Posts mit dem Label Verriss werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Verriss werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 9. September 2021

T. C. Boyle / Sprich mit mir

Klappentext  

Wer ist menschlicher? Der Mensch oder der Affe? Die Weltpremiere von T.C. Boyles neuem Roman

Sam, der Schimpanse, den Professor Schermerhorn in eine TV-Show bringt, kann in der Gebärdensprache nicht nur einen Cheeseburger bestellen, sondern auch seinen Namen sagen. Wie ein Kind wächst er umsorgt von Wissenschaftlern auf. Als die schüchterne Aimee dazu stößt, entspinnt sich eine einzigartige Beziehung: Sam erwidert ihre Gefühle und entwickelt sich regelrecht zu einem Individuum. Als jedoch die Vision Schermerhorns, der an das Menschliche im Tier glaubt, keine Schule macht, wird er für Tierexperimente von einer anderen Universität beschlagnahmt. Aimee ist am Boden zerstört und fasst einen verrückten Plan. T.C. Boyle geht ebenso komisch wie mitfühlend der Frage nach, ob uns Tiere ähnlicher sind, als wir vermuten.

Autor*inporträt

T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, ist der Autor von zahlreichen Romanen und Erzählungen, die in vielen Sprachen übersetzt wurden. Bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles.

Meine ersten Leseeindrücke / Buchbesprechung / Verriss
Von ersten Leseeindrücken kann noch keine Rede sein, da ich das Buch gerade seit ein paar Tagen höre. Das Buch liegt aber auch schon als Printversion vor mir, ich mir mittlerweile aber nicht sicher bin, ob ich es auch lesen möchte.

Was mir gar nicht behagt, ist, dass es hier zwar um Tierkommunikation und um Interaktion zwischen Mensch und Tier geht, aber der Wissenschaftler in dem Buch diese Fähigkeit nur den Primaten zugesteht, während andere Tiere davon ausgeschlossen werden. Hunde und Katzen wurden z. B. auf belangloses Miau und Wau reduziert. Da merkt man wieder mal, wie einseitig Wissenschaft sein kann. Die Art, wie Sam, der Schimpanse, hier kommuniziert, und zwar über rudimentäre Gebärdensprache, ähnlich wie bei Taubstummen und durch subtile Signale ist mir nur teilweise einleuchtend, weil sie stark auf die Tierart Schimpanse zugeschnitten ist. Primaten seien uns Menschen zu 99 % ähnlich, weshalb man ihnen die menschliche Kommunikation beibringen könne. Sam hat es z. B. geschafft, 500 Wörter zu lernen und sie mit Gestik zu artikulieren. Keine Kunst, so finde ich, da Affen, wie oben schon geschrieben, uns Menschen anatomisch recht ähnlich sind, aber dennoch sinnlos dieser Spracherwerb, weil er nicht in die Lebenswelt dieses Tieres passt. 

Der Autor vermittelt mir, dass ein Tier erst dann intelligent ist, wenn es über die Anwendung kultureller Fertigkeiten verfügt, die für Menschen und von Menschen geschaffen wurden.

Dass der Schimpanse im Buch Gefühle hat, da muss ich nicht den belletristischen Boyle lesen, das weiß ich schon von meinen eigenen Haustieren und von echten Wissenschaftlern. Boyle ist für mich kein Wissenschaftler. Er ist Bestsellerautor, mehr nicht und strickt daraus ein spektakuläres, aufreißendes Thema mit seinem Affen, dem menschliche Werte beigebracht werden.

Glücklicherweise gibt es mittlerweile ganz andere Studien, von denen der Autor sicher noch nichts gehört hat, die nämlich auch andere Tiere in den Fokus rücken, die ebenso in Versuchslaboren landen, wie z. B. Hunde, Katzen, Ratten, etc. alles Tiere, die uns genetisch eben nicht ähnlich sind, und trotzdem in der Lage sind, angepasst an die Wortwahl des Autors, über natürliche Gebärden und über subtile Signale sich auszudrücken. Auch sie hätten es verdient, aus den Versuchslaboren befreit zu werden. 

Ich bin gespannt, wohin mich dieses Hörbuch noch führen wird. Auditiv hat es einen Umfang von mehr als 11 Stunden, gebe also die Hoffnung nicht auf, dass es mich vom Interesse her doch noch packen könnte. Wenn mich das Hörbuch nicht weiter ergreifen wird, weil es mich wegen der wissenschaftlichen Einseitigkeit durch den Primatologen nicht überzeugen kann, und wegen der Art und Weise, wie diese Sprachförderung angegangen wird, didaktisch forciert stark nach menschlichen Vorstellungen, dann werde ich das Buch nicht lesen. Tieren muss man das Kommunizieren nicht beibringen. Man muss im Umkehrschluss eigentlich den Menschen beibringen, die Sprache der Tiere zu lernen. Der Schimpanse wird mir hier zu sehr nach menschlichen Maßstäben geformt und instrumentalisiert, selbst wenn die Absichten gute sind. Aber irgendwie wirkt das Buch auf mich total naiv ... 

