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Dienstag, 1. Mai 2018

Celeste Ng / Kleine Feuer überall (1)

Lesen in der Leserunde im Bücherforum Watchareadin

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Was für ein gelungenes Buch. Es gibt nichts, was mir inhaltlich nicht gefallen hat. Zudem sehr interessant vom Aufbau her. Eine spannende Familiengeschichte, die über eine breite Diskussionsgrundlage verfügt …

Ein Buch, das Zivilcourage zeigt.

Die Handlung
Familie Richardson
Die Handlung spielt in Shaker Heights, ein Vorort von Cleveland, Bundesstaat Ohio. Shaker Hights ist eine wohlhabende Wohngegend, die zudem über einen recht hohen Verhaltenskodex verfügt. Starke Reglementierung in der auch Alltagsregeln eingebettet sind, und wer gegen diese verstößt, wird es nicht leicht haben, das Leben in Harmonie fortzuführen. Wir lernen hier die sechsköpfige Familie namens Richardson kennen und es ist Mrs Richardson, die über diese Regeln wacht. Man glaubt anfangs, es mit einer gutbürgerlichen Familienidylle zu tun zu bekommen. Und dies nicht nur innerhalb dieser Familie. Mrs Richardson ist von Beruf Journalistin, ihr Mann Jurist. Die Kinder befinden sich alle im jugendlichen Alter. Die Richardson besitzen zwei Häuser.

In dem einen Haus leben die Richardson, während das zweite Haus mit zwei getrennten Wohnungen untervermietet ist. Mrs Richardson ist es wichtig, die Wohnungen an Menschen zu vermieten, die nicht besonders wohlhabend sind.

Mia und Pearl Warren
An Mia Warren wurde eine von den beiden Wohnungen vermietet. Mia Warren ist Fotokünstlerin und zieht mit ihrer fünfzehnjährigen Tochter Pearl in diese Wohnung ein. Sie ist alleinerziehend. Dies ist die erste Wohnung, die Mia seit Pearls Geburt bezogen hat. Als Künstlerin wollte sie immer unterwegs sein, um Eindrücke für ihre Kunst zu sammeln. Sie lebt von ihrer Kunst und von Gelegenheitsjobs.

Pearl sehnt sich nach einem ganz normalen und sesshaften Leben, nach einem dauerhaften Schulbesuch und nach festen FreundInnen. Mia musste der Tochter versprechen, nicht mehr fortzuziehen. Durch die Richardsonkinder lernt Pearl, was es heißt, in einer Familie zu leben und so fragt sie ihre Mutter wiederholt, wer ihr Vater sei? Mia gibt dazu keine Antwort. Wie Pearl muss sich auch die Leserin in Geduld üben, dass irgendwann sicher noch eine Antwort folgen wird. Pearl freundet sich mit den Richardsonkindern an. Sie wünscht sich ein Leben, in Sicherheit und Wohlstand gebettet, wie es die Richardson kennen. Izzy Richardson dagegen, das jüngste Kind, fühlt sich mit den festen Regeln und dem vielen Komfort eher eingeengt. Sie sehnt sich nach einem Leben, wie Mia es mit ihrer Tochter lebt. Einfach und bescheiden. Izzy ist das schwarze Schaf in der Familie und man bekommt als Leserin den Eindruck, Izzy würde ihr Leben in einem goldenen Käfig verbringen …

Auch Pearl fühlt sich zu den Richardson hingezogen, und so durchleben beide Kinder erst mal eine kleine Identitätskrise … Beide Familien weisen Konflikte auf, die besondere Problemlösungsstrategien einfordern. Mrs Richardson missachtet die Lebensweise von Mia Warren und ist blind für die Probleme innerhalb der eigenen Familie.

Bebe Chow
Auch lernt man die Chinesin Bebe Chow kennen, die ein Mädchen geboren hat. Bebe Chow hat ihr Kind ausgesetzt, weil ihr die Mittel fehlten, für das Kind zu sorgen. Der Säugling wurde gefunden und dem kinderlosen Ehepaar Linda und Ehegatte McCullogh zur Adoption übergeben. Das Ehepaar wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind, und alle Versuche sind gescheitert, selbst ein Kind zu bekommen. Bebe Chow bereut ihren Schritt und möchte ihr Kind  zurückhaben, da sie ihre finanziellen Verhältnisse durch einen Job ein wenig aufstocken konnte. Es finden Gerichtsverhandlungen statt. In der Zwischenzeit liegt das Kind in der Obhut des Staates. Es entstehen juristisch und journalistisch zwei Fronten. Jede Seite kämpft um dieses chinesische Kind. Ein interessanter und extrem moralischer Part.

