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Dienstag, 20. Februar 2018

Rebecca Hunt / Everland

EverlandLesen mit Tina

Klappentext
Rebecca Hunts zweiter Roman ist Abenteuergeschichte, spannender Thriller und psychologisches Drama in einem. Die Insel Everland wird von zwei Antarktisexpeditionen erforscht, zwischen denen hundert Jahre liegen. Doch die Einsamkeit, die harten Wetterbedingungen und die feindseligen Kräfte der Natur sind heute wie damals bestimmend, und bei beiden Expeditionen zeigt sich: Die Antarktis enhüllt den wahren Charakter der Menschen, die sich ihr aussetzen.

Autorenporträt
Rebecca Hunt wurde 1979 in Coventry geboren und hat am Central Saint Martin's College, einer bekannten Londoner Hochschule für Kunst und Design, studiert. Rebecca Hunt ist Malerin und lebt in London. Ihr erster Roman „Mr. Chartwell“ stand auf der Longlist des Guardian First Book Award und auf der Shortlist des Galaxy National Book Award, ihr zweiter Roman „Everland“ kam auf die Shortlist des Encore Award 2014.

Von der Autorin ist dies mein erstes Buch. Der Klappentext klingt ja recht vielversprechend.

Tina und ich beginnen mit dem Buch am kommenden Donnerstag, 22.02.18, zu lesen. Bis dahin werde ich ein paar Seiten probelesen.


Buchbesprechung
Samstag, 24.02.2018

Leider musste ich das Buch nach einhundert Seiten wieder abbrechen. Inhaltlich hat mich der Roman gelangweilt, vom Schreibkonzept her fand ich ihn wegen der temporären Unterschiede anstrengend zu lesen, da sich die Handlung in der Vergangenheit 1913, im Wechsel mit der Gegenwart 2012 abspielt. Das Kapitel beginnt im April 1913, das nächste Kapitel März 1913. Man musste sich hier einen Monat rückwärts denken; das nächste behandelt das Kapitel November 2012. Drei verschiedene Zeitsprünge, und diese Wechsel setzen sich durch das gesamte Buch fort. Und das Schlimmste; ich konnte mit den Figuren definitiv nicht warm werden. Ich konnte keine innere Beziehung zu ihnen aufbauen. Leider hat sich der Klappentext auf diesen einhundert Seiten für mich nicht erfüllt. 

Dadurch, dass ich mich das ganze letzte Wochenende mit Dickens durch die mangelhafte Übersetzung gequält hatte, möchte ich nicht ein weiteres Wochenende mit einem Buch verbringen, das mir wenig Freude schenkt. 

Ich möchte nun niemanden das Buch absprechen. Wir besitzen alle einen unterschiedlichen Lesecharakter. Es muss jeder für sich selbst herausfinden, ob das Buch den eigenen Ansprüchen genügen wird. Wer sich von dem Klappentext angesprochen fühlt, der sollte dem Buch eine Chance geben. 

Nun bin ich gespannt, welche Erfahrung Tina mit dem Buch machen wird. 

Zwischenbericht von Tina
Ich freue mich zu hören, dass Tina mit dem Buch recht gut zurecht kommt. Es gefällt ihr gut. Daraufhin habe ich dem Buch nochmals eine Chance geben wollen, aber leider ohne Erfolg. Ich komme mit dem Buch einfach nicht zurecht. Ich muss es akzeptieren.

Wenn Tina durch ist, und sie ihre Rezension geschrieben hat, werde ich sie hier auf meiner Seite verlinken. 

Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich bei Luchterhand Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar recht herzlich bedanken.

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Luchterhand.
Und hier zu Tinas Buchbesprechung,

·         Gebundene Ausgabe: 416 Seiten, 22,- €
·         Verlag: Luchterhand Literaturverlag (13. Juni 2017)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3630874630

Sonntag, 19. März 2017

Jonas Karlsson / Das Zimmer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mich richtig gepackt. Woran hat das gelegen? Die Thematik besitzt schließlich keine kriminalistische Kulisse, sondern sie beschreibt ausschließlich die banale Welt eines Arbeitsalltags in einem Großraumbüro. Was ist daran so spannend? Der Autor hat es gewusst, seine Thematik so anzupacken, dass sie mich als Leserin nicht mehr losgelassen hat. Ein wenig surreal der Hintergrund seiner Geschichte.

