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Donnerstag, 25. Mai 2017

Simon Mason / Mondpicknick (1)

Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Mit dem Buch bin ich ein wenig zwiegespalten. Am Anfang hat es mir so gar nicht zugesagt. Ich fand die Geschichte, die ja eher an Kinder gerichtet ist, nicht wirklich glaubwürdig. Aber ich lese ja mit der Brille einer Erwachsenen, so fällt mein Urteil vielleicht anders aus als das eines Kindes.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Ein komischer Einfall war das von Papa, mitten in der Nacht und im Dunklen draußen im Park ein Picknick zu veranstalten. Aber Papa ist auch sonst seltsam in letzter Zeit. Manchmal trägt er den ganzen Tag seine Schlafsachen und manchmal ist er einfach weg, und wenn er dann nach Hause kommt, ist er noch seltsamer als vorher. Darum ist Martha diejenige, die „einen klaren Kopf bewahrt“, wie Mama immer gesagt hat. Früher war sie es, die sich um alles gekümmert hat – aber jetzt ist sie ja nicht mehr da. Also kümmert Martha sich um Tug, putzt und macht Essen. Und auch um Papa kümmert sie sich. Doch irgendwann werden Papas Probleme für Martha zu groß.„Wenn ich älter bin“, denkt Martha, „werde ich mich an dieses Mitternachtspicknick erinnern und denken, wie schön es war. Ich werde vergessen, dass ich Angst vor der Dunkelheit hatte und dass Papa komisch war. Ich werde mich an die Kerzen im Gras erinnern, die wie Flammenblumen aussahen, und an Tug, der von seinem Lieblingsauflauf träumte, und dass Papa gesagt hat, er hätte mich lieb.“

Man hat es hier mit einem alkoholisierten Vater zu tun, der seiner Verantwortung in der Kindererziehung nicht nachkommt, seit seine Frau, die Mutter der Kinder, vor zwei Jahren gestorben ist. Woran die Mutter gestorben ist, lässt der Autor offen. Er beschreibt nur kurz ein paar wenige Symptome und dass der Vater für den Tod von seinen Schwiegereltern verantwortlich gemacht wird ...

Die kleine Martha, gerade mal elf Jahre alt, übernimmt für den kleinen fünfjährigen Bruder Tug nicht nur die Mutterrolle, sondern auch die Rolle der Hausfrau und Ehefrau. Ein Eltern- und Ehegattensubstitut? Denn auch für ihren Vater sorgt Martha. Sie bewältigt alles perfekt, sodass ich mich frage, wie die kleine Martha die Schule noch bewältigen kann? Darauf geht der Autor auch nicht ein. Nur kurz wird erwähnt, dass Marthas Schule dem Vater einen Brief geschrieben hat, und ihn darüber in Kenntnis setzt, dass Martha in der Schule häufig fehlen würde …

Der Vater macht komische Dinge, die den Kindern fremd vorkommen. Erst durch eine Freundin Marthas, deren Vater auch Alkoholiker war, der sich sogar zu Tode trank, kommt Martha dahinter, dass ihr Vater tatsächlich Alkohol konsumiert. Erst wollte sie ihrer Freundin nicht glauben, da sie ihren Vater noch nie hat Alkohol trinken gesehen, bis sie sich schließlich auf die Suche macht, die Alkoholflaschen im Haus ausfindig zu machen. Sechs Flachen Whisky konnte sie finden. Der nächste Schritt führte sie in die Bibliothek, um sich über Bücher zur Alkoholsucht zu informieren …

Die Großeltern haben schon lange bemerkt, dass der Vater trinkt und seiner Sorgepflicht den Kindern gegenüber unzureichend nachkommt … Sie drohen ihm, das Jugendamt einzuschalten …

Das Alkoholproblem wird nicht besser, als schließlich ein Verkehrsunfall mit dem Auto zu einer Anzeige beim Jugendamt führte, da Marthas Vater für den Unfall verantwortlich gemacht wurde. Martha liegt im Krankenhaus mit Knochenbrüchen und einer Gehirnerschütterung ...