Vielleicht ist dies eine Lektüre für Anfänger*innen, die Tiere noch zu sehr auf tierische Grundbedürfnisse reduzieren und bestimmte Eigenschaften ausschließlich den Menschen zugestehen. Diese Stufe habe ich aber längst überschritten. Mich muss man nicht mehr überzeugen, dass Tiere kognitiv und emotional mehr können als wir wahrhaben möchten. UND DAS TRIFFT ABER AUF ALLE TIERE ZU.

Ich sehe durchaus den Beweggrund des Autors, ein fiktives Buch über Sam zu schreiben, um sich z. B. gegen Tierversuche einzusetzen und um mehr Mitgefühl für die Schimpansen zu vermitteln, aber ich reagiere total empfindlich, wenn andere Tiere in ihren Kompetenzen vernachlässigt werden, weil man ihnen Sams Potenziale nicht zutraut, und nur, weil sie uns genetisch unähnlich sind. 

Ui, nun habe ich ja schon ganz viel geschrieben und damit schon eine Buchbesprechung geliefert, wenn auch nur in einer kleinen Form, aber besser als nichts für den Fall, dass ich keine weitere verfassen  möchte, wenn das Hörbuch alleine zur Sättigung meiner geistigen Sinne beigetragen hat.

Nachtrag, 10.09.21
Verriss

Ich musste das Hörbuch abbrechen, da es für mich immer absurder wurde. 

Liebe Leser*innen, bitte seid kritisch, lest kritisch, aus Liebe zu allen anderen Tieren dieses Planeten. Tiere, die nicht zu den Primaten zählen, werden als nicht fühlende Lebewesen bezeichnet. Der Autor versucht in seiner Unwissenheit uns den Affen zu verkaufen, dessen Gefühle deshalb als Gefühle anerkannt werden, weil Sam diese über die Gebärdensprache auszudrücken weiß. Er kann in dem Buch in der Gebärdensprache sagen: ICH HABE SCHMERZEN ... 

Weil alle anderen Tiere dies aber nicht können, werden sie wie Objekte als gefühls- und hirnlos hingestellt. Diese kann man, zwischen den Zeilen gesprochen, also ruhig weiterhin totschlagen, quälen, schlachten, zu Versuchszwecken in Käfigen sperren und vieles andere mehr. Mich macht dieses Buch dermaßen wütend, dass ich es abbrechen musste.

Ich benötige doch keine Wissenschaft, um zu beweisen, dass alle Tiere schmerzempfindlich sind. Man hört die Schreie im Schlachthaus, man hört Schmerzenslaute, wenn man aus Versehen einem Tier auf den Schwanz tritt. Ganz einfache Beispiele. Tote Objekte reagieren weder auf bewusste noch auf ungewollte Gewalteinwirkung.  

Nein, dies ist nicht meine Welt. Boyle hat es nun bei mir völlig verscherzt. Nie wieder werde ich von ihm ein Buch lesen. Er ist bei mir nun unten durch. Aus und vorbei. Ich könnte nur weinen für die vielen anderen Tiere, die so viel Gefühl und Intelligenz besitzen, nur nicht messbar in obiger Form, weil diese Tiere nicht in diese Menschenkategorie gepresst werden können. 

In dem Buch haben sie aus einem Affen einen Menschen gemacht. Ganz gruselig. Es tut mir in meiner Seele weh ... Auch für den Affen selbst ... , der durch seine Formbarkeit besser weggekommen ist als die Tiere anderer Arten.

Ade ... 

Sy Montgomery als Entschädigung: Rendezvous mit einem Oktopus 🐙

Dieses Hörbuch musste ich mir nun nach dieser Niederlage unbedingt herunterladen. Montgomery hält alle Tiere für intelligent. Das Buch liegt bei mir schon seit längerer Zeit haptisch auf meinem SuB. Ich werde es die nächsten Tage hier vorstellen. 

Buchdaten zu Sprich mit mir

·       Herausgeber ‏ : ‎ Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG; 2. Edition (25. Januar 2021)

·       Sprache ‏ : ‎ Deutsch

·       Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 352 Seiten

·       ISBN-10 ‏ : ‎ 3446269150

Hier geht es zur Carl Hansen Verlagsseite.

 ____________________

Gelesene Bücher 2021: 08
Gelesene Bücher 2020: 24
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Ich höre: Sten Nadolny /Weitlings Sommerfrische
Marcel Proust: Der geimnisvolle Briefeschreiber
Leo Tolstoi: Wo Liebe ist, da ist auch Gott
Marcel Proust: In Swanns Welt
Rachel Joyce: Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie

_________________________

Partnerschaft zwischen
Wissenschaft und Intuition!

