Posts mit dem Label Rezensionsexemplar werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Rezensionsexemplar werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 27. August 2017

Jan Guillou / Die Schwestern (1)



Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir nicht besonders zugesagt, wenn auch die Themen darin eigentlich hätten interessant sein können. Obwohl ich es ganz gut fand, dass ein männlicher Autor in einer männerdominierten Welt politisch starken Frauen aus dem Zweiten Weltkrieg seine Stimme gibt. Gut fand ich auch, dass der Autor Schweden gegenüber kritisch war. Zwischen den Zeilen taucht die Frage auf, was Schweden veranlasst hatte, sich im Zweiten Weltkrieg neutral zu halten?

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
In den politischen Wirren des Zweiten Weltkriegs gerät auch die Familie Lauritzen mehr und mehr in Bedrängnis. Während der Vater sich politisch zurückhält, sind seine beiden Töchter im Widerstand aktiv. Vor allem seine älteste Tochter Johanne, die zunächst als Kurier für den norwegischen Widerstand eingesetzt wird, findet im politischen Kampf ihre Berufung. Als sie bei einer Sabotage-Aktion lebensgefährlich verletzt wird und nur eine Notoperation sie retten kann, wechselt sie ihre Betätigung und schmuggelt fortan norwegische Widerstandskämpfer über die Grenze nach Schweden. Auch hier zeigt sie großes Geschick und wird schließlich von einer Spezialeinheit der britischen Armee rekrutiert. Damit gerät sie in die trügerische Welt der Geheimdienste, in der Angst, Gefahr und Bedrohung bald zum ständigen Begleiter werden.

Aber irgendwie waren diese brisanten Themen mir bis auf einzelne Szenen nicht tiefgründig genug. Viele Themen schwappten so auf der Oberfläche, sie wurden kurz angerissen ... Man erfährt vieles nur über die Kommunikation der Figuren. Ich habe mich geduldig Seite für Seite herangetastet und mich dabei trotzdem sehr gelangweilt. Mich konnte der Autor mit seiner ernsten Thematik nicht wirklich überzeugen, was ich sehr schade fand, denn ich hatte wirklich die Absicht, mir die aufeinander aufbauenden Vorgänger, Band 1 bis Band 4, noch nachträglich anzuschaffen.  Vielleicht aber ist der Autor durch die anderen Bände davor schon zu sehr ausgepowert, dass vielleicht die Luft verbraucht ist. Vielleicht sollte er sich neue Themen suchen. Ich bin jetzt erstmal abgeschreckt ... 

Meine Bewertung:

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
1 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Daher nur 7 von 12 Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Heyne-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken. 

·         Gebundene Ausgabe: 512 Seiten, 19,99 €
·         Verlag: Heyne Verlag (13. Februar 2017)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3453270304

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Heyne, Randomhouse München. 

___________
Gelesene Bücher 2017: 34
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Sonntag, 20. August 2017

Thomas Karlauf / Helmut Schmidt (1)

Die späten Jahre


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe mir von der Biografie mehr versprochen. Nicht, dass der Biograf schlecht recherchiert hätte. Nein, das hat er nicht, es liegt nur etwas an der unterschiedlichen Erwartung. Das Buch ist nur politisch, man erfährt dabei kaum etwas über die menschliche Seite von Helmut Schmidt. Es gab doch noch ein Leben vor der Politik ... Wie verlief seine Kindheit? Wo kommt er her? Aus welcher Herkunftsfamilie stammt er? Welche Schulen und Bildungseinrichtungen hat er besucht? Wo und wann hat seine politische Karriere begonnen? Was hat ihn zu dem Menschen gemacht, der er war?

Deshalb bin ich wohl etwas mit diesem Buch arg überfordert gewesen. Wenn man bisher noch gar nichts über Helmut Schmidt gelesen hat, dann würde ich eher dazu raten, auf einfachere (Auto)-Biografien zu greifen. Ich habe mal etwas recherchiert im Netz, schon allein Helmut Schmidt hat recht viele Bücher über sich herausgebracht.

