Mittwoch, 27. Januar 2016

Bruce Chatwin / Traumpfade

Klappentext
Traumpfade – das sind die unsichtbaren labyrinthischen Wege, die den australischen Kontinent duchziehen und entlang derer, so will es der Schöpfungsmythos der Ureinwohner, die Ahnen wanderten und mit ihren Liedern die Welt erschlossen. Chatwin geht diesen Fußspuren in seinem faszinierenden Buch nach, das, Roman und Reisebericht zugleich, ein Glücksfall der zeitgenössischen Literatur ist.



Autorenporträt
Bruce Chatwin, 1940 in Sheffield geboren, arbeitete als Jour-nalist bei der ›SundayTimes‹, dann als Leiter derAbteilung für Impressionismus bei Sotheby's. Ausgedehnte Reisen seit 1962 führten ihn nach Afghanistan, in die Sowjetunion, nach Ost-europa, Westafrika, Lateinamerika, Australien. Chatwin starb 1989 in Nizza.

Bruce Chatwin ist mir nicht bekannt. Habe ihn in der Buchhandlung entdeckt. Mich hat das Cover angesprochen. Und auch der Inhalt machte mich neugierig. Mentales Reisen nenne ich das. Seit ich Haustiere habe, bin ich nicht mehr gereist.



Dienstag, 26. Januar 2016

Amos Oz / Der dritte Zustand (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich bin mit dem Buch nicht warm geworden. Oder vielmehr mit den Protagonisten. Sie waren mir nicht besonders sympathisch. Irgendwie denke ich, dass es die Chemie war, die zwischen uns nicht gestimmt hat.
Ich habe viele Zettelchen zwischen den Buchseiten kleben, aber ich werde sie nicht bearbeiten. Ich habe schon viel getan, dass ich das Buch, ohne es abzubrechen, bis zur letzten Seite durchgehalten habe.

Manche Szenen fand ich aber schon bemerkenswert, auch viele Gedanken fand ich gut. Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext ein:

Mit dem ironischen Porträt des sich selbst quälenden Intellektuellen Fima ist Amos Oz nicht nur eine Diagnose der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft gelungen, sondern zugleich ein äußerst humor- und liebevolles Porträt der täglich mit den Fragen von Leben und Tod konfrontierten einzelnen Israelis. Denn hier werden die Hoffnungen wie Ängste der Israelis auf das genaueste dargestellt: Jerusalem erscheint als völlig verrottet, nichts funktioniert, jeder »zweite Typ ein halber Prophet und ein halber Ministerpräsident«, kurz: »ein Irrenhaus«.
Die politischen Themen sind recht interessant, die der Autor in seinem Buch mithilfe seiner Figuren behandelt. Vor allem der Protagonist Efraim Nissan, die Kurzform Fima, scheint ein Pazifist zu sein, denn nur Pazifisten sehnen sich nach Frieden ohne Gewalt. Vor allem sehnt er sich nach Frieden zwischen Israel und Palästina. Er stellt sich oft die Frage, ob die Juden genauso schlecht wären wie die Nazis, mit dem, was sie den Arabern an Gewalt zufügen würden. Fimas Vater dagegen ist anderer Meinung. Man müsse kein Mitleid mit den Arabern haben, denn schließlich würden sie über bis zu 37 (arabische) Staaten verfügen, während den Juden mit Israel nur ein einziger Staat gehört.

Fima ist Mitte fünfzig und von Beruf Historiker. Er ist journalistisch tätig, arbeitet allerdings nebenbei in einer gynäkologischen Praxis als Sprechstundengehilfe.

Fima kam mir ein wenig gestört vor. Er ist nicht in der Lage, eine freundschaftliche Beziehung einzugehen, geschweige denn eine partnerschaftliche. In seinen jungen Jahren hatte er drei Bewerberinnen. Er konnte sich nicht entscheiden und so stellte er alle drei Frauen seinem Vater vor. Der Vater wählte aus und so wurde Fima mit dieser Auserwählten vermählt. Nur leider hielt die Ehe nicht lange und sie wurde wieder geschieden. Aber der Kontakt bleibt zu den drei Frauen, auch sexuell, noch weiter bestehen. Fima heiratet nicht wieder, geht immer mal wieder Seitensprünge ein. Also nichts Festes.

Fima lebt recht einsam, einsam auch, wenn er unter Leuten ist. Nie hatte ich die Chance gehabt, ihn mal authentisch zu erleben. Mit seinen politischen Ideen steht er auch alleine da. Aus seinem Umfeld gesehen scheint er der Einzige, der sich mit der politischen Problemlage seines Landes befasst.

Neben der Politik spricht er viel über Sex, in der Frauenarztpraxis hat er oft sexuelle Visionen Frauen gegenüber. Schon allein die gynäkologische Praxis kann einen Mann dazu verleiten.

Bekanntschaft macht Fima auch in der Küche mit einer Kakerlake. Er hatte schon einen Schuh in der Hand, um auf diese zu schlagen. Aber er unterließ es schließlich und ließ die Kakerlake am Leben. Zwei Tage später lag sie tot in der Küchenecke und Fima wundert sich. Sie konnte nicht verhungert sein, da es in seiner Küche genug Lebensmittel geben würde. Er fragte sich, was er nun mit der toten Kakerlake anstellen sollte? In das Klo werfen und sie hinunterspülen? Nein, das wollte er partout nicht. Er suchte stattdessen eine Begräbnisstätte für sie. Und schon hatte er eine Idee. Er bestattete dieses Insekt in der Erde seiner Pflanze, die in einem großen Blumentopf steckte. Die Idee fand ich recht originell. Ich habe diese Szene mit Anne besprochen und sie sagte, Fima solle aufpassen, dass die Eier in der Erde nicht ausschlüpfen …

Für mich ist Fima ein Mensch, der nicht wirklich erwachsen geworden ist. Und vielleicht hat er mich deshalb ein wenig gelangweilt.
Er wirkte auf mich ein wenig pubertär, auch, dass sein Vater ihm die Frau ausgesucht hat.

Vielleicht fehlte ihm die Mutter, die an einer Gehirnembolie verstarb, als Fima gerade mal zehn Jahre alt war. Der Vater gab dem Jungen keine Zeit, über den Tod seiner Mutter zu trauern. Es wurden sämtliche Objekte aus dem Haus entfernt, die an die Mutter/Ehefrau erinnern ließen. Lediglich ein Foto ließ der Vater in der Wohnung zurück. Auf dem Foto war die Mutter als Abiturientin abgebildet. Das verrät ein wenig die Werte, die der Vater vertritt, leistungsbezogener Maßstab … Der Vater ist ein großer Unternehmer, besitzt eine Fabrik, in der Kosmetika hergestellt werden.

Der Autor lässt ein wenig an Franz Kafka erinnern. In der Tat wurde ein paar Seiten später in einem gewissen Zusammenhang Kafka erwähnt, was ich vorher aber nicht hätte wissen können. Ich habe oftmals einen recht guten Riecher. Zu dem Kafkaesken; im Folgenden ein Zitat. Es behandelt eine Szene im Krieg, in dem eine Großmutter durch die Kriegsfolgen den Verstand verloren zu haben scheint. Ihr Neffe ist derjenige, der permanent auf sie achtgibt, damit sie in ihrer Wirrheit nicht wegläuft. Das bringt die beiden Soldaten, die diese Szenen beobachten, in Erstaunen und sie erklären sich das geistige Verhalten der alten Dame mit folgender naiver Theorie:
Der Verstand im Kopf drinnen sieht aus wie ein Stück Käse. Etwas gelb, etwas weiß. Mit allen möglichen Rillen. (…) Und der Gedächtnisschwund, da wissen die Wissenschaftler heute schon, dass das von Dreck kommt. Das kommt von Würmern, die da reinkriechen und langsam den Käseverstand auffressen. Bis er faulig wird. Manchmal kann man das sogar ein bisschen riechen.
Naserümpfen.

Mein Fazit?
Sollte es ein politisches Buch werden? Das ist gelungen, doch nebenbei tauchen viele psychologische Themen auf, die ein wenig für Verwirrung sorgen. Fima ist ein sehr intellektueller und gebildeter Mensch, er trägt z.B. die gesamte Weltkarte in seinem Kopf, aber seine seelische Verfassung kommt mir im Vergleich zu seiner stark ausgeprägten kognitiven Entwicklung recht unreif vor, obwohl Fima sich schon mit seiner Psyche auseinandersetzt, indem  er sich mit seinen nächtlichen Träumen befasst. Er führt regelmäßig ein Traumtagebuch … Fimas Vater war es wichtig, den Sohn auf gute Schulen zu schicken und gute Abschlüsse zu erreichen. Doch die seelische Bildung blieb dabei auf der Strecke.