Zum Scheibkonzept
Zu dem Schreibkonzept muss ich mich diesmal ein wenig bedeckt halten. Das Schreibkonzept ist dermaßen gut konstruiert, dass man gerne darüber sprechen möchte, aber nicht kann, weil man anderen LeserInnen die Möglichkeit nimmt, selbst zu entdecken, wie die Geschichte mit welchem Konstrukt aufgebaut ist.
Die Struktur in drei Teilen: Ein paar Zeilen am Anfang: Auf der allerersten Seite gibt es zwei Zeitungsartikel, die Shaker Heights beschreiben. Auf den folgenden Seiten erfährt man, dass das jüngste Kind der Richardson das Haus in Brand gesetzt hat. Im MIttelteil werden Handlungen von drei Familien. bzw. familienähnlichen Lebensweisen beschrieben. Und das Ende? Der Schluss ist vielversprechend.

Schreibstil
Ein wundervoller Schreibstil, der sich flüssig lesen lässt. Auch die Charaktere aller Figuren sind gut getroffen. Man erlebt facettenreiche und authentische Persönlichkeiten. Eine von den Figuren ist mir von Anfang an unsympathisch gewesen, und meine negativen Eindrücke zu dieser Person haben sich am Schluss bestätigt. Bangen musste ich ich auch um Bebe Chow.

Meine Meinung
Mich haben die Handlungen alle sehr überzeugt. Mich wird die Geschichte noch lange beschäftigen. Von der ersten bis zur letzten Seite habe ich die Geschichte mit großer Spannung verfolgt. Aus dem Probelesen wurde anfangs mehr, ich konnte das Buch nicht mehr aus dern Händen legen. Die letzten fünfzig Seiten waren für mich die aufregendsten.

Ungeklärte Fragen
Ich habe mich gefragt, ob die Geschichte autobiografische Züge aufweist? Das verrät mir sicher das Interview auf der dtv Seite. Das werde ich mir später noch vornehmen.

Cover und Buchtitel?
Sehr gut getroffen. Besitzt einen Wiedererkennungswert. 

Meine Identifikationsfiguren
Mia Warren und Izzy Richardson.

Mein Fazit?
Gelungene Familiengeschichten, sodass ich mir den Namen der Autorin merken werde, und ich mir ihre anderen Bücher auch noch anschaffen möchte.

Meine Bewertung?

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
 Zwölf von zwölf Punkten.

Weitere Informationen zu dem Buch

Vielen Dank an den Verlag für das Leseexemplar.
     
·               Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
·         Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (20. April 2018)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3423281561

Und hier geht es auf die Verlagsseite von dtv
Und hier zur Leserunde von Watchareadin.
Und hier geht es zum Interview mit der Autorin.

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Gelesene Bücher 2018: 19
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 23. April 2018

Judith Hermann / Alice (1)



Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Als ich die erste von fünf Erzählungen gelesen hatte, war ich motiviert, die anderen vier auch noch zu lesen. Aber irgendwie war ich ein wenig enttäuscht, da die Thematik, Sterben und Tod, eine ernste ist, aber auf mich hat sie ein wenig zu oberflächlich gewirkt.

Die Handlung
Alice ist die Hauptfigur, auch wenn zu jeder neuen Erzählung der Sterbende in den Mittelpunkt gerückt wird. Trotzdem ist für mich Alice die Ausschlaggebende. Alice wirkt von ihrer Art her kühl und reflektiert. Es sind viele Gedanken, an denen man teilhaben kann.

Erzählung Nummer 1) Micha
Micha ist an Krebs erkrankt und befindet sich im Endstadium. Er bekommt zur Schmerzlinderung nur noch Morphium gespritzt. Micha befindet sich im Koma, ist nicht mehr ansprechbar. Die Ärzte haben ihn aufgegeben. Alle warten darauf, dass Micha stirbt. Auch die Familie wartet auf Michas Tod. Das Alter des Sterbenden kann man erraten, aber sicher weiß man es nicht.