Allerdings sind die vielen anderen Schmidtbücher auch recht politiklastik, aber es gibt verschiedene Filme, die sich auch auf sein Leben beziehen.

Auch wenn die Biografie sich im Untertitel auf die späten Jahre bezieht, hätte ich trotzdem noch damit gerechnet, ein paar Kapitel aus seinem Leben vor der Politik zu lesen.

Karlauf hat gute Arbeit geleistet, ohne Frage …  Ich empfehle allerdings Schmidt-Unkundigen, sich erstmal leichtere Literatur zu dem Thema vorzunehmen, sodass man etwas Hintergrundwissen bekommt, und dann erst Karlauf zu lesen. Für die auf diesem Gebiet besseren Gebildeten ist dieses Buch auf jeden Fall weiter zu empfehlen.

Ich selbst werde mir zu der Thematik erst noch andere Medien suchen, und im Anschluss daran werde ich mir erneut Karlaufs Buch vornehmen. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim  Siedler-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken. 

Und hier kommt man auf die Verlagsseite von Siedler, Randomhouse München. 


Und hier geht es zu einem Video der faz, in dem der Altkanzler Gerhard Schröder diese neue Biografie und den Autor Thomas Karlauf vorstellt.

  • Gebundene Ausgabe: 560 Seiten, 26,99 €
  • Verlag: Siedler Verlag (29. Septembe,r 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3827500761
___________
Gelesene Bücher 2017: 33
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Sonntag, 23. Juli 2017

Peter Wohlleben / Das geheime Leben der Bäume (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch fand ich sehr interessant. Allerdings kam mir des Autors Öko-Weltbild stark vermenschlicht vor. Aber ich bin auch nicht vom Fach, und weiß nicht, ob ich mir darüber überhaupt ein Urteil erlauben darf. Aber ich kann mir nun mal sehr schwer vorstellen, dass z. B. Bäume und Pflanzen miteinander kommunizieren, einerseits, aber andererseits, so schreibt der Autor, kommunizieren sie eher auf einer feinstofflichen Art, und nicht wie wir Menschen über Wort und Gestik.
In der Lebensgemeinschaft Wald sind es nicht nur Bäume, sondern auch Sträucher und Gräser, ja womöglich alle Pflanzenarten, die sich derart austauschen. Treten wir jedoch in die Feldflur, so wird das Grünzeug sehr schweigsam. Unseren Kulturpflanzen ist die Fähigkeit, sich ober- oder unterirdisch mitzuteilen, durch Züchtung größtenteils abhandengekommen. Sie sind quasi taub und stumm und werden dadurch zu einer leichten Beute für Insekten. Das ist einer der Gründe, warum die moderne Landwirtschaft so viele Spritzmittel einsetzt. Vielleicht können sich Züchter künftig ein wenig von den Wäldern abschauen und wieder mehr Wildheit und damit Geschwätzigkeit in Getreide und Kartoffeln einkreuzen. (2015, 18f)

Geschwätzigkeit unter den Pflanzen, damit habe ich irgendwie ein Problem, aber wahrscheinlich darf man das nicht so wortwörtlich verstehen. Weiter unten schreibt demnach der Autor, dass Bäume und Pflanzen über Gerüche, optisch und elektrisch kommunizieren.

Insgesamt fand ich das Buch trotzdem gut, weil ich jetzt ganz anders durch den Wald gehe, versuche die Bäume und die Pflanzen etwas bewusster zu betrachten. Aber dass eine Wiese Schmerzen empfinden würde, wenn Tiere darauf weiden und die Halme fressen, kann ich schwer annehmen. Dann stimmt etwas mit der Schöpfung nicht, wenn die Nahrung immer damit verbunden ist, einem anderen Schmerzen zu bereiten ... Dann dürften wir Menschen auch kein Gemüse mehr essen. Der Autor sagt zwar nicht, dass das verboten ist, dass man sich versündigt, aber er appelliert darauf, dass der Mensch dies mit mehr Ehrfurcht tun sollte. Ob das der Pflanze hilft, wenn wir uns bei ihr entschuldigen, dass wir sie essen, wir Menschen und Tiere, wo sie doch lieber am Leben bleiben möchte …

