Sonntag, 19. März 2017

Jonas Karlsson / Das Zimmer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mich richtig gepackt. Woran hat das gelegen? Die Thematik besitzt schließlich keine kriminalistische Kulisse, sondern sie beschreibt ausschließlich die banale Welt eines Arbeitsalltags in einem Großraumbüro. Was ist daran so spannend? Der Autor hat es gewusst, seine Thematik so anzupacken, dass sie mich als Leserin nicht mehr losgelassen hat. Ein wenig surreal der Hintergrund seiner Geschichte.

Das Zimmer ist nämlich für mich ein surreales Motiv. Erst dachte ich, Björn, der Protagonist und Icherzähler, leidet an einer Zwangs- und Wahnvorstellung, an einer Schizophrenie, aber zum Ende hin konnte ich mich doch nicht für eine psychische Störung entscheiden.

Auf den ersten Seiten entwickelte ich ein Geschlechterproblem: Ich dachte erst, der Protagonist sei eine Frau. Habe dabei unbewusst den Klappentext und das Bild auf dem Cover ignoriert. Viele Episoden kannte ich von mir selbst. Ich würde also nicht unbedingt sagen, dass der exzessive Ehrgeiz und damit verbunden das enorme Leistungsdenken im Berufsleben eher eine männliche Domäne ist, denn wer ist das nicht heutzutage, ehrgeizig und leistungsorientiert im Beruf? Als die Geschichte aber immer abstrusere Formen annahm, konnte ich mich von dieser Figur wieder distanzieren, deren Namen Björn auf den folgenden Seiten mittlerweile gefallen war.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Von unausstehlichen Kollegen umgeben, in ein Großraumbüro gepresst, kann Björn sein Glück kaum fassen, als er eines Tages ein kleines, geheimes Zimmer entdeckt. Ein Büro nur für sich, auf demselben Stockwerk, im Flur gleich neben der Tonne für das Altpapier und dem Aufzug. Hier drinnen sind das Chaos und die Enge der Bürowabenwelt vergessen, Björn hat plötzlich Spaß an seiner Arbeit. Alles wäre gut, gäbe es da seine Kollegen nicht. Die treibt Björns bizarres Verhalten fast zur Verzweiflung. Und zu allem Übel tun sie auch noch so, als existiere dieses Zimmer überhaupt nicht.
Nun erwiesen sich mir Björns KollegInnen nicht wirklich als unausstehlich, wie dies aus dem Klappentext hervorgeht. Ein dermaßen unkollegialer Typ wie Björn einer ist, der muss eben so behandelt werden, wie seine KollegInnen ihn behandelt haben. Unausstehlich war mir demnach eher Björn selbst, der menschliche Schwächen bei anderen definitiv nicht dulden konnte, und während er sich permanent aufwertete, wertete er andere ab … Björn möchte sich hocharbeiten, und sein Ziel ist, es von seiner Position bis in die Chefetage zu schaffen.

Björn hatte noch nicht lange die neue Dienststelle angetreten, als er schon nach ein paar Tagen seinen Kollegen Hakan zur Rede gestellt hatte. Hakan hatte seinen Schreibtisch gegenüber von Björn. Er wirkte mit seinen Akten dermaßen unsortiert, sodass viele Arbeitspapiere auf Björns Schreibtisch landeten. Doch auch Hakans äußere Erscheinung widerte Björn an. Nach dem Gespräch, als beide wieder an ihren Schreibtischen zurückgekehrt waren, kommen Björn über Hakan folgende Gedanken:
Wahrscheinlich war er diese Art deutlicher und effektiver Ermahnungen nicht gewöhnt. Höchste Zeit, dass du dich daran gewöhnst, dachte ich. Gut möglich, dass ich eines Tages dein Chef sein werde. (31)  
Björn wird immer auffälliger. Er zieht sich, wenn er sich von der Arbeit ein wenig ausruhen möchte, in dieses ominöse Zimmer zurück. Das stößt bei seinen KollegInnen auf, es kommt zwischen ihnen und Björn zu einem Eklat, sodass ein Gespräch zwischen ihm, seinen KollegInnen und dem Chef stattfindet. Björn äußert seinen Ärger:
Zunächst einmal ist mir aufgefallen, dass einige einen unnötig scharfen Ton anschlagen. Man ist mir mit einer recht unfreundlichen Haltung begegnet und hat sich nicht sonderlich darum bemüht, dass ich mich hier wohlfühle, was vermutlich daran liegt, dass ihr euch über mich ärgert. Das ist nicht weiter verwunderlich, kreative Menschen sind schon immer auf Widerstand gestoßen. Es ist ganz natürlich, dass einfach gestrickte Personen Angst vor Sachkenntnis haben. (70)

Die KollegInnen beschweren sich, dass Björn merkwürdige Dinge an der Wand tun würde, und geistig total abwesend wäre.

Das Gespräch gerät aus den Fugen. Die Rollen zwischen Björn und seinem Chef vermischen sich. Es ist Björn, der sich erlaubt, den KollegInnen Anweisungen zu geben, um das Gespräch zu beenden:
>>Lasst euch das eine Lehre sein<<, sagte ich in einem etwas milderen Ton. >>Was haltet ihr davon, wenn wir nun zu unseren jeweiligen Arbeitsaufgaben zurückkehren und diesen für euch alle so ausgesprochen peinlichen Zwischenfall nie mehr erwähnen. Wenn jeder Einzelne von euch bereit ist, ab heute offen und ehrlich zu sein, wenn ihr nie mehr versucht, mir derartige Streiche zu spielen, um mich aus dem Konzept zu bringen, bin ich bereit, einen Schlussstrich unter die Angelegenheit zu ziehen. Einzig und alleine, weil mir vollkommen bewusst ist, dass Intelligenz und Ausstrahlung allen Mittelmäßigen schon immer ein Dorn im Auge gewesen sind. Einzig und allein deshalb bin ich bereit, euch zu verzeihen. Kleine Menschen können nicht immer etwas dafür, dass sie gelegentlich der Versuchung erliegen, umzustürzen und den Leuten über ihnen zu schaden<<. (72) 

Die KollegInnen ziehen sich wieder an ihre Plätze zurück. Das Gespräch wird allerdings zwischen Björn und seinem Chef fortgesetzt. Das Gespräch endet damit, dass der Chef Björn zu einem Psychiater schickt…

Da das Buch gerade mal 172 Seiten hat, möchte ich nicht mehr verraten.


Mein Fazit zu dem Buch?

Eine recht authentische Geschichte; Erfahrungen, die sicher jeder Berufstätige aus seinem Arbeitsalltag kennen wird. Solch eine Figur, wie Björn sie ist, gönnt man keinen Chef-Titel. Und hier, in dieser Geschichte, habe ich schon ein wenig gezittert, Björn könnte neben seiner Verrücktheit und neben seiner Spießigkeit seinen Aufstieg zum Vorgesetzten schaffen. Björn ist allerdings nur eine Figur, die auch hätte eine Frau sein können. In dieser Form wäre sie genauso unausstehlich ... 

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.


 Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 176 Seiten
·         Verlag: Luchterhand Literaturverlag (11. April 2016)
·         17,99 €
·         ISBN-10: 3630874606

Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar beim Verlag Luchterhand bedanken. 

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Luchterhand
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Liebe für alle.
Hass für keinen.
(www.ahmadiyya.de)

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