Sonntag, 30. Oktober 2016

Emanuel Bergmann / Der Trick (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe das Buch soeben beendet und ich bin ganz angetan davon. Ich habe gelesen, dass dieses Buch Bergmanns Debüt ist. Wahnsinnig gut gelungen. Von der ersten bis zur letzten Seite war das Buch mit Spannung erfüllt. Allerdings keine Spannung in Form von Action und Sensationsgier. Das Buch besitzt eine gewisse Tragik aber nicht durch die gesamte Handlung hindurch. Und viel Weisheit findet man darin. Zudem ist es noch ein Buch über Freundschaft. Der Autor hält mehrere Fäden in der Hand, und bewegt sie, ohne einen zu verlieren. Diese Art zu schreiben hat mich sehr tief berührt.

Man bekommt es hier im Wechsel mit zwei verschiedenen Perspektiven zu tun, Perspektiven aus unterschiedlichen Epochen und mit unterschiedlichen Figuren. Aber die Figuren begegnen sich irgendwann in der Gegenwart, die beiden Perspektiven bleiben bis zum Schluss dennoch weiterhin bestehen. Dieser Stil hat etwas Verspieltes und der immerwährende Wechsel von der einen in die andere Geschichte fordert ein wenig Kopfakrobatik  ...

Ich werde etwas um den heißen Brei reden …

Schon der Buchtitel Der Trick scheint auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches zu sein, und man glaubt, es geht nur um getrickste, banale Zirkuszauberei. Ja, dies schon, aber nicht nur. Hinter dem Titel steckt etwas ganz Anderes ... Das fand ich grandios …

Die tschechische jüdische Halbwaise Mosche Goldenhirsch, Künstlername Zabbatini, verlässt 1934 mit 15 Jahren seinen Vater namens Laibl, um in einen Zirkus einzutreten. Die Jahreszahl 1934 sagt schon aus, in welchen politischen Umbrüchen Europa sich befindet, hauptsächlich in Deutschland, und dies tiefen Einfluss auch auf Tschechien haben wird …
Mosche hatte außerdem die Nase von seinem Vater voll, der immerzu auf ihn eindrosch, wenn er nicht die Leistung erbracht hatte, die der strenge Vater von seinem Sohn eingefordert hat. Der Vater hatte als Rabbiner unter den Juden eine hohe Stellung inne, weshalb der Gelehrte sich so streng seinem Sohn gegenüber verhielt.
Laibls Lebensphilosophie ist:
Allein schon da zu sein, allein schon zu leben, (…) ist ein Gebet. (2016, 7.)
Mosche wird von Kröger, der Chef des Zirkus‘, Künstlername Halbmondmann, sofort angenommen. Mosche betont aber, dass er Jude sei, daraufhin die abwehrende Reaktion des Chefs:
„Erspar‘s mir. Wir sind beim Zirkus. Wir sind alle gleich“. Das hatte Mosche noch nie zuvor gehört. „Echt?“
Im Theater“, erwiderte Kröger, „ist jeder ein Edelmann, wir sind Künstler, und es gibt nichts Edleres als die Kunst.“ (138)
Nach der Probephase erkennt Kröger in dem Jungen eine gewisse Begabung. Und so wird Mosche in die Kunst des Magiers eingeführt und erhält den iranischen Künstlernamen Zabbatini. Mosche schlüpft in eine neue Identität und deckt sich mit viel Wissen über die iranische Lebensweise ein. Der Name Mosche Goldenhirsch ist somit abgeschrieben.
Mosche wird in die Lebensphilosophie der Magier und Zauberer eingeweiht.
… >>Denn wir sind die Nachkommen der Hohepriester von Persepolis. (…) Wir sind ihre Nachkommen, zumindest im Geiste. Wir sind die Sprecher der Götter und die Hüter einer zeitlosen Wahrheit.<<
>>Ja<<, sagte Mosche aufgeregt. >>Was für eine Wahrheit?<<
>>Die Wahrheit der Lügen.<<
>>Wie können Lügen wahr sein?<<
>>Wie nicht? Menschen sind begierig darauf, getäuscht zu werden. Sie wollen an etwas Größeres glauben. Wir aber geben ihnen etwas Kleineres, nur deshalb kommen sie. Die Magie ist eine wunderschöne Lüge.<< (158)
Im Zirkus bekommt Mosche die Rolle eines Clowns und hat dadurch selbst den SA-Männern gegenüber Narrenfreiheiten, da niemand von ihnen hinter der Maske einen Juden vermutet hat. Mosche nutzt seine Gunst, sich für das Leid, das sie den Juden zufügen, zu rächen. Er zieht einen SA-Mann an sich heran, und flüstert ihm ins Ohr, dass er, der SA-Mann, dieses Jahr sterben werde.
Er, Mosche Goldenhirsch, hatte die SA in Angst und Schrecken versetzt! (183)
Mosche verliebt sich heimlich in die Artistin Julia. Nur durfte der Chef nicht hinter diese Liebelei kommen … Aber er kam dahinter … Nun geschieht ein großes Szenario, das immense Auswirkungen für alle Beteiligten nach sich zieht …

