Samstag, 21. April 2018

Rached Kaiser / Couchsurfen als Experiment: Wirklich ein bequemes Sofa?! (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Ein außergewöhnliches Buch, das ich in dieser Art noch nicht hatte. Es soll ein Erzählband sein, wobei ich mir unter Erzählungen komplett etwas anderes vorgestellt habe. Es scheint mehrere Formen zu geben. Klar, Erzählungen sind kleine Prosatexte, trotzdem hatte ich etwas anderes darunter verstanden. Für mich haben Erzählungen etwas Profundes.
Mit diesem Hintergrund wusste ich erst nicht, unter welchem Label ich das Buch auf meinem Blog einordnen sollte? Ich habe jetzt das richtige gefunden, und zwar das Label Selbsterfahrung. Die Geschichten sind keine fiktiven Geschichten, sondern erfahrene Geschichten aus dem realen Leben entnommen. Sie bestehen hauptsächlich aus einfachen Dialogen und kurzen Beschreibungen des Autors vor und nach einer vorgestellten Geschichte, die auf wahre Begebenheiten beruhen. 

Die Handlung
Der 35-jährige Autor reist für 1,5 Jahre mit einem VW-T2-Bus quer durch Deutschland und beschreibt seine ersten Erfahrungen  als Couchsurfer, die er in zwölf Geschichten gepackt hat. Man fragt sich, was ein Couchsurfer ist? Das habe ich mich zu Beginn des Lesens selbst gefragt. Ein Couchsurfer ist ein Reisender, der kostenlos für ein, zwei oder mehrere Nächte bei einem Host, Gastgeber, essen und übernachten darf. Er kann sich die Stadt mit seinem Host ansehen oder auch alleine. Die meisten Hosts haben ihn auf ihren gesellschaftlichen Veranstaltungen mit eingeladen. Die Erlebnisse mit der unbekannten Stadt waren eher sekundär, da der Autor sich in seinem Buch hauptsächlich über die Beziehung mit seinen Hosts ausgelassen hat.

Wie kommt man an Kontaktdaten?
Es gibt eine kommerzielle Couchsurfing-Community, bei der man Kontaktdaten über sich hinterlassen und über den Host erwerben kann. Die ProbandInnen waren alles Frauen zwischen 19 und 28 Jahren. Vereinzelt gab es ältere Hosts.

Zum Scheibkonzept
Auf der allerersten Seite ist ein Zweizeiler von Rilke abgedruckt ... 
Das Buch beginnt mit einer Einleitung, in der der Autor seine Regeln zum Couchsurfing abgedruckt hat. Auf den späteren Seiten sind acht Couchsurfingregeln abzulesen. Die Kapitel sind durchnummeriert, in denen die Geschichten eingeordnet sind. Es sind insgesamt zwölf Geschichten, demnach zwölf Kapitel. Zu Beginn eines jeden Kapitels wird der Host mit Stammdaten vorgestellt. Der Name ist nicht vollständig. Man erfährt nur den Vornamen des Hosts. 

Stadt:
Name:
Alter:
Profilbilder:
Erstes Bild:
Zweites Bild:
Restliche Bilder:
Über die Person:
Hobbies:
Schlafplatz:

Die Bilder sind nicht mit Fotos hinterlegt. Die Personen auf den Fotos werden beschrieben. Am Ende eines Hostings ist der Titel eines Lieblingsbuchs oder der Titel eines Lieblingsfilms des Gastgebers abgedruckt.
Das Buch endet mit einem Nachwort und mit einer Selbstreflexion über Kaisers Erfahrungen nach der Reise.

Meine Meinung
Obwohl dieses Buch eine komplett andere Form von Literatur ist, habe ich die Geschichten alle interessiert verfolgt. Was sind die Gründe? Weil ich diese Privatsphäre interessant fand, über die man durch den Autor einen Blick hineinwerfen konnte. Als Dauerlektüre oder als Wiederhollektüre würde ich ein Buch dieser Art nicht nochmals lesen wollen, auch nicht von einem anderen Autor. Wer weiß, was Kaiser literarisch noch für Pläne haben wird?  Auf jeden Fall wünsche ich ihm weiterhin viel Erfolg.

Ungeklärte Fragen
Warum hat sich der Autor ausschließlich Frauen als Host ausgesucht? Hauptsächlich junge Frauen. Nur eine Dame war über sechzig und drei über dreißig. Darüber kann man munkeln ... 
Und ich habe mich gefragt, ob die Probandinnen wissen, dass deren Daten und deren persönlicher beschriebener Lebensstil in einem Buch veröffentlicht werden? Auch wenn der Familiennamen fehlt, könnte man Personen durch diese Beschreibungen leicht ausfindig machen. Ich habe alle Berichte als sehr persönlich, manche habe ich zusätzlich auch als sehr peinlich erlebt. Mich wundert es, dass Menschen freiwillig so vieles von sich öffentlich preisgeben, noch in einer Form, die nicht mehr so leicht rückgängig zu machen ist. Mir haben diese Menschen alle leidgetan, denn was erstmal gedruckt ist ... 

Cover und Buchtitel?
Das Cover ist reine Geschmackssache, passt aber wunderbar zu den Geschichten. Die zwei Damen darauf konnte ich nach dem Lesen des Buches wunderbar identifizieren, der Herr scheint der Autor zu sein. Es hat auf jeden Fall ein Wiedererkennungswert.

Mein Fazit?
Ich habe ein Inhaltsverzeichnis vermisst. Als ich nochmals die einzelnen Personen nachschlagen wollte, war es mühsam, sie wieder zu finden. Ansonsten habe ich das Buch als eine interessante, abwechslungsreiche Lektüre erlebt.

Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
0 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein. 
10 von 12 Punkten

Weitere Informationen zu dem Buch

Vielen Dank an den Autor für das Leseexemplar.

·         Taschenbuch: 209 Seiten, 12,90 €
·         Verlag: Kaiser-Verlag; Auflage: 1. (10. Juli 2017)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3000561714
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Da war kein Ort auf der Welt,
den Louis lieber mochte als die Hauptstadt.
Es war nicht der Reichtum,
es war die Vielfalt.
(Aus Louis oder der Ritt auf der Schildkröte)

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