Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre
Ich habe das Buch nun beendet und es hat mir genauso gut gefallen wie
alle anderen Allende - Bücher auch. Jede Menge weltliche Themen sind in
dem Buch gepackt, was mich sehr anspricht, vor allem, wenn sie von
einer Autorin geschrieben sind, die sich nicht nur um viele Liebesthemen
dreht. Nein, sie schreibt zwar auch über Liebesgeschichten, aber sie
greift auch viele politische Themen auf; zu den Kriegen Lateinamerikas
um 1880 herum und später. Über den Kampf um Menschen- und Frauenrechte,
über die unterschiedlichen Weltreligionen und deren Handhabung, über den
Rassismus Amerikas und den von China innerhalb von Amerika (Chinatown).
Sie schreibt über die Kinderprostitution und Menschenhandel mit Frauen und Kindern,
und auch über das Leben innerhalb der Aristokratie in Chile... . Sie
schreibt über den Kampf zu Gerechtigkeit innerhalb der verschiedenen
Klassen.
Die Widerstandskämpfer setzten sich für eine gerechtere Welt ein, denn sie waren der Meinung, dass
Die Gesetze von den Starken erfunden (wurden), um die Schwachen zu beherrschen.
Dieses Zitat hat mich recht nachdenklich gestimmt und ich mir die Frage
gestellt habe, wie kann das möglich sein, dass es einer Minderheit
gelingt, eine Mehrheit zu lenken? Und das nicht nur bei Allende im Buch,
nein, auch gegenwärtig und überall ist das tatsächlich so. Wieviel
Macht von den Herrschenden ausgeht, ist ein wenig absurd, finde ich,
aber wahr.
Was der Rassismus in Amerika betrifft, so war dieser dermaßen
ausgeprägt, dass sich viele AmerikanerInnen nicht vorstellen konnten,
dass Menschen anderer Hautfarbe auch zur Menschenrasse zählten.
Die vielen Kriege Chiles, Salpeterkrieg 1880 und verschiedene
Bürgerkriege, Partisanenkriege im übrigen Teil von Südamerika, zeigen
das selbe Kriegsgesicht, wie die Kriege von europäischen AutorInnen, wie
z.B: Fallada, Remarque, Borchert u.a.m. . Es ist egal, in welcher
Sprache der Krieg dargestellt wird, das Gesicht ist immer dasselbe, wenn
der Krieg nicht heroisiert wird, wie dies in rechter Literatur der Fall
ist. Doch auch hier gibt es Figuren, die als Helden in den Krieg
ziehen, um für ihr Vaterland zu kämpfen, und kommen verkrüppelt völlig
entideoligisiert zurück.Ähnlich wie Borchert, der hochmütig in den Krieg
zog und aber als Pazifist zurückkehrte.
Es gibt aber auch andere, die aus purer Überzeugung immer wieder in den
Krieg ziehen, ohne dass der Krieg sie verändert hat... .
Die Protagonistin des Romans nennt sich Aurora del Valle, der ein recht
widriges Schicksal widerfahren ist, da ihre Mutter, Lynn Sommer, eine
bildhübsche aber recht naive neunzehnjährige Frau, stirbt bei ihrer
Geburt. Der Vater von Aurora verleugnet die Vaterschaft. Er hatte an
Lynn ein einziges Interesse, und das war, Lynns Körper vor seinen
männlichen Freunden nackt vorzuführen, als er eine Wette abschließt,
dass Lynn sich darauf einlassen wird.. .
Aurora wird in den ersten fünf Lebensjahren von Lynns Eltern in
Kalifornien großegezogen. Eliza, Lynns Mutter und die Großmutter von
Aurora ist mit einem Chinesen verheiratet, aber die Vermählung zwischen
einer Amerikanerin und einem Chinesen wurde nicht anerkannt. Trotzdem
leben sei wie ein Paar. aber in der amerikanischen Gesellschaft so
unauffällig wie möglich. Ihr Mann Mao, ein chinesische Mann, ist ein
hochangesehener Arzt und beherrscht die Kunst der Akupunktur. Als Lynn
unter seinen Händen während der Geburt stirbt, macht er sich als Arzt
große Vorwürfe.
Großvater Mao widmet sich ganz der Erziehung seiner Nichte und so wächst
Aurora in den ersten fünf Jahren zwischen mehreren Welten auf. In
Amerika, Kalifornien, im Stadtteil Chinatown, indem nur nach Amerika
eingewanderte Chinesen leben, das geprägt ist von Mafia, Korruption,
(Kinder)Prostitution und Kriminalität.
Im Alter von fünf Jahren wird Aurora Zeugin, als ihr Großvater in
Chinatown von organisierten Banden überfallen und körperlich dermaßen
verletzt wird, dass er ein paar Tage später seinen Verletzungen erlag.
Eliza hat nicht mehr die Kraft, Aurora alleine aufzuziehen, und gibt sie
an den Großeltern väterlicherseits, ohne dass das Kind darauf
vorbereitet wird. Die Großmutter Pauline Rodriguez, die sich schon immer
ein kleines Mädchen gewünscht hat aber nur drei Jungen geboren hat,
mittlerweile alle im erwachsenen Alter, nimmt die Kleine bei sich auf.