Julia und Zabbatini gehen nun eigene Wege, nachdem der Zirkus durch tragische Umstände abgefackelt war.
Mosche macht sich auch ohne den Zirkus einen Namen als der große Zauberer Zabbatini.

Mosches Ruf wird bekannt. Nicht nur SA-Männer suchen seinen Rat. Auch Hitler wendet sich an ihn mit der Frage, ob die Juden die Nation in den Krieg treiben würden?

Dazu Zabbatini: 
Sie werden einen großen Frieden bringen. Einen Frieden, wie die Welt ihn noch nie gesehen hat. Ihr Name wird niemals in Vergessenheit geraten, mein Führer. (284)
Hitler war ganz gerührt und bot Zabbatini daraufhin an, ihn mit Adolf anzusprechen.

Leider hat Mosche als Zabbatini gewisse Risiken nicht bedacht, und es ist das eingetroffen, was ich befürchtet habe ...

Zabbatini, der Zauberer, der mit seiner Kunst sogar die Nazis täuschte ... Ich ahnte schon, dass ein Ereignis kommen musste, wie es gekommen ist. Grausam. Es konnte gar nicht anders kommen. Warum war Mosche nur so naiv? Wieso fehlte ihm dieser klitzekleine Weitblick? ...

In der zweiten Epoche, 2007, wird das Leben des zehnjährigen Max‘ erzählt, der auch aus einer jüdischen Familie väterlicherseits stammt. Seine Großmutter hat durch ganz besondere Umstände und durch besondere Menschen den Holocaust knapp überlebt ...

Permanent versucht sie über diese schreckliche Zeit mit ihrer Familie zu reden, doch niemand hat wirklich ein Ohr für sie, auch, weil sie immer und immer wieder dasselbe erzählen würde ...

Max‘ Eltern möchten sich scheiden lassen, und der Junge leidet fürchterlich darunter. Als der Vater schließlich auszieht, ist Max ganz außer sich. Während des Umzugs findet er unter den Musikplatten seines Vaters eine Platte, die aus dem Rahmen fällt. Max kann eigentlich mit Platten gar nix anfangen, aber der Titel stimmt ihn neugierig. Auf der Platte steht der Name des großen Zauberers Zabbatini. Max fragt seinen Vater, ob er die Platte haben könne. Der Vater schenkte sie ihm. Max zieht los, um den Plattenspieler in der Abstellkammer zu suchen.

Auf der Platte geht es um die Liebe, wie diese, die gefährdet ist, mit Zauberei wieder zu kitten ist …
Max ist von der Platte völlig hingerissen, die allerdings gerade dort einen Sprung aufweist, als es um diesen Liebeszauberspruch ging. Nun konnte Max nichts mit der Platte anfangen und begibt sich auf die Suche nach dem großen Zabbatini, da nur Zabbatini es schaffen könne, mit diesem Liebeszauber seine Eltern wieder zusammenzuführen …

In der Gegenwart nun angekommen, versucht auch Mosche mit jungen Leuten über seine Erfahrungen mit den Nazis zu sprechen. Schließlich zählt auch er zu den Überlebenden des Holocausts und musste schwere körperliche Züchtigungen über sich ergehen lassen.
„Fick dich!“, schallte eine Stimme entgegen. Zabbatini fühlte sich, als hätte ihn jemand geohrfeigt. Die jungen Leute starrten ihn alle voller Ekel und Verachtung an. Er schämte sich. Er war nicht wie die anderen. Seine Erfahrungen, im Krieg und auch davor, machten ihn zu einem Ausgestoßenen. In der großen Menschenfamilie war kein Platz für ihn. (313)
Mich hat diese Textstelle recht betroffen gestimmt. …
Auch andere Textstellen stimmten mich nachdenklich, wie z. B. dass es verboten war, Jude zu sein. Dies zumindest erkennt der kleine Max, als er schließlich durch einen anderen Menschen erfährt, welches Leid dieser und seine Großmutter als Juden widerfahren ist …