Das Zimmer ist nämlich für mich ein surreales Motiv. Erst dachte ich, Björn, der Protagonist und Icherzähler, leidet an einer Zwangs- und Wahnvorstellung, an einer Schizophrenie, aber zum Ende hin konnte ich mich doch nicht für eine psychische Störung entscheiden.

Auf den ersten Seiten entwickelte ich ein Geschlechterproblem: Ich dachte erst, der Protagonist sei eine Frau. Habe dabei unbewusst den Klappentext und das Bild auf dem Cover ignoriert. Viele Episoden kannte ich von mir selbst. Ich würde also nicht unbedingt sagen, dass der exzessive Ehrgeiz und damit verbunden das enorme Leistungsdenken im Berufsleben eher eine männliche Domäne ist, denn wer ist das nicht heutzutage, ehrgeizig und leistungsorientiert im Beruf? Als die Geschichte aber immer abstrusere Formen annahm, konnte ich mich von dieser Figur wieder distanzieren, deren Namen Björn auf den folgenden Seiten mittlerweile gefallen war.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Von unausstehlichen Kollegen umgeben, in ein Großraumbüro gepresst, kann Björn sein Glück kaum fassen, als er eines Tages ein kleines, geheimes Zimmer entdeckt. Ein Büro nur für sich, auf demselben Stockwerk, im Flur gleich neben der Tonne für das Altpapier und dem Aufzug. Hier drinnen sind das Chaos und die Enge der Bürowabenwelt vergessen, Björn hat plötzlich Spaß an seiner Arbeit. Alles wäre gut, gäbe es da seine Kollegen nicht. Die treibt Björns bizarres Verhalten fast zur Verzweiflung. Und zu allem Übel tun sie auch noch so, als existiere dieses Zimmer überhaupt nicht.
Nun erwiesen sich mir Björns KollegInnen nicht wirklich als unausstehlich, wie dies aus dem Klappentext hervorgeht. Ein dermaßen unkollegialer Typ wie Björn einer ist, der muss eben so behandelt werden, wie seine KollegInnen ihn behandelt haben. Unausstehlich war mir demnach eher Björn selbst, der menschliche Schwächen bei anderen definitiv nicht dulden konnte, und während er sich permanent aufwertete, wertete er andere ab … Björn möchte sich hocharbeiten, und sein Ziel ist, es von seiner Position bis in die Chefetage zu schaffen.

Björn hatte noch nicht lange die neue Dienststelle angetreten, als er schon nach ein paar Tagen seinen Kollegen Hakan zur Rede gestellt hatte. Hakan hatte seinen Schreibtisch gegenüber von Björn. Er wirkte mit seinen Akten dermaßen unsortiert, sodass viele Arbeitspapiere auf Björns Schreibtisch landeten. Doch auch Hakans äußere Erscheinung widerte Björn an. Nach dem Gespräch, als beide wieder an ihren Schreibtischen zurückgekehrt waren, kommen Björn über Hakan folgende Gedanken:
Wahrscheinlich war er diese Art deutlicher und effektiver Ermahnungen nicht gewöhnt. Höchste Zeit, dass du dich daran gewöhnst, dachte ich. Gut möglich, dass ich eines Tages dein Chef sein werde. (31)  
Björn wird immer auffälliger. Er zieht sich, wenn er sich von der Arbeit ein wenig ausruhen möchte, in dieses ominöse Zimmer zurück. Das stößt bei seinen KollegInnen auf, es kommt zwischen ihnen und Björn zu einem Eklat, sodass ein Gespräch zwischen ihm, seinen KollegInnen und dem Chef stattfindet. Björn äußert seinen Ärger:
Zunächst einmal ist mir aufgefallen, dass einige einen unnötig scharfen Ton anschlagen. Man ist mir mit einer recht unfreundlichen Haltung begegnet und hat sich nicht sonderlich darum bemüht, dass ich mich hier wohlfühle, was vermutlich daran liegt, dass ihr euch über mich ärgert. Das ist nicht weiter verwunderlich, kreative Menschen sind schon immer auf Widerstand gestoßen. Es ist ganz natürlich, dass einfach gestrickte Personen Angst vor Sachkenntnis haben. (70)

Die KollegInnen beschweren sich, dass Björn merkwürdige Dinge an der Wand tun würde, und geistig total abwesend wäre.