Da das nicht die Schuld des Autors ist, dass mich seine Figuren nicht faszinieren konnten, erhält das Buch von mir trotzdem neun von zehn Punkten.

Ich habe von Amos Oz noch ein weiteres ungelesenes Buch im Regal stehen. Das stimmt mich neugierig, welche Figuren er darin behandelt. Sollten mir die Figuren auch darin nicht behagen, dann war es das letzte Buch von dem Autor, das ich gelesen haben werde.

Und was hat der Buchtitel zu bedeuten? Das erfährt man in der Hälfte des Bandes.

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Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


Gelesene Bücher 2016: 04
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Sonntag, 24. Januar 2016

Amos Oz / Der dritte Zustand

Klappentext
Mit dem ironischen Porträt des sich selbst quälenden Intellektuellen Fima ist Amos Oz nicht nur eine Diagnose der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft gelungen, sondern zugleich ein äußerst humor- und liebevolles Porträt der täglich mit den Fragen von Leben und Tod konfrontierten einzelnen Israelis. Denn hier werden die Hoffnungen wie Ängste der Israelis auf das genaueste dargestellt: Jerusalem erscheint als völlig verrottet, nichts funktioniert, jeder »zweite Typ ein halber Prophet und ein halber Ministerpräsident«, kurz: »ein Irrenhaus«.


Autorenporträt
Amos Oz wurde am 4. Mai 1939 als Amos Klausner in Jerusalem geboren und verbrachte dort seine Kindheit. 1954 trat er dem Kibbuz Chulda bei und nahm den Namen Oz an, der auf hebräisch Kraft, Stärke bedeutet. Von 1960 bis 1963 studierte er Literatur und Philosophie an der Hebräischen Universität von Jerusalem und kehrte nach seinem Bachelor-Abschluss in den Kibbuz zurück. Seit dem 6-Tage-Krieg ist er in der israelischen Friedensbewegung aktiv und befürwortet eine Zwei-Staaten-Bildung im israelisch-palästinensichen Konflikt. Er ist Mitbegründer und herausragender Vertreter der seit 1977 bestehenden Friedensbewegung Schalom achschaw (Peace now). Seit 1987 lehrt er Hebräische Literatur an der Ben-Gurion Universität von Negev, Beesheba. Die Werke von Amos Oz wurden in 37 Sprachen übersetzt. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten.
Der Autor ist mir neu und habe schon ein paar Seiten gelesen und mit Zettelchen zwischen den Buchseiten versehen. So richtig mein Typ ist Oz allerdings nicht. Es gibt viel Gutes in seinem Werk. Zumindest zählt er für mich zu den anspruchsvollen literarischen AutorInnen. Den Stoff, den der Autor bearbeitet, finde ich sehr wichtig und trotzdem kann ich die Gründe (noch) nicht benennen, weshalb mir der Autor so wenig zusagt. Ob es anderen genauso geht? Auf Amazon habe ich gerade mal zwei Rezis gefunden. Sehr außergewöhnlich.




Samstag, 23. Januar 2016

Carola Stern / Doppelleben (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein sehr politisches Buch, das die Autorin in ihrer Autobiografie von sich gegeben hat. Sie wurde auch in einer schwierigen Zeit, in einer Zeit voller politischer Umbrüche, geboren. Ihr Vater verstarb noch vor ihrer Geburt. In ihrer Kindheit idealisierte sie ihren Vater. Ihre Sehnsucht danach schien schier unstillbar. Die Mutter ging keine weitere Ehe ein. Niemand könne ihren verstorbenen Ehemann ersetzen.

Als junges Mädchen trat Stern der Hitlerjugend bei. Sie wurde Gruppenführerin im Bund junger Mädels. Mit der Sehnsucht nach einem Vater und nach Zugehörigkeit einer Gruppe hatte sie sich von Hitlers Ideologien verführen lassen. Hitler verkörperte nicht nur für sie eine Art Vaterfigur. Auch für viele Erwachsene stellte Hitler stellvertretend eine väterliche Autorität dar. Kritisches Denken war mit dieser Sehnsucht gar nicht möglich. Viele Menschen haben schon durch den Ersten Weltkrieg viele Verluste männlicher Art hinnehmen müssen. Außerdem war Stern dafür noch zu jung, um das System zu durchschauen.

Hitler verliert den Krieg und die Autorin wird desillusioniert und distanziert sich von dem Nazideutschland. Sie geht auf die andere Seite Deutschlands und wird im Aufbau und Gründung der DDR aktiv.

Carola Stern schreibt über ihre DDR-Erfahrung, hauptsächlich auch über die SED und über die Kontakte mit den Amerikanern aus West-Berlin, die einen Spionage-Nachrichtendienst vertreten:
Viele bezahlten einen hohen Preis, um in die Parteielite aufgenommen zu werden. An den Zugangstoren waren abzugeben: Spontanität und Unbefangenheit. Auch die Nachdenklichkeit wurde konfisziert, ebenso die Kreativität. Freund oder Feind! Was wussten wir von Einfühlungsvermögen und Vielschichtigkeit, von dem Untergründigen und der Vielfalt menschlicher Motive? 
Wer ist Carola Stern? Immerhin trägt sie einen jüdischen Familiennamen. Im Nationalsozialismus nicht ganz ungefährlich.

Carola Stern hieß ursprünglich Erika Assmus. Und wann ist aus Erika Assmus Carola Stern geworden?
Sie, im November 1925 geboren, kam aus Ahlberg, Wiesenburg, Potsdam, Kleinmachnov und in Berlin ist sie endgültig Carola Stern geworden. Woran erkennt man noch immer Erika? Was ist neu an Carola? Was steckt von der Assmus in der Stern und was von der Stern in der Assmus? Wie hat sich das Mädchen sein Leben vorgestellt, und was ist aus diesen Vorstellungen geworden? 
An diesem Zitat wird auch der Buchtitel Doppelleben deutlich. Doch wie kam es denn nun mit dem Namen Carla Stern?

Die Autorin, knapp dreißig Jahre alt, wurde journalistisch tätig und in den Anfängen ihrer Tätigkeit wollte sie in ihren Artikeln als Frau anonym bleiben, man riet ihr zu einem Pseudonym. Damals hatte man es bei der Zeitung schwer, sich Autorin zu nennen und so unterzeichnete sie ihre Artikel mit drei Sternen, sonst wären ihre Zeitungsberichte von den männlichen Lesern erst gar nicht ernst genommen worden. Aber das änderte sich. Sie tauschte ihren weiblichen Namen gegen einen anderen weiblichen Namen ein.
Carola! Die Wahl des Vornamens fiel nicht schwer, sie drückte meine Bewunderung für die Polly Brechts Dreigroschenoper, für Carola Neher, aus. Doch wie weiter? Hilfesuchend wandte ich mich einer neben mir stehenden Institutskollegin zu. >>Na, wenn Sie bisher unter drei Sternen geschrieben haben<<, meinte diese, >>nennen Sie sich doch künftig einfach Stern!<< So geschah es: In diesem Augenblick kam Carola Stern zur Welt. 
Eine Zeitlang existierten die beiden Damen friedlich nebeneinander. Doch mit der Zeit zog sich die eine zurück in einen kleinen Kreis von Verwandten und sehr alten Leuten. Erika Assmus kannte kaum noch einer. Carola Stern hingegen trieb es in das öffentliche Leben, in den Hörfunk, vor die Fernsehkamera.  
Interessant fand ich, wie Carola Stern insgesamt auf Männer wirkte. Man konnte sie sich schlecht als Mutter, Haus- und Ehefrau vorstellen.
Ich war damals Mitte zwanzig und Fritz mein erster >fester< Freund. Die meisten Männer meinten, ich sei zu intelligent, um eine >richtige Frau zu sein.<
Ha, was würden dazu die vielen intellektuellen Frauen sagen, wenn sie dieses Zitat lesen würden? Intellektuelle Frauen, die trotzdem Mutter und Ehefrau geworden sind, gibt es zuhauf. Diese merkwürdige Vorstellung kann nur von Männern kommen.