Wie es nun weitergeht und ob Max den Magier findet, bzw. ob er es schafft, seine Eltern zusammenzuführen, überlasse ich den LeserInnen selbst, es mit Hilfe der Lektüre herauszufinden.


Mein Fazit?

Zu gegebener Zeit möchte ich dieses Buch ein weiteres Mal lesen. Diese vielen Facetten möchte ich nochmals erleben und ein weiteres Mal auf mich einwirken lassen.

Mich hat recht traurig gestimmt, wie sehr diese Menschen wie Mosche und Max‘ Großmutter mit ihrer Geschichte alleingelassen sind. Schwerst traumatisierte Menschen, die selbst nach dem Zweiten Weltkrieg noch mit ihrem Schicksal allein gelassen wurden. Es gab zwar schon Psychotherapien, aber die waren zu dieser Zeit nicht verbreitet. Da musste jeder zusehen, wie er mit dieser Last weiterleben konnte
Erst später, zum Ende der Geschichte hin, wird Max‘ Vater zum ersten Mal bewusst, dass er, sein Sohn Max und weitere fünf Verwandte gar nicht am Leben wären, hätte seine Mutter den Holocaust nicht überlebt. Ein wenig absurd, dass nicht vorher genau hingeschaut wurde. Lernt ein Mensch immer erst, wenn das Schicksal ihn dazu zwingt?

Ich wünsche mir sehr, dass dieses Buch viele Menschen erreichen wird. Lesen wir nur aus Vergnügen, oder auch, um über bestimmte Ereignisse, mit denen sich unsere AutorInnen auseinandersetzen, zu sensibilisieren?
Bei mir ist auf jeden Fall beides der Fall …

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar beim Diogenes-Bücherverlag bedanken.

Hardcover Leinen 
400 Seiten 
erschienen am 01. März 2016 

ISBN: 978-3-257-06955-6 
€ (D) 22.00 / sFr 30.00* / € (A) 22.70 
 

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Im Tod sind wir alle gleich, egal, ob Prinz oder Bettler.
(E. Bergmann)

Gelesene Bücher 2016: 59
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86







Donnerstag, 27. Oktober 2016

Emanuel Bergmann / Der Trick

Klappentext 
1934, in Prag, bestaunt der fünfzehnjährige Rabbinerssohn Mosche Goldenhirsch im Zirkus die Zauberkunststücke des legendären ›Halbmondmanns‹ und seiner liebreizenden Assistentin – es ist um ihn geschehen, und zwar gleich doppelt. Er rennt von zu Hause weg und schließt sich dem Zirkus an, der nach Deutschland weiterzieht. 2007, in Los Angeles, klettert der zehnjährige Max Cohn aus dem Fenster seines Zimmers, um den Großen Zabbatini zu finden, einen alten, abgehalfterten Zauberer. Der Junge ist überzeugt: Nur Magie kann seine Eltern, die vor der Scheidung stehen, wieder zusammenbringen. Eine bewegende und aberwitzige Geschichte, die Zeiten und Kontinente umspannt, ein Roman über die Zerbrechlichkeit des Lebens und den Willen, sich verzaubern zu lassen.

Autorenporträt
Emanuel Bergmann, geboren 1972 in Saarbrücken, ging nach dem Abitur nach Los Angeles, um dort Film und Journalismus zu studieren. Er war viele Jahre lang für verschiedene Filmstudios, Produktionsfirmen und Verlage in den USA und Deutschland tätig. Derzeit unterrichtet er Deutsch, übersetzt Bücher und schreibt Artikel für diverse deutsche Medien. ›Der Trick‹ ist sein erster Roman. Rechte verkauft an: Prometheus (Niederlande), La nave di Teseo (Italien), Belfond (Frankreich), Atria/Simon&Schuster (USA), Anagrama (Spanien), La Campana (Katalanisch), Europa Könyvkiado (Ungarn)

Meine ersten Leseeindrücke

Ich habe die ersten hundert Seiten durch, und mir gefällt das Buch sehr gut. Bin wirklich neugierig auf Weiteres, wobei ich schon ahne, wohin die Abläufe sich entwickeln, wenn man es hier im Wechsel mit zwei Perspektiven zu tun hat. Einmal befinden wir uns im 20. Jahrhundert und ein anderes Mal im 21. Jahrhundert, ich aber im Kopf eine Verbindung dieser beiden Geschichten verknüpft sehe. Das gefällt mir recht gut.  Ein wenig Kopfakrobatik. 