Das Gespräch gerät aus den Fugen. Die Rollen zwischen Björn und seinem Chef vermischen sich. Es ist Björn, der sich erlaubt, den KollegInnen Anweisungen zu geben, um das Gespräch zu beenden:
>>Lasst euch das eine Lehre sein<<, sagte ich in einem etwas milderen Ton. >>Was haltet ihr davon, wenn wir nun zu unseren jeweiligen Arbeitsaufgaben zurückkehren und diesen für euch alle so ausgesprochen peinlichen Zwischenfall nie mehr erwähnen. Wenn jeder Einzelne von euch bereit ist, ab heute offen und ehrlich zu sein, wenn ihr nie mehr versucht, mir derartige Streiche zu spielen, um mich aus dem Konzept zu bringen, bin ich bereit, einen Schlussstrich unter die Angelegenheit zu ziehen. Einzig und alleine, weil mir vollkommen bewusst ist, dass Intelligenz und Ausstrahlung allen Mittelmäßigen schon immer ein Dorn im Auge gewesen sind. Einzig und allein deshalb bin ich bereit, euch zu verzeihen. Kleine Menschen können nicht immer etwas dafür, dass sie gelegentlich der Versuchung erliegen, umzustürzen und den Leuten über ihnen zu schaden<<. (72) 

Die KollegInnen ziehen sich wieder an ihre Plätze zurück. Das Gespräch wird allerdings zwischen Björn und seinem Chef fortgesetzt. Das Gespräch endet damit, dass der Chef Björn zu einem Psychiater schickt…

Da das Buch gerade mal 172 Seiten hat, möchte ich nicht mehr verraten.


Mein Fazit zu dem Buch?

Eine recht authentische Geschichte; Erfahrungen, die sicher jeder Berufstätige aus seinem Arbeitsalltag kennen wird. Solch eine Figur, wie Björn sie ist, gönnt man keinen Chef-Titel. Und hier, in dieser Geschichte, habe ich schon ein wenig gezittert, Björn könnte neben seiner Verrücktheit und neben seiner Spießigkeit seinen Aufstieg zum Vorgesetzten schaffen. Björn ist allerdings nur eine Figur, die auch hätte eine Frau sein können. In dieser Form wäre sie genauso unausstehlich ... 

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.


 Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 176 Seiten
·         Verlag: Luchterhand Literaturverlag (11. April 2016)
·         17,99 €
·         ISBN-10: 3630874606

Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar beim Verlag Luchterhand bedanken. 

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Luchterhand
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Liebe für alle.
Hass für keinen.
(www.ahmadiyya.de)

Gelesene Bücher 2017: 11
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Sonntag, 11. Dezember 2016

Sasa Stanisic / Fallensteller (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Zwölf Kurzgeschichten, auf die ich mich gefreut hatte. Die Sprache wirkt grandios, sehr metaphorisch, oftmals recht surreal, wie zum Beispiel als die denkenden Gardinen eines Nachbarn sich fragen, ob sich jemand heimlich im Internet eine Bauanleitung Sprengstoff herunterlädt … Die Gardinen würde ich als eine sehr wichtige Metapher des Ausspionierens begreifen … Gibt es überhaupt noch eine Privatsphäre?

Es werden politische und gesellschaftliche Themen behandelt, Themen wie z. B. Rassismus, Vorurteile, die Flüchtlingsproblematik, heimlich werden terroristische Anschläge geplant, und dass das Wahlverhalten der Wähler dadurch sich verändert habe; dies alles wird kurz angedockt, dann springt der Autor wieder zu anderen Themen über. Alltagsthemen, wie zum Beispiel das Schicksal eines Bäckers, der sein Raucherbein verloren hat, und der Icherzähler der Meinung ist, dass man sich über diesen Verlust nicht in Selbstmitleid suhlen sollte, stattdessen sollte der Bäcker den Verlust eher positiv sehen, denn immerhin habe er ja noch sein zweites Bein.

Mit schwarzem Humor, wie der Icherzähler manche Schicksalsschläge betrachtet, hat mich wiederum trotz ernster Thematik zum Lachen gebracht. Davon gibt es im Buch noch einiges mehr zu lesen.