Die Frage, ob Bäume und Pflanzen intelligente Wesen seien, wurde anhand einer Studie bejaht. Die Intelligenz sei über verschiedene Anlagen und über Moleküle gesteuert. In der Wurzelspitze würden sich gehirnähnliche Strukturen befinden, die denen von Tieren ähneln.

Interessant fand ich zudem die Beschaffenheit von Waldhonig. Die Bienen würden Blattlausfäkalien benutzen.
Sie saugen die süßen Tropfen ein, transportieren sie zum Bienenstock, würgen sie dort wieder hervor und verarbeiten sie dann zu dunklem Waldhonig. Er ist bei Käufern sehr begehrt, obwohl er mit Blüten absolut nichts zu tun hat.

Mehr möchte ich nun nicht verraten. Ich kann das Buch auf jeden Fall an alle Naturinteressierte weiterempfehlen. Ob man nun an diese Theorien glaubt, oder nicht glaubt, etwas bleibt trotzdem hängen. Man macht sich Gedanken, und versucht die Bäume etwas anders zu betrachten und wahrzunehmen, wobei ich persönlich nie daran gezweifelt habe, dass Bäume, wenn sie gefällt werden, sie dabei schmerzempfindlich seien. Nur mit dieser übertriebenen Vermenschlichung habe ich meine Probleme.

Ich werde wohl nicht drumherum kommen, mich noch näher mit dieser Thematik zu befassen.


Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
·         Verlag: Ludwig Buchverlag (25. Mai 2015)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3453280679

 Ich möchte mich recht herzlich beim Bloggerportal München, Verlag Ludwig, für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken. 

___________
Die Vorstellung, dass manche Leben weniger wert sind als andere, ist die Wurzel allen Übels auf der Welt.
(Anthropologe Dr. Paul Farmer)

Gelesene Bücher 2017: 29
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Freitag, 30. Juni 2017

Steve Jenkins und Derek Walter mit Caprice Crane / Esther, das Wunderschwein (1)



Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Was für ein schönes Buch. Ich habe es mit großem Interesse gelesen. Wenn jemand wissen möchte, was ich unter einem Paradies verstehe, dann ist es diese Welt, die in dem Buch beschrieben wird. Eine Welt, in der Menschen und Tiere zusammenleben, und niemand sterben oder gequält werden muss, nur damit ein anderes Leben leben darf, wobei auf unserem Planeten Erde es der Mensch ist, der über Leben und Tod anderer Lebewesen entscheidet.

Ich habe das Buch gestern ausgelesen und es geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Viele Szenen arbeiten noch in mir. So vielen Menschen habe ich von dem Buch erzählt, und alle wollen es von mir ausgeliehen bekommen. Ich habe dabei aber nur ein Problem. Ich kann mich von dem Buch überhaupt nicht mehr trennen, und so habe ich vor, ein oder zwei Exemplare im Buchhandel zu erwerben, die ich dann ausleihen werde.

Ich habe schon zwei Katzen, und hatte immer auch mit dem Gedanken gespielt, mir ein kleines Zwergschweinchen anzuschaffen. Aber von diesem Gedanken bin ich nun wieder abgekommen, da es so etwas wie Zwergschweine gar nicht gibt, und ich nicht die Möglichkeit habe, es diesen beiden Tierschutzaktivisten Steve und Derek gleichzutun, obwohl die beiden es mit dem Schweinchen auch nicht leicht hatten. Ganz im Gegenteil ... Selbst die Partnerschaft der beiden wurde durch das Schweinchen auf eine harte Probe gestellt ...