Die Kinder wurden schließlich dem Vater weggenommen und wurden den Großeltern zugesprochen. Dem Vater wurde durch eine richterliche Verfügung das Sorgerecht entzogen. Martha musste sich nun nicht mehr um den kleinen Bruder, um den Haushalt und um die Küche kümmern. Die Umstellung fällt ihr schwer ...

Als die Großeltern die Kinder zu sich nehmen, stellten sie erstmal jede Menge Regeln auf, nach denen sich die Kinder zu richten haben …

Was mit dem Vater wird, das Leben der Kinder bei den Großeltern, und ob sie jemals wieder nach Hause zum Vater dürfen, dies alles möchte ich nicht verraten.


Mein Fazit zu dem Buch?

Hier frage ich mich, ob der männliche Autor die Arbeiten einer Mutter- und Hausfrau nicht unterschätzt, dass er einem elfjährigen Kind diese in so einer perfekten Art und Weise zuträgt. Man gewinnt den Eindruck, dass Haushalt, Kindererziehung ... kinderleicht sei. Martha entwickelt zwar in einigen Szenen Erschöpfungssymptome wie Kopfschmerzen, aber ansonsten wurden keine Probleme beschrieben, die ein kleines Mädchen in diesem Alter mit dieser großen Verantwortung eigentlich haben müsste.

Erst als die Geschichte eine Wende bekam, fing das Buch an, mich zu interessieren. Als die Kinder bei den Großeltern lebten, wirkte die Geschichte für mich viel authentischer, sodass sie noch aufpunkten konnte, siehe unten.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck, kindgerecht
2 Punkte: Differenzierte Sichtweisen
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Titel und Cover stimmen mit dem Inhalt überein

Deshalb elf von zwölf Punkten.

Telefongespräch mit Tina:

Da Tina Gymnasiallehrerin ist, hat sie natürlich mit jungen Menschen mehr Erfahrungen als ich. Sie kann sich durchaus Kinder vorstellen, wenn auch nur wenige, die den Anforderungen, die Martha ungefragt gestellt wurden, gewachsen waren. Aber wir sind uns beide einig, dass Martha drei / vier Jahre älter hätte sein müssen, um diese Geschichte glaubhafter zu machen. Ich sprach mit Tina von meinen Erfahrungen mit psychisch kranken Menschen, dass viele darunter waren, die an den Erwartungen ihrer Eltern zerbrochen sind, weil sie dafür zu jung waren. Und dies nicht erst im erwachsenen Alter. Auffälligkeiten zeigen sich schon in jungen Jahren. Was die Eltern selbst nicht schafften, sollte das Kind für sie erledigen. Hierbei empfehle ich unbedingt das Buch von Alice Miller Das Drama des begabten Kindes.
Das Schöne an dem Jugendbuch aber war die Liebe, die der Vater für seine Kinder empfand …

Tina möchte das Buch ihrer vierzehnjährigen Tochter zum Lesen geben und wir sind beide gespannt darauf, wie die Tochter das Buch erleben wird.

Und hier geht es auf Christinas Buchbesprechung. 

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Gelesene Bücher 2017: 20
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 21. Mai 2017

Peter Walther / Hans Fallada (1)

Lesen mit Anne

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Eine sehr schöne und recht umfangreiche Biografie hat der Autor Peter Walther uns LeserInnen hinterlegt. Das ist nun zwar nicht meine erste Biografie zu Rudolf Ditzen alias Hans Fallada gewesen, aber die beste. Mein Bild, das ich von Fallada hatte, konnte nun gut abgerundet werden. Viele neue Informationen konnten sich mir Dank Walther erschließen. Eine sehr gut recherchierte Biografie mit einem Anhang von mehr als 80 Seiten.