Ein Sammelsurium an Themen? Ich hätte mir eher eine Fokussierung gewünscht.

 … Deshalb haben mich persönlich die Art und Weise, wie der Autor die Themen literarisch angegangen ist, nicht ansprechen können. Diese ließ mich weiterhin kalt.

Und der Fallensteller? Der Fallensteller bekommt verschiedene Aufträge; nicht nur Tieren, sondern auch bestimmten Menschen sollen Fallen gestellt werden. Wobei die Tiere manchmal, besonders der Wolf, auch bildhaft gemeint sind.

Dann sind da noch surreale Fallen, die gestellt werden müssen. Eine Frau, die unter Albträumen leidet, bittet den Fallensteller darum, ihren Albträumen Fallen zu stellen. Dieses Bild hat mir sehr gefallen. Oder ein ganzes Rudel von Mäusen in einer Backstube, und man ihnen wegen der vorhandenen Lebensmittel nicht mit Gift nachkommen könne und vermehren sich weiterhin. Diese Mäuse werden auch nachts aktiv, dringen in die Träume der Bäckersfrau ein und schaben dort eifrig weiter. Fiktion und Realität vermischen sich auch hier …  

Der Autor nimmt so manches auf die Schippe. Auch Journalisten ist nicht zu trauen, die die Gefühle ihrer Leserschaft mittels Wortwahl ein klitzekleines Bisschen aufstacheln, um sie in diese oder jene Richtung zu lenken, je nachdem, in welche Richtung sich die eigenen Vorurteile und Ressentiments bewegen.(2016, 204)

Diese und andere mehr sind Gedanken, die mich sehr angesprochen haben.
Weshalb konnte ich trotzdem nicht warm werden, vor allem mit all den Figuren? Nach wie vor blieb der Inhalt in mir einfach abgeflacht und nicht haften. Ich habe darauf schon in meiner Buchvorstellung hingewiesen.

Auch wenn mich das Buch recht kalt gelassen hat, kann ich es trotzdem weiterempfehlen. Wer die deutsche Sprache liebt, kommt hier zu seinem Genuss. Deshalb bin ich nicht ganz leer ausgegangen, denn ich mag solche bildhaften, verspielten Vergleiche sehr.

Ich hoffe, dass andere LeserInnen mit den Figuren dieser Erzählungen mehr Erfolg ernten werden ... 

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Und so erhält allein die Kurzgeschichte der Fallensteller von mir neun von zehn Punkten.

Weitere Informationen zu dem Buch

Ich bedanke mich recht herzlich bei Luchterverlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

€ 19,99 [D] inkl. MwSt.
€ 20,60 [A] | CHF 26,90* 

(* empf. VK-Preis) 
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-630-87471-5
Erschienen: 09.05.2016 

 Und hier geht es per Mausklick auf die Verlagsseite von Luchterhand.
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Gelesene Bücher 2016: 69
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Samstag, 22. Oktober 2016

Smith Henderson / Monatana (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das war schon ein sehr interessantes Buch. Ich hatte nur in einer Sache meine Bedenken. Ich fand, dass die Gewalt in der romanhaften Geschichte sehr potenziert dargestellt wurde. Alle Figuren waren auf ihre Weise recht aggressiv und gewaltträchtig, wenn sie nicht bekamen, was sie wollten. Viele Menschen waren von Kindheit an größtenteils gewalterfahren, und viele Szenen waren mir zu sehr auf Sensation ausgelegt. Ein sehr heftiges Buch, in dem man die Gewaltanwendungen aushalten muss, wenn man den Ausgang der Handlungen erfahren möchte.

Selbst die Profis wenden brutalste Gewalt an, siehe unten.

