Sonntag, 13. März 2016

Roger Willemsen / Kleine Lichter (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich schon letzten Donnerstag ausgelesen ...

Jede Menge geistige Ergüsse, von denen ich bis zur Hälfte des Buches sehr angetan war. Es beschlich mich eine große Anfangseuphorie, bis ich irgendwann müde wurde von zu vielen guten Gedanken, die immer mehr inflatierten. Hat sich angefühlt wie ein Willemsen-Burn-out :-).

Das Buch umfasst 240 Seiten im Miniformat. Dicker hätte es nicht sein dürfen. 240 Seiten Monologe, die aufgingen in Selbstreflexionen und Selbstgespräche. Natürlich galten diese Gedanken, wie schon aus dem Klappentext hervorgeht, einem komatösen Liebhaber namens Rashid. Diese Gedanken wurden auf Kassette gesprochen und dem Patienten aufgelegt, wenn Valerie, dessen Geliebte, nicht am Krankenbett  sein  konnte. Die Kassetten sind aus meiner Sicht verseucht mit zu vielem intellektuellen Bla, Bla, Bla …

Wäre ich dieser Patient, da wollte ich nicht wieder aufwachen, wenn ich mit so vielen Gedanken erschlagen werden würde. Die Icherzählerin Valerie sieht das aber anders, denn sie ist der Auffassung, dass die Gedanken über die Liebe ihrem Geliebten guttun würden:
 Ich habe dir nichts zu sagen, denkst du, oder immer dasselbe. Doch du bist geduldig, du lässt die Schwestern die Kassetten einlegen, wieder und wieder, hörst es dir an, nicht wahr, es macht nichts, dass du es kennst, nicht wahr? Es sickert in dich ein. Es springt dir das Herz, langsam wie das Wasser, das in den Stein dringt. 
Nun ja, wenn aber der komatöse Patient als eine Metapher zu verstehen ist, s. S. 68, dann bezeichnet Valerie damit die Liebhaberinnen und Liebhaber, die körperlich, geistig und seelisch zu taub sind für die Liebe:
Also liegen alle Geliebten immer im Koma - der Gewohnheit, der Pflichterfüllung, der Abstumpfung. Ach, ich weiß noch, wie ich weinen musste, als ich eines Morgens in der Zeitung den Satz eines Selbstmörders, geschrieben im Abschiedsbrief an seine Frau: >>Unsere Ehe war immer so schön.<<
Ein bisschen makaber, denn weshalb hat der Suizident sich das Leben genommen, wenn die Ehe so schön verlaufen wäre? Eine Ironie der Liebe …

Demnach galt für mich das Buch als eine Denkschrift über die Liebe. Manchmal sehr empathisch und manchmal intellektuell sehr geistreich.

Trotz der Überfrachtung an Gedanken konnte sich Willemsen als Mann sehr gut in die Protagonistin und Icherzählerin hineinversetzen. Es ist ihm schon gelungen, sich in das Frauengeschlecht zu denken, indem er ihr die Stimme verleiht. Die Gedanken, auch zur Sexualität, wirken sehr natürlich und passend. Willemsen zählt für mich zu den wenigen männlichen Autoren, die wissen, was so ungefähr im Innenleben einer Frau abgehen kann. Er konnte nur keinen Punkt finden, und es beschleicht mich das Gefühl, er dreht sich mit seinen Gedanken im Kreis.

Natürlich ist das Thema brisant und interessant, aber wenn der Mensch zu viel über die Liebe spricht, wie wird er sie   genießen können? Wie will er sie erfahren können? Es haben sich schon ganz andere Köpfe darüber heiß geredet, ohne dass es tatsächlich bei den Menschen etwas verändert hätte. Die Probleme sind diesbezüglich immer dieselben. Ganz gleich, aus welchem Jahrhundert der Mensch kommt. Sexuelle Gefühle können sehr primitiv sein, überhaupt das emotionale Leben. Aus meiner Sicht sollte man die Liebe nicht zerreden, man kann sie auch im Stillen genießen … Man muss Liebe nicht erklären, und nicht intellektualisieren und sie muss das bleiben, was sie ist. Ein Gefühl. Ein hohes Gefühl, ein niedriges Gefühl, ein primitives Gefühl, kommt ganz auf die Person darauf an, auf welcher emotionalen Entwicklungsstufe sie sich befindet               …
Manchmal beginnt die Liebe einfach mit der Lust auf die Liebe.Andererseits: Wie viele Familien hat die Liebe ruiniert! Wie viele Lebensläufe haben ihren Knacks bekommen durch die Liebe. Wenn dies so ist, kann ich gut darauf verzichten, das hätte ich wissen sollen. 
Ja, dem stimme ich auch zu ...                                                

Soeben blättere ich durch meine vielen mit Zettelchen behafteten Seiten und finde meinen Gedanken bestätigt:
Liebe muss glauben, ahnen, tasten, irren, sie darf bloß nicht wissen, sonst fällt sie in sich zusammen.  
Ist das nicht ein schönes Bild? Und der Gedanke, dass Liebe nicht wissen darf … finde ich passend ausgedrückt.

Ein Zitat folgt nun über das Verliebtsein:

Verliebtheit ist eine Suchterscheinung, Suchtgefährdete leben anders, bedürftiger, im Grunde hilflos. Und was für eine Sucht! Süchtig nicht nur nach Gesicht und Körper, Stimme und Haltung, sondern danach, unvernünftig zu sein, gehört zu werden, jeden Moment zu multiplizieren mit dem Liebsten, der Liebsten. 

Wobei jeder Mensch auf seine Weise liebt.   
Massenhaft verblöden Menschen, nur weil die Liebe sie dazu bringt, in der Schnulze zu leben, und mitten darin fällt mir der Satz La Rochefoucaulds ein: >>Wer weiß, wie viele Menschen nie verliebt gewesen wären, wenn sie nicht von der Liebe hätten reden hören.<< Ja, und alle haben sich dieselbe Liebe dabei vorgestellt und dabei ist sie dumm, stumpf und süßlich geworden. 
Dabei denke ich an die schnulzigen Schlagertexte ... Die Gefühle können reif sein, oder auch nicht. Je reifer die Gefühle, desto reifer und freier kann die Liebe aus meiner Sicht sein … Das hat nichts mit dem Intellekt zu tun.

Es ist nicht neu, dass Liebe oftmals nicht selbstlos ist, und dass sie Suchtpotenzial hat und voller Besitzansprüche sein kann. Nur hat Willemsen eben diese Thematik in gute Gedanken verpackt. So wirklich etwas Neues erfährt man dazu allerdings nicht, wenn man diese Thematik aus der Verpackung schält.

Dass manche Frauen sich im Geschlechtsverkehr immer sehr anstrengen müssen, ihn wie eine Leistung erleben kann, damit der Mann danach zufrieden und ausgeglichen ist, ist eigentlich auch nichts Neues:
Das Vögeln war eine Sache, bei der ich mir immer wieder Mühe geben musste, sie gut zu machen. Denn, ist man nicht gut im Bett, sind Männer hinterher unleidlich, kritteln an allem herum, wollen telefonieren oder etwas im Internet nachsehen und bringen es fertig, sich nie wieder zu melden, so tief sitzt die Erinnerung an dieses schlechte Vögeln, das sie nun mal nicht leiden können. Weißt du, es ist diese Instant-Sex-Mentalität, von der ich selbst allmählich immer mehr angenommen habe. Was erwartest du bei diesem Personal! 
Auch kritische Gedanken zur Ehe sind in dem Text zu finden, die für mich sehr einleuchtend sind. Dazu folgendes Zitat:
Es ist gut, dass die Ehen vor die Hunde gehen. Dazu sind sie da. Niemand sollte denken, dass es Sicherheiten gäbe. Niemand soll sich auf etwas anderes verlassen als auf sich. Wenn überhaupt.  
Heute schreibt größtenteils keiner mehr Liebesbriefe, weder Mann noch Frau, doch wenn ein Mann Liebesbriefe schreibt, lach, so würde er all die Vokabeln melken, vor denen ihm immer bange ist. 

So, und hier beende ich meine Buchbesprechung, habe selber viel zu viel darüber intellektualisiert. Willemsen hat mich eben angesteckt. Viele meiner Gedanken habe ich allerdings auch wieder gelöscht.

Nichts destotrotz finde ich Willemsen eine sehr begabte Persönlichkeit, die über sehr viel Schreibtalent verfügt. Er schafft es gut, seine Gedanken in fantasievolle Bilder zu kleiden, mit einer gut ausgewählten Sprache ausschraffiert. Ich bin neugierig auf die anderen Bücher von ihm.

Mein Fazit?

Ich tue mich schwer mit Büchern, die monologisieren. 240 Seiten Monologe fand ich auf Dauer monoton. Mir hat die Abwechslung von Perspektiven über andere Figuren einfach gefehlt. Es gab mir zu wenig Reibungsfläche. Nur eine Sichtweise war mir zu wenig.

Außerdem habe ich jetzt von der Thematik her nichts wirklich Neues erfahren ...

