauen, die die Gefühle ihrer Leserschaft mittels Wortwahl ein klitzekleines Bisschen aufstacheln, um sie in diese oder jene Richtung zu lenken, je nachdem, in welche Richtung sich die eigenen Vorurteile und Ressentiments bewegen.(2016, 204)

Diese und andere mehr sind Gedanken, die mich sehr angesprochen haben.
Weshalb konnte ich trotzdem nicht warm werden, vor allem mit all den Figuren? Nach wie vor blieb der Inhalt in mir einfach abgeflacht und nicht haften. Ich habe darauf schon in meiner Buchvorstellung hingewiesen.

Auch wenn mich das Buch recht kalt gelassen hat, kann ich es trotzdem weiterempfehlen. Wer die deutsche Sprache liebt, kommt hier zu seinem Genuss. Deshalb bin ich nicht ganz leer ausgegangen, denn ich mag solche bildhaften, verspielten Vergleiche sehr.

Ich hoffe, dass andere LeserInnen mit den Figuren dieser Erzählungen mehr Erfolg ernten werden ... 

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Und so erhält allein die Kurzgeschichte der Fallensteller von mir neun von zehn Punkten.

Weitere Informationen zu dem Buch

Ich bedanke mich recht herzlich bei Luchterverlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

€ 19,99 [D] inkl. MwSt.
€ 20,60 [A] | CHF 26,90* 

(* empf. VK-Preis) 
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-630-87471-5
Erschienen: 09.05.2016 

 Und hier geht es per Mausklick auf die Verlagsseite von Luchterhand.
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Gelesene Bücher 2016: 69
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Samstag, 10. Dezember 2016

Sasa Stanisic / Fallensteller


Klappentext
Der neue Spiegel-Bestseller von Saša Stanišić: Acht Erzählungen, reich an „verspielter Komik, Traurigkeit und brillanten Sätzen“ (Zeit Online). 
Ein vom Leben nicht sehr verwöhnter alter Mann hat eine Leidenschaft für die Magie. Er bittet um Ruhe für die Große Illusion. Aber die Gemeinde trinkt Kaffee und hält nicht still.
Ein geheimnisvoller schwarzgekleideter Mann taucht in unserem Dorf auf, er behauptet, Fallen herstellen zu können für jeden Zweck, nicht nur für das Tier. Mit dem Fallensteller kehrt Stanišić nach Fürstenfelde zurück, jenes uckermärkische Dorf, das den Lesern aus „Vor dem Fest“ bekannt ist, und in dem alles immer möglich ist, auch Magie.
„Ich finde Bäume nur als Schrank super“, ruft der naturabgeneigte Erzähler der Geschichte „Im Ferienlager im Wald“. Immerhin freundet er sich mit Hirschen an und spielt eine Runde Fifa auf der X-Box mit ihnen.
Ständig auf der Reise sind "der unterhaltsame Gesetzesbrechers Mo und seine wohlstandstrübsinnige Begleiterin“ (Hamburger Abendblatt). Zwei Freunde, die mit Karacho und Geschick ihren Sehnsüchten hinterher jagen, quer durch Europa: einer christlichen Menschenrechtsaktivistin, einer syrischen Surrealistin, einem bedrohten Vogel. Um nur ein paar zu nennen. 
Dies sind Geschichten über Menschen, die Fallen stellen, Menschen, die sich locken lassen, Menschen die sich befreien - im Krieg und im Spiel, mit Trug und Tricks und Mut und Witz.

Autorenporträt
Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad in Bosnien-Herzegowina geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Sein Debütroman Wie der Soldat das Grammofon repariert begeisterte Leser und Kritik gleichermaßen und wurde in 31 Sprachen übersetzt. 
Vor dem Fest war ein SPIEGEL-Bestseller und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, darunter dem renommierten Alfred-Döblin-Preis sowie dem Preis der Leipziger Buchmesse 2014. 
Saša Stanišić lebt und arbeitet in Hamburg.

Meine ersten Leseeindrücke

Die Erzählungen sind recht gut geschrieben. Ich habe nur ein Problem. Sobald ich in eine Geschichte reingekommen bin, ist sie schon wieder zu Ende. Außerdem haften sie in mir nicht so wirklich. Ich vergesse sie schnell wieder.
Ich habe erst zwei gelesen und mal schauen, was mir die verschiedenen anderen Erzählungen noch bieten werden.