Es ist eine sehr reiche Biografie, die zusätzlich mit vielen Fotos versehen ist und ist allen LeserInnen zu empfehlen, die mehr von Hans Fallada erfahren möchten. Ich werde mich hier auf ein paar wenige Themen beschränken, Themen, die mich sehr beschäftigt haben. Weiteres ist unbedingt dem Buch zu entnehmen.

Hans Fallada oder Rudolf Ditzen? Ich gebrauche hier den Künstlername. Wie es zu dem Künstlernamen kam, ein Pseudonym, der dazu diente, die Herkunftsfamilie zu schützen.

Mit welchen persönlichen Gedanken habe ich das Buch beendet? Damit, dass Hans Fallada ein sehr reicher Mensch war. Nicht nur materiell, sondern auch ideell. Geld und Liebe waren reich vorhanden. Aber er verspielte sein Geld, investierte es hauptsächlich in verschiedenen Drogen, und vor allem auch seine Liebe verspielte er. Er hatte viele Menschen um sich, die ihn liebten. Er aber trat auf diese Liebe, als sei sie ein schmutziger Lumpen. Ihm war das durchaus bewusst, er litt auch darunter und nahm dadurch immer wieder neue Anstrengungen in Angriff, sein Leben in positive Bahnen zu lenken, um auch seine Ehe mit seiner ersten Frau Suse zu retten. Aber er scheiterte nach jedem Besserungsversuch. Er erlitt jedes Mal erneut einen Rückfall. Ihn aber anzuprangern, ist nicht meine Absicht, denn er war Mensch und hatte massive Probleme mit dem Menschsein, mit sich selbst, mit seinen Eltern, mit der Gesellschaft und vor allem mit Frauen. Doch primär behandelte Fallada sich selbst am schlechtesten, weshalb ihn so früh, im Alter von 54 Jahren, der Tod durch eine Überdosis an Morphium ereilte. Ich fand sein Leben sehr, sehr traurig. Mir standen am Ende die Tränen in den Augen. Keine Sorge, das Buch ist nicht zu sentimental verfasst. Es ist Falladas Leben, das mich von der ersten bis zur letzten Seite sehr bewegt hat. Die letzten Seiten waren für mich die traurigsten.

Hans Fallada war schon in seiner Jugend recht auffällig und entpuppte sich zum Sorgenkind der Familie, obwohl er 1893 als erster Sohn nach zwei Mädchen der langersehnte Wunsch seiner Eltern war. Zweieinhalb Jahre später folgte ein weiterer Sohn namens Ulli, der es schaffte, die Erwartungen der Eltern zu erfüllen. Umso mehr wurde der ältere Bruder in den Schatten gestellt …

Die Eltern pflegten einen guten gesellschaftlichen Stand. Der Vater war von Beruf Kammergerichtsrat und musste sich häufig für seinen Sohn schämen ...

Auch Falladas Mutter kommt aus einer sehr gebildeten und wohlhabenden Familie. Falladas Eltern ließen den Kindern angeblich nichts fehlen, und trotzdem frage ich mich, ob die Liebe, die sie Hans gegeben haben, ausgereicht hat? Ich glaube eher nicht, da er ein Kind war, das die Erwartungen der Eltern schon recht früh enttäuschen musste.

Doch fragt man sich nach dem Sinn seines Lebens, dann habe ich als Leserin den Eindruck gewonnen, dass er diese Erfahrungen, vor allem auch die wenig guten, machen musste, weil sie zu seinem Leben gehört haben. Er wäre sonst nie der Schriftsteller geworden, der er war.