Das Buch erhält daher von mir nur neun von zehn Punkten.
___________
Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


Gelesene Bücher 2016: 11
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Dienstag, 8. März 2016

Roger Willemsen / Kleine Lichter

Klappentext
Seit sechs Monaten liegt der Geliebte im Koma, jetzt bespricht Valerie am Krankenhausbett ein Tonband, das ihn wieder ins Leben zurückführen, zurückverführen, soll. Nun, wo es um alles geht, ist alles in ihrer Sprache Liebe. Wie kann man fühlen und sich nicht verlieren? Wie kann man dem Mangel begegnen, der alle Liebe treibt? Wie kann man erhalten, was man nicht halten kann? Zwischen Wien, wo sie liebt, und Tokio, wo sie arbeitet, hin und her gerissen, beschwört Valerie die eigene Liebesgeschichte noch einmal herauf und zeichnet die Veränderung ihrer Gefühle akribisch nach – bis zu dem Punkt, an dem sie fast überwunden scheinen.

Autorenporträt
Roger Willemsen, geboren 1955 in Bonn, gestorben 2016 in Wentorf bei Hamburg, arbeitete zunächst als Dozent, Übersetzer und Korrespondent aus London, ab 1991 auch als Moderator, Regisseur und Produzent fürs Fernsehen. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Bayerischen Fernsehpreis und den Adolf-Grimme-Preis in Gold, den Rinke- und den Julius-Campe-Preis, den Prix Pantheon-Sonderpreis, den Deutschen Hörbuchpreis und die Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft. Willemsen war Honorarprofessor für Literaturwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin, Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins und stand mit zahlreichen Soloprogrammen auf der Bühne. Zuletzt erschienen im S. Fischer Verlag seine Bestseller ›Der Knacks‹, ›Die Enden der Welt‹, ›Momentum‹ und ›Das Hohe Haus‹. Über sein umfangreiches Werk gibt Auskunft der Band ›Der leidenschaftliche Zeitgenosse‹, herausgegeben von Insa Wilke.
Ich habe die ersten siebzig Seiten schon gelesen und ich kann sagen, sein Schreibstil ist eine Wucht. Wie der Autor mit Bildern, Gedanken und mit Worten jongliert, das ist einsame spitze ...
Die Gedanken stoßen sich den Kopf, wenn sie nicht in die Zukunft dürfen. :-)
Roger Willemsen ist am siebten Februar dieses Jahres gestorben. Mich hat sein Tod schockiert, obwohl ich noch kein Buch von ihm gelesen habe, hatte es aber vor, weshalb ich jede Menge Bände von ihm mir angeschafft habe, Und so beginne ich nun mit seinem Debut.

Ich freue mich schon auf die Buchbesprechung, in der ich viele seiner Gedanken niederschreiben werde. Das macht ihn auch nach seinem Tod lebendig.






Montag, 7. März 2016

Frances Greenslade / Der Duft des Regens (1)

Lesen mit Anne ...


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen.

Insgesamt hat mir der Schreibstil sehr zugesagt. Das Buch ist recht flüssig geschrieben. Der Autorin ist es gelungen, ihren Stoff so zuzubereiten, dass man jede Seite gerne gelesen hat. Mit großem Interesse, mit Neugier und auch mit Spannung habe ich Seite für Seite umblättern können. Die Geschichte wird in der Ichperspektive von der jugendlichen Maggie erzählt ...

Schöne Naturbetrachtungen Kanadas sind in dem Buch beschrieben, doch die Lebensart der dort lebenden Menschen kam mir sehr kühl vor. Um in der Natur überleben zu können, musste jeder hart zupacken. Man macht Bekanntschaft mit einigen Frauen, die sich nicht zu schade waren, Männerarbeiten zu verrichten, um unabhängig zu bleiben. Wer in soziale Nöte geriet, konnte keine Sozialhilfe beantragen, wie wir dies hier von Deutschland her kennen.

Am letzten Freitag haben Anne und ich telefoniert und über das Buch gesprochen. Aufgrund der Authentizität habe ich mir die Frage gestellt, ob die Autorin aus ihrem eigenen Erleben das Buch verfasst hat. Auf den letzten Seiten erfährt man schließlich, dass diese Familiengeschichte von Jenny und Maggie erfunden ist. Als Frances Greenslade ihr Manuskript dem Verlag eingereicht hatte, bekam sie eine Absage. Erst als die Autorin ein paar  Jahre später selber Mutter geworden ist, konnte sie sich leichter in die Mutterrolle hineinversetzten, und so rollte sie ihre Geschichte von Jenny und Maggie wiederholt auf, veränderte ihr Manuskript, legte es dem Verlag nochmals vor, als es dann schließlich von ihm angenommen und das Buch vertrieben werden konnte.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein: 
In den Wäldern im Westen Kanadas ist die Welt noch in Ordnung - zumindest für die Schwestern Maggie und Jenny. Sie lieben ihre Ausflüge zu den Seen, sammeln Pilze und Beeren, die Eltern spielen abends Karten. Doch Maggie ist eine geborene »Sorgenmacherin«, sie kann nicht anders, sie fürchtet um das Wohl ihrer Liebsten. Als der Vater bei einem Unfall ums Leben kommt, fühlt sie sich in ihren tiefsten Ängsten bestätigt, schlimmer noch: Es scheint sich die im Dorf vorherrschende Überzeugung zu bewahrheiten, dass ein Unglück selten allein kommt. Auf der Suche nach einem Lebensunterhalt lässt die Mutter die Mädchen bei einer fremden Familie zurück, vorübergehend, sagt sie. Doch Tage werden zu Wochen, Wochen zu Monaten und dann zu Jahren - Irene bleibt verschwunden. Schließlich macht Maggie sich auf, die Mutter zu finden. Ihre Reise führt sie in Irenes Vergangenheit, bis an die Küste, zu einem alten Boot namens Elsa ...
Das Schicksal der beiden Mädchen Maggie und Jenny hatte mich sehr berührt, vor allem, als der Vater durch einen Berufsunfall tödlich verunglückt, und die kleine Familie sich auf die Suche nach einem neuen Heim begibt. Sie musste ihr altes Heim aufgeben, da sie mittellos wurde und das Geld für die Miete ihres Hauses nicht aufgebracht werden konnte. Ich frage mich nun, bei einem Berufsunfall müsste die Familie über eine Rente durch die Berufsgenossenschaft abgesichert sein ...

Anne und ich waren beide ganz gespannt darauf, wo die Mutter von Jenny und Maggie sich aufhielt, nachdem der Kontakt zwischen ihnen abgebrochen war. Aus unserer Sicht war die Mutter keineswegs eine Person, die ihre Kinder vergisst, oder sie im Stich lässt. Regelmäßig zu Weihnachten und an den Geburtstagen schickte die Mutter ihren Töchtern Geldgeschenke, die mit einem Brief beigelegt waren. Leider ließ die Mutter den Absender weg, sodass die Mädchen nicht wissen konnten, in welcher Gegend sich die Mutter aufhält. Erst der Schluss macht deutlich, weshalb die Mutter nicht gefunden werden wollte. Weiter haben Anne und ich uns nicht mehr austauschen können, da wir das Buch noch nicht beendet hatten … Wir unterhielten uns auch über die anderen Figuren dieser Geschichte. Es gibt welche, die ein großes und warmes Herz haben wie z. B. Onkel Leslie. Onkel Leslie ist Verns Onkel ... Vern ist der Jugendfreund von Maggie, doch zwischen ihnen beiden scheint sich mehr zu entwickeln ...

Tja, in den Schlusskapiteln erfuhr man dann schließlich doch, welches Unglück der Mutter schließlich zuteilwurde, sodass ich mit dieser möglichen Perspektive schließlich zum Teil gar nicht gerechnet habe. Ich hatte eher den Eindruck, dass sie, nachdem sie ihre Kinder bei einem älteren Ehepaar vorübergehend untergebracht hatte, sich aufmacht, um Arbeit und eine geeignete Wohnung zu finden, um dann ihre Kinder von dem alten Ehepaar wegzuholen. Sicher war dies ursprünglich ihr Ziel, doch dieses Ziel nahm allerdings andere Formen an, wobei ich nun nicht weiß, ob ich für die Mutter noch Verständnis aufbringen möchte ...

Mehr möchte ich darüber nicht schreiben, wenn auch viele Ereignisse nennenswert wären, wie z. B. die Entwicklung der mittlerweile 16-jährigen Jenny, die schwanger wird und von der alten Bea in ein Kloster geschickt wird, das für uneheliche schwangere Mädchen ausgerichtet ist, um einen gesellschaftlichen Skandal zu vermeiden … Dort sollte für Mutter und Kind gesorgt werden, mit dem Ziel, das Kind nach der Geburt zur Adoption freizugeben. Nach der Geburt erleidet Jenny für mich völlig überraschend eine Wochenbettpsychose ...

Auch Maggie ist eine interessante Persönlichkeit. Sie ist es, die sich schließlich auf den Weg macht, um ihre Mutter zu suchen, nach dem einige Jahre seit deren Fortgang vergangen sind. Dabei erfährt sie jede Menge brisante Familiengeheimnisse ...

In den Beziehungsgeflechten der beiden Mädchen mit ihren eigenen männlichen Partnern finden sich Wiederholungen, bestimmte partnerschaftliche Ereignisse, die es schon bei den Eltern zu beobachten galt, denn was die Eltern psychisch gesehen nicht haben aufarbeiten können, setzt sich in der nächsten Generation fort, damit diese sich dran macht, jene belastenden Schicksalsabläufe auf ein Besseres umzuwandeln …


Mein Fazit?