Weitere Informationen zu dem Buch

€ 19,99 [D] inkl. MwSt.
€ 20,60 [A] | CHF 26,90* 

(* empf. VK-Preis) 
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-630-87471-5
Erschienen: 09.05.2016 

 Und hier geht es per Mausklick auf die Verlagsseite von Luchterhand.






Freitag, 9. Dezember 2016

Phlipp Winkler / Hool (1)

Deutscher Buchpreis 2016

Leserunde mit dem Bücherforum 
Watchareadin


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch von Philipp Winkler hat mir sehr gut gefallen. Ein verdienter, deutscher Buchpreis 2016. Sehr interessant. Die Geschichte, der Schreibstil, familien- und gesellschaftskritisch erzählt.

Es war sehr spannend. Die Charaktere jeder einzelnen Figur, die Handlungen, die Sprache. Die Sprache habe ich als recht gewaltig und sehr fantasievoll erlebt. Am liebsten würde ich hier nur Zitate über die Ausdrucksweise einbringen, über die ich immer wieder gestolpert bin …
Das ist ja auch eine Kunst, diesen Jargon, diesen speziellen (teilweise restriktiven) Sprachcode dieser Menschen in schriftlicher Form umzusetzen. Eine saloppe Sprache, manchmal in dialektform, manchmal recht fäkalhaft, gossenhaft. Oftmals auch gemischt. Und sehr oft auch recht bildhaft:

Zitat:
Der Protagonist Heiko beschreibt seine Freundin Yvonne. ... "… und ihre kleinen Glubscher, diese blauen Augen. Sehen aus wie Eiswürfel, in denen eine Fliege eingefroren wurde". (Die Seitenzahl habe ich leider vergessen)
Auf Seite 145 beschreibt Heiko die verbrauchte Luft in seinem Zimmer, oben, wo die Luft sich schwer atmen ließe, als hätte sie ein Verfallsdatum, das lange überschritten wurde.

Da muss ich auch unseren Forumsbetreiber auf Watchareadin loben, der es schafft, immer gute Bücher ans Land zu ziehen. Mir war der Autor bis dato unbekannt gewesen ... Nun ja, das vorliegende Buch ist sein Debüt. Also noch ganz neu unter den AutorInnen.

Der Roman ist nicht nur eine ernste Familiengeschichte, der Autor geht oftmals recht humorvoll und komikhaft mit seiner Thematik um. Das lockert den ernsten Alltag in dieser fiktiven Welt etwas auf.

Ich werde mich hier kurzhalten, da die Gesprächsrunde auf Watchareadin noch lange nicht abgeschlossen ist, aber ich werde diese Buchbesprechung mit dem Bücherforum wieder verlinken.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
Jeder Mensch hat zwei Familien. Die, in die er hineingeboren wird, und die, für die er sich entscheidet. HOOL ist die Geschichte von Heiko Kolbe und seinen Blutsbrüdern, den Hooligans. Philipp Winkler erzählt vom großen Herzen eines harten Jungen, von einem, der sich durchboxt, um das zu schützen, was ihm heilig ist: Seine Jungs, die besten Jahre, ihr Vermächtnis. Winkler hat einen Sound, der unter die Haut geht. Mit HOOL stellt er sich in eine große Literaturtradition: Denen eine Sprache zu geben, die keine haben.Einen so knallharten, tieftraurigen und todkomischen Debütroman hat es seit Clemens Meyers „Als wir träumten“ in Deutschland nicht mehr gegeben. Thomas KluppWinkler schreibt bewegend, kraftvoll und mit feinem Gespür für die Welt der Außenseiter. Denn eigentlich ist Heiko Kolbe ein hoffnungsloser Romantiker und seine Gewalt ein stummer Schrei nach Liebe. Moritz Rinke
Woher kommt die Wut, was tust du, wenn dir nichts geblieben ist? Verzweifelt, knallhart und voller Herz. HOOL leuchtet aus allen Wunden. Lucy Fricke
Auf den ersten Seiten fällt uns allen aus der Leserunde das gestörte Verhalten des Vater Hans Kolbes auf. Recht beziehungsgestört im Umgang seiner erwachsenen Kinder Manuela und Heiko. Im Hintergrund steht noch eine Person namens Mie, die sich rarmacht, sodass ich nicht gleich einzuschätzen weiß, was sie für eine Rolle zu dieser Familie hat. Hans Kolbe ist alkoholabhängig und wird in eine Reha überwiesen. Weshalb der Vater alkoholabhängig geworden ist, erzählt uns Winkler erst auf den späteren Seiten. Aber man kann den Grund bereits erahnen. Er wurde von seiner Frau, von der Mutter seiner Kinder, verlassen. Dies alleine ist es aber nicht. … Später wird auch hier deutlich, warum die Frau abgehauen ist, die nicht nur ihren Mann verlassen hat, sondern auch ihre Kinder. Manuela, die ältere von den beiden Geschwistern, hat es besser getroffen als Heiko. Sie hat auf Lehramt studiert und hat auch eine Anstellung als Lehrerin, während Heiko zweimal durch das Abitur gerasselt ist und keine Ausbildung gemacht hat.