Auf das Buch bin ich durch durch das Bücherforum Watchareadin gestoßen. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Hardcover Leinen 
400 Seiten 
erschienen am 01. März 2016 

978-3-257-06955-6 
€ (D) 22.00 / sFr 30.00* / € (A) 22.70 
* unverb. Preisempfehlung 



Per Mausklick zur Seite vom Diogenes-Verlag.

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Monika Peetz / Die Dienstagsfrauen

Lesen mit Tina ...

Klappentext
Fünf Freundinnen. Seit über 15 Jahren treffen sie sich regelmäßig am ersten Dienstag im Monat. In ihrem Stammlokal nennt man sie die Dienstagsfrauen. Einmal im Jahr unternehmen die fünf Frauen etwas gemeinsam. Dieses Jahr haben sie etwas ganz Besonderes vor: Pilgern auf dem Jakobsweg. Am Ende dieser Reise ist nichts mehr, wie es war.
Würden sie sich heute begegnen, wären sie wohl gar nicht miteinander befreundet. Aber seit die fünf Frauen vor 15 Jahren nach ihrem Französischkurs auf einen Absacker bei Luc eingefallen sind, ist am ersten Dienstag im Monat der Kamintisch für sie reserviert. Fünf Frauen, nun dies- und jenseits der vierzig, mit sehr unterschiedlichen Temperamenten:
Da ist Caroline, die Strafverteidigerin, verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder. Organisiert, konsequent und streitbar. Sie sagt, was sie denkt, und sie tut, was sie sagt. Und kann trotzdem gut mit Kikis Chaos umgehen. Kiki, chronisch gut gelaunt, gern verliebt, entwirft beruflich Haushaltsgegenstände. Sie hofft auch mit 35 noch, von der Wegwerfware wegzukommen. Bei Aufträgen und bei Männern. Eva wäre schon froh, wenn sie ein eigenes Leben hätte. Als Hausfrau, Ehefrau und Mutter mit brachliegender medizinischer Approbation ist sie geplagt von den schrecklichen »V’s«: vierzig, vier Kinder, verirrt. Estelle, die Apothekergattin, ist die Frau, die immer zu viel in den Koffer packt und das Tragen anderen überlässt. Einig sind sie sich nur, wenn es darum geht, ihrer Freundin Judith beizustehen. Die zierliche Kindfrau ist die Dramaqueen der Dienstagsfrauen. Sie bespricht ihre Probleme lieber, als dass sie sie löst. Doch wer will ihr das übel nehmen? Jetzt, wo sie gerade Witwe geworden ist?
Nach dem Tod ihres Mannes findet Judith ein Tagebuch, das er über seine Pilgerreise nach Lourdes geführt hat. Arne, an Krebs erkrankt, konnte den Weg nicht zu Ende gehen. Die fünf Freundinnen machen sich auf, Arnes Reise zu vollenden – und ahnen nicht, worauf sie sich einlassen. Schritt für Schritt kommen sie einem Geheimnis auf die Spur, das ihr Leben durcheinanderwirbelt.
Die Pilgerreise, als Unterstützung für die trauernde Judith gedacht, wird für die fünf Freundinnen ein Augenöffner. Nichts ist, was es scheint.

Autorenporträt
Monika Peetz ist Jahrgang 1963, sie studierte Germanistik, Kommunikationswissenschaften und Philosophie in München. Nach Ausflügen in die Werbung und ins Verlagswesen war sie Dramaturgin und Redakteurin beim Bayerischen Rundfunk. Seit 1998 lebt sie als Drehbuchautorin in Deutschland und den Niederlanden. Monika Peetz ist die Autorin der Bestsellerreihe »Die Dienstagsfrauen«. Ihre Romane um die fünf Freundinnen waren Spiegel-Bestseller und verkauften sich allein im deutschsprachigen Raum über 1 Million Mal. Ihre Bücher erscheinen in 25 Ländern und sind auch im Ausland Bestseller.