Ich werde mich ein weiteres Mal mit Anne kurzschließen … Bin neugierig, zu erfahren, wie sie den Schluss erlebt hat und was sie für Gedanken zu den Szenen mit Jenny entwickeln konnte.

Aber ich habe so keine Textstelle finden können, die ich gerne rausgeschrieben hätte; umso kürzer verläuft dann diese Buchbesprechung. Trotzdem verliert das Buch nicht seinen Wert, weshalb ich ihm die volle Punktzahl erteile.

Zehn von zehn Punkten.

Austausch mit Anne:
Auch Anne hat mit dem Ausgang nicht gerechnet ...
Eigentlich hätte es noch einen zweiten Teil zu der Geschichte geben sollen, denn es bleibt offen, wie es mit den Mädchen nun weitergehen wird.

Und hier geht es zu Annes Buchbesprechung

___________
Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


Gelesene Bücher 2016: 10
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86








Dienstag, 1. März 2016

Frances Greenslade / Der Duft des Regens

Lesen mit Anne ...

Klappentext
In den Wäldern im Westen Kanadas ist die Welt noch in Ordnung - zumindest für die Schwestern Maggie und Jenny. Sie lieben ihre Ausflüge zu den Seen, sammeln Pilze und Beeren, die Eltern spielen abends Karten. Doch Maggie ist eine geborene »Sorgenmacherin«, sie kann nicht anders, sie fürchtet um das Wohl ihrer Liebsten. Als der Vater bei einem Unfall ums Leben kommt, fühlt sie sich in ihren tiefsten Ängsten bestätigt, schlimmer noch: Es scheint sich die im Dorf vorherrschende Überzeugung zu bewahrheiten, dass ein Unglück selten allein kommt. Auf der Suche nach einem Lebensunterhalt lässt die Mutter die Mädchen bei einer fremden Familie zurück, vorübergehend, sagt sie. Doch Tage werden zu Wochen, Wochen zu Monaten und dann zu Jahren - Irene bleibt verschwunden. Schließlich macht Maggie sich auf, die Mutter zu finden. Ihre Reise führt sie in Irenes Vergangenheit, bis an die Küste, zu einem alten Boot namens Elsa ...


Autorenporträt
Frances Greenslade, geboren 1961 in Ontario, Kanada, wuchs mit fünf Geschwistern auf der Niagara-Halbinsel auf. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Penticton, British Columbia, wo sie am Okanagan College Englisch lehrt. Der Duft des Regens, dessen Übersetzungsrechte bereits in mehrere Länder verkauft sind, ist ihr erster Roman.


Die Autorin ist mir unbekannt. Ich habe das Buch gebunden beim Bücher-Oxfam sehr preisgünstig und ohne Gebrauchsspuren erworben.

Habe die ersten Seiten schon am letzten Sonntag beschnuppert, und ich denke, das Buch wird uns gut gefallen.

Das Buch hat Anne für uns aus unserer Bücherliste ausgesucht.

Und hier geht es zu Annes und Miras gemeinsame Bücherliste


Montag, 29. Februar 2016

Haruki Murakami / Tanz mit dem Schafsmann (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Die zweite Chance, die ich dem Buch gegeben habe, hat sich gelohnt. Ich habe das Buch diesmal ausgelesen und das noch mit Spannung und großem Interesse.

Anfangs dachte ich, es ist wieder eine typische Murakami-Mond-Liebesgeschichte im Zweiergespann, aber diesmal war es eine Liebesgeschichte des Icherzählers, der mit mehreren Frauen schicksalshaft und sexuell verbunden war. Und sollte es nicht auch eine Mond-Liebesgeschichte werden? (s. u.)

Das Buch ist stark geprägt vom magischen Realismus, ähnlich wie viele andere Murakami-Bücher auch, aber dieses hier fand ich diesbezüglich noch schärfer, wenn auch manche Szenen ein wenig gewöhnungsbedürftig sind, wie z. B. das Verschwinden mancher Figuren durch die Wand. Murakami bezeichnet diese Abläufe als spirituell, der Übergang vom Diesseits ins Jenseits. Und die Figuren, die hinter der Wand verschwinden, bezeichnet er als Geister. Ich mag Bücher, in denen es mehrere Realitäten gibt und man nicht genau sagen kann, welche  nun die realere ist.

Der Schreibstil ist flüssig, poetisch und fantasievoll.

Das außergewöhnliche surreale Cover hat mich sehr angesprochen ...

Man darf allerdings dieses Murakami-Buch nicht mit anderen Murakami-Büchern vergleichen, sonst wird man dem nicht gerecht werden ...

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Im Hotel Delphin gibt es eine dunkle, gruselige Zwischenwelt, in der manchmal der Lift stecken bleibt. Dann kann man dem Schafsmann begegnen. Er ist Schatten und Schutzengel des Erzählers. Und seine Botschaft lautet: "Tanzen. Immer weiter tanzen, solange die Musik spielt." Traum? Realität? Bei Murakami sind sie nicht so genau zu trennen. Mit traumwandlerischer Sicherheit versteht es der japanische Bestsellerautor, erotische Sehnsüchte in seinen Romanen zum Leben zu erwecken. "Tanz mit dem Schafsmann" ist eine wunderbar fesselnde Liebesgeschichte, verführerisch leicht erzählt und mit einem überraschenden Ende. 
Der 34-jährige Protagonist, ein japanischer Journalist, dessen Namen die Leserin nicht erfährt, scheint unendlich viel Zeit zu haben ... Er macht die Bekanntschaft mit einer Frau namens Kiki. Kiki ist die Frau, die dem Journalisten den Tipp gegeben hat, er solle sich eine Mondfrau suchen und mit ihr Mondkinder zeugen. Hm. Wer war denn nun die Mondfrau? Es gab mehrere Frauen, die dafür in Frage hätten kommen können, doch Mondkinder hatte er keine gezeugt. Davon war später gar nicht mehr die Rede. Mich hat diese kurze Szene stark an die Bände IQ84 erinnert.

Am Anfang spielt sich alles in diesem Hotel ab. Der Wechsel der verschiedenen Welten …, bis sie zum Ende hin alle aufeinanderprallen, aber ohne Schaden zu nehmen.

Kiki verschwindet spurlos und der Journalist begibt sich auf die Suche nach ihr, da er in sie verliebt ist und sich stark zu ihr hingezogen fühlt. Erst in einem trivialen Liebesfilm namens unerwiderte Liebe, in dem sein ehemaliger Schulfreund Gotanda die Hauptrolle erhält, sieht er Kiki in einer Nebenrolle mitspielen ... Erneut begibt er sich auf   Spurensuche, nimmt Kontakt zu Gotanda auf, den er viele, viele Jahre zuvor nicht mehr gesehen hatte ...

Kiki, May und andere Figuren existieren als Traumfiguren. Einige davon sind ermordet worden …

In manchen Szenen fand ich dieselbe Düsternis vor, wie man sie von Kafka her kennt. Murakami beschreibt verwesende Körper, die von Maden gefressen werden, dass man nicht mehr erkennen könne, ob der Körper mal ein Mann oder eine  Frau gewesen sei. Sogar über den Verwesungsgestank, hüstl, hat er geschrieben, sodass ich mich fragen musste, weshalb der Autor auf solche perverse detaillierte Beschreibungen angewiesen war? Ist die eine Realität vergänglicher als die andere? Der Körper vergeht, während die Seele aus ihm herausgeschlüpft am Leben bleibt? Wir werden es nicht erfahren.

Der Schafsmann, der in dem Hotel in einem Kabuff seine Bleibe hat, lebt in der anderen Art von Wirklichkeit, und nur bestimmte Menschen können den Schafsmann sehen. Der Schafsmann gab dem Journalisten ein paar Lebenshilfen, um sein düsteres Leben besser bewältigen zu können. Tanzen, tanzen, tanzen galt als das Lebenselixier, wobei ich mich damit wirklich schwer tat, diese permanente Tanzerei vorzustellen. An einigen Textstellen geht hervor, dass der Journalist selbst der Schafsmann ist. Zumindest ein Teil seines Ichs.

Die Charaktere jener Frauen kamen mir ein wenig abstrus vor. Sie wirkten auf mich alle psychisch recht instabil und kurios im Handlungsablauf. Auch die pädagogische Beziehung zu dem dreizehnjährigen Mädchen, das von den geschiedenen Eltern total vernachlässigt wird, und diese den Journalisten baten, sich gegen gute Bezahlung um die Tochter zu kümmern, während beide Elternteile ihren egoistischen Lebensgelüsten nachgingen. Der Vater des Mädchens organisierte ihm sogar eine Prostituierte, damit sein Sexualleben nicht zu kurz kommt.

Ein wenig Weisheit fand ich auch in diesem Buch. Der Tod wird hier mehrfach thematisiert. Viele Menschen neigen dazu, immerzu Schlechtes in anderen Menschen zu sehen, doch wenn ein Mensch stirbt, wandelt sich die Sicht zu dem Toten zum Guten, um das schlechte Gewissen zu beruhigen. Aus der Sicht des Protagonisten:
Menschen sterben oft unerwartet. Das Leben ist zerbrechlicher, als man meint. Darum sollte man mit anderen so umgehen, dass man später nichts bereuen muss-fair und, wenn möglich, aufrichtig. Ich kann Leute nicht ausstehen, die sich darum nicht bemühen und dann, wenn es zu spät ist, Tränen der Reue vergießen. Sie machen es sich zu einfach.