Lesen mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Mitgefühl für alle Mitseelen / Mitgeschöpfe
Deine Probleme könnten meine Probleme sein,
und meine Probleme könnten Deine Probleme sein.
Mein Schmerz, Dein Schmerz
Dein Schmerz, mein Schmerz.
Wir sind alle fühlende Wesen.
(Den Tieren eine Stimme geben)

Klopf an dein Herz, denn dort sitzt 
das Genie!
(Alfred de Musset)

Auch Expertenwissen ist subjektiv!
(Tom Andersen / Psychiater und Syst. Therapeut)


Freitag, 19. April 2019

Lucy Fricke / Töchter (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Leider musste ich das Buch wieder abbrechen. Das Erzählmuster dieses Buches ist mir zu farblos, ein Schreibkonstrukt, das mich inhaltlich so gar nicht halten und überzeugen konnte.  
Viel zu abwertend, viel zu rassistisch, viel zu stereotypisch vor allem gegenüber den Italiener*innen. Aber auch andere Themen im Buch waren mir viel zu einseitig, zu ernst, auch wenn sich Fricke um einen humorvollen Ton bemüht hat.

Ich werde ein paar Takte zum Inhalt schreiben, werde daran belegen, was mich gestört hat. Klischees, Stereotypen, Diskriminierung. Auch die Opferhaltung der Hauptfiguren hat mich angewidert.

Gelesen habe ich das Buch mit Monerl, die sich parallel zu dem Hardcover auch die audible Fassung vorgenommen hat. Am Ende meiner Buchbesprechung verlinke ich mich einmal mit Monerls Rezension, ein anderes Mal mit einer Rezension auf Amazon.

Anschließend möchte ich eine Seite eines Autors namens Robert Spasov auf meinem Blog verlinken, der auch grafisch dargestellt hat, was Stereotypen sind und wie sie entstehen. Nur nochmals zum Bewusstmachen, weil viele dieser Bilder davon eher innerlich und unbewusst existieren.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autor*inporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Betty, die Icherzählerin, von Beruf Schriftstellerin, ist Anfang 40 und befindet sich mit ihrer langjährigen Freundin Martha in einer Midlifecrisis. Betty ist eine Emanze und ohne Bindung, lebt daher als Frau ein autonomes Leben, wie sich dies viele Frauen wünschen. Aber sie ist auch stark depressiv, und dadurch auf Psychopharmaka angewiesen. Betty klingt sehr frustriert, sodass ich mich häufig gefragt habe, ob ihr ein Mann nicht doch gutgetan hätte??? Die gleichaltrige Martha ist dagegen mit Henning verheiratet. Auch sie ist frustriert, da ihr Kinderwunsch sich nicht erfüllen konnte. Beide Frauen vermissen einen Vater, den sie in der Kindheit verloren hatten und begeben sich rein zufällig auf Spurensuche, die weit bis in den Süden Europas führt …

Marthas Mutter hatte ihren Vater namens Kurt verlassen. Kurt verlor dadurch auch den Kontakt zur Tochter. Erst als der berentete Kurt an Krebs erkrankt, meldet er sich bei Martha, mit der Bitte, ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen. Er möchte von ihr mit seinem Auto in die Schweiz gefahren werden, und möchte dort über die aktive Sterbehilfe von seinem Krebs erlöst werden.

Martha nutzt nun die Gelegenheit, mit ihm einige Fronten zu klären, weshalb er sich nicht um sie gekümmert habe, als sie noch ein Kind war und einen Vater gebraucht hätte.

Kurt erzählt Martha von einem Leben, das vor dem Leben mit ihrer Mutter begann. Er beschreibt sich:
Ich sah aus wie ein Sizilianer, (…) ich hatte noch dunkle Locken, die Leute haben mich für einen Mafioso gehalten, als ich jung war. Das war kein Vorteil. Ganz und gar nicht. Außer eben bei Francesca. (2019, 50)

Soso, nun weiß ich Bescheid, wie die Mafiosi in Sizilien alle aussehen. Francesca ist eine Italienerin, die den ach so armen, armen Kurt hat sitzen lassen, als sie in einem Lokal einen Machoitaliener kennenlernt. Sitzengelassen …

für einen richtigen waschechten Italiener. Sah aus wie aus dem Bilderbuch, Polohemd, Goldkette und ein Boot. Der Kerl hat sich einfach an unseren Tisch gesetzt und mir die Frau weggenommen. (51)

Dieser ach so böse Macho, nimmt ihm einfach die Frau weg. Nicht nur Betty und Martha, auch Kurt ist in seiner Opferhaltung gefangen.
Und ich wusste bis dato noch gar nicht, dass zum Beispeil Goldketten und Polohemden nur von Mafiosi getragen werden … Und überhaupt, was hat das mit Martha zu tun?

Die Reise mit dem Vater entpuppte sich in eine andere Richtung, die zu Francesca nach Italien führte, in die Toskana, sodass die beiden frustrierten Frauen Kurt mit dieser Frau alleine ließen, und sie ohne ihn weiterfuhren, um Bettys Vater aufzusuchen, der irgendwo in Rom begraben liegt …

In Rom angelangt, flanierten sie vorbei an Dealern, Nutten und Kleinverbrechern.

Meine Frage, woran erkennt man Kleinverbrecher?