Er war auch noch ein Kind, als die Mutter ihre Koffer gepackt hat. Als sie ging, saß Heiko auf der Treppe. Er wusste nicht, dass seine Mutter nicht wiederkommt. Sie hatte sich von ihm mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedet, ohne jegliche Erklärung. Manuela konnte besser mit diesem Mutterverlust ungehen, da sie älter war.

Manuela ist mittlerweile verheiratet und hat ein Kind, und neidet die Herkunftsfamilie ihres Mannes, sodass sie die Konflikte ihrer Familie herunterspielt, bis sie selbst nicht mehr kann, und bei einer Familienfeier in Tränen ausbricht. Es gelingt ihr nicht mehr, vor ihren Schwiegereltern eine harmonische Familie zu spielen. Die Fassade ist längst gefallen.

Manuela ist auch diejenige, die alles tut, um die verrottete Familie immer wieder zusammenzuführen.

Die Gründe, weshalb Heiko, sein Vater … so geworden sind, wie sie sind, erzählt Winkler uns nicht sofort. Das ist das Schöne an seinem Buch. Er rückt mit seinen Informationen peu a peu erst raus. Und so liest man jede Seite mit großem Interesse und mit großer Spannung. Eine Chronologie gibt es nicht. Es gibt immer wieder Zeitsprünge vor und zurück.

Heiko wohnt nicht mehr zu Hause, lebt in einem heruntergekommenen Haus, bei einem Bekannten namens Arnim, der auch ein schräger Vogel ist, denn Arnim hält Wildtiere bei sich und macht aus ihnen Kampfmaschinen, und verdient sich damit seinen Unterhalt. Diese vielen Szenen mit den Tieren haben mich total angewidert. Am liebsten hätte ich sie übersprungen. Mir haben die Tiere so furchtbar leid getan. Aber solche Menschen gibt es tatsächlich, die Tiere wie Objekte behandeln …  Natürlich werden die Tiere nicht artgerecht gehalten. Ein Bartgeier, der auf den Namen Siegfried reagiert, und der vergessen hat, was Freiheit ist, ist in einem kleinen Zimmer untergebracht … In den späteren Kapiteln schafft sich Arnim noch einen Tiger an, der in einer Grube leben soll, in der die Wände vor seiner Ankunft mit Aluminium ausgestattet werden, damit der Tiger nicht rausspringen kann. Das Schicksal dieses Tigers endet tragisch. Wie entsetzlich traurig.

Heikos Umfeld besteht hauptsächlich aus merkwürdigen Leuten. Da seine Familie für ihn keine wirkliche Familie mehr ist, so sind seine Freunde, die er auch aus seiner Kindheit kennt, so etwas wie ein Substitut, eine Ersatzfamilie.

Kein einfacher Umgang mit dem Umfeld, Heiko und seine Truppe, die sich mit ihren Gegnern, den Hooligans, in einem permanenten körperlichen Kampf befinden, der nicht selten böse endet.

Ein Teil des Schlusses hat mir sehr gut getan, ein anderer Teil wiederum nicht.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck 
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.

Wer mehr erfahren möchte, kann unsere Diskussionsrunde im Bücherforum mitverfolgen.


Eine letzte Frage

Wie kam der Autor Philipp Winkler zu seinem Stoff? Hier ein Link dazu, der im Bücherforum Watchareadin, in der großen Leserunde, hinterlegt ist.



Weitere Informationen zu dem Buch:

Vielen Dank an den Forumsbetreiber von Watchareadin, der Kontakt mit dem Aufbau – Verlag aufgenommen hat, um für seine LeserInnen aus den Leserunden Rezensionsexemplare zu erwerben. 

Vielen Dank auch an den Aufbau – Verlag, der diese Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt hat.

Gebunden mit Schutzumschlag, 310 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-351-03645-4 

19,95 € *)
Inkl. 7% MwSt.

Und hier geht es zur Verlagsseite.