Bei der Partnerwahl war Carola Stern eher auf ältere Männer aus:
Vaterlose Frauen, die sich Väter halten wollen, müssen lange suchen. Oft geraten sie an altgewordene Söhne, die nach Müttern suchen. J 
Auch dieses Zitat fand ich äußerst interessant. Die Konstellation an Partnerwahl ist mir schon öfter begegnet. Aber dass altgewordene Söhne nach Müttern suchen, das hat die Autorin sehr schön ausgedrückt. Beeindruckend, wenn beide in der Partnerwahl ein Elternsubstitut   suchen ...

Viele politische Themen, die die Autorin in ihrer Zeit durchlebt hatte, erinnern mich an unsere aktuelle politische Lage, bezogen auf die Flüchtlingsproblematik. Damals wurde das deutsche Volk als Herrenvolk gefeiert, Juden wurden diffamiert und wir müssen aufpassen, davor warnt auch die Autorin, dass wir nicht wieder ein neues Feindbild kreieren, wenn wir die Vorstellung entwickeln, dass alle Menschen aus den islamischen Ländern rückständig seien, alle fundamentalistisch geprägt, die Männer würden  alle Frauen schlecht behandeln ... In Wirklichkeit gibt es auch in diesen Ländern sehr viele Menschen mit einer aufgeklärten, westlichen Auffassungsgabe. Es gibt auch viele Frauen mit einem Kopftuch, die eine moderne Sichtweise pflegen und nicht alles was westlich ist, muss immer gut sein. Ich beobachte vermehrt, dass die westlichen Länder sehr unkritisch ihrer eigenen kulturellen Lebensweisen und Gewohnheiten sind, während sie anderen Kulturen mehr als kritisch gegenüberstehen. Demnach alle Flüchtlinge unter einem potenziellen terroristischen Generalverdacht zu stellen, halte ich für sehr gefährlich.  
Wir müssen nach menschlichen Verhältnissen streben, die die Menschen nicht in Versuchung bringen, sich gegen andere Menschen schäbig zu benehmen. Das gilt auf andere Weise als zur Zeit des Kalten Krieges auch für unsere Gegenwart.  (…) Wer Frieden will, darf keine Feindbilder aufbauen! 
Carola Stern begab sich selbst in einen Reflexionsprozess, in dem sie sich als erwachsene Frau ihrer politischen Vergangenheit zu stellen wusste. (Nationalsozialismus, die Idealisierung Hitlers, Kommunismus im neuen Deutschland, DDR: Die Idealisierung eines besseren und faschistenfreien Deutschlands … In dem Prozess zählte auch, sich der eigenen Angst zu stellen. Das hat Carola Stern getan, wofür viele Menschen sie für ausgesprochen mutig gehalten haben. Aber dies stellte sich als eine Lebensaufgabe dar …
Je älter ich wurde, umso häufiger kam es vor, dass mich Menschen besonders mutig und energisch nannten. Manchmal versuche ich, so einem Wohlgesonnenen  zu erklären, dass meine Energie aus der Überwindung meiner Angst entsteht. Nur wer weiß, was Angst bedeutet, und versteht, sie zu beziehen, kann auch mutig sein. Darum schäme ich mich meiner Angst nicht mehr. Umsetzung von Angst in Energie, auch in Zivilcourage, bedeutet Bei Sich Sein, ist immer ein Stück Selbstverwirklichung.
Auf die heutige Problemlage müsste es lt. der Autorin heißen:
Fürchtet euch! Vor Waffen, Krieg und Hunger! Vor Überbevölkerung, Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit! Vor dem Ende unserer Welt! 
Carola Stern schreibt auch viel über ihre DDR-Erfahrung hauptsächlich auch innerhalb der SED.

Viel Privates hat die Autorin nicht von sich geschrieben. Umso mehr bewundere ich ihre Gedanken, die sie zur Freundschaft hegte.
Diese Gedanken möchte ich auch noch gerne festhalten, sie ähneln so ein bisschen auch meinen Gedanken dazu:
Ich hoffe sehr, dass alle Menschen, die ich gerne habe, wissen, was Freundschaft mir bedeutet. Die Liebe, hat Bertolt Brecht einmal an seine Frau Helene Weigel geschrieben, ist nur so viel wert, >>als sie Freundschaft enthält, aus der allein sie sich wiederherstellen kann<<. Das gilt auch für meine Ehe und für den Umgang mit den Menschen, die mir besonders nahe stehen. Freundschaft wärmt. Sie gewährt, was der Mensch in diesen ungewissen Zeiten, in denen vertraute Sicherheiten bröckeln, nötig braucht: Halt und Verlässlichkeit, Zuneigung und Achtung, Freiheit und Sicherheit. 
Und besonders in Zeiten der Nöte wird eine Freundschaft unter eine harte Prüfung gestellt. Nicht jeder besteht sie.

Auch Gedanken zu der Liebe zu Büchern fand ich recht schön.
Carola Stern und ihr Mann Heinz Zöger sind große Bücherliebhaber gewesen. Auf die Frage hin, was ihr Mann   bedauern würde, wenn das Leben plötzlich zu Ende wäre?
Ohne zu überlegen antwortete er: >>Dass die Welt voller Bücher ist-und wie wenige hat  man lesen können! Für  wie viele hat die Zeit nicht ausgereicht!<< Bis in seine letzten Tage blieb für ihn Lesen Leben und Leben Lesen. 
Solche Leseerfahrungen schreibe ich mir auch so gerne raus, denn sie decken sich mit meinen. Wie oft diskutieren Anne und ich darüber, ob wir alle unsere Bücher schaffen werden zu lesen, bzw. auch die, die noch zusätzlich angeschafft werden wollen und was mit unseren Büchern nach unserem Ableben geschieht, bereitet gerade auch mir große Sorgen ...

Am Ende des Buches lässt uns die Autorin noch an ihren Gedanken über das Alter und das Noch-Älter-Werden teilnehmen:
Wenn ich ob meines Alters melancholisch werde, ziehe ich aus meinem Schreibtischfach ein Blatt Papier, auf dem ich ganz genau verzeichnet habe, was Menschen selbst im hohen Alter noch geleistet haben. Bedenke, sage ich dann zu mir, Fontane schrieb mit siebenundsiebzig Effi Briest! Chagall begann mit achtzig seine Arbeit an den Chorfenstern in Mainz! Picasso und Bertrand Russell führen die Aufzählung der produktiven Neunzigjährigen an. 

Mein Fazit?
Die Autorin ist aus meiner Sicht eine wichtige Zeugin des nationalsozialistischen Deutschlands und der ehemaligen DDR. Sie hat sich sehr selbstkritisch und aufrichtig ihren Themen gestellt und leistet damit aus meiner Sicht einen großen Beitrag zum Weltfrieden. Die Art, wie sie sich mit ihrem Stoff auseinandergesetzt hat, finde ich sehr mutig und nachahmenswert. Die Autorin lebt nicht mehr, sie verstarb im Januar 2006 in Berlin und ich hoffe, dass ihre Bücher eines Tages nicht auch sterben werden.

Carola Stern hatte ein sehr bewegtes Leben und sie hatte durch ihre journalistische Tätigkeit viele berühmte und kritische AutorInnen kennengelernt, wie z.B. Bert Brecht, Elias Canetti, Günter Grass, Erich Fried u.v.m. Sie bezeichnete diese Freunde als ihre Wahlverwandte. Seelische und geistige Verbundenheit, wie auch Goethe diese in seinem Werk Die Wahlverwandtschaft, beschrieben hat, könne steter und solider als die Blutsverwandtschaft sein.

Man findet in ihrem Werk jede Menge Gedichte von großen Dichtern, die sie auch persönlich kennengelernt hat. Welch ein Glück sie hatte.

Carola Stern hat nicht nur als Autorin ihre zehn Punkte verdient, sondern auch als Mensch. Das Buch empfehle ich allen politisch denkenden Frauen und allen Männern, die sich vor starken Frauen nicht fürchten.