Betty sagt dazu;
Mir kam das alles vor wie ein Klischee. (…) Das notwendige Gegenstück zum hübschen Italien, jede Toskana braucht eine Hafengasse in Genua. Auch Martha schien nicht richtig beeindruckt.
 >>Ah, so<<, sagte sie, und wir fanden es ein bisschen schade, dass sie nicht versuchten, uns die Handtasche zu klauen. (93)

Damit möchte sie wohl sagen, dass die Klischees eher Wirklichkeit sind. 

Sie fahren weiter südlich, haben ihr Ziel erst mal in Rom erreicht, wo Bettys Vater begraben liegt. Betty sucht das Grab in Bellegra auf, eine Metropolitanstadt in Rom. Sie hatte den Vater im Alter von sechs Jahren aus den Augen verloren, da sich die Eltern getrennt hatten.

Die Szene am Grab ihres Vaters fand ich grotesk. Nachzulesen auf Seite 121. Hier schwankte ich wieder, wollte das Buch zu machen, schließlich sorgte folgendes Zitat für den endgültigen Abbruch:

Martha spricht zu Betty, die im Hotelzimmer im Bett liegt:
>>Der neue Bürgermeister schmeißt eine Runde!<<>>Du riechst komisch<<, sagte ich.
Martha zuckte bloß mit den Schultern. >>Wir stinken eben, meinte sie. >>Wir tragen seit Tagen dieselben Kleider. Was erwartest du? Außerdem ist das hier nicht Venedig oder Florenz, hier stinken sie alle. Glaub mir!<<

Dass alle Menschen in Rom stinken, das gab mir nun endgültig den Rest und so schlug ich hier das Buch endgültig zu.

Was hat mich noch gestört?
Neben dieser Dieskriminierung, die ich als rassistisch empfunden habe und den dickaufgetragenen Klischees stört es mich, wenn (alle) deutschen Autor*innen ihre italienischen Figuren in die Garderobe des strengen Katholizismus` packen, mit dem Etikett 
traditionell und rückständig versehen. Sie werden auch hier im Buch als naiv, abergläubisch und dumm angepriesen. Dabei vergessen diese Autor*innen, dass auch andere europäische Länder katholisch sind, wie z.B. Österreich, Frankreich, Ungarn, Rumänien, Polen etc. Auch in Deutschland leben viele katholische Gläubige. Es gibt auf der Welt mehr Katholiken als Menschen anderer Konfessionen. Im Vatikan leben Priester aus aller Welt. Ratzinger war Deutscher. Nur schreibt darüber keiner. Immer sind es italienische Figuren, die streng katholisch und naiv hingestellt werden. 

Die Genderfrage
Die Autorin stellt hier die deutschen Männer als fortschrittlich dar; sie wechseln Babywindeln, füttern Milchflaschen, während italienische Männer immer noch Machos sind. Auch wenn das hier nur wenige hören wollen. Auch italienische Männer haben sich weiterentwickelt, ohne behaupten zu wollen, dass es den Macho nicht mehr gibt, aber hier in Deutschland möchte ich auch nicht behaupten, dass die traditionelle Rollenverteilung schon Geschichte ist, die abgehakt werden kann. In einer Umfrage von 2016 ergaben 78% der deutschen Väter, die sich noch immer in der Rolle des Ernährers sehen. Das beobachte ich auch in meinem eigenen Umfeld … Und der Haushalt wird auch hier größtenteils von Frauen geschmissen. 

Meine abschließende Frage
Wie hat dieses seicht geschriebene und wenig differenzierte Buch es inhaltlich nur zum Buchpreis geschafft? Ich konnte leider dazu noch keine Antwort finden. Es gibt so viele andere Bücher, die den Buchpreis verdient hätten. Schade. Nicht nur Monerl und ich sind über die Buchpreisvergabe überrascht. Viele andere Leser*innen auf Amazon und Buecher.de waren es auch und stellten fest, dass bepreiste Bücher keinesfalls die besseren Bücher sind.

Zudem wundert mich, wieso es so wenige Rezensent*innen gibt, die diese Klischees anmerken? Fallen sie ihnen nicht auf, weil sie selbst dieses antiquierte Italienbild in sich tragen? Oder woran könnte es noch liegen? Wie würde man reagieren, wenn es in einem Buch hieße, alle Menschen in Deutschland würden stinken?

Zum Schluss habe ich mich nochmals gefragt, wie viele Bilderbücher Fricke selbst über Italiener*innen sich betrachtet hat, bis sie ihre Geschichte gefunden hat? Für eines sind italienische Figuren doch gut; sie lassen sich immer wieder schön negativ darstellen und damit auf dem Buchmarkt gut Geld verdienen. Die Figuren können sich schließlich nicht wehren.

Gefragt habe ich mich zudem, ob die Italiener*innen schuld sind, dass Betty und Martha vaterlos aufgewachsen sind? (Kurts erste Freundin Francesca, die ihn verlassen hat und Bettys Vater Ernesto, der sich von der Mutter getrennt hat).

Hierzu ein Link zum Thema Vorurteil und Stereotypen. Wir sind ja alle nicht frei davon. Aber man kann sie auch nicht einfach so stehen lassen. Man muss sich damit auseinandersetzen, sonst wird man sich davon nie lösen können. Die Frage ist nur, will man das, sich von ihnen lösen, wenn man damit sogar noch Buchpreise gewinnen kann?