Mein Fazit?

Ich fand das Buch zwar recht düster, aber nicht hoffnungslos. Es zeigt zum Ende hin eine Wende, mit der ich gerechnet habe ...

Ich fand nun auch nicht, dass dieses Buch zu Murakamis Stärken zählt, aber es hatte doch etwas Anziehendes. Und wenn man die Werke nicht miteinander vergleicht, dann bleibt das Buch von der Idee her das, was es ist, ein Buch mit dem Titel Tanz mit dem Schafsmann. Allerdings würde ich jedem Murakami-Anfänger abraten, mit diesem Buch zu beginnen, und sich doch eher mit den Bänden IQ84 zu befassen.

Und was mir ein wenig komisch erschien, ist, dass der Autor immer wieder sexuelle Ideen in seinem Text hat einfließen lassen. Manche Szenen wirkten arg pornografisch. Manche Szenen wirken dadurch übertrieben gekünstelt und unnatürlich. Nicht, dass mich das gestört hätte, nein, es war nur zu viel von dieser Zutat. Ich stelle mir Murakami  in seinem Schreibprozess vor. Immer seine unterschwellige Sexualität vor Augen gehalten, ist nicht in der Lage, davon mal abzuschalten. Wenn z. B. eine Frau mal nicht gut drauf ist, dann liegt das daran, weil sie gerade wieder menstruiert. Oder das junge Mädchen, dreizehn Jahre alt, ernährt sich sehr einseitig und er rät ihr, sie solle sich ausgewogener ernähren, sonst habe sie später Probleme mit ihrer Periode ... Deshalb meine Frage, wie viel Murakami eigentlich von Frauen versteht?

Das Buch erhält von mir acht von zehn Punkten.
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Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


Gelesene Bücher 2016: 09
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Donnerstag, 18. Februar 2016

Haruki Murakami / Tanz mit dem Schafsmann

Klappentext
Im Hotel Delphin gibt es eine dunkle, gruselige Zwischenwelt, in der manchmal der Lift stecken bleibt. Dann kann man dem Schafsmann begegnen. Er ist Schatten und Schutzengel des Erzählers. Und seine Botschaft lautet: "Tanzen. Immer weiter tanzen, solange die Musik spielt." Traum? Realität? Bei Murakami sind sie nicht so genau zu trennen. Mit traumwandlerischer Sicherheit versteht es der japanische Bestsellerautor, erotische Sehnsüchte in seinen Romanen zum Leben zu erwecken. "Tanz mit dem Schafsmann" ist eine wunderbar fesselnde Liebesgeschichte, verführerisch leicht erzählt und mit einem überraschenden Ende.

 Autorenporträt
Haruki Murakami, geboren 1949 in Kyoto, studierte Theaterwissenschaften und Drehbuchschreiben in Tokio. 1974 gründete er den Jazzclub „Peter Cat“, den er bis 1982 leitete. In den 80er Jahren war Murakami dauerhaft in Europa ansässig (u. a. in Frankreich, Italien und Griechenland), 1991 ging er in die USA, ehe er 1995 nach Japan zurückkehrte. Murakami ist der international gefeierte und mit den höchsten japanischen Literaturpreisen ausgezeichnete Autor zahlreicher Romane und Erzählungen. Sein Roman "Gefährliche Geliebte" entzweite das Literarische Quartett, mit "Mister Aufziehvogel" schrieb er das Kultbuch seiner Generation. Ferner hat er die Werke von Raymond Chandler, John Irving, Truman Capote und Raymond Carver ins Japanische übersetzt.
Ich bin Murakami erfahren, allerdings gebe ich dem vorliegenden Band eine zweite Chance. Ich hatte damit schon einmal angefangen und wieder abgebrochen. Es war nicht die richtige Zeit für dieses Buch. Mal schauen, ob die Zeit nun die richtige ist.

Gelesen habe ich von Murakami:
1. Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
2. Die unheimliche Bibliothek                                          
3. IQ84, BD1                                                                      
4. IQ84, BD2                                                                      
5. IQ84 , BD 3

6. Kafka am Strand
7. Naokos Lächeln
8. Schlaf
9. Sputnik Sweetheart
10. Südlich der Grenze, westlich der Sonne 
 Wäre schön, wenn ich das elfte Buch auch noch schaffen könnte.

Die Fettgedruckten haben mir am besten gefallen.





Dienstag, 16. Februar 2016

Jaume Cabré / Die Stimmen des Flusses

Klappentext
Ein großer, dramatischer Roman über das engverflochtene Schicksal einer Handvoll Menschen, die der Spanische Bürgerkrieg zu Gegnern und zu Liebenden macht. Seit Carlos Ruiz Zafóns Der Schatten des Windes hat es keinen Roman aus Spanien gegeben, der seine Leser so in den Sog einer faszinierenden Geschichte zieht wie dieser.

Autorenporträt
Jaume Cabré, geboren 1947 in Barcelona, gehört zu den von Kritik und Publikum heute am meisten geschätzten katalanischen Autoren. Der Roman Die Stimmen des Flusses wurde mit dem Preis der spanischen Kritik ausgezeichnet. 
Der Autor ist mir neu. Das Buch habe ich beim Bücher-Oxfam erworben. Die ersten fünfzig Seiten habe ich schon durch und ich muss sagen, dass ich nicht so leicht reingekommen bin. Ich bin neugierig, wie weit ich kommen werde, und ob ich bis zum Schluss durchhalten kann. Wäre schön, da ich von dem Autor noch ein weiteres Werk im Regal stehen habe. Man wird auf den ersten Seiten gleich mit vielen fremdländischen Namen konfrontiert, die ich noch gar nicht zuordnen kann. Aber der Verlag hat mitgedacht, denn in dem Buch befindet sich ein Lesezeichen, auf dem alle Literaturfiguren mit Namen und deren Funktionen festgehalten sind. Das erhöht meine Chance, mich mit den Figuren und deren Geschichten anzufreunden.

Nachtrag, 18.02.2015
Da ich mit dem Buch nicht warm werden konnte, tausche ich nun Jaume Cabré mit Haruki Murakami. Cabré werde ich lesen, wenn ich viel Zeit und viel Ruhe dafür habe.




Montag, 15. Februar 2016

Joachim Meyerhoff / Wann wird es endlich so, wie es nie war (1)

Alle Toten fliegen hoch

Teil 2


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich war mit dem Buch schon fast durch, als es dann um das Einschläfern des Hundes ging, und die Art und Weise, wie dieses vollbracht wurde, hat mich arg geärgert und sehr traurig gestimmt, sodass ich nicht mehr weiter lesen konnte.

Schon am Anfang bekam ich fast das Würgen, als es darum ging, wer von den fünfköpfigen Familienmitgliedern welche Innereien eines Tieres gerne isst. Alle waren ganz versessen auf die Innereien, aber jeder bevorzugte ganz andere. Igitt.

Ich stellte mir als Leserin die Frage, was denn ein Autor davon hat, die Essvorlieben in solche Details zu packen.



Dann hat mich gestört, dass der Autor Begriffe benutzt, die politisch nicht mehr korrekt sind. Negerküsse. Natürlich war das früher in den 1970er Jahren der Jargon für Schokoküsse. Aber der Autor ist nun kein Kind mehr und wir leben mittlerweile im 21.Jahrhundert.

Das sagt der DUDEN dazu:

Besonderer Hinweis

Wegen der Anlehnung an die diskriminierende Bezeichnung Neger sollte das Wort Negerkuss ebenfalls vermieden und durch Schokokuss oder Schaumkuss ersetzt werden.
 Auch bezüglich der Südländer pflegt der Autor recht klischeehafte Vorstellungen.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Der junge Held in Meyerhoffs zweitem Roman wächst zwischen Hunderten von Verrückten als jüngster Sohn des Direktors einer Kinder- und Jugendpsychiatrie auf – und mag es sogar sehr. Mit zwei Brüdern und einer Mutter, die den Alltag stemmt – und einem Vater, der in der Theorie glänzt, in der Praxis aber stets versagt. Wer schafft es sonst, den Vorsatz, sich mehr zu bewegen, gleich mit einer Bänderdehnung zu bezahlen und die teuren Laufschuhe nie wieder anzuziehen? Oder bei Flaute mit dem Segelboot in Seenot zu geraten und vorher noch den Sohn über Bord zu werfen?Am Ende ist es aber wieder der Tod, der den Glutkern dieses Romans bildet, der Verlust, der nicht wieder gutzumachen ist, die Sehnsucht, die bleibt – und die Erinnerung, die zum Glück unfassbar pralle, lebendige und komische Geschichten hervorbringt
Aber wir, der Autor und ich, haben auch Gemeinsamkeiten. So wie Meyerhoff bin auch ich auf einem Psychiatriegelände groß geworden. Meine Mutter war dort als Krankenschwester tätig. Die Anstalt stellte für die Kinder der MitarbeiterInnen einen Kindergarten und einen Kinderhort zur Verfügung. Auch ich wurde sehr früh von den Bildern psychiatrischer und geistig behinderter Menschen geprägt.