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Als eine Bekannte den Tierfreund Steve Jenkins fragte, ob er nicht ein Minischwein adoptieren wolle, wusste Steve, dass sein Lebensgefährte Derek nicht gerade begeistert sein würde. Dennoch willigte er ein, sich des süßen kleinen Ferkels anzunehmen. Eine Entscheidung, die Dereks und sein Leben für immer verändern sollte. Denn rein gar nichts an Esther war »Mini« – in drei Jahren wurde sie zu einem ausgewachsenen Hausschwein von 335 Kilo. Doch trotz aller Schwierigkeiten und einer Menge buchstäblicher »Schweinereien« liebten die beiden Esther: nur wie sollte es in ihrer Stadtwohnung mitten in Toronto mit der tierischen WG weitergehen? Wieder fassten sie einen weitreichenden Entschluss: per Crowdfunding finanzierten sie ein Gnadenhof-Projekt für ehemalige Nutztiere. Heute leben sie mit Esther und vielen anderen tierischen Freunden auf dem Land in Ontario im Happily Ever Esther Farm Sanctuary.

Dieses sogenannte Minischwein hat es schließlich mit der Zeit auf satte 300 Kilo auf die Waage gebracht. Was die Züchter*innen anpreisen, ist regelrecht verantwortungslos, da viele Ferkelchen wegen der zunehmenden Größe nicht bei dem Menschen bleiben können, der es ursprünglich aufgenommen hatte. Steve stellt sich die Frage:
Wo wäre Esther wohl gelandet, wenn sie nicht zu uns gekommen wäre? In einem käfigartigen Kastenstand in einem Maststall. Ich frage mich manchmal, was aus dem Rest wohl geworden sein mag. Woher soll man wissen, ob die Packung Frühstücksspeck im Laden nicht von Esthers Angehörigen stammt? Vielleicht aus einem Wurf ihrer Schwester? Und falls nicht, ist es doch auf jeden Fall das Fleisch von geschlachteten Schweinen, intelligenten Schweinen mit einer ganz eigenen Persönlichkeit, die fähig waren, Liebe und Zuneigung auszudrücken – so wie Esther. (2016,72)

Manche Minischweine landen im Tierheim und werden dort geschlachtet, manche landen gleich im Schlachthaus. Esther hatte Glück, sie kam zu Steve und Derek, wo sie leben und sich entfalten durfte.

Besonders Steve fühlt sich ganz stark zu Tieren hingezogen, der total unvorbereitet dieses Schweinchen aufgenommen hat, das er nicht mehr hergeben konnte, selbst als Esther schon ausgewachsen war, und sie viel Raum benötigte. Aber dieses Schwein hat trotz der großen Anforderungen Steves und seines Partners Leben total verändert. Positiv versteht sich.

Das Schweinchen Esther entpuppte sich als familientauglich. Es war anhänglich und wahnsinnig intelligent. Es entwickelte eigene Charakterzüge, sodass Steve und Derek gelernt haben, Esther als eine Persönlichkeit zu betrachten. Es war nicht irgendein Schwein, irgendein Tier, nein, sie wurde mit der Zeit als eine richtige Persönlichkeit angesehen.

Die beiden besaßen, noch bevor Esther bei ihnen eingezogen ist, schon zwei Katzen und zwei Hunde und Esther unterschied sich von ihrem Charakter nicht sonderlich von denen der Hunde und der Katzen.

Steve und Derek waren, was die Ernährung betrifft, ganz gewöhnliche Menschen. Sie konsumierten Fleisch, ohne sich dabei etwas zu denken. Bis an dem Tag, an dem Derek zum Frühstück Speck auf dem Herd briet. Den Speckgeruch, den sie sonst so sehr geliebt hatten, haben beide plötzlich als unangenehm empfunden. Plötzlich machte es Klick im Kopf, der Groschen ist nun bei beiden halbwegs gefallen:
Ich würde nie Hundefleisch essen. Und ab jetzt auch keinen Frühstücksspeck.(…) Ich trat zu Derek an den Herd. >>Ich glaube nicht, dass ich das essen kann<<, sagte ich, um mich bemerkbar zu machen. Er bat mich, es zu wiederholen. Also tat ich es. >>Ich kann das nicht essen. Ich esse diesen Speck nicht. Es graut mir davor. <<Seine Erwiderung überraschte mich: >>Ich auch nicht, glaube ich. <<Es war echt komisch. Er fragte mich nicht einmal nach dem Grund. Als hätte er genau das Gleiche gedacht. (65)