Da Monerl das Buch bis zum Ende gehört hat, weiß ich, dass sich bis zum Schluss wenig am Niveau der Geschichte geändert hat. Allerdings soll es eine kleine Abweichung zwischen dem Hörbuch und dem Printbuch geben. Nachzulesen hier.

Hier eine Rezension aus Amazon. Ich zitiere einen Ausschnitt von dem Rezensenten Borux:
Die allesamt maroden Figuren dieses satirischen Romans sind ziemlich konturlos, ihre Vita bleibt weitgehend im Dunkeln, man wüsste aber gerne mehr, das würde auch das Verständnis des Plots erleichtern. Bei der von Lebensbilanzen und Sterbensfragen dominierten Thematik des Romans stehen den beiden Heldinnen in ihrer nicht nur altersbedingt kritischen Lebensphase zwei lebensmüde Vaterfiguren gegenüber. In der Dramatik dieser illusionslosen Geschichte vor zumeist malerischer Kulisse ist allerdings ein gewisses Pathos nicht zu übersehen. Lakonisch wird immer wieder seelisch Verschüttetes zutage fördert, bedauerlich aber ist, dass diesem narrativen Element nicht weiter nachgegangen wird, es fehlt an gedanklicher Tiefe. Neben einigen Ungereimtheiten werden leider auch derart viele Klischees bedient, dass die Geschichte allzu vorhersehbar wird, sie gleitet teilweise sogar in die Kolportage ab, das Ende ist dann nur noch purer Kitsch!
         Hier geht es zur kompletten Rezension.


Mein Fazit
Ein Buch über zwei frustrierte Frauen, die keinen Humor kennen und nur destruktiv auf andere, die sie nicht wirklich kennen, herabschauen können.

Dieses Buch lebt aus meiner Sicht ausschließlich von Projektionen, ohne diese hätte Fricke sicher das Thema verfehlt.

Desweiteren zitiere ich:
Ich glaube, eins der Kernprobleme einer rassistischen Gesellschaft ist die Ignoranz derjenigen, die mit Privilegien gesegnet sind gegenüber denjenigen, die keine haben.

(In Fatma Aydemir, Eure Heimat ist unser Albtraum )

Meine Bewertung
1 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
0 Punkte: Differenzierte Charaktere
0 Punkte: Authentizität der Geschichte
0 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Drei von zwölf Punkten.

________________
Es ist leichter ein Atom zu vernichten,
als ein Vorurteil.
(Albert Einstein)

Gelesene Bücher 2019: 16
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Montag, 13. August 2018

Rafik Schami / Sophia oder Der Anfang aller Geschichten (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre      

Das Buch hat mich sehr enttäuscht. Ich habe mehr von Rafik Schami erwartet. Ich war erstaunt über dieses Welt- und Menschenbild, das er in sein Buch verfrachtet hat. Ein Weltbild, das in Gut und Böse aufgeteilt ist, Facetten in Schwarz und Weiß. Schade um die Zeit, die ich für das Lesen dieses Buches aufgebracht habe.

Hier geht es zum Klappentext und zu den Buchdaten. 

Die Handlung
Man lernt hier den 75-jährigen Witwer Karim kennen, der eine neue Beziehung zu einer Frau namens Aida eingeht, die selbst auch Witwe und 55 Jahre alt ist. Beide sind ChristInnen und DamaszenerInnen. Karim entdeckt in seinem Alter noch einen Traum und möchte von Aida Oud beigebracht bekommen und Aida möchte von Karim Fahrradfahren lernen. Die Beziehung dieser beiden Menschen stößt bei ihren Nachbarn auf Unverständnis. Sie sind erfüllt von Neid und von anderen Widrigkeiten, doch Karim und Aida stehen drüber und gehen als eine neue Liebesbeziehung ihren Weg. Zwischen ihnen beiden finden häufig religiöse Gespräche statt. Karims Religion ist z. B. die Liebe, denn er glaubt an keinen Gott. In Damaskus findet man verschiedene Weltreligionen, viele davon sind allerdings in der breiten Bevölkerung nicht anerkannt ... Das Liebespaar stößt in der syrischen Gesellschaft auf Widerstand und Provokation, die hinter dem Rücken des Liebespaars ausgetragen werden. Karim hat eine Tochter Mahar, die einen komplizierten und für den Vater einen schwer verständlichen Weg einschlägt und zum Islam konvertiert. Zwischen ihnen beiden entstehen dadurch schwere Konflikte, die so leicht nicht auszutragen sind. Mahar kann den Vater nach dem islamischen Glauben nicht verstehen, dass er eine Beziehung mit einer anderen Frau eingegangen ist und Karim versteht Mahar nicht, dass sie zu einer anderen Religion konvertiert ist und seit dem Kopftuchträgerin geworden ist. Wie ich schon im Vorfeld vermutet habe, lässt der Autor Schami die islamische Beziehung dieser Tochter scheitern …

Parallel dazu bekommen wir es hier mit einem anderen Paar zu tun. Stella und Salman Baladi. Salman Baladi kam ursprünglich aus Syrien und exilierte in den 1970er Jahren nach Heidelberg und nahm dort als anerkannter Flüchtling die deutsche Staatsbürgerschaft an. Salman war zu der Zeit noch jung und nahm in Heidelberg ein Studium auf. Hier lernte er die Italienerin Stella kennen, die in Rom lebt. Nach dem Studium zieht Salman zusammen mit Stella nach Rom, nachdem die beiden geheiratet haben. Sie bekommen ein gemeinsames Kind, das den Namen Paolo erhält ... 