Es waren mir sehr viele Erfahrungen, die der Autor in seinem Buch über das Anstaltsleben beschreibt, mehr als vertraut. Auch weil er zu meiner Generation zählt und damals sahen alle psychiatrischen Krankenhäuser so ziemlich gleich aus. Hohe Backsteingebäude mit dicken Mauern, großes Gelände mit vielen Gebäuden, Parkanlagen, Stationen und Arbeitswerkstätten wie z. B. die Gärtnerei, die Werkstatt, Wäscherei, Großküche und die Bäckerei waren vertreten. Mittlerweile sind diese Arbeitsstätten nach und nach wegrationalisiert worden ... Diese Insel galt als ein kleines Dorf für sich. 
Damals wurden psychisch kranke Menschen zusammen mit geistig behinderten Menschen verwahrt  und sie galten alle als verrückt, wie man schon im Klappentext entnehmen kann ... Auch im Buch wird nicht differenziert und dies scheint wohl der Grund zu sein, weshalb psychisch kranke Menschen in der Gesellschaft mit geistig behinderten Menschen gleichgesetzt werden. Psychisch kranke Menschen sind keineswegs geistig behindert …

Ansonsten hat mir die literarische Sprache nach wie vor gut gefallen. Manche Szenen fand ich recht lustig und gut beschrieben. Doch nach zwei Büchern von Meyerhoff bin ich nun mehr als gesättigt. Ich habe keine Lust mehr auf den dritten Band. Werde überlegen, den wieder abzutreten.

Das Buch erhält von mir sieben von zehn Punkten.

Nachtrag, 16.02.2016
Ich habe mich heute mit meiner Lesepartnerin, die nicht mit Namen benannt werden möchte, da sie selbst auch psychisch krank ist, über das Buch kurz ausgetauscht.. Sie habe das Kapitel mit dem Hund übersprungen, weil ihr das auch zu heftig war. Nein, ich wollte nicht überspringen. Es ist immer gut zu wissen, wie sich Menschen in bestimmten Abschnitten ihres Lebens verhalten. Nicht nur Menschen, sondern auch Tieren gegenüber. Ansonsten sprach meine Lesepartnerin viel über das damalige psychiatrische Anstaltsleben und über eine junge Frau aus dem Buch, die sich wiederholt das Leben versucht hatte zu nehmen, bis der Suizid schließlich gelang. Meine Lesepartnerin kennt diese Suizidversuche aus eigener Erfahrung. Und durch das Buch hat sie erleben dürfen, dass solche Versuche eben tatsächlich mit dem Tod enden können.

Ob wir den dritten Band lesen werden, entscheiden wir, wenn es so weit ist. Mitte März dieses Jahres. 
_____
Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


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Samstag, 13. Februar 2016

Joachim Meyerhoff / Wann wird es endlich so, wie es nie war

Alle Toten fliegen hoch

Teil 2

Klappentext
Der junge Held in Meyerhoffs zweitem Roman wächst zwischen Hunderten von Verrückten als jüngster Sohn des Direktors einer Kinder- und Jugendpsychiatrie auf – und mag es sogar sehr. Mit zwei Brüdern und einer Mutter, die den Alltag stemmt – und einem Vater, der in der Theorie glänzt, in der Praxis aber stets versagt. Wer schafft es sonst, den Vorsatz, sich mehr zu bewegen, gleich mit einer Bänderdehnung zu bezahlen und die teuren Laufschuhe nie wieder anzuziehen? Oder bei Flaute mit dem Segelboot in Seenot zu geraten und vorher noch den Sohn über Bord zu werfen?Am Ende ist es aber wieder der Tod, der den Glutkern dieses Romans bildet, der Verlust, der nicht wieder gutzumachen ist, die Sehnsucht, die bleibt – und die Erinnerung, die zum Glück unfassbar pralle, lebendige und komische Geschichten hervorbringt.


Autorenporträt
Joachim Meyerhoff, geboren 1967 in Homburg/Saar, aufgewachsen in Schleswig, ist seit 2005 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. In seinem sechsteiligen Zyklus Alle Toten fliegen hoch trat er als Erzähler auf die Bühne und wurde zum Theatertreffen 2009 eingeladen. 2007 wurde er zum Schauspieler des Jahres gewählt. Für seinen Debütroman wurde er mit dem Franz-Tumler-Literaturpreis 2011 und dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Weitere Titel bei Kiepenheuer & Witsch: Alle Toten fliegen hoch. Amerika, Roman, 2011, KiWi 1277, 2013, Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war, Roman, 2013, KiWi 1383, 2015.
Teil 1 habe ich zusammen mit einer Lesepartnerin im Januar gelesen. Im Februar folg der zweite Teil und Teil 3 lesen wir im März, wobei die Reihenfolge völlig unwichtig ist. Im ersten Teil bekommt man es mit dem Jugendlichen Joachim zu tun, im zweiten Teil ist Joachim gerade mal acht Jahre alt.

Na gut, den vorliegenden zweiten Band finde ich auch recht gut. Ich befinde mich gerade auf der 110. Seite, sodass ich mir schon ein Bild zu dem Buch machen konnte ...
Der Autor verfügt über jede Menge Potenzial, mit der literarischen Sprache spielerisch umzugehen. Mir gefällt sie recht gut. Oftmals ist sie auch sehr humoristisch.

Schon den Titel finde ich genial gewählt. Wann wird es endlich so, wie es nie war? 
Und Alle Toten fliegen hoch, so rechne ich auch in diesem Band mit einem Todesverlust. Im ersten Band verstarb ein Bruder von Joachim. Wer stirbt hier?

Ich lasse mich gerne überraschen. Vielleicht täusche ich mich auch.




Donnerstag, 11. Februar 2016

Astrid Lindgren / Zum Donnerdrummel (1)

Ein Werk-Porträt 

Hrsg. Paul Berf und Astrid Surmatz

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

  
In dem Buch sind sehr viele Kinderbücher von Astrid Lindgren in gekürzter Form abgedruckt, die im Anschluss besprochen werden. Da ich sowieso die Absicht habe, mir die Kinderbücher später erneut vorzunehmen, habe ich einige Geschichten darin übersprungen. Diese werde ich auf später verschieben, so mache ich es dann Henning Mankell gleich, der auch die Lindgren-Bücher im erwachsenen Alter ein weiteres Mal gelesen hat. Die Bücher nochmals zu lesen, im Alter, wo man dem kindlichen Humor schon längst entwachsen ist, stelle ich mir wundervoll vor, vor allem, wenn man innerlich selbst ein bisschen Kind geblieben und offen für diese Art von Humor ist.

Astrid Lindgren hatte eine glückliche Kindheit. Dieser glücklichen Kindheit haben wir die vielen schönen Kinderbücher von ihr zu verdanken. Nur wenige Menschen hatten zu ihrer Zeit dieses Glück. Pippi Langstrumpf war ihr erstes Kinderbuch. Wer wünschte sich nicht, ein bisschen wie Pippi zu sein? Souverän, autonom, sozial, reich, gutmütig, tierlieb, stark, klug und gerechtigkeitsempfindend. Alles, was man braucht, um sich gegen diese engstirnige Erwachsenenwelt durchzusetzen, und trotzdem ein gutes Leben haben. 
Eine kleine Pippi sollte eigentlich jeder in sich bewahren. Zu schnell ordnet man sich Regeln unter, die andere für einen machen. Und wie oft gibt man sich zu leicht zufrieden. Pippi hingegen ist eine Rebellin - sie macht Sachen, die sie richtig findet. Als Kind versteht man zuerst gar nicht, was sie eigentlich Verbotenes oder Falsches tut. Erst wenn man älter wird und sich anpasst, erst wenn man die Bevormundung und die gängigen Normen akzeptiert hat, wundert man sich über Pippi. Es ist schade, dass Kindern durch Erziehung ihre Wildheit und Unverstelltheit genommen wird. Dabei ist gerade dieses Unbändige der Kinder so herrlich!
Ich unterscheide zwischen der Film-Pippi und der Buch-Pippi. Beide Medien haben mich geprägt. Doch der Humor, so finde ich, kommt im Buch viel stärker zur Geltung als im Film. Im Film wird man zu sehr von den absurden filmischen Spektakeln abgelenkt, als dass man auf die Wortwahl achtet. Auf einigen Seiten wurde ich so zum Lachen angeregt, dass ich mich richtig darauf freue, die Bücher wieder zu lesen.

Als Annika und Tommi die neunjährige Pippi kennengelernt haben, wundern sie sich, dass Pippi so ganz ohne Eltern in der Villa Kunterbunt lebt:
>>Wohnst du hier ganz allein?<<
>>Aber nein, Herr Nielsson und das Pferd wohnen ja auch hier.<<
>>Ja aber ich meine, hast du keine Mama und keinen Papa hier?<<
>>Nein, gar nicht.<<
>>Aber wer sagt dir, wann du abends ins Bett gehen sollst und all so was?<<
>>Das mach ich selbst. (…) Erst sage ich es ganz freundlich, wenn ich nicht gehorche, dann sage ich es noch mal streng, und wenn ich dann immer noch nicht hören will, dann gibt es Haue.<<
Auch dieser Dialog brachte mich so richtig zum Lachen.