Kurze Buchbesprechung 

Das Buch haben Tina und ich nun abgebrochen. Ein Unterhaltungsroman auf niedrigem Niveau. Total abgeflacht; die Charaktere, die Handlungen, die Dialoge. Nachdem wir nun die Buchmesse hinter uns gebracht haben, und auf uns so viele wunderbare Bücher warten, möchte wir unsere Zeit mit diesem Buch nicht weiter vergeuden. Absolut Klischeehaft ... Es wimmelt geradezu von Klischees. Nicht nur was die Betrachtung des Katholizismus´ betrifft, sondern auch die klassische Rolle einer Frau ... Zum Beispiel eine Mutter, die sich für die Familie opfert ... Weiteres verweisen wir auf das Buch ... 

Und was den Umgang der fünf Frauen untereinander betrifft, so haben sie zudem aus meiner Sicht den Titel Freundin nicht verdient. Die gespielte Loyalität und das angeblich soziale Verhalten untereinander fand ich oftmals sehr perfide. Ich wollte mit keiner dieser Frauen befreundet sein ... Außerdem kommen sie mir alle pubertär vor, obwohl das reife Frauen sind. Auch kann man keinen intellektuellen Tiefgang finden ... Die Autorin schneidet viele Themen an, ohne sie richtig reflektiert zu haben. Da begeben sich fünf ungläubige Frauen auf eine Pilgerreise nach Lourdes, lästern über den Katholizismus ab, stellen ihn mit dem Taliban gleich, das hat mir schließlich den Rest gegeben ... 

Außerdem kann man in jeder Religion fündig werden, man kann auch in jeder Religion Verwerfliches finden. Aber diese Erkenntnis können diese Frauen gar nicht machen, da Tiefgang für sie ein Fremdwort zu sein scheint. Eine kleine Ausnahme bildet Judith ... So, und nun ist nach 250 geduldigen Seiten Schluss, nachdem Tina das Buch auch nicht weiter lesen möchte.



2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
0 Punkte: Differenzierte Charaktere
0 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Drei von zehn Punkten. 

Wir geben guten Büchern den Vortritt.

Und hier geht es per Mausklick auf Tinas Seite.


Weitere Informationen zu dem Buch


  • Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
  • Verlag: KiWi-Taschenbuch (24. November 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3462043757

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Gelesene Bücher 2016: 58
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Dienstag, 25. Oktober 2016

Mit Tina Besuch auf der Frankfurter Buchmesse Oktober 2016

Zu meiner Schande habe ich meine Notizen zu den Autoren versehentlich gelöscht. Wie schade. Diesmal war ich mit einem Tablet ausgerüstet, um besser schreiben zu können, und was mache ich? Ich lösche dieses Dokument versehentlich, als ich vergessen habe, es mit einem Titel zu versehen. Oftmals, wenn mein Kopf so voll ist, tue ich recht merkwürdige Dinge :-)

Mein Besuch auf der diesjährigen Buchmesse habe ich wie alle Jahre als sehr bereichernd erlebt. Ich habe so viel Neues gesehen, und vor allem habe ich mich gefreut, dass ich mit meiner Bücherfreundin Tina, s. rechts, aus der virtuellen Welt nun auch in der tatsächlichen Welt Bekanntschaft machen durfte. Wir haben uns im Bücherforum Watchareadin kennengelernt. Des Weiteren teilen wir unsere Gedanken in unseren Blogs aus. Außerdem haben Tina und ich einen recht ähnlichen Buchgeschmack. Und auch dies weiß ich sehr zu schätzen, weil es nicht so einfach ist, Menschen mit denselben Hobbys zu treffen, geschweige denn mit denselben Bücherinteressen. Neben Anne-Marit zähle ich nun auch Tina zu meinen wichtigen Bücherfreundinnen.

Tina und ich haben viele bekannte Autoren gesehen, und von all den Verlagen hat der Diogenes-Verlag wieder mal aufgetrumpft, der immer sehr bemüht ist, für sein lesendes Publikum da zu sein. Dafür bin ich dem Verlag sehr, sehr dankbar. Ich wünsche ihm weiterhin viel Erfolg mit seinen so tollen AutorInnen. 