Erzählung Nummer 2) Conrad
Conrad und seine Frau Lotte, beide 70 Jahre, leben in Mittelitalien. 
 Conrad und Lotte haben Alice zu sich eingeladen. Alice reist von Berlin zusammen mit einem italienischsprechenden Rumänen nach Italien. Der Rumäne ist der Chauffeur. Als sie das Haus von Lotte und Conrad erreichten, lag Conrad fiebrig im Bett. Das Fieber wollte nicht runtergehen, und so wurde Conrad in die Klinik gefahren. Einen Tag später stirbt er angeblich an einer tropischen Infektion.

Erzählung Nummer 3) Richard
Richard und seine Frau Margaret sprechen offen über den Tod. Auch werden die Bestattungsangelegenheiten geklärt. Hier wird Richards Krankheit nicht beschönigt. Keine euphemistische Betrachtungsweise dem Sterbenden gegenüber.

Erzählung Nummer 4) Malte
Malte begeht einen Suizid, kurz bevor Alice, ca. 45 Jahre, auf die Welt kam. Wäre er noch am Leben, dann wäre Malte ihr Onkel, der Bruder ihres Vaters Christian. Obwohl der Suizid Jahrzehnte zurückliegt, malt sich Alice alles Mögliche aus, wie Malte heute leben würde, wäre er noch am Leben …

Erzählung Nummer 5) Raymond
Raymond ist Alices Mann, der gestorben ist. Hier nimmt man an dem Prozess teil, die Wohnung aufzuräumen, sie von alten Sachen zu entsorgen. Dabei geht es nicht, die Dinge, die Raymond gehört haben, schnellstmöglich aus dem Haus zu schaffen. Hier heißt es Abschied nehmen in einer Form, die man aus dem Alltag nicht kennt.

Zum Scheibkonzept
Jede Geschichte beginnt mit dem Namen des Sterbenden. Es sind immer Männer, die entweder gestorben sind, oder im Sterben liegen. Sterbende Frauen gibt es in diesen Erzählungen nicht. Die Erzählungen haben einen Umfang zwischen dreißig und sechzig Seiten.
 Wer das Inhaltsverzeichnis der einzelnen Erzählung sucht, der wird hinten auf der allerletzten Seite fündig.

Meine Meinung
Ich fand den Schreibstil gut. Eine ruhige Art, die mir gefallen hat. Aber etwas hat mir gefehlt. Die Thematik, die sehr ernst ist, fand ich für meinen Geschmack allerdings mit Ausnahme der letzten Erzählung, wie ich oben schon geschrieben habe, zu oberflächlich. 

Ungeklärte Fragen
Manche Figuren waren mir unklar, in welcher Beziehung sie zueinanderstanden. Wer z.B. ist der Rumäne gewesen? Und warum hat die Autorin nur Männer sterben lassen? Auch wenn statistisch gesehen viele Männer vor ihren Frauen sterben, trifft diese Reihenfolge nicht auf alle Lebenspartner zu.

Cover und Buchtitel?
Das Cover lässt alle möglichen Interpretationen zu. Drückt aber auch etwas Magisches aus, was gut zu der Thematik passt.

Mein Fazit?
Ich bin durch diese Geschichten nicht schlauer geworden, was der Umgang mit Sterben und Tod betrifft. Ich zitiere die Autorin:
Wenn jemand geht, der dir nahe ist, ändert sich dein ganzes Leben, es ändert sich, ob du willst oder nicht.
Das kam viel zu wenig rüber. Ich weiß, dass in einem trauernden Menschen innerlich mehr passiert, als die Autorin in ihren Geschichten beschrieben hat. Deshalb haben sie mich nicht wirklich befriedigt.
Außerdem war für mich nichts Neues dabei, weil ich selbst jemand bin, die viel über das Sterben und den Tod nachgedacht hat und ich auch in einer Hospizbewegung tätig war. 

Sicher hat die Autorin versucht, mit ihrer Thematik einen Tabubruch zu begehen und will zeigen, dass der Tod zum Leben dazugehört … Aber Nachdenken alleine ist es nicht, es ist der innere Schmerz, der bei einem Verlust entsteht, den die Autorin aus meiner Sicht viel zu nüchtern angegangen ist. Trauerarbeit ist hauptsächlich ein seelischer und ein emotionaler Prozess und nicht nur ein intellektueller.  

Wie bewerte ich ein Buch? 
Auf jeden Fall nicht nur an der Schönheit der Sprache, wenn es um brisante Themen geht wie diese. Mir geht es hier um die Ganzheitlichkeit, wie z.B. Geist, Körper, Seele. Jede Instanz erlebt einen Verlust komplett verschieden.