Nächstes Beispiel:
>>Am besten, ihr geht jetzt nach Hause, (…) damit ihr morgen wiederkommen könnt. Denn wenn ihr nicht nach Hause geht, dann könntet ihr nicht wiederkommen. Und das wäre schade.<< 
Diese Form von kindlicher Logik finde ich einfach genial. Auch die Szene, als Pippi sich als Sachensucher bezeichnet, amüsierte mich. Hier werden die Wertvorstellungen, die von den Erwachsenen aufgeladen werden, ein wenig verschoben. Pippi hat Freude auch an Gegenständen, die in den Augen der Erwachsenen eigentlich völlig wertlos sind.

Auf Seite 165 bezeichnet sich Pippi als schüchtern. Kann man sich nicht vorstellen. Pippi und schüchtern. Pippi ist zu einem Kaffeekränzchen bei den Settergrens eingeladen, Settergrens, so heißen Annika und Tommi mit dem Familiennamen. Pippi bemüht sich sehr, anständig aufzutreten, um das Geschwisterpaar nicht zu blamieren. Sie schenkt der Frau Settergren einen Knicks und sagt:
>>Ich bin nämlich sehr schüchtern, und wenn ich mich nicht selber kommandiere, dann würde ich in der Diele stehen bleiben und nicht wagen, hereinzukommen.<< 
Sich selber kommandieren. :).

Pippi Langstrumpf wurde in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Für die einen stellte sie eine Revolution im Kinderzimmer dar, andere sahen in Pippi eine unangenehme Figur, die an der Seele kratzt. 
Welch ein Glück für mich, dass die Kinder nichts dagegen hatten, von Pippi an ihren Seelen gekratzt zu werden. Aber es gab Erwachsene, die baten, Gott möge sie vor Pippi bewahren. Um das zu verstehen, braucht man bloß die Leserbriefspalten der Zeitungen damals zu studieren.
Für viele war sie nicht erwünscht. Mit einigen bösen Fantasien wurde Lindgren zudem noch konfrontiert: 
Da gab es beispielsweise einen Mann, der vorschlug, man solle mir einen Mühlstein um den Hals binden, damit man mich in der Tiefe des Meeres versenken könne. Und da war die Frau, die im Radio eine Sendung über >>diesen wahrlich widerwärtigen Frechdachs<< gehört hatte. Verhämt wollte sie nun wissen: >>Gibt es bei uns wirklich so wenig gute Kinderliteratur, dass man einen solchen Nonsens veröffentlichen muss?<< 
Während die einen das Buch vehement zurückgewiesen hatten, haben es andere umso mehr willkommen geheißen. In Deutschland wurde Lindgren von dem Hamburger Verlag namens Friedrich Oetinger mit Handkuss umworben. Friedrich Oetinger war Ende der 1940er Jahre noch ein recht kleiner Verlag und schwamm in roten Zahlen. Mit Astrid Lindgrens Erstlingswerk hatte er einen guten Riecher und riskierte die Veröffentlichung der Pippi Langstrumpf. Und  hierzu aus der Sicht Lindgrens: 
Friedrich Oetinger muss Menschenkenntnis besitzen - denn sonst könnte er nicht mit überempfindlichen, leicht erregbaren, umständlichen und schwierigen Individuen, wie es die Autoren sind, umgehen. Er muss literarisches Verständnis haben - denn sonst könnte er ein gutes Buch nicht erkennen. Und er muss ein guter Kaufmann sein - denn sonst hätte er bald keinen Verlag mehr. Friedrich Oetinger besitzt diese drei Eigenschaften, meine ich. Welch ein Glück, dass solch ein Mann an jenem Vorfrühlingstag 1949 zu mir kam. 
Und Oetinger hatte sich nicht getäuscht. Noch heute zählt er zu einem bedeutenden Kinder- und Jugendbuchverlag. Und als klein kann man ihn nun wahrlich nicht mehr bezeichnen.

Das Werk Pippi Langstrumpf wurde von vielen Literaturwissenschaftlern, Pädagogen, Lehrern und Eltern belächelt und abgelehnt. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Diese verhalten sich oft, als wären sie die Päpste der Literatur.
Viele Erwachsene machten sich Sorgen, dass die Kinder Pippi nachahmen würden. Doch wer Pippi Langstrumpf verbieten wollte, der sollte auch Märchen verbieten. Kein Kind der Welt ahmt den Figuren aus dem bösen Märchen nach ...
Im >Trostbuch<, wie Lindgren die >>Brüder Löwenherz<< nennt, wird er jedoch zur >>recht gefährlichen Spielsache für junge Menschen<<. Als am gefährlichsten wird freilich Astrid Lindgren empfunden und das ist sicher richtig. Denn hier ist eine Frau, die unbeirrt zuerst an die Kinder denkt, für die sie schreibt, und die genau weiß, was die Kinder brauchen und >>dass ich die Kinder auf meiner Seite habe. Aber alle anderen?<<Allen anderen ist zu raten, es wie die Kinder zu machen, Bücher selbst zu lesen und sich so wenig wie die Kinder eine Meinung aufreden zu lassen. 
In dem Buch Brüder Löwenherz thematisiert die Autorin ein Tabuthema und zwar den Tod. Und wieder regt sich die halbe Welt darüber auf, dass der Tod in den Kinderbüchern nichts zu suchen habe ... In dieser Geschichte verarbeitet Lindgren ein wenig den Tod ihres frühverstorbenen Sohnes ...

Astrid Lindgren wurde mit Vorstellungen konfrontiert, dass z. B. eine „freie Erziehung“ den Kindern schaden könnte. Sie, selbst Mutter von zwei Kindern, konnte diese Sorgen aus eigener Erfahrung nun nicht bestätigen. Sie habe ihre Kinder frei erzogen und trotzdem hätten sie Pippis Lebensstil nicht nachgeahmt. Kinder würden Bücher anders lesen als Erwachsene, für die hauptsächlich alles vernünftig, logisch, und gut durchdacht sein müsse. Es seien eher ganz andere Missstände, die die Kinder in Wirklichkeit negativ beeinflussen würden, Missstände, über die sich niemand aufregen würde, wie z. B. starre Regeln, permanente Reglementierungen und Gewalt im TV.

Die Achtung vor dem Kind sei genauso wichtig wie die Achtung vor dem Erwachsenen.
Behandelt eure Kinder mit ungefähr der gleichen Rücksicht, die ihr wohl oder übel euren erwachsenen Mitmenschen zeigt. Schenkt den Kindern Liebe, mehr Liebe und noch mehr Liebe, dann kommen die Manieren von allein. 
Lindgren vermutet hinter jedem Diktator das mal einst gewesene Kind, das z. B. aus einer Gesellschaft kommt, die körperliche und seelische Züchtigungen in der Erziehung verherrlicht hat.

1978 erhielt Astrid Lindgren den Friedenspreis. Sie sprach sich gegen jede Form von Gewalt aus, äußerte pazifistische Ambitionen. Auch die autoritäre Erziehung lehnt sie kategorisch ab. Lindgren setzt sich für den Weltfrieden ein, kommuniziert via Briefkontakt auch mit Politikern, z.B. mit Gorbatschow, indem beiden das Hauptanliegen ist, die   Kinder politisch in den Mittelpunkt zu stellen.
An den Frieden denken heißt an die Kinder denken. Niemand hat das Recht, auf internationaler Ebene so zu handeln, dass die Kinder, wo sie auch leben, der Zukunft beraubt und Opfer der unbedachten Politik der Erwachsenen werden. (Aus einem Brief Gorbatschows an Astrid Lindgren)
Es seien nicht die Kinderbücher, nicht die antiautoritäre Erziehung, die die Kinder verderben würden:
Sie sehen und hören und lesen es täglich, und schließlich glauben sie gar, Gewalt sei ein natürlicher Zustand. Müssen wir ihnen dann nicht wenigstens daheim durch unser Beispiel zeigen, dass es eine andere Art zu leben gibt? 
Astrid Lindgren war ihrer Zeit um einiges voraus. Ich denke dabei an die 1968er Studentenrevolte, in der sich die jungen Intellektuellen für eine bessere Welt eingesetzt haben. Eine Welt, die frei von Kriegen ist. Auch forderten sie eine gewaltfreie Erziehung …

Lindgren hat den Kampf schließlich als Kinderbuchautorin international gewonnen. Die Bücher wurden in vielen Sprachen übersetzt. Man konfrontierte sie mit der Frage, ob sie sich nun als eine erfolgreiche Autorin wie eine Heilige fühlen würde? Die Frage fand ich schon recht merkwürdig, vor allem den Begriff >Heilige< fand ich unpassend gewählt. Umso mehr gefällt mir die Antwort dazu: 
Nein, warum sollte ich das tun. Ich habe nicht das Gefühl, über einem einzigen Menschen zu stehen. Was du da anscheinend sagen willst, geht mich nichts an. Das alles ist doch nur Eitelkeit und vergebliche Liebesmühe. Wir sind doch alle gleich und alle sind kleine süße Kinder gewesen, die erwachsen geworden sind und sterben werden. Was hat man da schon davon, in über 50 Sprachen übersetzt zu sein? Aber wenn >>the big bang<< kommt und kein Mensch mehr weiß, dass es einmal jemanden wie zum Beispiel Mozart gegeben hat, darüber kann man schon traurig sein. 
Mein Fazit?