Es sind viele Jahre vergangen, und so treibt Salmans Sehnsucht nach mehr als vierzig Jahren Exil zurück nach Syrien, nach Damaskus, in die  Heimat seiner Kindheit. Er findet keine Ruhe, als er schließlich mit seiner Mutter in Damaskus Kontakt aufnimmt, um recherchieren zu lassen, ob er noch immer vom Geheimdienst gesucht wird. Elias, der Vetter von Salman, der als höherer Offizier im Geheimdienst tätig ist, verkündet der Mutter, dass Salmans Daten gelöscht seien und er nach Damaskus reisen könne. Diese Aktion hat der Mutter viel Geld gekostet und somit bekommt man etwas von der Korruption Syriens mit. Salmans Eltern hätten alles Geld gegeben, was sie hatten, um endlich ihren Sohn nach so vielen Jahren wieder in die Arme schließen zu können. Und das wusste Elias und spielte die Sehnsüchte dieser Familie aus. Salman operierte damals politisch im Untergrund und galt für lange Zeit als politisch verfolgt. Stella ist kritisch, hat Angst, ihren Mann ziehen zu lassen, während sie und das ca. fünfzehnjährige Kind in Rom zurückbleiben. Zu groß ist die Angst, in Damaskus festgehalten zu werden.

Wie ich mir schon gedacht habe, kommt Salman in Damaskus in Schwierigkeiten. Sein Vetter Elias hat ihn verraten ... Salman muss flüchten, taucht unter und so versucht er mithilfe verschiedener Menschen an falschen Papieren dranzukommen, um wieder nach Europa zu fliehen. Den Kontakt zu den Eltern musste er apbrupt abbrechen. Salman wird steckbrieflich gesucht und als gemeingefährlich eingestuft. Ihm wird ein Mord angehängt  

Das Schreibkonzept
Das Schreibkonzept hat mir sehr gut gefallen was die Zusammenführung beider Geschichten und die Erzählperspektiven betreffen. Beide Geschichten wechseln sich in der Erzählform ab und im späteren Ablauf des Romans werden beide miteinander verbunden, weil die Figuren, die erst parallel laufen, später zueinanderfinden. Jedes neue Kapitel startet mit einem Spruch eines bekannten Dichters, die mir alle gefallen haben. 

Sophia oder Der Anfang aller GeschichtenCover und Buchtitel?
Das Cover ist mir zu blumig. Für diese ernste Thematik im Buch ist es nicht ganz so passend. Und der Titel? Sophia oder Der Anfang aller Geschichten dagegen hat gepasst. Man lernt hier viele Geschichten verschiedener Menschen kennen, und wie sie alle begonnen haben ... Sophia ist Salmans Mutter, die so viel Charakterstärke besitzt, dass sie fähig ist, für ihren Sohn zu kämpfen. Gefallen hat mir, als sie Elias als einen gemeinen Verräter … bezichtigt hat und ihn aus der Wohnung geworfen hat. Außerdem war sie als junges Mädchen in Karim verliebt, es aber zu keiner echten Beziehung kam. Auch Karim wurde in seinen jungen Jahren politisch verfolgt und so war es Sophia, die ihm das Leben rettete. Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen. 

Identifikationsfigur
Keine

Meine Meinung
Ich glaube, dass Rafik Schami in seinem Buch teilweise autobiografische Elemente hat einfließen lassen. Eine direkte Verbindung sehe ich zu dem Protagonisten Salman Baladi. Es gibt zumindest recht viele Parallelen zwischen Schami und Baladi, was die Jahreszahl und die Flucht nach Deutschland, Heidelberg, betrifft.

Doch bot das Buch für mich keinerlei Überraschungseffekte in der Handlung und auch was die Gedanken vor allem von Salman betreffen, sie waren für mich immer vorhersehbar. Mir ist es gelungen, in seinen Kopf zu schauen, denn durch die frühe kritische Auseinandersetzung mit meiner eigenen Herkunft, später weiter im Studium und durch meinen Beruf weiß ich, wie Menschen mit klischeebehafteten Bildern im Kopf ticken ... Ich bin mit diesen Klischees hier in Deutschland aufgewachsen und kann sie mittlerweile nicht mehr hören. Von Rafik Schami habe ich höherwertige Literatur erwartet. Dies ist mein erstes und letztes Buch von ihm. 