Steve und Derek waren nun nicht gleich Veganer geworden, aber sie befanden sich zumindest auf dem Weg dorthin, es ist ein Prozess, auch das Fleisch anderer Tiere nicht weiter essen zu wollen.
(…) Wenn wir fortan Frühstücksspeck sahen, sahen wir Esther, aber wenn wir einen Burger vor uns hatten, sahen wir darin weiterhin einen Burger. Mit einem Mal spielte Esther in einer ganz anderen Liga - bloß hatten ihre übrigen >>Freunde vom Bauernhof<< den Sprung in unsere Köpfe noch nicht geschafft. Es war ein treffendes Beispiel dafür, wie man vor etwas die Augen verschließt und eine Mauer um sich herumzieht, (ebd).

Bevor Esther zu ihnen kam, hatten sie für ihren Fleischkonsum immer eine passende Rechtfertigung. Doch nun, seit Esther bei ihnen lebt, passen die Rechtfertigungen nicht mehr, und so fingen sie an, Bewusstsein auch für andere (Nutz)-Tiere zu entwickeln:
Dann wiederum fand ich mich in der Fleischabteilung des Supermarkts wieder und litt unter einem würgenden Gefühl des Unwohlseins, weil auf einmal alles in den Truhen ein Gesicht hatte. Konnte ein Steak oder eine Speckschwarte nicht mehr nur als ein Produkt betrachten. Jedes einzelne Kotelett im Laden hätte Esther sein können, und dabei kam es mir richtig hoch. (73)

Hier haben Steve und Derek den Prozess abgeschlossen, indem es ihnen gelungen ist, ihr Bewusstsein auf alle Tiere zu lenken und dazu hatte ihnen Esther verholfen. Sie aßen partout kein Fleisch mehr.

Ich fand diese Entwicklung so schön, dass ich sie hier auf meiner Besprechung unbedingt festhalten möchte, damit auch andere Leser*innen daran teilhaben können. Ich selbst besitze zwar kein Schwein als Haustier, aber mir geht es genauso wie Steve, in jeder Fleischverpackung sehe ich das Gesicht des geschlachteten Tieres.


Mein Fazit?

Steve und Derek mussten sich durch Esther ein neues Zuhause suchen, da das alte von der Quadratmeterzahl nicht mehr ausgereicht hat. Mit Hilfe von Spendern konnten sie sich eine Farm aneignen und daraus einen Gnadenhof machen. Sie adoptierten noch andere Tiere, die gequält, ausgesetzt oder geschlachtet hätten werden sollen.

Das Buch ist so liebevoll geschrieben, und die Autoren prangern keine Fleischesser*innen an, weil sie selbst die Erfahrung gemacht haben, dass die Ernährungsumstellung einen mehr oder weniger längeren Prozess erfordert. Manche Tierschutzaktivsten gehen sehr aggressiv mit Fleischkonsumenten um. Derek und Steve sind da ganz anders. Sie sind liebevoll zu Mensch und zu Tier. Außerdem haben sie durch Esther so viel bei anderen bewirkt. Auf der Facebookseite, eine Esther-Seite, bekamen sie so viele Fans, alle lieben sie Esther, alle haben sie in ihr Herz geschlossen, sodass viele darunter waren, die durch sie den Fleischkonsum ganz von alleine eingestellt haben. Und dies ohne Belehrungen, ohne gehobenen Zeigefinger. Einfach nur aus Liebe zum Tier. Steve und Derek haben es ihren Follower einfach vorgelebt. 