1. Mutter erschießt sich und ihre Kinder.
2. Sozialarbeiter schlägt ein Kind, weil es schwer zugänglich ist.
3. Ein Vater erzieht seinen Sohn, Menschen zu erschießen.
4. Kinder, die im Gefängnis sitzen, werden von Anwärtern verprügelt und misshandelt.
5. Cop schlägt Sozialarbeiter k.o., weil dieser ihn verbal attackiert hat.
6. Bewährungshelfer zündet Haus des Sozialarbeiters nieder, um sich zu rächen. 
7. Kind erschießt den Bewährungshelfer, um den Sozialarbeiter, der von dem Bewährungshelfer existentiell bedrängt wurde, zu retten.
Der Autor ist selbst Sozialarbeiter von Beruf, lebt in Montana. Montana ist ein Bundesstaat im Nordwesten Amerikas und er scheint tatsächlich auch eine Gegend in Amerika zu sein, in der die Menschen gehäuft in sozialen Brennpunkten zu finden sind. Ich möchte diese Welt nicht anzweifeln, aber ich fand das alles im Buch sehr, sehr aufgebauscht. Man wird mit vielen Dramen konfrontiert. Man hätte das Buch auch deutlich abkürzen können; weniger Problemfälle, weniger Dramatik, weniger Gewalt, ohne an Sinnhaftigkeit und Bedeutung einzubüßen. Das würde die Schreibkunst ausmachen. Mit weniger dasselbe bewirken.

Die Handlung spielt in den 1970er Jahren. Die Hauptfigur ist der Sozialarbeiter namens Pete Snow, der beim Jugendamt in der Familienhilfe tätig ist. Er holt Kinder, die aus schwachen, sozialen und stark problembehafteten Verhältnissen kommen, heraus, um sie in Pflegefamilien oder in anderen Einrichtungen unterzubringen.

Ich weiß, wie der Sozialdienst in Deutschland aufgebaut und aktiv ist, doch in Amerika scheint es ein wenig anders zuzugehen. Keine Fallbesprechungen, keine Supervisionen für Professionelle, kein Team, und mir scheint der amerikanische Sozialarbeiter ein Einzelkämpfer zu sein. Man muss dort breite Schultern haben.

Die vielen problembehafteten Familien, um die sich Pete kümmert, sind es nicht alleine. Man bekommt noch die eigene Geschichte von Pete zu lesen. Pete selbst wohnt in einem einfachen Holzhaus mitten im Wald …

Seine Familie unterscheidet sich nicht sonderlich von den Familien, die er tagtäglich betreut. Doch seine Familie, er hat eine Tochter, 14 Jahre alt, ist ebenso hilflos wie seine Klientel. Pete lebt von seiner Frau getrennt, und seine Tochter Rachel lebt bei der Mutter namens Beth. Eines Tages zieht Beth mit Rachel nach Texas, sodass Pete den Kontakt zu seiner Tochter verliert. Beth führt ein recht ominöses Leben, ist drogen- und alkoholabhängig. Auch bekommt sie abends von vielen fragwürdigen Männern Besuch, die der Tochter Rachel Angst machen. Rachel wendet sich telefonisch an ihren Vater und bittet ihn, sie bei sich aufzunehmen und dort wohnen zu lassen. Der Vater lehnt erstmal ab, macht ihr aber den Vorschlag, es in Texas nochmals auszuprobieren, und wenn der Versuch scheitern sollte, dürfe sie nach Montana zurückkehren und bei ihm leben.

Rachel hält es bei der Mutter und den betrunkenen Männern nicht mehr aus, haut ab und gerät auf Abwege, und landet in der Kinderprostitution … Das Vertrauen zu beiden Elternteilen ist zerstört …

Pete hat einen Bruder, der selbst in Haft ist, aber ausbüchst und der Bewährungshelfer Pete Druck macht, da er nicht verrät, wo sich sein Bruder aufhält. Aus Rache zündet er Petes Bleibe an und brennt das ganze Waldhaus nieder.

Des Weiteren ist da noch Jeremiah Pearl und seine Großfamilie. Doch in Szene gesetzt ist hauptsächlich Jeremiah mit seinem Sohn Benjamin, etwa zehn Jahre alt. Eine sehr strenggläubige Familie, die sektenhafte Züge aufweist, ohne in einer Sekte involviert zu sei.