Dieses Werk-Porträt habe ich ein wenig wie eine Astrid-Lindgren-Bibel erlebt. Ich werde sie sicher, wenn ich ihre Bücher neu gelesen habe, immer mal wieder herauspacken und mir die Buchgespräche vornehmen und diese mit meinen Leseerfahrungen vergleichen.

Und es gibt sogar einige Bücher, die ich gar nicht gekannt habe, wie z.B. das Märchen von Pomperipossa in Monismanien, die Kati-Werke oder Ronjas Räubertochter. Ronjas Räubertochter kenne ich nur vom Hörensagen, ist erst in den 1980er Jahren hier in Deutschland erschienen. 1980 hatte ich mit Lindgren längst abgeschlossen. Welcher Jugendliche liest noch Kinderbücher? Aber im fortgeschrittenen Alter kann das Interesse neu entfacht werden.

In dem Werk-Porträt erfährt man auch die Entstehungsgeschichten, wie z.B. der von Pippi Langstrumpf. Pippi Langstrumpf feiert dieses Jahr ihren 71. Geburtstag. Wer erfand die Pippi Langstrumpf?
Die Tochter Lindgrens lag sehr krank im Bett, mit hohem Fieber, im Delirium bat sie ihre Mutter, eine Geschichte über Pippi Langstrumpf zu erzählen. Das hat mir schon sehr imponiert.

Diskutiert werden noch jede Menge anderer Fragen und Themen, z.B. auch über die kritische Haltung von Nutztieren … Auch den Tieren gibt Lindgren ihre Stimme.

Des Weiteren findet man neben Mankell noch andere bekannte AutorInnen, die selber mit den Lindgrenbüchern groß geworden sind. Und jede Menge Interviews und viele, viele Fotos sind in dem Buch enthalten. Das macht das Ganze noch ein wenig lebendiger.

Nun habe ich aber genug geschrieben. Ich möchte nicht mehr verraten und verweise auf das Buch, das von mir zehn von zehn Punkten erhält.

In meinem Regal befinden sich noch drei ungelesene Autobiografien, werde demnach noch viel Gelegenheit haben, mehr über Lindgrens Leben zu berichten, weshalb ich mich in dieser Buchbesprechung mehr auf die Werke bezogen habe. Das Buch heißt im Untertitel nicht umsonst Ein Werkporträt. Leserinnen und Leser, die sich mehr für das Leben Lindgrens interessieren, und die Kinderbücher eher zweitrangig betrachten, werden hier auf jeden Fall auch fündig werden. Ansonsten rate ich zu echten Auto/Biografien.
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Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


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Samstag, 6. Februar 2016

Astrid Lindgren / Zum Donnerdrummel!

Ein Werk-Porträt 

 Hrsg. Paul Berf und Astrid Surmatz

Klappentext
Eine Fundgrube für alle, die Astrid Lindgren lieben. Auf fast 1.000 Seiten versammelt das Werk-Porträt Ausschnitte aus den Kinderbüchern von Astrid Lindgren sowie Briefe, Reden und Aufsätze der engagierten Autorin. Erstmals gibt es Teile der "Ur-Pippi" auf deutsch. Frühe Rezensionen zeigen, wie umstritten Pippi Langstrumpf war, als das Buch erschien. Henning Mankell, Kirsten Boie, Per Olov Enquist, Otfried Preußler und viele andere schreiben über Astrid Lindgren und zeichnen ein umfassendes und vielschichtiges Bild der berühmten Erzählerin. Mit vielen Fotos, Illustrationen und Abbildungen von Originaldokumenten sowie dem kompletten Text von "Ronja Räubertochter". www.astridlindgren.de


Autorenporträt
Astrid Lindgren wurde 1907 im schwedischen Smäland geboren und starb 2002 in Stockholm. Die berühmteste Kinderbuchautorin  des 20. Jahrhunderts wurde unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, dem alternativen Nobelpreis und dem Schwedischen Staatspreis ausgezeichnet. 
Das Buch ist schon älter. Es kam 2002 auf dem Buchmarkt. 2002 war Astrid Lindgrens Todesjahr. Ich selbst habe es beim Bücher-Oxfam erworben. Ich nehme alles mit, worauf Astrid Lindgren steht.

Ich habe schon viele Seiten gelesen und habe die Ur-Pippi kennengelernt. Ich kannte die Ur-Pippi zuvor gar nicht. Pippi Langstrumpf war zu der Zeit, als sie erschien, sehr umstritten.

Viele ihrer Kinderbücher sind in dem Buch abgedruckt. Ich werde nicht alle lesen, da ich mir die Bücher eher für später vornehmen möchte.  Mich interessieren viel mehr Informationen zu Astrid Lindgren. Wie sie zu den Ideen gefunden hat. Wie sie zu dieser Zeit selbst gelebt hat, und wie sie es geschafft hat, ihren Weg als Kinderbuchautorin international durchzuboxen. Sie ist weltweit bekannt. Auf den zweihundert Seiten, die ich schon gelesen habe, habe ich auch sehr viel Weisheit finden können. Astrid Lindgren gibt immer wieder den Kindern eine Stimme. Sie ergreift immer Partei für die jungen Leute, die sich der Welt der Erwachsen beugen müssen:
"Es ist nicht leicht, Kind zu sein. (Denn die Erwachsenen) ahnen Fürsten, wo sie Kinder sehen, aber erwachsene Könige nirgends stehen".
Gefreut habe ich mich auch zu lesen, dass Astrid Lindgren 1985 sich für den Tierschutz eingesetzt hat. Sie protestierte gegen die Massentierhaltung. In ihren Artikeln erschienen die Tiere als Lebewesen mit dem Recht auf freie Entfaltung und sexuelle Selbstbestimmung.

Nun bin ich auf Weiteres gespannt.






Freitag, 5. Februar 2016

David Foenkinos / Charlotte (1)

Lesen mit Anne ...


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein sehr schwermütiges Buch, eines von der heftigsten Sorte, eines, das ich bisher in dieser Art noch nicht gelesen habe. Schon das Cover ist von einer tiefen Traurigkeit gezeichnet ... Und in der Tat, es lastet eine seelische Schwere in den Lebensläufen mancher ProtagonistInnen …

Beginnen möchte ich gleich vorneweg mit Charlottes Großmutter mütterlicherseits, bevor ich erneut den Klappentext reingebe, in dem alles Notwendige drinsteht, da ich selbst nicht allzu viel verraten möchte:

Das Drama um ihre beiden Töchter. Es war nur der Höhepunkt einer ganzen Serie von Selbstmorden. Schon ihr Bruder war ins Wasser gegangen. Weil er so unglücklich in seiner Ehe war. Er war promovierter Jurist, und erst 28, als er starb. Tagelang blieb sein Leichnam im Wohnzimmer aufgebahrt. Und die Familie schlief an seiner Seite.
Sie wollte ihn nicht gehen lassen.Die Wohnung sollte sein Grab sein.

Diese Vorstellung, das Wohnzimmer zu einer Grabstätte umwandeln zu wollen, fand ich schon außergewöhnlich von der Idee her, wäre nicht dieser Verwesungsgeruch, der sich in dem Raum breitmachte, denn ... 

… erst der Verwesungsgeruch bereitete dem Spektakel ein Ende. Als man ihn wegtrug, versuchte die Mutter, ihren Sohn zurückzuhalten. Den Tod konnte sie hinnehmen, nicht aber, dass man ihn fortschaffte.

Der Tod der vielen Suizidentinnen und Suizidenten basierte nicht aus den Folgen des Nationalsozialismus´, wie ich erst kurz zu glauben versucht habe. Die Unglücklichen schieden aus dem Leben, da gab es den Hitler in Deutschland noch nicht. Es ist wirklich eine sehr tragische Lebensgeschichte, in der sich die Depression von einer Generation in die nächste schleicht und sich an deren Seele festkrallt. Nicht zu vergessen, dass das Leben der Charlotte Salomon keine fiktive Figur ist, sondern eine sehr begabte Malerin, die es wirklich gegeben hat, die von den Nazis 1944 vergast wurde.

 Nun wird es Zeit, zur  Erinnerung erneut den Klappentext reinzugeben:

„Das ist mein ganzes Leben“ – mit diesen Worten übergibt Charlotte 1942 einem Vertrauten einen Koffer voller Bilder. Sie sind im französischen Exil entstanden und erzählen, wie sie als kleines Mädchen, damals im Berlin der 1920er, nach dem Tod der Mutter das Alleinsein lernt, während sich ihr Vater, ein angesehener Arzt, in die Arbeit stürzt. Dann die Jahre, in denen das kulturelle Leben wieder Einzug hält bei den Salomons. Die Stiefmutter ist eine berühmte Sängerin; man ist bekannt mit Albert Einstein, Erich Mendelsohn, Albert Schweitzer. Charlotte beginnt zu malen, und es entstehen Bilder, in denen dieses einzelgängerische, verträumte Mädchen sein Innerstes nach außen kehrt, Bilder, die von großer Begabung zeugen. Doch dann ergreift 1933 der Hass die Macht, es folgen Flucht, Exil, aber auch Leidenschaft und Heirat. Nur ihre Bilder überleben – Zeugnis ihrer anrührenden Geschichte, die David Foenkinos nahe an der historischen Realität entlang erzählt.