Rafik Schami vermischt Italiener mit Arabern. Das habe ich noch nie gehört und noch nie wäre ich auf die Idee gekommen, Rom, Italien mit den Ländern Arabiens zu verlgeichen, denn mir fallen eher die Unterschiede ein; geografisch, politisch, kulturell, gesellschaftlich , geschichtlich u.v.m. Wobei ich mir durchaus vorstellen kann, dass im alten Rom viele Handelsleute aus aller Welt kamen ... Da müsste man mal die Geschichtsbücher aufschlagen. Und zu den äußerlichen Merkmalen, wie Italiener aussehen, habe ich weiter unten ein paar Gedanken dazu geäußert ... 

Unterschiede:
1. Italienerinnen tragen keine Vollverschleierung, keine Burka und auch keine Kopftücher 
2. Italienerinnen und Italiener suchen sich ihre Partner*innen selber aus.
3. Männer und Frauen wählen demokratisch
4. Männer und Frauen haben gleichermaßen ein Recht auf Bildung. Jungen und Mädchen werden in der Schule nicht getrennt. 
5. Wer hier Frauen mordet oder vergewaltigt, wird vor Gericht gestellt und ins Gefängnis gesteckt.
6. Außerdem sind Kirche und Staat politisch getrennt. 
 Und viele andere Punkte mehr ...

Was Schamis Klischeebilder betreffen sind diese veraltet, antiquirt. Besonders diese positiven und negativen Vorurteile und die zugehörigen Stereotypen. Negative Vorurteile zu Italien, positive Vorurteile zu dem Rest der westlichen Welt. Ich fühle mich damit durch das Buch dermaßen erschlagen, dass ich meine Motivation verloren habe, hier in meinem Blog stärker darüber zu sprechen. Rafik Schami scheint zu denken, nur weil er ein paar belletristische Bücher zu verschiedenen Ländern gelesen hat, macht es ihn gleich zu einem Experten. Bestimmte Länder scheint er in seinem Kopf zurechtgeformt zu haben, bis sie schließlich in sein Schreibkonzept gepasst haben. Dieses Buch forciert sämtliche Vorurteile und Klischees Menschen bestimmter Länder und Nationen gegenüber, die auch hier in Deutschland weit verbreitet sind. Lediglich seinen arabischen Landsleuten gegenüber scheint er etwas mehr Differenz eingebracht zu haben, auch was Äußerlichkeiten wie z. B. Haarfarbe und Hautfarbe bettreffen. Während er alle ItalienerInnen mit Ausnahme der Figur Stella als schwarzhaarig und dunkelhäutig bezeichnet, werden seine arabischen Landsleute bunter dargestellt. Rote Haare, helle Haut, u.v.m. Stella wird hier als hellhäutig und blondhaarig als eine Ausnahme beschrieben, wobei ihre Vorfahren sogar aus Österreich kommen. Klar, mancher Mensch sieht in der Welt nur die Bilder, die er sehen will, die in seinem Konstrukt passen, damit er sich in seiner beschränkten Wahrnehmung bestätigt fühlen kann. Blonde und/oder hellhäutige ItalienerInnen gibt es in der deutschsprachigen Literatur nicht, denn die werden ausgeblendet, sowie es keine dunklen Schweden gibt, die auch ausgeblendet werden. Das sind die Bilder von Rafik Schami und von vielen anderen Menschen. Ich kenne z. B. überwiegend sonnengebräunte dunkle ItalienerInnen und jede Menge Blondhaarige in meiner eigenen Verwandtschaft und im dortigen Freundes- und Bekanntenkreis. Und dies auch im Süden Italiens.

Und überhaupt, was hat Schami gegen dunkelhäutige Menschen? Was sagt denn schon die Hautfarbe über den Charakter eines Menschen aus?

Vor lauter Arabisch ist Schami blind für das Italienische gewesen. In der Psychologie würde man sagen, eine Projektion seiner eigenen blinden Flecken, die er von sich auf ein anderes Land zu übertragen scheint. :-).

Ich habe mich viel mit meinen beiden Freundinnen Sabine St. und Monerl ausgetauscht, was mir gutgetan hat, weil ich mich verstanden gefühlt habe. Monerl hatte selbst das Buch gelesen und sie war genauso enttäuscht wie ich. Sabine hatte das Hörbuch, das sie abbrechen musste …  

Mich beschäftigte außerdem das Bild, das aufkommen lässt, bestimmte Länder als rückständig und als antiquirt zu bezeichnen, von denen auch hierzulande viele Menschen keinen Zweifel haben, dass es Länder gibt, die diese Bezeichnung verdient hätten. Und so hatte Sabine dazu einen schönen Gedanken geäußert, den ich gerne zitieren möchte:
Das hat nichts mit Rückständigkeit zu tun. Andere Länder haben andere Entwicklungen angenommen. Vor 200 Jahren war hier auch alles anders … Kulturunterschiede würde ich es nennen.

Wobei unsere deutsche Diktatur gerade Mal 73 Jahren zurückliegt und der italienische Faschismus ebenso. Und Menschen, die es wissen wollen, wissen, dass viele kulturelle Errungenschaften eines Landes wieder verloren gehen können, je nach dem, welche Regierung gebildet wird. Man bekommt in dem vorliegenden Buch Sichtweisen zu lesen, die mich stark an die Inhalte der AfD erinnern, auch wenn dies nicht die Absicht von Rafik Schami ist.