Jeremiah und Benjamin, abgekürzt Ben, leben auch in den Wäldern versteckt, da sie von der Polizei gesucht werden. Jeremiah wird verdächtigt,  seine Frau und seine anderen Kinder ermordet zu haben …

Jeremiah ist ein merkwürdiger Vater, der Ben gegenüber ambivalente Gefühle entgegenbringt. Mal gewalttätig und mal liebevoll. Oft ertappte ich mich in Gedanken beim dem Wunsch, möge doch ein Schicksalsschlag einschlagen, der Ben von seinem Vater befreit. Ben hat nur einmal eine Schule von innen gesehen ... Pete schafft es, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Außerdem ist Jeremiah stark paranoid und steht der Welt sehr destruktiv gegenüber …

Die Justiz in Amerika hat mir auch zu denken gegeben. Kinder, bei denen nur der Verdacht besteht, sie könnten der Gesellschaft gefährlich werden, kommen ins Gefängnis. Wenn sie in U-Haft sind, teilen sie sich die Zellen mit erwachsenen Häftlingen. Kinder, die noch nicht mal 16 Jahre alt sind, kommen auch ins Jugendgefängnis. Das fand ich sehr merkwürdig. Hat mich sehr betroffen gestimmt, wenn so junge Kinder hinter Gitter gehalten werden …

Mehr möchte ich nun nicht verraten.


Mein Fazit zu dem Buch?

Wenn ich die Sozialarbeit mit Deutschland vergleiche, dann sehe ich gewaltige Unterschiede. Ich habe ja oben schon ein paar Sätze dazu geschrieben. Und wenn hier jemand seine Klientel schlägt, dann ist das ein Entlassungsgrund und kann zur Anzeige gebracht werden ...

Wie Pete Snow seine Arbeit verrichtet, bleibt ganz allein ihm überlassen. Auch was seine Arbeitshaltung betrifft, als er sich während seiner Arbeitszeit auf den Weg macht, seine Tochter in Texas zu suchen. Private und berufliche Aktionen werden nicht getrennt, es ist eine Vermischung von beidem. Wie man damit gute Arbeit am Dienst des Menschen leisten kann, das wird am Beispiel Snow deutlich, wie schwer das ist.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Neun von zehn Punkten.


Gelesene Bücher 2016: 57
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim Luchterhand-Bücherverlag für dieses zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken.

€ 24,99 [D] inkl. MwSt.
€ 25,70 [A] | CHF 33,90* 

Verlag Luchterhand
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
603 Seiten
ISBN: 978-3-630-87440-1
Erschienen: 25.04.2016 





Samstag, 16. April 2016

Michael Cunningham / Die Schneekönigin (1)

Roman
Erscheinungstermin: 23. Februar 2015

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Anfangs bin ich nicht so gut in die Thematik reingekommen. Später war ich ein wenig gespalten, weil ich noch immer nicht wusste, was mir der Autor mit seinem Titel Die Schneekönigin sagen möchte ...

Auch mit den Romanfiguren konnte ich erst nicht richtig warm werden. Es hat ein wenig gebraucht, bis ich dahinterkommen konnte, woran es gelegen hat. Später durchlebte ich aber eine kleine Wende. In den letzten 150 Seiten entwickelte sich der Roman für mich dermaßen ergreifend, sodass ich von einer inneren Unruhe ergriffen wurde, und ich, am Ende der Geschichte angelangt, jede Menge Kaugummi-Leichen entsorgen musste :-).

Dass der Buchtitel Die Schneekönigin nichts mit dem Märchen von Andersen zu tun hat, damit habe ich sehr wohl gerechnet. Ich wollte ja kein Märchen lesen. Ich war daher neugierig, welchen kreativen Weg der Autor mit dieser Schneekönigin wohl eingeschlagen haben mochte. Und diese neue Dame wollte ich kennenlernen.

 Sie muss eine Metapher sein, wie auch die Schneeflocken metaphorisch gemeint sind. Mir kommt alles in dem Roman tatsächlich recht kühl vor und ich tippe, dass die schwerkranke Beth, siehe unten, mit der Schneekönigin gemeint ist, die den Schnee so sehr liebt, dass sie es bis in die Wohnung hineinschneien lässt ...

Die Romanfiguren habe ich alle ein wenig exzentrisch erlebt. Beth ist krebskrank und bettlägerig. Tyler, ihr Mann, ist drogenabhängig. Von Beruf  ist er Musiker, der alles für seine kranke Frau tut, weil er sie abgöttisch liebt. Aber er schafft es nicht, ihr einen Song zu schreiben. Nicht, dass Beth dies von ihm verlangt, nein, er ist es selbst, der ihr diese Freude mit einem selbst gedichteten Lied bereiten möchte. Besonders erfolgreich ist er mit seiner Musik nicht.