Hans Fallada war psychisch krank und dadurch auch sehr auffällig. Er litt durch schlechte Erbanlagen an schweren Depressionen und an einer Neurose. Im späteren Alter kamen noch andere psychische Belastungen hinzu, wie z.B. Psychopathie, Alkohol und Morphinabhängigkeit. Diese psychischen Probleme begleiteten ihn durch das ganze Leben. Nicht selten sehnte er sich den Tod herbei und dachte oft an einen Suizid, den er im jugendlichen Alter mit seinem Freund, der ebenso suizidale Absichten hegte, ausüben wollte …

In der Schule wurde er schon von seinen Lehrern gemobbt, weil er sich wie ein „Mädchen“ benahm. Er trug lange Haare, und bei jeder kleinsten schulischen Belastung weinte er im Unterricht sofort los. Ein Lehrer war so dreist und flocht ihm Zöpfe, indem er auch an ihnen zog. Der Lehrer machte den kleinen Hans zum Gespött der Klasse, was seine Lebenssituation schon in diesem jungen Alter negativ geprägt hat. „Dieses ewige Heulen“ bezeichnete der Lehrer als leicht schwachsinnig. Auch die Eltern hielten den Sohn für beschränkt. Dass er aber begabt war, zeigte sich, als das Kind auf eine andere Schule versetzt wurde. Er zählte auf der neuen Schule zu den besten Schülern ... Außerdem spielte Hans leidenschaftlich gerne mit Puppen ...

Schon recht früh besuchte Hans zur psychischen Stabilisierung und Genesung Sanatorien. Später wurde er durch ärztliche Anordnung in der Landwirtschaft eingesetzt, damit er durch körperliche Arbeit psychisch gestärkt werden konnte. Und hier beginnt eigentlich Falladas schriftstellerische Karriere. In diesem neuen Milieu sammelt er jede Menge Stoff für seine späteren Bücher. Er lernt die Lebensweise und den Sprachjargon einfacher Menschen kennen und internalisiert sie. Durch seine Sensibilität saugt er sie wie ein Schwamm in sich auf, sodass man den Eindruck gewinnen konnte, dass er einer von ihnen war, doch
Fallada war nie (…) einzig der >>Kleine Mann<<, für den die Leser ihn häufig hielten. Obwohl er den Standesdünkel seiner Eltern ablehnte, war ihm stets bewusst, wo er herkam, eben nicht von >>unten herauf<<.  Er hat die verschiedenen Lebenssphären kennengelernt und in ihnen den Stoff für seine Literatur gefunden. Häufig ist es die Atmosphäre der ungewaschenen Füße, wie Kurt Tucholsky es treffend nannte, die Fallada am besten einfängt. Die schrägen Typen sind es, die ihn interessieren und die er literarisch mit der größten Überzeugungskraft gestaltet. Sosehr er Teil des Milieus wird, das er schildert – nie geht er ganz darin auf, immer bleibt er im Abstand des Beobachters. (2017, 434f).

Wobei Fallada in allen seinen Büchern Biografisches miteinfließen lässt. Ein Gemisch zwischen Fiktion und Wirklichkeit ist in seinen Büchern behaftet. Auch die Figuren entsprechen Charaktere von Menschen, mit denen er im realen Leben zu tun bekam. Manche Namen tauchen aus dem realen Leben in seinen Büchern auf. Suse, seine erste Frau, nannte ihn immer Junge und Murkel ist der Spitzname seiner Tochter. Beide Namen stehen im Buch Kleiner Mann, was nun?

Fallada war ein Frauenheld. Er wurde von allen Frauen bedingungslos geliebt, aber er behandelte sie alle sehr schlecht. Weiteres ist dem Buch zu entnehmen.