Für Samstag, den 22. Oktober, hatte der Diogenes-Verlag folgende Autoren eingeladen, die Tina und mir bekannt waren.
Jessica Durlacher
Martin Walker
Leon de Winter

Und am Sonntag habe ich mich auf Benedict Wells gefreut, der eine doppelte Signierstunde hielt. Ein sehr sympathischer, junger Autor, den ich nun zu meinen LieblingsautorInnen erkoren werde. Ich habe mir das Buch Spinner gekauft und signieren lassen. Dazu später mehr.

Martin Walker haben wir nur signierend erlebt, da wir noch auf eine andere Lesung wollten. Aber auch er wirkte sehr freundlich seinen LeserInnen gegenüber. Martin Suter war leider nicht anwesend, aber es wurde ein Video von ihm und seinen Büchern gezeigt. Ersetzt zwar nicht die reale Person, aber es geht ja auch um seine Gedanken, die den BesucherInnen übertragen wurden.
  
Wir begannen mit Eugen Ruge mit seinem neusten Buch Follower, das im Rowohlt-Verlag erschienen ist.

Dazu zitiere ich Tina:
Um 11:00 Uhr hatten wir das Vergnügen einem Gespräch mit Eugen Ruge über seinen neuen Roman "Follower" beiwohnen zu dürfen, eine Dystopie in einer künstlichen Welt, in der alles political correct abläuft und es nichts Negatives mehr geben darf - zumindest nicht auf sprachlicher Ebene. Die Idee des Romans, so erzählt Eugen Ruge, ist entstanden, als er nach der endlosen Installation einer Software träumte, er sitze in einem Flugsimulator und lande in einem virutellen Chicago, das er erst wieder verlassen dürfe, wenn er das Passwort, nämlich den Geruch von Birkenrinde benennen könne. Als er erwacht ist, hing vor seinem Fenster ein Birkenzweig - ein realer, über den er sich sehr gefreut habe. Zudem sei der Roman mit dem Vorgänger "In Zeiten des abnehmenden Lichts" verwoben.Mira und mich hat er überzeugt, den Roman auf jeden Fall gemeinsam lesen zu wollen.
Und hier gehtes per Mausklick zu Tinas Blogseite.

Diese Vorstellung, nur mit einem Passwort aus dem Flugsimulator herauszukommen, fand ich grandios. Und auch der Gedanke, dass der zukünftige Mensch immer mehr verschwimmt, und es nichts mehr anzufassen gibt. Nichts Materielles mehr kaufen können, sondern nur noch Virtuelles, vor allem suchen die Menschen virtuelle Identitäten, wenn sie immer mehr ins Private abdriften. Und damit werden Geschäfte gemacht. Ein Fictionroman, der uns angesprochen hat. Ruge wirft einen weiten Blick in die zukünftigen Computer-Generationen.

Ja, das Buch werden wir uns anschaffen und unbedingt lesen.

Im Anschluss daran haben wir an Bodo Kirchhoffs Lesung teilgenommen. Bodo Kirchhoff hat mit seinem neuen Buch Widerfahrnis den diesjährigen Deutschen Buchpreis gewonnen.

Tina hat dazu ein paar Gedanken aufgeschrieben …

Wir werden im Bücherforum Watchareadin an der Leserunde zu Bodo Kirchhoffs Buch teilnehmen. 

Und als nächstes hatten wir mit Paul Maar das Vergnügen, der um 15:00 Uhr im Lesezelt eine Lesung zu seinem neuesten Buch Schiefe Märchen und schräge Geschichten gehalten hat. Tina war ganz neugierig auf den Kinder- und Jugendbuchautor. Ich kannte ihn ja schon von den Besuchen der letzten Jahre. Dazu gibt es Weiteres auf Tinas Blogseite zu entnehmen.

Ich habe noch einen Artikel gefunden, der nach Maars Ansicht beschreibt, weshalb das Lesen so wichtig ist:


Das Lesezelt war sehr schön, ungewöhnlich schön. Es hatte etwas Mystisches, Traumhaftes, Märchenhaftes … Ein wunderbarer Ort, Geschichten zu lauschen, indem man orientalische Teegetränke in tollen Porzellantassen erwerben konnte.