Pauline und ihr Mann gehören zum Adelsgeschlecht aber als recht
ungebildet wird die Großmutter beschrieben. Sie besitzt eine
mehrstöckige Bibliothek, ohne dass sie jemals ein Buch daraus entnommen
und gelesen hat. Das hat mich auch an Marcel Proust erinnert, der
dasselbe berichtet hat von der französischen Aristokratie, wo wenig
gelesen wird, aber über prunkvolle Bibliotheken verfügen. Die Großmutter
Paula verschweigt Aurora die Herkunft und klärt sie nicht darüber auf,
dass ihr Sohn Matias der Erzeuger von ihr ist.
Als Auora erwachsen wird, ist sie ständig auf der Suche nach ihren
Wurzeln, nach ihrer Identität. Schon als Kind stellt sie immer wieder
die Frage, wer denn nun der Vater sei. Als gesetzlicher Vater hat sich
der Neffe von Pauline, Severo, einschreiben lassen, der sich zu Lynn
stark hingezogen fühlte und sich mit ihr noch kurz vor ihrem Tod
verheiratet hat. Und so findet für Auora die lebenslange Suche nach
ihrer Herkunft statt. Am Schluss findet sie alle Teile, die sich wie ein
Puzzle zusammenfügen lassen.
Interessant fand ich auch in Chile die verschiedenen Lebensformen,
geteilt zwischen Tradition und Moderne. Die Rollen waren vorgeschrieben,
und besonders Mädchen wurden schon recht früh auf Haushalt, Heirat und
Kindergebären vorbereitet. War ja in Europa zu dieser Zeit nicht anders.
Fragen, weshalb Frauen wenig intelligent waren als ihre Männer, darf
man sich mit diesem Hintergrund so nicht mehr stellen, denn sie wurden
zu Hausfrauen, Mütter ... schon sehr früh erzogen. In China
wurden viele Mädchen, wo die Tradition den Vorrang hat, wie sinnlose
Gegenstände weggeworfen, ertränkt, ermordet und niemand wurde dafür
strafrechtlich verfolgt.
Die Mädchen waren sexuell nicht aufgeklärt, und es galt als verpönt,
schwangeren Frauen auf den Bauch zu schauen. Es gehörte sich nicht und
so blickten die Leute auf der Straße weg, wenn sie einer Schwangeren
begegneten.
Viele junge Frauen wurden schwanger, noch bevor sie
wussten, wo die Kinder herkommen. Aurora stellt diese Frage recht früh
und sieht bei ihrer schwangeren Tante Nivea den dicken Bauch und
erkundigt sich diesbezüglich bei ihrer Großmutter, die ihr zur Antwort
gibt, Nivea habe eine Melone verschluckt.
Über die SüdamerikanerInnen herrschten die selben Vorurteile, wie man
sie noch heute recht einseitig gegenüber den SüdeuropäerInnen zu hören
bekommt, mit den Attributen, sie seien faul, schmutzig, die Männer seien
Weiberhelden, gebärfreudig u.v.a.m.
Paula Rodriguez ist politisch eher konservativ orientiert und verachtet
alle Sozialisten. Sie selbst gilt allerdings in der Familie als
Matriarchin, die auch ohne das Frauenwahlrecht eine Menge zu sagen hat.
Demnach ist sie gegen das Wahlrecht für Frauen, da Frauen dumme
Geschöpfe seien, die, würden sie wählen dürfen, mit der Wahl nur Unheil
anrichten täten. Die Frauen würden nur das wählen, was ihnen ihre
Ehemänner und die Priester vorschreiben würden:
Ich brauche kein Wahlrecht, um zu tun, was mir passt, denn ein paar von uns regieren hinter dem Thron.
Und so erweist sich auch ihr Leben bis zu ihrem Tod.. Paula Rodriguez
erreicht alles, was sie möchte. Ohne die Einwilligung der Regierung,
ohne die ihres Mannes. Sie hat in der Tat alle Fäden in der Hand, sowohl
in der Gesellschaft, als auch in der Familie.
Durch den Überfall an ihren Großvater Mao ist Aurora ist seit frühster
Kindheit von Albträumen geplagt. Im Alter von dreizehn Jahren bekommt
sie von ihrem Adoptivvater Severo eine Kamera geschenkt, damit sie ihre
Albträume fotografieren könne :-). Severo wollte das Mädchen damit ein
wenig aufziehen, sie trösten und legt ihr quasi ein Hobby, Fotografin zu
werden, in den Schoß.
Hier beende ich nun meine Buchbesprechung. Das Buch ist sehr
facettenreich und dadurch, so finde ich, zeichnet sich eine gute
Schriftstellerin und ein guter Schriftsteller aus. Es gibt vieles, was
ich noch nicht erwähnt habe, aber alles, was mir persönlich wichtig war.
Ich gebe dem Buch zehn von zehn Punkten. Zehn und nicht weniger, weil
der Autorin es gelungen ist, die Menschen in ihrem Buch differenziert
darzustellen und sie viele weltliche Themen bearbeitet, ohne dass diese
oberflächlich wirkten. In jedem von ihr aufgezeichnetem Land gab es gute
und weniger gute Menschen. Und genau das ist mein Lesestil, mein Faible
zu guter Literatur.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)
Gelesene Bücher 2012: 61
Gelesene Bücher 2011: 86