Ich fragte mich zudem, wie Fallada politisch einzuordnen war? Er war 21 Jahre alt, als der Erste Weltkrieg ausbrach und 46 beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Immerhin gehörten Falladas Bücher im Nazi - Deutschland nicht zu den Büchern, die der Bücherverbrennung zum Opfer fielen. Auf den letzten Seiten fand ich für mich hilfreiche Antworten, denn es gab Episoden, wo man den Verdacht hegen konnte, Fallada würde mit den Nazis partizipieren. Ich war erleichtert, dass mein Verdacht dazu nicht erhärtet werden konnte. Aber wie kam ich denn darauf? Fallada hegte starke patriotisch-nationalistische Gefühle. Auch wünschte er, der Weltkrieg würde von Deutschland gewonnen werden, damit sein Land die Weltherrschaft erlangen könnte. Ich wunderte mich über seine politische Haltung, die doch von Nazi-Ideologien behaftet zu sein schien. Auch andere, vor allem Journalisten, haben sich gefragt:
Wie war es nur möglich, dass er – wie er selbst sagt – zu >zwölf Jahren erzwungenen Schweigens, Ertragens, ohnmächtigen Sichwehrens< verurteilte arme Fallada-Ditzen ausgerechnet während der Nazizeit literarische Erfolge verzeichnen konnte, die von kaum einem anderem Schriftsteller erreicht worden sind? (386)

Eine Antwort fand ich auf Seite 437:
Es gibt keinen Zweifel, dass der Mensch und Künstler Fallada das Nazi-Regime verabscheut hat. Und dennoch gab es Zeiten, in denen er dem Druck und der Indoktrination erlegen war. Der Essayist Johannes Gross hat mit Blick auf die Nachgeborenen einmal beobachtet: >>Je länger das Dritte Reich tot ist, umso stärker wird sein Widerstand gegen Hitler und die Seinen.<< Bücher wie das Gefängnistagebuch und Lebensgeschichten wie die von Fallada schützen vor Selbstgerechtigkeit beim Rückblick auf die Geschichte, sie schützen davor, abzustürzen auf dem schmalen Grat von moralischem Relativismus und einem wohlfeilen Urteil, das sich auf das Wissen unserer Zeit stützt.


Mein Fazit zu dem Buch?
In einer Menschenwelt muss man viel tun, um sich ein wenig Liebe zu verdienen, man ackert dafür, und es ist nicht gesagt, ob man die Liebe schließlich bekommt, nach der der Mensch so sehr lechzt. Fallada hat diese Liebe ganz umsonst bekommen. Dies hat mich sehr beschäftigt, wobei mir bewusst ist, dass im Elternhaus schon Fehlstellungen gelegt wurden, auch wenn die Eltern ihr Bestes für die Kinder gegeben haben.

Fallada hatte neben seiner schweren seelischen Erkrankung schriftstellerisch so viel Stoff in sich zu bewältigen, dass auch dies ihn noch zusätzlich bedrängte. Er musste sich leerschreiben, und damit dies möglich war, konsumierte er dabei viel Alkohol, und wenn dies nicht ausreichte, versorgte er sich noch zusätzlich mit Morphium.
Das Ungeborene, dem er noch nicht zum Leben verholfen hatte, peinigte ihn, und als vollendete sich die Welt erst im Wort, dichtete er dem Leben nach und erfand sich zu Lust und Leid seine Geschöpfe, die einzigen, die ihm etwas Licht und Lebenswärme spendeten in der lebenslangen Haft seiner grauen Vereinsamung. (437)

Und ich beende nun meine Buchbesprechung mit einem Zitat, das mir meine Gedanken zu Fallada bestätigt und das mir aus der Seele spricht:
Wir alle sind in unseren Anlagen gefangen. Die Sucht war nichts, wonach Fallada gestrebt hätte, sie hat ihn ereilt in Phasen der Schwäche, die regelmäßig und untrennbar auf Zeiten künstlerischer Anspannung folgte. (Ebd.)

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Sichtweisen
2 Punkte: Authentizität der Biografie
2 Punkte: Gut recherchierter Stoff, informativ
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Zwölf von zwölf Punkten.


Telefongespräch mit meiner Lesepartnerin Anne-Marit Strandborg:

Mit Anne hatte ich ein recht ausführliches Telefongespräch. Auch sie ist von der Biografie sehr angetan. In wenigen Punkten unterscheiden sich unsere Ansichten. Siehe Kommentare, die noch folgen werden.