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Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


Gelesene Bücher 2016: 03
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Freitag, 15. Januar 2016

Carola Stern / Doppelleben

Klappentext
Nach Kriegsende heuert die einstige Jungmädelführerin Erika Assmus in einem Raketeninstitut der Russen im Harz als Bibliothekarin an. Sie träumt vom kleinen beschaulichen Glück und lässt sich zur Lehrerin ausbilden. Doch dann taucht ein 'Mr. Becker' vom amerikanischen Geheimdienst auf, und ihr Leben nimmt einen ganz anderen Verlauf: 'Eka' tritt in die SED ein, damit ihre kranke Mutter medizinisch versorgt wird. 1950 wird sie auf die Parteihochschule geschickt. Sie lernt die kommunistischen Phrasen und Parolen, aber nicht den Glauben an die Partei. Eines Tages wird sie denunziert. Eka flieht nach Westberlin, wird Assistentin am Institut für Politische Wissenschaft und beginnt unter dem Pseudonym Carola Stern zu schreiben. Doch mit dem Leben in der freien Welt kommt sie nicht zurecht. Aus einer tiefen Lebenskrise taucht sie mit der Erkenntnis auf, dass sie lernen muss, mit der Angst zu leben. Ihr 'drittes Leben ' beginnt...


Autorenporträt
Carola Stern, früher Verlagslektorin, dann Redakteurin beim WDR und Mitbegründerin von amnesty international, lebt heute als freie Autorin. Sie hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, unter anderem Biografien über Dorothea Schlegel und Rahel Varnhagen. Carola Stern starb 2006 in Berlin.
Von der Autorin habe ich das Buch Kommen Sie, Cohn gelesen, das mir recht gut gefallen hatte. Die Autorin kann wirklich gut schreiben.

Das Buch kam durch meine Bücherfreundin Anne zu mir.



Donnerstag, 14. Januar 2016

Joachim Meyerhoff / Alle Toten fliegen hoch (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen. Es ist authentisch geschrieben und man hatte Lust, mehr zu lesen, wenn man am späten Abend das Buch bis zum nächsten Tag unterbrochen hatte zu lesen.

Was ich gewöhnungsbedürftig fand, ist, dass der Icherzähler und dessen Familie mit zwei Ausnahmen nicht mit dem Namen beschrieben wurden. Ich vermutete, dass der Icherzähler der Autor selber war, was sich von dem Kontext her ableiten ließ und später, auf der Seite 198, fiel der Name Josse, die Abkürzung von Joachim und auf Seite 216 geht der Icherzähler/Autor auf seinen Vornamen indirekt ein. Zudem bekam man es mit historische Fakten und Symbolen zu tun, die mich auf autobiografische Elemente des Autors schließen ließen.

Ich weiß nur nicht, ob das Thema Amerika ein Erfahrungsbericht des Autors ist oder es ist ein Gemisch zwischen Fiktion und Tatsachenbericht. Ich glaube eher beides.

Joachims Austauschjahr in Amerika fand ich schön beschrieben, ich konnte mich gut Joachims Reise anschließen und ich hatte wirklich den Eindruck, mental in Amerika gewesen zu sein. Der junge Mensch machte dort viele wichtige Erfahrungen, meistens gute mit Ausnahme von zwei tragischen Erlebnissen, auf die ich nicht näher eingehen werde, um die Spannung nicht zu nehmen. Zudem erfährt man jede Menge Alltagsgeschichten aus dem Ausland und dem Inland, die interessant waren zu lesen. Ich habe mich gut mit meiner Lesepartnerin austauschen können.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Von der ersten Seite an folgt der Leser gebannt Meyerhoffs jugendlichem Helden, der sich aufmacht, einen der begehrten Plätze in einer amerikanischen Gastfamilie zu ergattern. Aber schon beim Auswahlgespräch in Hamburg werden ihm die Unterschiede zu den weltläufigen Großstadt-Jugendlichen schmerzlich bewusst. Konsequent gibt er sich im alles entscheidenden Fragebogen als genügsamer, naturbegeisterter und streng religiöser Kleinstädter aus – und findet sich bald darauf in Laramie, Wyoming, wieder, mit Blick auf die Prärie, Pferde und die Rocky Mountains. Der drohende Kulturschock bleibt erst mal aus, der Stundenplan ist abwechslungsreich, die Basketballsaison steht bevor, doch dann reißt ein Anruf aus der Heimat ihn wieder zurück in seine Familie nach Norddeutschland – und in eine Trauer, der er nur mit einem erneuten Aufbruch nach Amerika begegnen kann. Mit diesem hochgelobten Debüt eröffnet Joachim Meyerhoff eine große Romantrilogie.
Der Klappentext ist dermaßen ausführlich, dass ich Weiteres zu dem Buch nicht zu schreiben brauche, sonst ist alles schon raus, bevor andere LeserInnen mit dem Buch begonnen haben.

Das Buch hat zwar nicht sehr viel Tiefgang, aber es beinhaltet jede Menge Geschichten über verschiedene Menschen, denen ich gerne gelauscht habe. 

Wer mal eine leichte Kost braucht und trotzdem ein gutes Buch lesen möchte, so können wir, meine Lesepartnerin und ich, Meyerhoffs Buch weiterempfehlen. 

Der Autor bekommt von mir zu dem Buch zehn von zehn Punkten.

Den zweiten Band lesen wir Mitte Februar.
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Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


Gelesene Bücher 2016: 02
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Sonntag, 10. Januar 2016

Joachim Meyerhoff / Alle Toten fliegen hoch

Klappentext
Von der ersten Seite an folgt der Leser gebannt Meyerhoffs jugendlichem Helden, der sich aufmacht, einen der begehrten Plätze in einer amerikanischen Gastfamilie zu ergattern. Aber schon beim Auswahlgespräch in Hamburg werden ihm die Unterschiede zu den weltläufigen Großstadt-Jugendlichen schmerzlich bewusst. Konsequent gibt er sich im alles entscheidenden Fragebogen als genügsamer, naturbegeisterter und streng religiöser Kleinstädter aus – und findet sich bald darauf in Laramie, Wyoming, wieder, mit Blick auf die Prärie, Pferde und die Rocky Mountains.Der drohende Kulturschock bleibt erst mal aus, der Stundenplan ist abwechslungsreich, die Basketballsaison steht bevor, doch dann reißt ein Anruf aus der Heimat ihn wieder zurück in seine Familie nach Norddeutschland – und in eine Trauer, der er nur mit einem erneuten Aufbruch nach Amerika begegnen kann. Mit diesem hochgelobten Debüt eröffnet Joachim Meyerhoff eine große Romantrilogie.


Autorenporträt
Joachim Meyerhoff, geboren 1967 in Homburg/Saar, aufgewachsen in Schleswig, ist seit 2005 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. In seinem sechsteiligen Zyklus Alle Toten fliegen hoch trat er als Erzähler auf die Bühne und wurde zum Theatertreffen 2009 eingeladen. 2007 wurde er zum Schauspieler des Jahres gewählt. Für seinen Debütroman wurde er mit dem Franz-Tumler-Literaturpreis 2011 und dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Weitere Titel bei Kiepenheuer & Witsch: Alle Toten fliegen hoch. Amerika, Roman, 2011, KiWi 1277, 2013, Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war, Roman, 2013, KiWi 1383, 2015.
Der Autor ist mir unbekannt. Dieser Buchband besteht wohl aus sechs Teilen. Da bin ich mal gespannt, wie weit ich kommen werde, ob ich wirklich alle sechs Bände lesen möchte.

Das Buch kam über eine meiner KlientInnen zu mir, die sich das Buch gekauft hat. Ich hatte ihr angeboten, nach dem ich den Klappentext vernommen habe, es mit ihr gemeinsam zu lesen. Sie ist mit dem Buch fast durch und sie ist hellauf begeistert. Mal schauen, ob ich ihre Begeisterung teilen kann.



Samstag, 9. Januar 2016

Petra Oelker / Das klare Sommerlicht des Nordens (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Mir hat das Buch recht gut gefallen, auch wenn ich ein wenig gebraucht habe, um reinzukommen. Mit dem Prolog hatte ich etwas Schwierigkeiten, da ich mit den Figuren nicht so schnell warm werden konnte. Später mit der Geschichte hatte ich keine Probleme mehr, habe aber am Ende den Prolog ein weiteres Mal lesen müssen. Und das war gut, da mir nun der Hintergrund zur Verfügung stand.

Gefallen hat mir auch die differenzierte Beschreibung der Buchfiguren. Frei von Klischees und Stereotypen. Ganz besonders hat mich eine Deutsche angesprochen, die spanische Eltern hat. Ich habe mich in dieser Figur gesehen, da auch ich Deutsche bin mit italienischen Eltern.