Dafür habe ich einen Link zu einem Video eingefügt, der meine Gedanken und meine Theorien bestätigen, weil ich mir schon immer viel Gedanken über die menschliche Herkunft und dessen Hautfarbe gemacht habe. Was wissen wir schon über die DNA eines Deutschen, eines Italieners, etc? Und es geht um die nationale und um die kulturelle Zuordnung von Menschen, das Wir und das Ihr-Gefühl. Denn auch Schami hat seine Raster, und für andere Menschen eine sogennante Schublade erfunden, ohne zu bedenken, dass wir durch die Völkerwanderung alle schon längst vermischt sind. 

Hier ein Link, der zu einem Film auf youtube über die DNA Analyse verschiedener Menschen führt. Werbung bitte wegklicken. 

Was die Thematik Religion in diesem Buch betrifft, gibt mir Schami zu verstehen, dass Menschen, die gläubig sind, naive Menschen sind, die einen Hang zum Aberglauben haben. In seinem Buch spricht er über die Liebe als Religion. Was meint er damit? Jeder hat eine andere Vorstellung von Liebe, und nicht jede Vorstellung führt zu einem Frieden zu sich selbst, noch weniger führt diese Liebe zu einem Frieden zum Partner und noch weniger führt sie zu einem Weltfrieden. Andere Menschen verstehen unter Liebe nur die Ausübung sexueller triebhafter Gelüste ...  Wie dem auch sei, für die Liebe, wie Schami sie sich idealerweise ausgedacht hat, basierend auf Freiheit, Respekt ... dafür muss man sich aus psychologischer Sicht hinentwickeln, und nicht jeder Mensch befindet sich auf derselben Entwicklungsstufe, die abhängig ist von den vielen unterschiedlichen Erlebnissen eines Menschen. Mir scheint, dass Schami die Religion, den Glauben an Gott, verantwortlich für die Probleme eines Landes macht. Dabei wird die Religion in den ilamischen Ländern nur instrumentalisiert, und die Menschen, die die Religion instrumentalisieren, sind für mich keine Menschen, die religiös sind oder an Gott glauben. Sie glauben nur an die Macht und an die Herrschaft. Es gibt so viele Juden, Christen, Muslime, Buddhisten, Hinduisten … die so viel Weisheit besitzen, dass ich von jeder Religion unwahrscheinlich viel lernen konnte in einer Zeit, in der ich mich damals als junger und als einen fragenden Menschen selbst auf der Glaubenssuche befunden hatte und ich seitdem gelernt habe, Achtung vor jeder Religion zu haben. 

Eine Ambivalenz der Länder zwischen Abwertung und Aufwertung. Was weiß Schami schon von den Problemen in der westlichen Welt, die man nicht an Religiositäten festmachen kann? Hier werden diese Länder von ihm aufgewertet und idealisiert. Aber wer weiß, vielleicht weiß er darüber ganz viel, nur haben diese Kenntnisse nicht in sein Schreibkonzept gepasst. Auch weiß er sicher, dass viele Menschen aus der westlichen Welt nicht alles Atheisten sind und sonntags sogar die Kirche besuchen :-).

Mein Fazit?
Ich weiß, dass ich mit dieser Buchbesprechung gegen den Strom schwimme. Ja, ich wage es, Rafik Schami zu widersprechen, denn ich hatte mir sehr viel mehr von seinem Buch versprochen. Schade, wo ich anfangs Berührungsängste gehabt hatte, weil ich erst dachte, dass mir das Buch vom Verständnis her zu anspruchsvoll ausfallen könnte. Immerhin stand das Buch bei mir zwei Jahre ungelesen im Regal. Aber das war es dann doch nicht. Im Gegenteil, mir war das Buch viel zu seicht. Absolut nicht meine Wellenlänge.

Nachtrag, 16.08.2018
Da ich es jetzt richtig leid bin, immerzu Bücher über das klischeehafte Italien zu lesen, habe ich mir vorgenommen, ein Leseprojekt zu den Büchern italienischer AutorInnen zu starten. Da ich nicht in Italien groß geworden bin, muss ich selbst ein wenig aktiv werden und recherchieren, welche gute italienische AutorInnen es in diesem Land gibt und die ins Deutsche übersetzt sind.

Ich will nur gute italiensche Literatur lesen, denn auch dort gibt es jede Menge Bücher, die recht seicht und wenig differenziert geschrieben sind. Solche Bücher sind für mich ein absolutes No-Go. Mich interessiert das Italien mit seinen Stärken und seinen Schwächen. Vor allem mit seinen Stärken, die in deutschsprachigen Büchern viel zu kurz kommen, deshalb bin ich für einen Perspektivenwechsel.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
0 Punkte: Ein gut recherchiertes Buch
0  Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
5 von 12 Punkten.

Weitere Information zu dem Buch
_____________
Es ist leichter einen Atomkern zu spalten
als ein Vorurteil.
(Albert Einstein)

Gelesene Bücher 2018: 32
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86