23.05.2017
Nun habe ich via WhatsApp durchbekommen, dass auch Anne, die die Biografie heute beendet hat zu lesen, sich mittlerweile mit Fallada ausgesöhnt hat. Sie haderte erst wegen der komplizierten und ungerechten  Frauenproblematik.  
Hier geht es zu Annes Buchbesprechung.



Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Aufbau-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken. 

Gebunden mit Schutzumschlag, 527 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-351-03669-0 
Erschienen 2017. 
25,00 € *)
Inkl. 7% MwSt.


Und hier geht es auf die Verlagsseite vom Aufbau. 

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Gelesene Bücher 2017: 19
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Donnerstag, 11. Mai 2017

Kurban Said / Ali und Nino (1)

Ein Verriss


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Leider musste ich das Buch abbrechen, da es geradezu von Klischees wimmelt. Ich habe es bis zur 200. Seite geschafft. Ich hatte noch auf einen Wandel gehofft, aber der blieb aus, weshalb ich schließlich die Leserunde auf Whatchareadin wieder verlassen habe, da ich noch genug andere Bücher zu lesen habe. Meine Lesezeit ist so knapp bemessen, dass ich keine Zeit zu verschwenden habe.

Mich nervt, dass der Protagonist Ali von seinen Landsleuten der Einzige zu sein scheint, der es anders machen will mit seiner zukünftigen Frau, die z. B. keinen Schleier tragen müsse und sie als Christin auch nicht in den Islam zu konvertieren brauche ...

Aber er bekommt jedes Mal Ratschläge von seinen Landsleuten, wie er mit seiner zukünftigen Frau umzugehen habe, denn

        Frauen sind wie Kinder, nur um vieles listiger und bösartiger.

Gegenüber dem Vater verteidigt er seine angehende Frau Nino: 
>>Vater, aber ich liebe sie doch.<< Er schüttelte den Kopf.

>>Man soll im Allgemeinen eine Frau nicht lieben. Man liebt die Heimat, den Krieg, manche Leute lieben schöne Teppiche oder seltene Waffen.<< (2016,136)
Männer, die ihre Frauen lieben würden, bezeichnete der Vater als Irre. Es sei schließlich gottgewollt, dass Frauen ihre Männer lieben, und nicht umgekehrt.

Zwischen Ali und Ninos Vater, ein Fürst, kommt folgendes Gespräch zustande.
Der Fürst war feierlich. Er sprach von der Ehe ganz anders als mein Vater. Seiner Meinung bestand in gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Achtung. Mann und Frau müssen mit Rat und Tat einander beistehen. Sie müssen auch immer daran denken, dass sie beide gleichberechtigte Menschen mit freier Seele sind. (Ebd)
Und wieder ein Buch, das sämtliche Vorurteile Menschen anderer Religionen und Kulturen schürt. Und so frage ich mich erneut, wer denn hier rückständig ist, wenn die Betrachterin von diesen stereotypen und klischeehaften Bildern nicht loslassen kann?


Mein Fazit?

Ich habe schon ein paar Bücher von Ländern aus dem Islam gelesen. Und sie waren in ihrer Denkweise sehr fortschrittlich. Mit so viel Weisheit waren die Bücher bestickt, die ich hier in unserem Buch auch vermutet hatte. Aber leider wurden meine Erwartungen recht schnell enttäuscht.

Ich habe schon ein paar Seiten weitergelesen, und die rigide Haltung zur Frau nimmt immer mehr zu. Erfüllt so ganz die Erwartungen und Vorurteile vieler Menschen aus der westlichen Welt. 
Ein Buch, das stark nach den Maßstäben und Wertevorstellungen der westlichen Welt geprägt ist. Im Autorenporträt steht, dass Kurban Said ein Pseudonym ist. Dahinter würde sich der Name einer Europäerin namens Elfriede von Ehrenfels verbergen. 

Das Buch erinnert mich ein wenig an Elena Ferrante von meiner Leseerfahrung her. 