Charlotte, die schon recht früh diese menschlichen Verluste hat hinnehmen müssen, fühlt sich von der Welt nicht ausreichend geliebt. Sie bewundert ihre beste Schulfreundin, die ihre Zeit nun lieber mit einer neuen Schulkameradin verbringt. Charlotte wundert sich, wie schnell die neue Schulkameradin Freundschaften zu schließen in der Lage ist:

Manche haben eben die Gabe, geliebt zu werden.Charlotte hat Angst, von allen im Stich gelassen zu werden. Am besten gar keine Freundschaft mehr schließen. Es ist doch sowieso nichts von Dauer. Man muss sich vor möglichen Enttäuschungen schützen. 

Charlotte erfährt erst sehr spät, dass die Mutter den Freitod wählte. Der Vater wollte seine Tochter emotional schonen. Als sie klein war, fünf Jahre alt, bereitete ihre Mutter sie auf das Weggehen vor. Sie würde zu den Engeln fliegen und sie würde ihr Kind vom Himmel aus immer beschützen. Als die Mutter schließlich tot war, war die fünfjährige Charlotte nicht traurig, denn sie glaubte fest daran, dass ihre Mutter bei den Engeln sei und sie von oben hinunterschauen würde. Das Kind tröstete mit diesen Worten den weinenden Vater.

Dies waren ein paar Szenen, die mich sehr beschäftigt haben, so sehr betroffen haben sie mich gestimmt.

Charlotte ist als Nachwuchskünstlerin mehr als erfolgreich. An der Kunsthochschule sollte sie mit ihren Bildern den ersten Preis erwerben, aber durch den Nationalsozialismus konnte sie als die beste Malerin nicht nominiert werden, da sie jüdischer Abstammung war, also ging der Preis unverdientermaßen an ihre Kommilitonin, die ihn ausgiebig zu feiern wusste. Man wollte Charlotte vor den Nazis schützen. Und so konnte Charlotte nur zugucken, wie ihr Preis an jemand Arisches verliehen wurde. 

Dann verkündete der Professor mit tonloser Stimme: Der erste Preis geht an Charlotte Salomon. Augenblicklich macht sich Unbehagen breit. Unmöglich, dass sie den Preis bekommt. Das würde zu viel Aufsehen erregen. Die Schule sei von jüdischen Elementen unterwandert, hieße es. Die Gewinnerin würde ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Sie könnte das Ziel von Anfeindungen werden. Womöglich würde man sie sogar ins Gefängnis bringen. 

Charlotte ist ein sehr introvertierter junger Mensch. Innerlich zurückgezogen, verträumt und auch recht nachdenklich. Sie lässt andere Menschen an ihrer Innenwelt nur über ihre gemalten Bilder teilnehmen. Man kommt schwer an sie heran. Selbst die Großeltern finden kaum Zugang zu ihr. Charlotte entwickelt immer mehr ernste Charakterzüge ihrer suizidierten Mutter, die wiederum den Tod ihrer Schwester nicht hat verwinden können. Obwohl schon viele Jahre dazwischen lagen. Charlotte trägt schon alleine durch ihren Vornamen eine große Last, denn ihre suizidierte Tante, Mutters Schwester, ist ihre Namensvetterin.

Charlottes Vater, der als angesehener Chirurg in seine Arbeit flüchtet, heiratet neu. Eine Sängerin namens Paula, die in der Öffentlichkeit einen guten Ruf genießt. Paula ist keinesfalls eine Stiefmutter, wie sie im bösen Märchen beschrieben wird. Sie ist sehr um Charlotte bemüht und ersetzt ihr die Mutter bestmöglich. Es entwickelt sich eine recht liebevolle Mutter-Kind-Beziehung.

Da der Nationalsozialismus immer weitere Kreise zieht, und das Leben in Deutschland für die Juden immer enger zu werden droht, reist Charlotte auf den Druck ihres Vaters und ihrer Stiefmutter hin ihren Großeltern nach Frankreich nach und lebt dort im Exil. Charlottes Vater wurde einmal von der Gestapo abgeholt und ins Arbeitslager gebracht. Dank Paula, die es schaffte, ihn da wieder rauszuholen, doch er war nicht mehr derselbe. Zuviel hatte er im Arbeitslager gesehen, weshalb er nun darauf bestand, dass Charlotte Deutschland so schnell wie möglich verlassen sollte.

Charlotte lässt nicht nur ihre Eltern zurück, sondern auch ihre erste große Liebe.

Was danach kommt, ist dem Buch zu entnehmen.

Mein Fazit?

Der Autor David Foenkinos hat supergut über das Leben der Charlotte Salomon recherchiert und gekonnt über ihr Schicksal und das ihrer Angehörigen geschrieben. Sehr ausdrucksstark und empathisch habe ich das Buch erlebt. Er konnte sich wirklich gut in diese Menschenschicksale hineinversetzen.

Der Schluss hatte mich auch recht nachdenklich gestimmt. Die Eltern flohen in die Niederlande und hatten Glück, dass sie dort den Nationalsozialismus überleben konnten. Dass Charlotte in Frankreich nicht dasselbe Glück ereilte, erfüllte sie mit tiefer Trauer und mit lebenslangen Schuldgefühlen.

Für mich sehr gewöhnungsbedürftig war allerdings der Schreibstil. Der Autor wählte die Prosa in Versen, sodass das flüssige Lesen nicht möglich war. Absicht? Wahrscheinlich, damit man nicht rasend zu den nächsten Seiten eilt. Mir kam das Lesen ein wenig stockend vor, hat aber nichts an der Qualität des Inhalts eingebüßt. Das Stocken habe ich als angenehm empfunden; kurz aufhören zu lesen, um das Gelesene innerlich wirken zu lassen.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.


Nachtrag: Telefonat zwischen Anne und mir:

Wir haben beide dasselbe empfunden, ein sehr trauriges Buch, das einen emotional aufwühlt. Auch Anne stimmte die Biografie sehr nachdenklich. Ein Plädoyer an die Nachwelt, die Welt menschlicher zu machen, indem man aus der Geschichte lernt. Nicht weggucken, nicht vergessen, sondern das Schicksal dieser Opfer mittragen und emotional aushalten. Das ist man ihnen schuldig. 

Und hier geht es zu Annes Buchbesprechung

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Wer sich im Vertrauten verirrt
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braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


Gelesene Bücher 2016: 06
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Montag, 1. Februar 2016

David Foenkinos / Charlotte

Lesen mit Anne ...

Und wieder ist ein Monat vergangen. Meine Bücherfreundin Anne und ich lesen gemeinsam ein Buch. Diesmal bin ich mit dem Aussuchen der Lektüre dran und habe mich bei der zweiten Wahl für die Charlotte entschieden, die erst am vergangenen Samstag bei mir eingezogen ist. Meine erste Wahl fiel auf die Autobiografie von Astrid Lindgren. Doch nachdem unsere gemeinsame Bücherfreundin Claudia Kowalski, die das Buch schon vor längerer Zeit gelesen hat, auf unsere Leseerfahrung neugierig ist, habe ich dann schließlich die Charlotte vorgezogen. Dadurch, dass ich mir dieses Buch angeschafft habe, ist Claudia zu verdanken, die mich durch ihre Rezension auf das Buch neugierig gestimmt hat.



Klappentext
„Das ist mein ganzes Leben“ – mit diesen Worten übergibt Charlotte 1942 einem Vertrauten einen Koffer voller Bilder. Sie sind im französischen Exil entstanden und erzählen, wie sie als kleines Mädchen, damals im Berlin der 1920er, nach dem Tod der Mutter das Alleinsein lernt, während sich ihr Vater, ein angesehener Arzt, in die Arbeit stürzt. Dann die Jahre, in denen das kulturelle Leben wieder Einzug hält bei den Salomons. Die Stiefmutter ist eine berühmte Sängerin; man ist bekannt mit Albert Einstein, Erich Mendelsohn, Albert Schweitzer. Charlotte beginnt zu malen, und es entstehen Bilder, in denen dieses einzelgängerische, verträumte Mädchen sein Innerstes nach außen kehrt, Bilder, die von großer Begabung zeugen. Doch dann ergreift 1933 der Hass die Macht, es folgen Flucht, Exil, aber auch Leidenschaft und Heirat. Nur ihre Bilder überleben – Zeugnis ihrer anrührenden Geschichte, die David Foenkinos nahe an der historischen Realität entlang erzählt.


Autorenporträt
David Foenkinos ist ein französicher Autor, ist 1974 geboren, lebt als Schriftsteller und Drehbuchautor in Paris. Seit 2002 veröffentlicht er Romane, darunter den Millionenbestseller „Nathalie küsst“, der von Foenkinos selbst (zusammen mit seinem Bruder Stéphane) mit Audrey Tautou und François Damiens in den Hauptrollen verfilmt wurde. Seine Bücher werden in rund vierzig Sprachen übersetzt. Sein neuer Roman, „Charlotte“, wurde 2014 mit dem Prix Renaudot und dem Prix Goncourt des lycéens ausgezeichnet und hat sich allein in Frankreich rund eine halbe Million Mal verkauft.

Und hier geht es zu unserer gemeinsamen Bücherliste