Meine Buchbesprechung werde ich hierzu kurzfassen, weil Oelkers Buch zu den Büchern gehört, die mich allein vom Lesen her gesättigt haben.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

Zwei Frauen, ein Traum. Freiheit. Sidonie Wartberger führt ein von materiellen Sorgen unberührtes Dasein in einer Villa an der Hamburger Außenalster. Doch die junge Ehefrau aus jüdischem Haus fühlt sich eingezwängt wie in ein Korsett. Sie träumt von einem anderen, viel freieren Leben.Dora Lenau wohnt am unteren Ende der Stadt, im Hafenviertel, in kümmerlichen Verhältnissen. Sie träumt von finanzieller Unabhängigkeit, von einem kleinen Atelier für Avantgarde-Mode. Als ihre Not am größten ist, kreuzen sich die Wege der beiden Frauen. Gemeinsam wagen sie es, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben ...

Schön fand ich, dass sich die beiden Protagonistinnen, die wohlhabende Sidonie Wartberger und die sozialschwache Dora Lenau, trotz ihrer gegensätzlichen Herkunft so nahegekommen sind, dass eine kleine Freundschaft entstehen konnte.

Sidonie erleidet eine schwere Lebenskrise, da sie und ihr Mann Victor sich in ihrer jungen Ehe Kinder gewünscht haben, der Kinderwunsch allerdings unerfüllt bleibt. Sidonie erleidet zwei Mal eine Fehlgeburt. Diese führt sie in eine langwierige und schwerwiegende Depression. Sie fühlt sich nicht mehr als eine vollwertige Frau und hegt auch Victor gegenüber Schuldgefühle.Victor ist eigentlich ein recht verständiger Ehemann, der für seine Frau viel Liebe empfindet, trotzdem kriselt die Ehe, weil Sidonie mit ihren Fehlgeburten einfach nicht fertig wird. Auch die Erwartungen ihrer Schwiegermutter wurden mit dem versagten Kinderwunsch enttäuscht, und vergrößern das Problem in der Familie um einiges mehr. Ob diese Tragik überwunden wird, das soll jede/r selbst herausfinden.

Dora Lenau ist auch eine recht interessante Persönlichkeit, was ihre Herkunft betrifft. Bemerkenswert ist auch Theo, Doras angebliches Familienmitglied als Vetter und Mitbewohner, der ihre soziale Lage durch und durch ausnutzt, als er Informationen über Doras Vergangenheit einholt, die für eine potenzielle Brisanz sorgen. Eine sehr unsympathische Figur.

Auch hier möchte ich eigentlich nicht zu viel schreiben, denn sonst ist die Spannung weg, denn der Roman lebt von diesen vielen Informationen. Das Buch sorgt immer mal wieder für Überraschungen.

Dora ist gerade mal neunzehn Jahre alt und geht dem Beruf einer Näherin nach. Als ungelernte Kraft ist sie in einer Manufaktur angestellt, in der Kleider für die anspruchslosere Dame genäht werden. Dora ist sehr begabt, der Chef hält viel von ihr, bevorzugt sie gegenüber anderen Kolleginnen ein wenig.

Dora entwickelt eigene Nähmuster, die sie ihrem Chef vorlegt, der aber nichts von ihnen hält, da die Muster viel zu vornehm seien, würden nicht zu seiner Klientel passen. Dora ist enttäuscht und macht ihrem Ärger dadurch Luft, indem sie ihrem Chef ein paar kostbare Handarbeitsperlen stiehlt. Nicht lange, und sie bereut ihr Diebesgut. Theo kommt dahinter und erpresst sie, sie bei ihrem Chef auflaufen zu lassen, wenn sie nicht tue, was er von ihr verlange. Auch hier geht es spannend weiter …

Sidonie ist Hobbymalerin; sie und Dora machen durch die Handarbeit im Hause Wartberger Bekanntschaft. Beide kommen sich durch ihre Talente näher. Sidonie merkt sehr bald, dass Dora ein Auge für Farben hat, die sie in ihrer Handarbeit zur Geltung bringt. Das Nähen entwickelt sich zu einer Kunst, die Dora durch Sidonies Fürsprache weiterbringen lässt. Doch auch Sidonie kommt weiter durch Doras wichtige Anregungen, die ihr mit hilfreichen Ratschlägen für die Malerei zur Seite steht.


Mein Fazit?
Das Ende hat mir sehr gut gefallen. Obwohl ich es ein wenig gewöhnungsbedürftig empfunden habe, denn auf den letzten zwanzig Seiten hat sich noch immer nichts geklärt und ich fürchtete einen offenen Schluss für alle Beteiligten im Roman. Schließlich fasst der oder die Erzähler\in dieser Geschichte auf den letzten paar Seiten sämtliche Fakten zusammen, indem er/sie jede einzelne Romanfigur erneut aufgreift und der Leserin mitteilt, was aus ihr geworden ist, welche Wege sie schlussendlich eingeschlagen hat. Man wird also irgendwann, zwanzig Seiten vor Schluss, aus der Geschichte rausgeschmissen, ohne zu wissen, wie diese Schicksale enden, gäbe es diese Zusammenfassung nicht.

Für mich hatte der Schluss etwas Versöhnliches, ohne dass er schnulzig oder kitschig gewirkt hat.

Heute Abend haben Anne und ich gemeinsam telefoniert, und über das Buch gesprochen und stellten fest, dass wir eine recht ähnliche Meinung pflegten. Den Schluss hat sie ähnlich empfunden: Doch statt der Zusammenfassung hätte sie lieber ein offenes Ende gehabt und einen eventuellen zweiten Teil gelesen.

Das Buch greift politische Themen auf, wie z.B. den Antisemitismus in der Kaiserzeit. Damit konfrontiert Theo Dora.

Auch wissenschaftliche Errungenschaften hebt die Autorin in ihrem Buch hervor, mit denen der damalige Mensch zu Beginn des 20. Jhd. erst lernen musste, umzugehen. Erste Plattenspieler kamen auf den Markt und für viele wurde diese Apparatur als Teufelszeug abgetan ...

Das Buch hat literarischen Anspruch und wir können es beide, Anne und ich, wärmstens weiterempfehlen.


Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

_____
Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)

Gelesene Bücher 2016: 01
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Freitag, 8. Januar 2016

Aktuell gelesene Bücher

Ich werde die Bücher nicht alphabetisch sortieren, sondern in der Reihenfolge darstellen, wie ich sie gelesen habe. Die Zahl in der Klammer ergibt die Vergabe von Punkten. Die Höchstzahl ist zehn.