Tylers jüngerer Bruder Barret schafft es nicht, einen eigenen Haushalt zu gründen und lebt bei Tyler und Beth in einer kleinen New Yorker Wohnung, weil er angeblich ein Außenseiter und vom Scheitern bedroht sein soll. Barret ist ein wenig adipös und  homosexuell. Sämtliche Beziehungen scheitern und wird schlecht damit fertig. Außerdem hegt Barret jede Menge Vorurteile gegen Menschen bestimmter Nationen, ohne diese Menschen tatsächlich zu kennen.

Liz ist Beths beste Freundin und mit Andree zusammen. Sie ist Ende fünfzig und Andree sechsundzwanzig Jahre alt. ... 
Da ich nicht zu viel verraten möchte, beschränke ich mich auf diese wenigen Personenbeschreibungen der ProtagonistInnen.

Nun möchte ich gerne beispielhaft eine Szene festhalten, die deutlich macht, womit ich meine Schwierigkeiten hatte:

Beth wird von ihrer Krebserkrankung wider Erwarten geheilt. Ihr Arzt spricht von einem Wunder. Selten gebraucht dieser Arzt, Naturwissenschaftler der Humanmedizin, diesen Ausdruck. Beth macht sich Gedanken über ihr zurückerworbenes Leben und glaubt, dem Universum nun etwas schuldig zu sein ...

Ein paar wenige Seiten später fängt eine neue Episode an. Fünf Monate später; man nimmt an einer Schifffahrt teil, an der Tyler, Barret und Liz beteiligt sind. Sie haben eine Dose in der Hand, die sie zu öffnen versuchen. Ich wusste ziemlich schnell, was das für eine Dose ist und was sich darin befindet. Es ist eine Urne und Beths Asche soll in die See verstreut werden.

Und damit hatte ich meine Schwierigkeit. Erst ist Beth geheilt und fünf Monate später ist Beth auf einmal tot, und zwar so tot, dass ihr Ableben sich schon in dieser Dose befindet. Mir war das zu abrupt, nicht wirklich authentisch, wobei die fünf Monate nicht in einem Inhalt verpackt wurden, sondern nur in ein paar Worten als eine Auskunft. Nach meinem Geschmack hat der Autor diesbezüglich zu oberflächlich gearbeitet. Mir hat der Prozess von dem einen Zustand in dem anderen gefehlt.

Ich habe als LeserIn nicht genügend Zeit bekommen, mich auf diese veränderten Szenen wirklich einzulassen, um mich an diese wichtigen Veränderungen gewöhnen zu können.

So richtig gut hat mir das Buch dann schließlich nach Beths Tod gefallen. Man hat viele zusätzliche Dinge über die ProtagonistInnen erfahren können und ich hegte den Verdacht, dass Beth erst sterben musste, um an  gewisse Informationen ranzukommen.

Mein Fazit?
Es hat sich gelohnt, das Buch nicht vorzeitig abgebrochen zu haben. Schließlich fing es an, mir doch noch zu gefallen. Veränderte Lebenssituationen spielten sich bei allen ProtagonistInnen ab, die ich durchaus als lesenswert empfunden habe. Und speziell, was die außergewöhnliche sexuelle Beziehung zwischen Liz und Tylor betrifft.

Auch wenn ich im obigen Buch die Kurve wiedergekriegt habe, hat mir Cunninghams Buch Die Stunden deutlich besser gefallen. Dieses Buch hatte ich damals regelrecht verschlungen.

Aber ich könnte mir vorstellen, Die Schneekönigin in ein paar Jahren ein weiteres Mal zu lesen.

Das Buch erhält von mir acht von zehn Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch:

Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
 Verlag: Luchterhand Literaturverlag
 Sprache: Deutsch
 ISBN-10: 3630874584
 ISBN-13: 978-3630874586

Ich möchte mich ein weiteres Mal recht herzlich beim Bloggerportal, Bücherverlag Luchterhand, für dieses Buch bedanken.
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Ich hätte zwei Leben gebraucht,
doch ich habe nur eines gehabt.
(Spruch auf einem Grabstein)
(Bernardo Atxaga)

Gelesene Bücher 2016: 17
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86