Aber ich verstehe auch die aggressiven Tierschutzaktivist*innen. Täglich diese qualvollen Bilder vor Augen zu haben, wie Tiere für den menschlichen Gaumen gequält und geschlachtet werden, oder wenn die Tiere in der Pelztierfarm  bei lebendigem Leib gehäutet werden .. . Diese Bilder und dieses Wissen darüber verursacht bei Gegner*innen einen enormen Schmerz in der Brust. Diese furchtbaren Bilder bekommt man einfach nicht mehr aus dem Kopf, selbst wenn man sich noch so sehr darum bemüht, sie wieder zu vergessen. Aber wegschauen geht auch nicht, sonst kann man nichts verändern, und die Tiere leiden unendlich weiter. 

Habe soeben in den Nachrichten vernommen, dass die Vegetarier*innen in Deutschland zwar zugenommen hätten, gleichzeitig aber auch der Fleischkonsum. Die industrielle Massentierhaltung würde dadurch immer größer werden. Wie furchtbar traurig. 

Ich überlege, ob ich dieses Buch in meiner Literaturgruppe vorlesen werde, um noch mehr Menschen diese Liebe zum Tier nahe zu bringen. 

Tiere sind wie Menschen, sie müssen bei jemanden sein, der sie liebt.


2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich beim btb-Verlag recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.  

 ·         Broschiert: 256 Seiten
·         Verlag: btb Verlag (12. September 2016)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3442714885

Und hier geht es auf die Verlagsseite von btb, Random House München.

___________
Die Vorstellung, dass manche Leben weniger wert sind als andere, ist die Wurzel allen Übels auf der Welt.
(Anthropologe Dr. Paul Farmer, zitiert von Steve und Derek)

Gelesene Bücher 2017: 27
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86






Montag, 19. Juni 2017

Geert Mak / Die vielen Leben des Jan Six (1)





Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Boa, was für ein Buch. So viel Recherche, die sich über einen Zeitraum von mehr als acht Jahrhunderten bezieht. Eine langwährende Familiendynastie namens Six, und in der die männlichen Personen immer wieder mit Jan benannt werden. Die Dynastie beginnt 1535 und geht bis ins Jahr 2013. Hinten im Buch ist ein Stammbaum abgebildet, der hilft, die vielen Generationen aus den unterschiedlichsten Epochen auseinanderzuhalten.

Ein Geschichtsbuch, das die niederländische und die französische Geschichte behandelt. Immerhin galten die Six einst als von Frankreich vertriebener Adel…
 Aber auch mit dem Nationalsozialismus, der in den Niederlanden eingebrochen ist, waren die Six konfrontiert …

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Sie sind die Buddenbrooks der Niederlande: Die Six-Dynastie gehört seit dem Goldenen Zeitalter zu den politisch und kulturell bedeutendsten Familien des Landes. Bestsellerautor Geert Mak folgt den Spuren dieser Familie, die seit mehr als vierhundert Jahren in Amsterdam ansässig ist, und erweckt ihre Geschichte und Geschichten zu neuem Leben. Er erzählt die Biographie der Familie bis heute und entwirft zugleich ein ebenso farbiges wie schillerndes Panorama ihrer unterschiedlichen Epochen.

Jan Six – Mäzen, Aufklärer, Kunstsammler, Amsterdamer Regent und verewigt auf einem der schönsten Porträts, das Rembrandt je schuf – gilt als Begründer der Dynastie und hatte eine ganze Reihe von Nachkommen, von denen der jeweils Erstgeborene seinen Namen trug. Wie er gelangten viele von ihnen in den darauffolgenden Jahrhunderten in Kunst, Politik und Wissenschaft zu Reichtum und Ruhm. Andere Familienmitglieder wiederum verbrachten ihr Leben in Armut und Einsamkeit. Zahlreiche Tagebücher, Briefe, Notizen und Aufzeichnungen, die sich zusammen mit dem Rembrandt-Bildnis bis heute im Besitz der Familie befinden, zeugen davon. »Die vielen Leben des Jan Six« ist die Geschichte einer Familie und ihrer Stadt über viele Generationen hinweg. Es ist eine Geschichte von Ambitionen und Scheitern, von Größe und der ewigen Angst vor dem Niedergang.