*** Abgebrochene Bücher


2016

  1. Petra Oelker: Das klare Sommerlicht des Nordens (10)
  2. Joachim Meyerhoff: Alle Toten fliegen hoch (10)
  3. Carola Stern: Doppelleben (10)
  4. Amos Oz: Der dritte Zustand (9)
  5. Bruce Chatwin: Traumpfade (4)  ***
  6. David Foenkinos: Charlotte (10)
  7. Astrid Lindgren: Zum Donnerdrummel (10)
  8. Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich so, wie es nie war (7)
  9. Haruki Murakami: Tanz mit dem Schafsmann (8)
  10. Frances Greenslade: Der Duft des Regens (10)
  11. Roger Willemsen: Kleine Lichter (9)
  12. Joachim Mayerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke (9)
  13. Bernardo Atxaga: Der Sohn des Akkordeonspielers (9)
  14. Thomas Hardy: Tess (10)
  15. Jens Andersen: Astrid Lindgren / Ihr Leben (10)
  16. Noam Shpancer: Der gute Psychologe (10)
  17. Michale Cunningham: Die Schneekönigin (8)
  18. Paul Kalanithi: Bevor ich jetzt gehe (10)
  19. Brooke Davis: Noch so eine Tatsache über die Welt (8)
  20. Michael Degen: Der traurige Prinz (10)
  21. Janne Mommsen: Zwischen den Bäumen das Meer (4)
  22. Maria Barbal: Der Stein im Geröll (10)
  23. Nina Horaczek, u.a.: Gegen Vorurteile (10)
  24. Marian Izaguirre: Als die Träume noch uns gehörten (10)
  25. Eve Chase: Black Rabbit Hall (10)
  26. Ajahn Brahm: Der Elefant, der das Glück vergaß (10)
  27. Maria Marc: Mein Leben mit Franz Marc (10)
  28. Michael Degen: Mein heiliges Land (10)
  29. Lilly Lindner: Die Autobiografie der Zeit (10)
  30. Patrick Modiano und Jean-Jaques Sempé: Catherine, die kleine Tänzerin (10)
  31. Rabih Allamedine: Eine überflüssige Frau (9)
  32. Stefan Bollmann: Warum ein Leben ohne Goethe sinnlos ist (9)
  33. Elizabeth Joy Arnold: Einundachtzig Worte (10)
  34. Michael Degen: Nicht alle waren Mörder (10)
  35. Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit (10)
  36. Nils Uddenberg: Die Katze, die kam, um zu bleiben (10)
  37. Volker Hagedorn: Bachs Welt (9)
  38. Charles Dickens: Eine Geschichte von zwei Städten
  39. Joao Ricardo Petro: Wohin der Wind uns weht (9)
  40. Ajahn Brahm: Die Kuh, die weinte (9)
  41. Guido Westerwelle: Zwischen zwei Leben (10)
  42. Oliver Hilmes: Berlin 1936 (10)
  43. Joanna Rakoff: Mr. Salinger (10)
  44. Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit (10)
  45. Tomas Bannerhed: Die Raben (10)
  46. Luís Llach: Die Frauen von La Principal (10)
  47. Benedict Wells: Becks letzter Sommer (9)
  48. Dörte Hansen: Altes Land (7)
  49. Oliver Sacks: On the move: Mein Leben (10)
  50. Muriel Barbery: Die Eleganz des Igels (10)
  51. Howard Jacobson: J (7) ***
  52. Sigrid Damm: Cornelia Goethe (10)
  53. Frank L. Baum und Robert Ingpen: Der Zauberer von Oz (10)
  54. Agatha Christi: Blausäure (8)
  55. Ajahn Brahm: Öffne die Tür zu deinem Herzen (9)
  56. Harper Lee: Gehe hin, stelle einen Wächter (9)
  57. Smith Henderson: Montana (9)
  58. Monika Peetz: Die Dienstagsfrauen (3) ***
  59. Emanuel Bergmann: Der Trick (10)
  60. Bodo Kirchhoff: Widerfahrnis (8)
  61. Günter Grass: Katz und Maus ***
  62. Hans von Dohnanyi: Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gelegt
  63. Marcel Proust: Die Gefangene (9)
  64. James Matthew Barry: Peter Pan (7)
  65. Zelda la Grange: Good Morning, Mr. Mandela (9)
  66. Kitty Sewell: Zeit der Einsblüten ***
  67. Banana Yoshimoto: Lebensgeister (10)
  68. Philipp Winkler: Hool (10)
  69. Stanisic, Sasa: Fallensteller (9)
  70. Benedict Wells: Spinner (10)
  71. Eugen Ruge: Fallower (7)
  72. Barry, James Matthew: Peter Pan (10)




Freitag, 1. Januar 2016

Meine literarische Weltkarte

Auf die Anregung meiner Bücherfreundin Claudia Kowalski hin
habe ich mir nun auch eine Weltkarte angelegt, die auf einen Blick zeigt, welche Länder ich in meinen Büchern bereist habe:






Ich werde mit jedem neuen Land meine Karte aktualisieren. Auf 22% der Erde, insgesamt 51 Länder, habe ich mich in meinen Büchern aufgehalten.

Manche Länder habe ich nur gestreift, auf manchen anderen Ländern dagegen hielt ich mich intensiver auf. Immer wieder ein schönes Erlebnis. Man kommt sich ein wenig wie ein/e Weltenbummler/in vor.

Die Rotmarkierten sind die belesenen Länder. 

Ich bin am Überlegen, ob ich Amerika stärker differenziere, zumindest noch Nordamerika im Label separat auflisten werde. Bisher habe ich diese Länder meist unter Amerika eingruppiert, und unten im Post habe ich spezifiziert, z.B. Kanada, hinzugefügt.

Man kennt sich doch aus mit dem Globus, ohne von der Kugel zu fallen :-).  




Petra Oelker / Das klare Sommerlicht des Nordens

01.01.2016
Lesen mit Anne ...

So, ein neues Jahr und weiter geht es in der Leserunde zwischen Anne und mir. Das erste Buch im ersten Monat 2016.

Anne ist diesmal mit dem Aussuchen der  neuen Lektüre dran.

Klappentext
Zwei Frauen, ein Traum. Freiheit. Sidonie Wartberger führt ein von materiellen Sorgen unberührtes Dasein in einer Villa an der Hamburger Außenalster. Doch die junge Ehefrau aus jüdischem Haus fühlt sich eingezwängt wie in ein Korsett. Sie träumt von einem anderen, viel freieren Leben.Dora Lenau wohnt am unteren Ende der Stadt, im Hafenviertel, in kümmerlichen Verhältnissen. Sie träumt von finanzieller Unabhängigkeit, von einem kleinen Atelier für Avantgarde-Mode. Als ihre Not am größten ist, kreuzen sich die Wege der beiden Frauen. Gemeinsam wagen sie es, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben ...


Autorenporträt
Petra Oelker, geboren 1947, arbeitete als Journalistin und Autorin von Sachbüchern und Biographien. Mit «Tod am Zollhaus» schrieb sie den ersten ihrer erfolgreichen historischen Kriminalromane um die Komödiantin Rosina, neun weitere folgten. Zu ihren in der Gegenwart angesiedelten Romanen gehören «Der Klosterwald» «Die kleine Madonna» und «Tod auf dem Jakobsweg». Zuletzt begeisterte sie mit zwei Romanen, die in der Kaiserzeit angesiedelt sind: «Ein Garten mit Elbblick» sowie «Das klare Sommerlicht des Nordens».
Die Autorin ist mir unbekannt. Mal schauen, welche ersten Erfahrungen ich/wir mit ihr machen werde(n).

Und hier geht es zu unserer gemeinsamen Bücherliste


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Gelesene Bücher 2016: 00
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Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Donnerstag, 31. Dezember 2015

Kader Abdolah / Das Haus an der Moschee (1)

 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Ich hätte Lust, es ein zweites Mal zu lesen, denn nun sind mir die Figuren vertraut. Außerdem ist es sehr facettenreich …
Die vielen fremdländischen Namen, was die einzelnen Figuren tun und zu wem sie gehören, sind auf der ersten Seite aufgelistet, so dass man sie immer wieder nachschlagen kann. Dies fand ich sehr rücksichtsvoll von dem Autor. Im Anhang gibt es ein Glossar zu verschiedenen iranischen und religiösen Begriffen, die auch alphabetisch geordnet und ins Deutsche übersetzt sind.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

Ein altes Haus in Senedjan. Seit 800 Jahren wohnt hier die Familie des Teppichhändlers Agha Djan. Unter seiner Obhut leben die Menschen in einträchtiger Harmonie – bis die von Teheran und den Aufständen gegen das korrupte Regime des Schahs ausgehende Unruhe auch sie erreicht. In seinem neuen Roman breitet Kader Abdolah das zutiefst menschliche Schicksal einer iranischen Großfamilie wie ein bunt schillerndes Geschichtengewebe vor uns aus. 

Was den Inhalt betrifft, nun, es ist jetzt nicht so, als hätte ich wahnsinnig viel Neues über den Islam und seine Anbeter/innen erfahren. Nein, das nicht. Der Autor bringt den Leser/innen das Bild nahe, das wir hier in der westlichen Welt von den islamischen Ländern sowieso schon haben. Deswegen werde ich nicht so viel darüber schreiben. Ich habe ein wenig Ehrfurcht vor Menschen, die in dieser Welt geboren werden … Aber die Art und Weise, wie der Autor diese Welt beschreibt, habe ich als differenziert wahrnehmen dürfen. Sein Schreibstil hat mir sehr zugesagt.

Und ich sage mir, wie glücklich wir uns unsere Freiheiten hier in unserem Land schätzen können. Wir können lesen was wir wollen, wir können uns Filme anschauen, so viele wir wollen und entscheiden selbst über die Filmwahl etc.

Ich stelle es mir recht anstrengend vor, wenn der Mensch in allem, was er tut, immerzu an Gott/Allah denken muss. Anstrengend zu denken, dass die Einen die Bösen und die Anderen die Guten sind.
Die Frauen schneiden auch im Paradies schlecht ab. Im Koran würde stehen, dass die Männer nach ihrem Ableben im Paradies von den Frauen bedient und verwöhnt werden würden ...