Und zum Schluss noch ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: 
Wer sich selbst und andere kennt
Wird auch hier erkennen
Orient und Occident
Sind nicht mehr zu trennen
Sinnig zwischen beiden Welten
Sich zu wiegen lass ich gelten
Also zwischen Ost und Weste.

1 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
0  Punkte: Differenzierte Charaktere
0  Punkte: Authentizität der Geschichte
1  Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0  Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Vier von zwölf Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Forumsbetreiber Helmut Pöll auf Whatchareadin bedanken, der mit seinem Engagement Anfragen für dieses Buch beim Ullstein - Verlag gestellt hat. Auch ein herzliches Dankeschön an den Ullstein - Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

Taschenbuch
ISBN: 9783548289045
Erschienen: 18.11.2016 im Ullstein - Verlag
Preis: €10.00

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Ullstein. 

Und hier geht es zur Leserunde.

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LIEBE FÜR ALLE
HASS FÜR KEINEN
(www.ahmadiyya.de)

Gelesene Bücher 2017: 18
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Mittwoch, 3. Mai 2017

Cristina De Stefano / Oriana Fallaci (1)

Ein Frauenleben

Lesen mit Tina 

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Eine starke Frau, diese Oriana Fallaci, die zusammen mit ihrer Herkunftsfamilie sämtliche Klischees sprengt. Äußerlich wie auch innerlich …

Was sie alles als Frau in einer männerdominierten Welt geleistet hat, ist wirklich enorm.

Oriana, deren Namen aus Marcel Prousts Figuren stammt. Wer die sieben Proust-Bände gelesen hat, ist eine Madame Oriane de Guermantes mehr als vertraut ... Wie kamen die beiden Eheleute Edoardo und Tosca Fallaci zu Proust? Zuerst etwas zur Herkunft. Oriana kam im Juni 1929 zu Welt. Geboren wurde sie in Florenz und sie war das erste Kind von drei weiteren Kindern. Die Eltern waren sehr arme Leute. Aber sie besaßen recht viele Bücher. Die Wohnung besaß wenige materielle Güter, aber sie war reich an Büchern. Obwohl die Fallacis sehr wenig Geld zur Verfügung hatten, kauften sie sich die Bücher, wenn auch nur auf Raten. Sie waren sehr belesen. Ganz untypisch für eine arme Familie. Die Bücher hatten für sie einen hohen ideellen Wert. Dies allein hatte mir schon sehr imponiert, dass Bücher einer armen Familie so bedeutend sein können. Die Fallacis betrachteten die Bücher als das Tor zur Welt, und so wuchs Oriana auch mit dieser Bücherliebe auf. Das Tor zur Welt passt exakt zu Orianas Leben, die im erwachsenen Alter überall auf der Welt journalistisch tätig wurde. Ihre journalistische Ausbildung absolvierte sie in ihrem geliebten Land Amerika, das Land, das ihre zweite Heimat wurde.

Orianas Kindheit und Jugend ist nicht ganz einfach verlaufen. Sie musste als die Erstgeborene den Jungen in der Familie ersetzen. Der politisch aktive Vater Edoardo nahm seine Tochter überall mit, denn …
… auch als Mädchen kann man dienen. (…) Um zu vermeiden, dass seine Frau sich allzu sehr ängstigt, teilt Edoardo seiner Frau Tosca nicht mit, wann er seine Tochter auf Einsatz schickt. (2016, 19).

Oriana wuchs in einer sehr kalten Welt auf. Sie war gerade mal zehn Jahre alt, als der Faschismus in Italien ausgebrochen ist. Der Vater mischte sich als Antifaschist unter die Partisanen und kämpfte im Untergrund für Freiheit und Gerechtigkeit. Oriana bekam vom Vater den Auftrag, antifaschistische Flugblätter zu verteilen, d. h. sie war schon recht früh politisch aktiv … Früh trat sie in die Fußstapfen ihres Vaters.