Tina hat die Erzählungen wesentlich besser bewertet als ich, vgl. hier Tinas BuchbesprechungAls Nichtbetroffene eines Todesfalls würde die Autorin auch von mir die volle Punktzahl erhalten, weil mir die Sprache gut gefallen hat. Aber sich in die Haut eines trauernden Menschen einzufühlen, da reichen gute Gedanken alleine oftmals nicht aus. Viele trauernde Menschen versuchen ihren inneren Schmerz ähnlich wie die Figur Alice mit der Vernunft anzugehen und scheitern daran, weil die Seele und die Gefühle den Schmerz völlig anders erleben als die Vernunft. Oftmals entstehen zwischen diesen Instanzen massive Diskrepanzen.

Damit ich nicht ganz so alleine mit meiner Meinung dastehe, habe ich auf perlentaucher.de eine Rezension gefunden, die sich mit meiner deckt. Besser gesagt, die das ausdrückt, was ich vielleicht nicht so gekonnt habe sagen können. Ich möchte mit meiner Besprechung nämlich keinen polemischen Eindruck hinterlassen. 

Ich zitiere Felicitas Lovenberg, aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 02.05.2009, die mir total aus der Seele spricht:
Obgleich der Tod die Rezensentin aus jeder Zeile des neuen Prosabandes von Judith Hermann anspricht, bleibt er ihr fern. Für Felicitas von Lovenberg liegt das an der Nüchternheit und Lakonie der Sprache, die Hermann ihrer mit dem Tod (von fünf Freunde) beschäftigten Heldin in den Mund legt. Gleich ob diese Sprache einmal dazu taugte, das Lebensgefühl einer Generation zu treffen, hier erscheint sie Lovenberg angestrengt und künstlich; mitnichten führt sie zu mehr Tiefenschärfe oder Steigerung, beklagt sich die Rezensentin. Erst in den beiden letzten Geschichten scheint ihr der Ton entschiedener zu werden, und der Beschäftigung mit dem Tod die vermisste Richtung zu weisen. (https://www.perlentaucher.de/buch/judith-hermann/alice.html)

Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
10 von 12 Punkten
___________________
Es gibt auf der Welt mehr Tote als Lebende.
(Autor unbekannt)

Gelesene Bücher 2018: 18
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Samstag, 21. April 2018

Rached Kaiser / Couchsurfen als Experiment: Wirklich ein bequemes Sofa?! (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Ein außergewöhnliches Buch, das ich in dieser Art noch nicht hatte. Es soll ein Erzählband sein, wobei ich mir unter Erzählungen komplett etwas anderes vorgestellt habe. Es scheint mehrere Formen zu geben. Klar, Erzählungen sind kleine Prosatexte, trotzdem hatte ich etwas anderes darunter verstanden. Für mich haben Erzählungen etwas Profundes.
Mit diesem Hintergrund wusste ich erst nicht, unter welchem Label ich das Buch auf meinem Blog einordnen sollte? Ich habe jetzt das richtige gefunden, und zwar das Label Selbsterfahrung. Die Geschichten sind keine fiktiven Geschichten, sondern erfahrene Geschichten aus dem realen Leben entnommen. Sie bestehen hauptsächlich aus einfachen Dialogen und kurzen Beschreibungen des Autors vor und nach einer vorgestellten Geschichte, die auf wahre Begebenheiten beruhen. 

Die Handlung
Der 35-jährige Autor reist für 1,5 Jahre mit einem VW-T2-Bus quer durch Deutschland und beschreibt seine ersten Erfahrungen  als Couchsurfer, die er in zwölf Geschichten gepackt hat. Man fragt sich, was ein Couchsurfer ist? Das habe ich mich zu Beginn des Lesens selbst gefragt. Ein Couchsurfer ist ein Reisender, der kostenlos für ein, zwei oder mehrere Nächte bei einem Host, Gastgeber, essen und übernachten darf. Er kann sich die Stadt mit seinem Host ansehen oder auch alleine. Die meisten Hosts haben ihn auf ihren gesellschaftlichen Veranstaltungen mit eingeladen. Die Erlebnisse mit der unbekannten Stadt waren eher sekundär, da der Autor sich in seinem Buch hauptsächlich über die Beziehung mit seinen Hosts ausgelassen hat.