Doch nicht nur im Jenseits. Im Diesseits lebte ein Imam, aber nicht nur der Imam, namens Alsaberi, der sich alles von den Frauen machen ließ. Er ließ sich sogar baden, weil er nicht verunreinigt werden wollte. Er wollte mit keinem Gegenstand berührt werden, und auch mit keinem Menschen oder Tier. Alles betrachtete er als unrein. Sehr unlogisch und nicht zu Ende gedacht. Er glaubte an Gott und an seine Schöpfung, und lehnte sie doch auch völlig unbewusst ab. Wie kann Gottes Werk unrein sein? Aber die Sexualität fand er nicht schmutzig, dazu waren die Frauen wieder gut.

Viele weitere  skurrile Figuren treten auf, z.B. ein Kind, das den Spitznamen Eidechse erhält, weil es mit einer geschädigten Wirbelsäule geboren wurde, die irreparabel war. Das Kind konnte nicht stehen und nicht laufen, es bewegte sich auf allen Vieren fort, liegend oder krabbelnd. Das Kind war ein erstgeborener Sohn, der Stammhalter hätte werden sollen …

Viele Hinrichtungen von Richtern, die keine wirklichen Richter waren. Stellenweise empfand ich das Buch recht grausam, in der Art, wie Menschen, die für die Freiheit kämpften, als schwere Verbrecher geahndet und hingerichtet wurden. Ohne einen Verteidiger, ohne einen Anwalt. Kriege, die Menschen zu Monstern und Verrätern macht.

Das Ende hatte mir sehr gut gefallen. Es hatte etwas Versöhnliches, wenig Nachtragendes und der Autor ließ Gerechtigkeit walten.
Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
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So ist das Leben
Es spielt mit dir
Manchmal liebt es dich
Manchmal erniedrigt es dich
(Kader Abdolah)

Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
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Montag, 28. Dezember 2015

Kader Abdolah / Das Haus an der Moschee

Klappentext
Ein altes Haus in Senedjan. Seit 800 Jahren wohnt hier die Familie des Teppichhändlers Agha Djan. Unter seiner Obhut leben die Menschen in einträchtiger Harmonie – bis die von Teheran und den Aufständen gegen das korrupte Regime des Schahs ausgehende Unruhe auch sie erreicht. In seinem neuen Roman breitet Kader Abdolah das zutiefst menschliche Schicksal einer iranischen Großfamilie wie ein bunt schillerndes Geschichtengewebe vor uns aus.


Autorenporträt
Kader Abdolah, 1954 im Iran geboren, studierte Physik in Teheran und war in der Studentenbewegung aktiv. 1988 floh er aus politischen Gründen mit seiner Familie nach Holland, wo er heute in der Nähe von Amsterdam lebt. Kader Abdolah zählt zu den bedeutendsten iranischen Exilschriftstellern und ist in den Niederlanden ein Bestsellerautor. 
Das Buch habe ich gebraucht und recht preisgünstig beim Bücher-Oxfam erworben. Der Autor ist mir nicht fremd. Gelesen habe ich von ihm zwei weitere Bücher mit dem Titel: Mohammad, der Prophet , und Dawuds Traum. Sie haben mir gut gefallen. Dawuds Traum, liegt schon viele Jahre zurück, als ich es gelesen hatte, war ein wenig kompliziert zu lesen.

Das vorliegende Buch hat mich auch nicht mehr losgelassen. Ich habe die ersten hundert Seiten gestern gelesen und es ist super spannend und seeeehr interessant. Der Autor kann wirklich gut schreiben. Sehr realitätsnah und gleichzeitig sehr poetisch und fantasievoll. Auch seine Herkunftskultur beschreibt er auf eine recht differenzierte Art.






Sonntag, 27. Dezember 2015

Emile Zola / Das Paradies der Damen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Auf den ersten Seiten hatte mich das Buch ein wenig an Charles Dickens erinnert. Aber dieser Eindruck täuschte nur, konnte schon recht bald nicht bestätigt werden.

Es ging um das Schicksal dreier Kinder, das sie durch den Tod ihrer Eltern zu Vollwaisen machte. Das älteste Kind, die zwanzigjährige Denise Baudu, nahm die hohe Verantwortung, für ihre jüngeren Geschwister zu sorgen, auf sich. Sie wurde zum Mutterersatz. Die Lebensumstände waren zum Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich recht hart. Es gab nicht genug Arbeitsplätze und die Mieten für eine Wohnung waren recht hoch ...  Jean, ca. vierzehn Jahre alt, sollte in die Lehre gehen und der kleine Pépé war noch ein Kleinkind. Sie lebten auf dem Land. In Paris gab es einen Onkel, der ein kleines Modegeschäft innehatte, und der seinen kleinen Verwandten brieflich den Vorschlag gemacht hatte, bei ihm und seiner kleinen Familie unterzukommen. Doch Denise konnte sich dazu nicht sofort entschließen, als sie dann schließlich einige Zeit später doch aufbrachen, und zu dem Onkel reisten. Der Onkel war erstaunt, als Denise und ihre Geschwister vor seiner Türe standen, ohne sich zuvor erst angekündigt zu haben. Sein Modegeschäft lief immer schlechter, sodass er Mühe hatte, seine eigene Familie über die Runden zu bringen, und er die Kinder wieder wegschicken musste.
Doch in Paris erhoffte Denise für sich und für ihren größeren Bruder mehr Möglichkeiten, Arbeit zu finden als auf dem Land. Denise war von Beruf Verkäuferin.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Immer weiter breitet sich das Paradies der Damen, eines der ersten großen Pariser Modehäuser, im Viertel aus. Immer größer wird die Batterie von Angestellten - zuletzt sind es über 3000 -, die dort von den frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht beschäftigt sind, um mit prunkvollen Auslagen und verführerischen Angeboten die Damenwelt zu locken. Octave Mouret, Gründer und Besitzer dieses neuzeitlichen Konsumtempels, weiß, wie man Frauen erobert und verführt. Der Kaufrausch, in den er die Frauen versetzt, richtet die Einzelhändler, die weder mit dem Glanz noch mit den Preisen des ständig expandierenden Moloches mithalten können, langsam, aber sicher zugrunde. Ganz im Gegensatz zu Denise Baudu, einer jungen Verkäuferin aus der Provinz, deren wechselhaftes Schicksal eng mit dem des Modehauses verwoben ist … In groß angelegten und mit viel Liebe zum Detail ausgeführten Tableaus lässt Zola die prächtige Warenhauswelt des 19. Jahrhunderts mit all ihren Facetten wieder auferstehen: von der Architektur über das Sozialgefüge der Angestellten und den ausführlichen Mode- und Interieurbeschreibungen, von den Umkleideräumen und der Kantine über die einzelnen Verkaufsabteilungen bis hin zur Chefetage und einer Verkaufsausstellung von weißen Stoff- und Seidenarten, Tülls und Musselin. 
Als ich dann schließlich ein wenig in Zolas Geschichte drin war, bekam ich anschließend eines der größten Pariser Modehäuser vorgestellt, in dem Denise durch die Empfehlung ihres Onkels angestellt wurde. Sehr detaillierte, sehr langatmige Beschreibungen, was das Modehaus betrifft. Und jede Menge Namen von Angestellten, von denen ich noch nicht wissen konnte, welche Figur wichtig war und welche nicht. Ich war nah dran, das Buch abzubrechen. Der Schreibstil an sich hat mir recht gut gefallen, wären nicht diese ausschweifenden Beschreibungen gewesen. Dazu kam, dass mir manche Szenen ein wenig zu sentimental erschienen sind.

Dickens habe ich dann schließlich aus den Augen wieder verloren.