Und hier geht es in die Leserunde von Watchareadin.

____________
 In der Landschaft der Herzen besitzt das Gute eine große, die Menschen ergreifende Kraft,
(Banana Yoshimoto)

Gelesene Bücher 2016: 68
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Montag, 5. Dezember 2016

Philipp Winkler / Hool

Deutscher Buchpreis 2016

Leserunde mit dem Bücherforum 
Watchareadin


 Klappentext
Jeder Mensch hat zwei Familien. Die, in die er hineingeboren wird, und die, für die er sich entscheidet. HOOL ist die Geschichte von Heiko Kolbe und seinen Blutsbrüdern, den Hooligans. Philipp Winkler erzählt vom großen Herzen eines harten Jungen, von einem, der sich durchboxt, um das zu schützen, was ihm heilig ist: Seine Jungs, die besten Jahre, ihr Vermächtnis. Winkler hat einen Sound, der unter die Haut geht. Mit HOOL stellt er sich in eine große Literaturtradition: Denen eine Sprache zu geben, die keine haben.
Einen so knallharten, tieftraurigen und todkomischen Debütroman hat es seit Clemens Meyers „Als wir träumten“ in Deutschland nicht mehr gegeben. Thomas Klupp
Winkler schreibt bewegend, kraftvoll und mit feinem Gespür für die Welt der Außenseiter. Denn eigentlich ist Heiko Kolbe ein hoffnungsloser Romantiker und seine Gewalt ein stummer Schrei nach Liebe. Moritz Rinke
Woher kommt die Wut, was tust du, wenn dir nichts geblieben ist? Verzweifelt, knallhart und voller Herz. HOOL leuchtet aus allen Wunden. Lucy Fricke

Autorenporträt
Philipp Winkler, 1986 geboren, aufgewachsen in Hagenburg bei Hannover. Studierte Literarisches Schreiben in Hildesheim. Lebt in Leipzig. Auslandsaufenthalte im Kosovo, in Albanien, Serbien und Japan. Neben Veröffentlichungen in Literaturmagazinen und -anthologien, erhielt er 2008 den Joseph-Heinrich-Colbin-Preis und 2015 für Auszüge aus Hool den Retzhof-Preis für junge Literatur des Literaturhauses Graz. „HOOL“ ist sein Debütroman.

Auf der Verlagsseite ist auch ein Foto des Autors hinterlegt. Ich finde, er sieht sehr sympathisch aus. Ähnelt ein wenig der Romanfigur Heiko Kolbe …


Meine ersten Leseeindrücke? 

Ich befinde mich gerade erst auf der Seite 35 und es gefällt mir ganz gut.

Zwar muss ich mich an die Boxerei dieser Hooligans noch gewöhnen, aber sie passt zum Kontext, hoffe aber nicht, dass diese Kampfaktionen den ganzen Raum einnehmen ... Interessant finde ich Heiko Kolbes Familie, die auf mich innerhalb der Familienmitglieder recht gestört wirkt, auch wenn Heikos Schwester Manuela das Ganze runterspielt und auf Harmonie macht. Bin echt neugierig auf diese Familie ….

Merkwürdig ist der Vater, der nicht mal einen Blickkontakt zu Heiko sucht und nur die Zigarettenschachtel anstarrt, als er ihn dann schließlich um eine Zigarette bittet.


Weitere Informationen zu dem Buch:

Gebunden mit Schutzumschlag, 310 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-351-03645-4 

19,95 € *)
Inkl. 7% MwSt.

Und hier geht es zur Verlagsseite.

Und hier geht es zu unsere Leserunde auf Watchareaadin.













Sonntag, 4. Dezember 2016

Banana Yoshimoto / Lebensgeister (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich nun durch, und es hat mir recht gut gefallen. Wie ich schon in der Buchvorstellung geschrieben habe, behandelt die Thematik ein okkultes Thema. Der Umgang mit der Transzendenz, mit der viele Menschen nicht wirklich etwas anzufangen wissen. Verständlich, wenn die Grenzen von Diesseits und Jenseits sich auf einmal vermischen. Das ist auch schwer vorstellbar.

Mir selbst ist diese Thematik in der Literatur ein wenig vertraut und denke dabei an Haruki Murakami, an Isabel Allende, die sehr oft den magischen Realismus in ihren Büchern haben einfließen lassen.