Wie kommt man an Kontaktdaten?
Es gibt eine kommerzielle Couchsurfing-Community, bei der man Kontaktdaten über sich hinterlassen und über den Host erwerben kann. Die ProbandInnen waren alles Frauen zwischen 19 und 28 Jahren. Vereinzelt gab es ältere Hosts.

Zum Scheibkonzept
Auf der allerersten Seite ist ein Zweizeiler von Rilke abgedruckt ... 
Das Buch beginnt mit einer Einleitung, in der der Autor seine Regeln zum Couchsurfing abgedruckt hat. Auf den späteren Seiten sind acht Couchsurfingregeln abzulesen. Die Kapitel sind durchnummeriert, in denen die Geschichten eingeordnet sind. Es sind insgesamt zwölf Geschichten, demnach zwölf Kapitel. Zu Beginn eines jeden Kapitels wird der Host mit Stammdaten vorgestellt. Der Name ist nicht vollständig. Man erfährt nur den Vornamen des Hosts. 

Stadt:
Name:
Alter:
Profilbilder:
Erstes Bild:
Zweites Bild:
Restliche Bilder:
Über die Person:
Hobbies:
Schlafplatz:

Die Bilder sind nicht mit Fotos hinterlegt. Die Personen auf den Fotos werden beschrieben. Am Ende eines Hostings ist der Titel eines Lieblingsbuchs oder der Titel eines Lieblingsfilms des Gastgebers abgedruckt.
Das Buch endet mit einem Nachwort und mit einer Selbstreflexion über Kaisers Erfahrungen nach der Reise.

Meine Meinung
Obwohl dieses Buch eine komplett andere Form von Literatur ist, habe ich die Geschichten alle interessiert verfolgt. Was sind die Gründe? Weil ich diese Privatsphäre interessant fand, über die man durch den Autor einen Blick hineinwerfen konnte. Als Dauerlektüre oder als Wiederhollektüre würde ich ein Buch dieser Art nicht nochmals lesen wollen, auch nicht von einem anderen Autor. Wer weiß, was Kaiser literarisch noch für Pläne haben wird?  Auf jeden Fall wünsche ich ihm weiterhin viel Erfolg.

Ungeklärte Fragen
Warum hat sich der Autor ausschließlich Frauen als Host ausgesucht? Hauptsächlich junge Frauen. Nur eine Dame war über sechzig und drei über dreißig. Darüber kann man munkeln ... 
Und ich habe mich gefragt, ob die Probandinnen wissen, dass deren Daten und deren persönlicher beschriebener Lebensstil in einem Buch veröffentlicht werden? Auch wenn der Familiennamen fehlt, könnte man Personen durch diese Beschreibungen leicht ausfindig machen. Ich habe alle Berichte als sehr persönlich, manche habe ich zusätzlich auch als sehr peinlich erlebt. Mich wundert es, dass Menschen freiwillig so vieles von sich öffentlich preisgeben, noch in einer Form, die nicht mehr so leicht rückgängig zu machen ist. Mir haben diese Menschen alle leidgetan, denn was erstmal gedruckt ist ... 

Cover und Buchtitel?
Das Cover ist reine Geschmackssache, passt aber wunderbar zu den Geschichten. Die zwei Damen darauf konnte ich nach dem Lesen des Buches wunderbar identifizieren, der Herr scheint der Autor zu sein. Es hat auf jeden Fall ein Wiedererkennungswert.

Mein Fazit?
Ich habe ein Inhaltsverzeichnis vermisst. Als ich nochmals die einzelnen Personen nachschlagen wollte, war es mühsam, sie wieder zu finden. Ansonsten habe ich das Buch als eine interessante, abwechslungsreiche Lektüre erlebt.

Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
0 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein. 
10 von 12 Punkten

Weitere Informationen zu dem Buch

Vielen Dank an den Autor für das Leseexemplar.