Zola ist es aber gelungen, die sozialen und die gesellschaftlichen Missstände eines Modehauses aufzudecken und darüber zu schreiben. Man konnte sich gut hineinversetzen. Zwischendrin durchlief ich allerdings immer mal wieder neue Durststrecken, die bis zum Ende hin sich wiederholten ...
Diese modernen Modehäuser verdrängten die kleinen Geschäfte, zu denen auch das Geschäft des Onkels zählte, der immer mehr Kundschaft verloren hatte …

Denise hatte es sehr schwer, in dem Modehaus anzukommen. Sie entsprach auch nicht dem Schönheitsideal einer jungen, Pariser Dame. Sie war dürr, sie hatte lange und schwere blonde Haare, die noch schlecht frisiert waren, da sich diese Mähne schwer zähmen ließ. Sie bekam von den Kolleg/innen den Spitznamen Die Unfrisierte verpasst. Auch ihre Kleider sahen recht ärmlich aus und so wurde sie oft zum Gespött ihrer Kolleg/innen, die sich hinter ihrem Rücken über sie das Maul zerrissen haben. Denise war auf diese Arbeit angewiesen und tat alles, um ihre Stellung zu behalten. Der kleine Pépé wurde einem Kloster übergeben, und Denise musste für die Unterkunft und die Verpflegung viel Geld bezahlen. Ihr pubertierender Bruder Jean musste sich selbst durchbringen, da Denise in einer kleinen Bedienstetenkammer logierte, die zum Modehaus zählte und für den Bruder nicht ausreichend Platz vorhanden war. Jean bekam aber regelmäßig Geld von seiner Schwester. Er lebte recht verschwenderisch …

In dem Modehaus war auch ein Inspektor angestellt, der alle Mitarbeiter/innen überwachte. Ebenso die Kund/innen, und wer beim Stehlen erwischt wurde, so musste der jeweilige Verkäufer, sollte sich der Diebstahl innerhalb seiner Kundschaft zugetragen haben, zusammen mit seinem Kunden die Konsequenzen tragen ...

Gemobbt wurde nicht nur innerhalb der Angestellten, nein, auch Kund/innen richteten Mobbing gegenüber bestimmten Mitarbeiter/innen, die ihnen nicht passten. Denise war für sie alle das gefundene Fressen. Unglaublich, welche Intrigen die vornehmen Damen sich haben einfallen lassen. In dieser Hinsicht waren sie ungeheuer kreativ.

Auch die Kaufsucht der wohlhabenden Damen, die einem massiven Kaufrausch verfallen sind, da sie durch das übermäßig große Angebot dazu verführt wurden, greift Zola auf … Das Modehaus heißt nicht umsonst Das Paradies der Damen.

Und die Nöte der weiblichen Angestellten, denn   Frauen, die schwanger waren, wurden fristlos entlassen, thematisierte der Autor.Viele Schwangeren wollten ihren Job nicht riskieren, und schnürten ihren Bauch mithilfe des Korsetts fester zu als üblich, sodass sie eine Fehlgeburt erleiden mussten. Sie haben das Kind verloren anstelle ihrer Arbeitsstelle. Das sind nur ein paar von vielen unmenschlichen Missständen, die Zola hier einführt.

Doch Denises Schicksal fand eine Wende, die mir recht gut gefallen hat. Ihr Chef namens Mouret hat sich in sie verliebt und hat immer wieder um ihre Hand angehalten. Denise hatte ihren Brüdern geschworen, immerzu für sie dazusein und sich keinem Mann mit einer Heirat hinzugeben, wobei Jean ein paar Jahre später selbst geheiratet hat, weshalb ich nicht verstanden habe, weshalb sich Denise für ihn noch immer verantwortlich gefühlt hat. Für Mouret beginnt eine schwere Zeit von Liebeskummer. Denise konnte seine Gefühle, obwohl sie ihn heimlich ebenfalls anbetete, des Versprechens wegen nicht erwidern ... Nachdem Denise einmal zu Unrecht entlassen wurde, wurde sie kurze Zeit darauf wieder eingestellt, nachdem das Unrecht aufgedeckt wurde, sodass sie recht bald zur zweiten Verkäuferin ernannt wurde. Das bedeutete, sie genoss dadurch jede Menge Privilegien und sie hatte zahlreiche Verkäufer/innen unter sich stehen ... Aber Denise erwies sich nie als ungerecht ihren KollegInnen gegenüber. Sie besaß einen starken und fairen Charakter.

Selbst Kundinnen, die sich emotional zu Mouret hingezogen gefühlt haben, platzten fast vor Neid, als sich diese Liebschaft im Haus herumgesprochen hat. Eine Dame versuchte Denise mit bösen Intrigen vor Mouret bloßzustellen. Und das folgende Zitat möchte ich hier unbedingt festhalten. Sie, Henriette, arrangiert zu Hause einen Treff; sie lädt Mouret und Denise zu einer Maßänderung ihres bei ihnen kürzlich gekauften Mantels ein. Bei der Anprobe und in Anwesenheit Mourets demütigte sie Denise immerfort und stellte sie als eine absolute Versagerin hin, die nicht einmal in der Lage sei, Stecknadeln zu setzen. Die Kundin zickte richtig rum:
Henriette wollte Monsieur Mouret eine Äußerung erpressen, die das junge Mädchen verdammte; und da er, noch schwankend, stumm blieb, versetzte sie ihm mit ihren Peitschenhieben eine höchste Beleidigung.  >>Das ist ja schön, Monsieur Mouret, wenn ich mir in meinem eigenen Hause die Unverschämtheiten ihrer Geliebten gefallen lassen muss!-Einer in irgendeiner Gosse aufgelesenen Dirne!<< Zwei schwere Tränen stürzten aus Denises Augen. Sie hatte sich schon lange zurückgehalten; aber bei dieser Beschimpfung schwand ihre ganze Kraft. Als Mouret sie so weinen sah, ohne dass sie ein heftiges Wort erwidert hätte, in stummer und verzweifelter Würde, zögerte er nicht mehr, sein Herz zog ihn in unermesslicher Zärtlichkeit zu ihr. Er ergriff ihre Hände, er stammelte: >>Gehen Sie schnell fort, mein Kind, vergessen Sie dieses Haus.<< Völlig verblüfft, fast erstickt vor Zorn, betrachtete Henriette die beiden. >>Warten Sie<<  fuhr er fort, selber den Mantel zusammenlegend, >>nehmen Sie dies Kleidungsstück wieder mit. Die gnädige Frau wird sich anderswo etwas anderes kaufen. Und ich bitte Sie, weinen Sie nicht mehr. Sie wissen, wie sehr ich Sie achte.<< Er begleitete sie bis an die Tür, die er dann wieder schloss. (…)
Henriette, die vor Zorn barst, hatte ihr Taschentuch gezogen und presste es sich gegen den Mund. Alle ihre Berechnungen waren über den Haufen geworfen, sie selber war in der Falle gefangen, die sie gestellt hatte. Sie war untröstlich darüber, dass sie, von Eifersucht geplagt, zu weit gegangen war. Um einer solchen Kreatur willen verlassen zu werden! Sich vor ihr verschmäht zu sehen! Ihr Stolz litt ärger als ihre Liebe. 
Während dieser Szene habe ich mich wirklich amüsiert. Ich fand es schön, dass diese vornehme Henriette am Ende diejenige war, die gefoppt wurde. Ich weiß, dass es im wirklichen Leben kaum eine solche ausgleichende Gerechtigkeit dieser Art gibt, desto mehr genieße ich sie auf Zolas fiktive Weise.

Das Buch erhält von mir acht von zehn Punkten.

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 70
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Freitag, 18. Dezember 2015

Emile Zola / Das Paradies der Damen

Klappentext
Immer weiter breitet sich das Paradies der Damen, eines der ersten großen Pariser Modehäuser, im Viertel aus. Immer größer wird die Batterie von Angestellten - zuletzt sind es über 3000 -, die dort von den frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht beschäftigt sind, um mit prunkvollen Auslagen und verführerischen Angeboten die Damenwelt zu locken. Octave Mouret, Gründer und Besitzer dieses neuzeitlichen Konsumtempels, weiß, wie man Frauen erobert und verführt. Der Kaufrausch, in den er die Frauen versetzt, richtet die Einzelhändler, die weder mit dem Glanz noch mit den Preisen des ständig expandierenden Moloches mithalten können, langsam aber sicher zugrunde. Ganz im Gegensatz zu Denise Baudu, einer jungen Verkäuferin aus der Provinz, deren wechselhaftes Schicksal eng mit dem des Modehauses verwoben ist … In groß angelegten und mit viel Liebe zum Detail ausgeführten Tableaus lässt Zola die prächtige Warenhauswelt des 19. Jahrhunderts mit all ihren Facetten wieder auferstehen: von der Architektur über das Sozialgefüge der Angestellten und den ausführlichen Mode- und Interieurbeschreibungen, von den Umkleideräumen und der Kantine über die einzelnen Verkaufsabteilungen bis hin zur Chefetage und einer Verkaufsausstellung von weißen Stoff- und Seidenarten, Tülls und Musselin.

Autorenporträt
Emile Zola (1840-1902) ist der Hauptvertreter des europäischen Naturalismus. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Nana und Germinal. 
Emile Zola ist mir nur aus der Schule bekannt. Privat habe ich bisher noch gar nichts von ihm gelesen.