Doch auch hier bei uns hat der altbekannte deutsche Autor namens Hermann Hesse sich mit diesen Themen literarisch befasst, und man diese in seinen Büchern Siddharta und Das Glasperlenspiel wieder findet. Mir haben diese Bücher auch sehr gut gefallen. Wobei seine Thematik sich eher um den Sinn des Lebens dreht, aber immer in Verbindung mit dieser außersinnlichen Welt.

Er setzte sich als Suchender mit den größten Weltreligionen auseinander, und fand seinen Frieden im Buddhistischen und im Hinduistischen, die verglichen zu anderen Religionen die spirituelle und die irdische Welt in ihren Alltag miteinbeziehen würden. Ich erinnere mich, dass er schrieb; der Mensch müsse sich eine Brücke bauen, damit er durch diese beiden Welten ein und aus gehen könne, auch, damit sie ihm vertraut und nicht mehr fremd erscheinen würden …

Zurück zum Buch, so gebe ich erneut den Klappentext rein:
Nach einem schweren Unfall und dem Verlust ihres Geliebten ist Sayoko nicht mehr sie selbst. Sie hat das Zwischenreich der Geister betreten und Geheimnisse der unsichtbaren Welt erfahren. In der Tempelstadt Kyoto lernt sie allmählich das Leben so zu akzeptieren, wie es ist: voller Ungewiss­heiten und Rätsel, dem Tod immer nahe, ob man jung ist oder alt. Aber sie begreift auch, wie einmalig und geheimnisvoll das Diesseits ist.
Durch den Verkehrsunfall, den die junge Protagonistin Sayo zusammen mit ihrem Freund hatte, erlitt sie sehr schwere Verletzungen und wurde dadurch in ein Nahtoderlebnis versetzt, sodass sie sich zwischen diesseits und jenseits bewegte. Sie konnte wieder reanimiert werden, während bei ihrem Freund die Verletzungen tödlich endeten.
Durch das Nahtoderlebnis entwickelt Sayo eine übersinnliche Gabe und ist in der Lage, den Geist verstorbener Menschen zu sehen. In Japan ist das nichts, wofür man sich verstecken müsste, so scheint es mir in dem Buch. Es liest sich wie eine Selbstverständlichkeit. Das mache ich an einer Szene fest, als Sayo vor einem fremden Haus steht, und sie eine Frau am Fenster stehen sieht. Sie wusste sofort, dass diese Frau ein Geist ist, als ein junger Mann aus dem Haus kam und er Sayo fragte:
>>Sehen Sie etwa meine Mutter?<<; fragte er gar nicht verwundert. (2016, 67) 
Sayo kann ganz offen über ihre Geistererscheinungen sprechen. Auch an anderen Orten, nicht nur hier an dem Haus.
Außerdem nahm Sayo nach dem Unfall ihr Leben viel intensiver wahr und war dankbar für ihr wiedererworbenes Leben, wobei sie in tiefer Trauer steckt, und sich innerlich immer wieder mit der Frage auseinandersetzen muss, weshalb nicht sie gestorben sei, sondern ihr Partner, der von Beruf Künstler ist und seine ganzen Kunststücke der Nachwelt hinterlassen hat. Die Eltern des Verstorbenen vermachen alles Sayo, die für sie wie eine Schwiegertochter ist. Die Beziehung zwischen Sayo und den Schwiegereltern hat mich sehr angesprochen und tief berührt.

Sayo besuchte einige Kneipen, denn gerade weil mich niemand behelligt und ich in Ruhe trinken konnte, nahm ich ab und zu unerwartete Dinge wahr.
Allein war man wacher, aufmerksamer als zu zweit. Es ist, als hätte man Augen auf dem Rücken und als könnten nur diese Augen gewisse Dinge sehen. Wenn man mit Freunden ausgeht und lacht und schwatzt, übersieht man sie eben – die geheimen Regungen des Herzens, die sich in kleinen unscheinbaren Zeichen äußern. 
Der Unfall und der Verlust ihres Freundes machten sie zu einem sehr weisen Menschen. Gedanken zu dem Tod:
Der Tod nimmt nicht mit dem Alter zu. Er ist immer bei dir. Ganz nah. Nur das Denken an den Tod nimmt zu und nagt an der Illusion, vor dem Unausweichlichen noch eine Weile sicher zu sein. (105) 
Die Bekanntschaft mit Ataro fand ich sehr interessant, da Sayo und er sie durch einen Todesverlust eines geliebten Menschen freundschaftlich eint. Sayo genießt die Beziehung zu diesem jungen Mann. Ataro ist männerorientiert, sodass beide ganz entspannt diese Freundschaft eingehen können, ohne sexuelle Gefühle füreinander zu empfinden.