·         Taschenbuch: 209 Seiten, 12,90 €
·         Verlag: Kaiser-Verlag; Auflage: 1. (10. Juli 2017)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3000561714
___________________
Da war kein Ort auf der Welt,
den Louis lieber mochte als die Hauptstadt.
Es war nicht der Reichtum,
es war die Vielfalt.
(Aus Louis oder der Ritt auf der Schildkröte)

Gelesene Bücher 2018: 17
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Montag, 16. April 2018

Kent Haruf / Lied der Weite (1)


Lesen in der Leserunde auf 
dem Bücherforum Watchareadin

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Ein wunderschönes Buch, das sehr zum Nachdenken anregt. Ich mag den Autor aufrichtig. Er behandelt gesellschaftliche Themen recht sensibel, authentisch und facettenreich. Ich werde mich hier in meiner Besprechung nicht so ausführlich über das Buch aufhalten, da in der Leserunde auf Watchareadin jede Menge nachzulesen ist. Ich habe dort auch einiges schon geschrieben und möchte mich nicht wiederholen.

Ich habe unten noch zwei für mich ungeklärte Fragen notiert, die ich in einem Spoiler gesetzt habe, denn wer nicht zu viel von der Geschichte erfahren möchte, so bitte ich, diesen Unterpunkt zu überspringen. Die Fragen lassen sich nicht stellen, ohne etwas von den Hintergründen preiszugeben. 

Die Handlung
Es ist schwierig, über die Handlung zu schreiben, da es mehrere davon gibt. Handlungen von vielen ProtagonistInnen, wo ich eingangs ein wenig meine Schwierigkeiten hatte, sie in meinem Kopf unterzubringen, ihnen dort einen Platz zu geben, weil ich noch nicht wusste, wie ich sie in welcher Façon und in welche Beziehungsmuster einzuordnen hatte. Aber später, nach etwa einhundert Seiten, hat sich alles von selbst reguliert, die Fäden waren in der richtigen Reihenfolge geknüpft. Wie schon im Klappentext steht, lernen wir hier ein junges Mädchen namens Victoria kennen, das 17 Jahre alt ist, und noch auf die Highschool geht. Victoria ist schwanger und wird dadurch von der Mutter aus dem Haus gesperrt. Ihr Freund meint es nicht ernst mit ihr und verlässt sie, bis er eines Tages wieder auftaucht, als er erfährt, dass Victoria von ihm schwanger ist. Ein gewalttätiger Typ, der Victoria unter Druck setzt …

Das Buch beginnt allerdings mit Tom Guthrie, Familienvater zweier Söhne, Ike und Bobby, neun und zehn Jahre alt. Seine Frau, Ella, scheint an schweren Depressionen zu leiden. Später wird aber deutlich, was die Ursachen der Depressionen sind, und wie die beiden Jungen schmerzlich ihre Mutter vermissen, und welche Verarbeitungsstrategie sie wählen, den Mutterverlust zu verwinden, um die Trauer abzuschließen. Tom Guthrie ist Lehrer an der Schule von Victoria. Neben seinen Sorgen mit seiner Frau begleiten ihn auch Sorgen mit einem Problemschüler, der ihm das Leben schwer macht. Dieser Schüler vergreift sich an seine Jungs, um sich an den Lehrer zu rächen, da er ihn in amerikanischer Geschichte wegen mangelnder Leistung durchfallen lässt. Merkwürdige Ansichten hegt der Schulleiter, der keinen Wirbel auf seiner Schule haben möchte und versucht Guthrie zu überreden, dem Schüler die Prüfung als bestanden zu attestieren ...

Victorias Mutter scheint eine eiskalte Person zu sein, als ihre Tochter, von der Schule kommend, sie um Einlass bittet, regelrecht weinend vor der verschlossenen Haustüre steht und nach ihrer Hilfe ruft, dass ich diese Kälte bis zu mir im Wohnzimmer gespürt habe, und ich mich gefragt habe, ob es in Amerika kein Jugendschutzgesetz gibt? Eltern haften für ihre Kinder so lange, bis sie auf eigenen Beinen stehen können. Aber alles Weitere kann man aus der Leserunde entnehmen. Auch mit der Lehrerin von Voctoria namens Maggi Jones bekommt man es hier zu tun. Nach dem Rausschmiss der Mutter sucht Victoria Zuflucht zu der Lehrerin ihres Vertrauens, die sich für die erste Zeit ihrer annimmt. Dann sind da noch zwei alte, einsame Junggesellen, die McPharonsbrüder, die auf einer Farm leben, deren Eltern durch einen Verkehrsunfall ums Leben kamen, als sie noch Jungen waren. Seitdem leben sie alleine und von der Außenwelt abgeschirmt. Sie können scheinbar besser mit ihren Kühen umgehen, als mit Menschen und oder gar mit Frauen.