Ich kannte die Six bisher gar nicht ... Das Buch hatte mich lediglich wegen der Buddenbrooks gelockt. Ich habe es gelesen und mehrmals die Verfilmung aus den 1970er Jahren gesehen. Dieser Film wurde sehr nah am Buch gedreht, selten, dass mir beides, Buch und Film, gefallen haben. Die Six selber waren mir fremd, und ich  habe noch immer nicht dieselben Empfindungen, die ich für die Buddenbrooks hatte, deshalb werde ich mich hier in der Buchbesprechung recht kurz halten. Was soll ich noch schreiben, was der Autor mit seiner überaus gelungenen Recherche nicht schon geschrieben hat? Ich habe keine Lücke zu füllen, die Recherchen sind topp.

Der vorliegende Band hatte nicht nur jede Menge Buddenbrook‘sches, sondern auch Proust‘sches. Noble und hohe Gesellschaftsformen, Adel und Patrizier, ähneln sich von ihrer Lebensweise alle sehr, ganz gleich, aus welchen Ländern sie stammen. Alle sind geprägt mit dem selben Verhaltenscodex. Aber es gibt auch in dieser Gesellschaftsschicht Außenseiter, die aus diesen vergebenen gesellschaftlichen Normen versucht haben auszubrechen ...

Allerdings ist das vorliegende Buch eher ein Sachbuch, es geht um Personen, die es in der Tat gegeben hat, und die in Amsterdam ansässig waren, während die Boddenbrooks eine fiktive norddeutsche Familiengeschichte ist, die gerade mal vier Generationen umfasst. Die vier Generationen konnte man viel leichter verinnerlichen. Man konnte mit ihnen bangen, man konnte mit ihnen Freude teilen, traurig sein, als die Familie sich in der letzten Generation aufgelöst hat. Familie Buddenbrook erlitt einen folgenschweren Untergang, und die Ursache dazu konnte man sich als Leser*in denken … Die vielen Jan Six dagegen konnte ich schwer verinnerlichen und auseinanderhalten, demnach war mir der Stammbaum auf der hinteren Seite eine große Hilfe. Im Gegensatz zu den Buddenbrooks existieren die Sixe außerdem noch heute …

Dennoch fand ich dieses Geschichtsbuch spannend, die darin vorkommenden Probleme waren mir allzu menschlich. Kindersterblichkeit, Epidemien und andere Probleme rafften auch Angehörige reicher Menschen weg ... Und der Sklavenhandel in den Niederlanden war mir fremd … Auch die Frauen in den Niederlanden lebten, verglichen mit den Frauen anderer europäischer Länder, recht fortschrittlich. Sie waren aktiv in der Politik, Literatur, in der Kunst, etc.

Wer sich etwas besser als ich mit den Six auskennt, dem ist unbedingt dieses Sachbuch ans Herz zu legen. Wer gerne über die gesellschaftliche Entwicklung aus den Niederlanden erfahren möchte, kann dieses vorliegende Buch auch wie ein reines Geschichtsbuch betrachten, wie sehr diese Familiendynastie das Land geprägt hat.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Sehr gute Recherchen
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Siedler-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken.

€ 26,99 [D] inkl. MwSt.
€ 27,80 [A] | CHF 35,90* 

(* empf. VK-Preis) 
Gebundenes Buch mit SchutzumschlagISBN: 978-3-8275-0087-8
Erschienen: 17.10.2016 

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Siedler, Random House München, auf der es noch mehr zu entdecken gibt. 

____________
Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert.
(Eintrag aus einem Poesiealbum der Familie Six)

Gelesene Bücher 2017: 24
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86