Oriana hat viel Elend gesehen und hat dadurch auch den Glauben an Gott recht früh verloren. Sie bezeichnete sich selbst als eine Atheistin, als ihr eine Ungerechtigkeit mit den Nonnen widerfahren ist: 
Die Nonnen im Kloster sagen zu ihr, sie solle alles als Geschenk für den Heiland am Altar zurücklassen. >>Kurz darauf bin ich heimlich noch einmal in die Kirche zurück, um nachzusehen, ob das Jesuskind alles aufgegessen hatte, und das Essen war weg. Doch nicht einmal die Bananenschale lag mehr da, und auch das Silberpapier der Schokolade war verschwunden. Mir kam der Verdacht. Ich verließ die Kirche, ging einen Flur entlang, und da saß auf einem Mäuerchen die Nonne, die meine Banane aß. (39f)

Oriana geht nach der Schule auf die Universität und versucht es mit einem Medizinstudium, das sie aber wegen der Armut selbst finanzieren muss. Das wurde ihr mit der Zeit zu anstrengend, und sie brach das Studium wieder ab und engagierte sich hauptsächlich journalistisch …

Oriana hatte eigentlich den Wunsch, Schriftstellerin zu werden, da sie aber nicht wusste, wie sie sich diesen Wunsch erfüllen konnte, blieb sie weiterhin journalistisch tätig. Ihre Art zu schreiben ist  nach deutscher Art sehr ungewöhnlich. Sie pflegte einen polemischen Ton, aber immer mit Herz und Verstand bei der Sache. Vorurteile konnte sie schnell ablegen, sobald sie sich als falsch erwiesen haben. Oriana wurde als Kriegsberichterstatterin viel in Krisengebieten eingesetzt, wie z. B. im Iran, Indien, Türkei, Südamerika etc. Mit der Zeit genoss sie international große Beliebtheit … Sie hatte Erfolg, sie verschaffte sich auch bei den Patriarchen hohen Respekt. Für mich erwies sich Oriana Fallaci nicht wirklich als Italienerin, für mich war sie ein Weltmensch …

Und dennoch, durch Orianas genossene Erziehung zahlte sie auch einen hohen Preis. Sie lebte nicht wirklich ihre Rolle als Frau, und war auch nicht beziehungsfähig, und erlebte mehrere Zusammenbrüche was die Partnerwahl betraf. Dadurch blieb auch ihr Kinderwunsch unerfüllt. Selbst durch den Beruf, umgeben von vielen Menschen, war sie bis zu ihrem Tod eine sehr einsame Frau.

Weiteres ist dem Buch zu entnehmen …

Mein Fazit zu dem Buch?

Meine Lesepartnerin Tina und ich hatten dieselben Empfindungen. Wir sind beide der Ansicht, dass Oriana Fallaci eine sehr bedeutende Persönlichkeit war, die viel Achtung verdient hat, und trotzdem war sie uns auch zu anstrengend, dass wir uns eine Freundschaft mit ihr schwer vorstellen konnten.

Und wir haben uns die Frage gestellt, was aus ihr geworden wäre, wenn vor ihr ein Junge geboren wäre? Sicher, sie bekäme eine klassische Mädchenerziehung. Aber Oriana hatte noch drei Schwestern, die alle eine gute Schulausbildung erhielten, und sich wahrscheinlich die ältere Schwester zum Vorbild nahmen, da auch sie politisch aktiv und journalistisch tätig wurden. Den Eltern war es also schon wichtig, auch den anderen Mädchen trotz der Armut eine hohe schulische Ausbildung zukommen zu lassen.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Zwölf von zwölf Punkten.

 Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Bloggerportal, btb-Verlag, für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.

·         Taschenbuch: 352 Seiten, 12,00 €
·         Verlag: btb Verlag (12. September 2016)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3442714168

Und hier geht es auf die Buchbesprechung von Tina.

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Es ist ganz gleich, ob man reich oder arm ist,
alle hungern nach etwas.
(Per J. Andersson)

Gelesene Bücher 2017: 17
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86