Wohin geht Victoria? Was passiert mit den Kindern von Tom und Ella Guthrie? Wie entwickelt sich die Geschichte noch weiter? Dies ist in der Leserunde oder im Buch nachzulesen

Zum Scheibkonzept
Alle ProtagonistInnen bekommen eine eigene Bühne. In jedem neuen Kapitel steht der Name jener Figur, um die es auf diesen Seiten hauptsächlich geht. Das erste Kapitel beginnt mit Tom Guthrie, anschließend folgt das Kapitel mit Victoria, weiter geht es mit Ike und Bobby etc. Die Kapitel sind nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz. Die Geschichte, bzw. das letzte Kapitel schließt mit der fiktiven amerikanischen Kleinstadt in Colorado namens Holt, in der sich die Handlung abspielt.

Meine Meinung
Mir hat der Schreibstil des Autors gut gefallen, so gut gefallen, dass ich ihn zu meinen Schreibprojekten anreihen werde. Leider werden es nicht viele Bücher sein, die ich noch lesen kann, da der Autor schon verstorben ist. Ich glaube, er hat nur drei Bücher geschrieben, zwei davon habe ich ja nun gelesen. Ich muss noch mal recherchieren.

Cover und Buchtitel?
Das Cover finde ich gut getroffen. Es zeigt für mich die Landschaft und das Haus der Brüder McPherons.


Ungeklärte Fragen
Achtung Spoiler

Für mich sind Fragen offengeblieben, zwei davon möchte ich hier benennen.
Es geht um den Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz bzw. um die Gefährdung des Kindeswohls; und eine Frage zur Mutterliebe.
Verstößt in Amerika Mutter/Vater/Eltern nicht gegen das Jugendschutzgesetz, wenn das eigene Kind ausgesperrt wird und dadurch in die Obdachlosigkeit entlassen wird? Dazu noch mit einem werdenden Kind im Mutterleib, wie im Fall von Victoria? Hier würde sogar das Jugendschutzgesetz für Mutter und Kind greifen, da auf beiderlei Hinsicht eine Kindeswohlverletzung vorliegt. 

Gibt es so etwas wie Mutterliebe? Wenn es so etwas wie Mutterliebe wie im Fall von Veronica aber nicht gibt, ist diese Mutterliebe tatsächlich bei fremden Menschen zu finden, wie im Fall von Maggie Jones, Victorias Lehrerin und den beiden Farmern McPherons? Ist der Autor nicht zu idealistisch hervorgegangen, da die McPherons-Brüder einfache Farmer sind, und selbst nicht viel Geld haben dürften? Sie übernehmen alle Kosten, nicht nur für Victoria, sondern auch für das kommende Baby. Da ich die Einzige aus der Leserunde bin, die sich diese Fragen gestellt hat, hat sich auch keine Diskussion darüber ergeben und werde selbst noch weiter recherchieren.

Mein Fazit?

Ein Spiegel aus der amerikanischen Geschichte? Auch wenn nicht explizit hervorgeht, wann die Handlung zu welcher Zeit sich abspielt. In der Leserunde konnte eine Mitleserin das Historische an verschiedenen Faktoren ablesen. Ihr zufolge könnte sich die Geschichte zwischen den 50ern und den 60ern Jahren des letzten Jahrhunderts abspielen.


Und hier eine literaturwissenschaftliche Rezension aus dem Deutschlandfunk.

Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten


Weitere Informationen zu dem Buch

Herzlichen Dank an den Diogenes-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Auszeichnungen
 ›Wallace Stegner Award‹ , 2012
 ›Mountains & Plains Booksellers Award‹ , 2000
 ›Whiting Award for Fiction‹ , 1986


Buchausgabe
    • Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
    • Verlag: Diogenes; Auflage: 2 (12. Januar 2018)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10: 3257070179

    Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes.
    Und hier geht es zur Leserunde Watchareadin.
    ___________________
    Da war kein Ort auf der Welt,
    den Louis lieber mochte als die Hauptstadt.
    Es war nicht der Reichtum,
    es war die Vielfalt.
    (Aus Louis oder der Ritt auf der Schildkröte)

    Gelesene Bücher 2018: 16
    Gelesene Bücher 2016: 72
    Gelesene Bücher 2015: 72
    Gelesene Bücher 2014: 88
    Gelesene Bücher 2013: 81
    Gelesene Bücher 2012: 94
    Gelesene Bücher 2011: 86