Mein Fazit zu dem Buch?

Sayo, ein sehr selbstreflektiver Mensch ... 

Ich finde, der Autorin ist es sehr gut gelungen, diese schwierigen okkulten Themen mit in ihr Buch einzubauen, ohne dass sie kitschig oder gar sentimental wirken. Daher ist der Buchtitel Lebensgeister recht gut getroffen. Ich habe als Externe dieser vorliegenden literarischen Lebenswelt alles sehr authentisch miterlebt. Sayo hat nämlich ihre eigene Art, mit dieser Hellsichtigkeit umzugehen:
Ob es Geister gibt oder nicht, ob man sie sehen kann oder nicht, ob sie lebendig sind oder tot – diese Fragen waren mir gleichgültig. Es ist wie eine Halluzination. Es gibt hier nämlich alles. Doch die Menschen ziehen gerne Grenzen. (146)

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch

Dieses Rezensionsexemplar kam durch meine Lesefreundin Tina zu mir, die damit nicht richtig warm werden konnte. Dankeschön hier an Tina für den Aufwand, mir das Buch zuzuschicken.

Paperback 
160 Seiten 
erschienen am 28. September 2016 

978-3-257-30042-0 
€ (D) 15.00 / sFr 20.00* / € (A) 15.50 
* unverb. Preisempfehlung 

Und hier geht es auf die Diogenes-Verlagsseite. 

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 In der Landschaft der Herzen besitzt das Gute eine große, die Menschen ergreifende Kraft,
(Banana Yoshimoto)

Gelesene Bücher 2016: 67
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86











Samstag, 3. Dezember 2016

Banana Yoshimoto / Lebensgeister

Klappentext
Aus dem Japanischen von Thomas EggenbergNach einem schweren Unfall und dem Verlust ihres Geliebten ist Sayoko nicht mehr sie selbst. Sie hat das Zwischenreich der Geister betreten und Geheimnisse der unsichtbaren Welt erfahren. In der Tempelstadt Kyoto lernt sie allmählich das Leben so zu akzeptieren, wie es ist: voller Ungewiss­heiten und Rätsel, dem Tod immer nahe, ob man jung ist oder alt. Aber sie begreift auch, wie einmalig und geheimnisvoll das Diesseits ist.


Autorenporträt
Banana Yoshimoto, geboren 1964, hieß ursprünglich Mahoko Yoshimoto. Ihr erstes Buch ›Kitchen‹ schrieb sie während ihres Studiums, jobbte nebenbei als Kellnerin in einem Café und verliebte sich dort in die Blüten der ›red banana flower‹, daher ihr Pseudonym. Ihr Vater Ryumei Yoshimoto war ein bekannter Essayist und Literaturkritiker. Sie schrieb zahlreiche Bücher, die auch außerhalb Japans ungewöhnlich hohe Auflagen erreichten. Ihr Debütroman verkaufte sich auf Anhieb millionenfach – ein Phänomen, für das dann die Bezeichnung ›Bananamania‹ gefunden wurde.
Auszeichnungen 
  •  Izumi-Kyôka-Literaturpreis für ›Kitchen‹ und Kaien-Literaturpreis, 1987
  •  Newcomer Literary Prize für ›Kitchen‹, 1987
  •  Japanischer Preis für ›Kitchen‹, 1988
  •  Japanischer Preis für ›Tsugumi‹, 1989
  •  Scanno-Literaturpreis, Italien, 1993
  •  Murasaki-Shikibu-Preis, 1995
  •  Banana Yoshimoto erhält den italienischen ›Maschera d'Argento‹-Preis in der Kategorie Kunst & Kultur, 1999
  •  Italienischer Literaturpreis ›Premio Capri‹ für die poetische und feinfühlige Sprache ihrer Werke, 2011

Weitere Informationen zu dem Buch

Paperback 
160 Seiten 
erschienen am 28. September 2016 

978-3-257-30042-0 
€ (D) 15.00 / sFr 20.00* / € (A) 15.50 
* unverb. Preisempfehlung 

Und hier geht es auf die Diogenes-Verlagsseite. 


Meine ersten Leseeindrücke:

Mir gefällt das Buch recht gut. Sehr reflektiv, aber auch mit ungewöhnlichen transzendenten Themen bepackt wie z. B. der Kontakt mit dem Jenseits durch Nahtoderfahrungen. 

Bin gespannt, wie es weitergeht.