Anschließend sind wir zu den Niederländern gelaufen, die dieses Jahr gastierten. Wir waren beide etwas enttäuscht, das Programm wirkte sehr spärlich und abgespeckt.

Ganze Wände spiegelten die See Niederlandes wider, was ich sehr schön fand. Mit Sonnenuntergang.


Diese weißen Tabs, das sollen Pfefferminz-Bonbons sein. 

Danach sind wir höllandisch essen gegangen, das auch nicht so besonders war. Nicht durchgegarte Pommes, Salat, Waffeln. Tina ist anschließend nach Hause, da sie eine zweistündige Heimfahrt vor sich hatte …

Ich blieb noch und hörte im ARD-Forum in Fragmenten die Lesung von der Niederländerin Margriet de Moor, die ihr neustes Buch Schlaflose Nacht, das im Hanser-Verlag erschienen ist, besprochen hat. Ich konnte noch die letzten zehn Minuten teilnehmen. Meine Aufnahmekapazität war mittlerweile erschöpft, aber zumindest war es mir wichtig, die Autorin mal erlebt zu haben und so wurde ich neugierig auf das Buch. Und wenn ich das Buch lesen werde, dann habe ich zumindest ein wenig Background zu dem Leben der Autorin, die eigentlich auch Musikerin ist. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Musik in ihrem Buch eine Rolle spielen wird.


Eigentlich wollte ich danach wieder nach Hause, da ich schon recht müde war, aber ich blieb sitzen und wollte schließlich doch noch Michael Krüger sehen, der über sein Buch Das Irrenhaus gesprochen hat, von dem ich schon recht viel im Bücherforum gelesen habe. Auch dieses Buch, das im Haymon-Verlag erschienen ist, werde ich lesen. Tina schwärmt von diesem Verlag …

Michael Krüger hatte eine Zeit erlebt, in der er jeden Abend ein Buch gelesen hat. Solche Menschen bewundere ich ... 


Nach Krüger kam Leon de Winter, auch ein Niederländer, der sein neustes Buch Geronimo besprochen hat. Ein politisches Buch … Geronimo ist ein Codewort von sechs Männern, das sie durchgeben, sobald sie Osama bin Laden aufgespürt haben. Die ganze Jagd ist einzig auf diesen einen Mann ausgelegt. Ein kritisches Buch mit der Frage, ob Osama bin Laden tatsächlich geschnappt wurde, wie dies aus der Presse zu entnehmen war? Auch dieses Buch, das im Diogenes-Verlag erschienen ist, werden wir, Tina und ich, uns anschaffen.


Danach, nun 18:00 Uhr, bin ich auch nach Hause gefahren. Es war ein sehr langer Tag, mit jede Menge Inputs, die noch in mir wirken.

Zwischendrin hatten Tina und ich auch Witziges erlebt. 
Und jede Menge Fantasiefiguren waren unterwegs. Finde ich jedes Jahr schön, wie sich junge Leute für die Buchmesse kostümieren …




Am Sonntag, den 23.10., bin ich eine Stunde später auf die Buchmesse gefahren. Mein Ziel war, den jungen Autor Benedict Wells zu begegnen. Aber bis 14:00 Uhr hatte ich noch viel Zeit und bin diesmal ohne Plan in der Hand losmarschiert. Ich hatte alle Verlage erneut aufgesucht, die ich am Vortag mit Tina besucht hatte. Ich wollte nochmals mit Ruhe stöbern und beobachten.
Ich bin auf einen Comicstand gestoßen, an dem die gesamte Walt-Disney-Figuren aus der Duck-Familie plakatiert waren. Die Panzerknacker waren auch abgebildet. Mein Herz ging auf und ich konnte nicht widerstehen, mir die DIN-A4-gebunde Ausgabe für 30,00 € zu erwerben.

Für viele PädagogInnen keine zu empfehlende Buchlektüre, aber mir hat sie nicht geschadet. Schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit kamen mir auf. Immer wenn wir krank waren, kaufte meine Mutter uns damals diese Comicheftchen, die wir dann untereinander, wir waren zu dritt, nach dem Lesen ausgetauscht haben. Mit unserem Taschengeld haben wir uns regelmäßig diese Heftchen gekauft. Diese Gefühle möchte ich so gerne wieder nachspüren wollen ...

Auch ohne Plan ist die Zeit wahnsinnig schnell vergangen. Auf dem Diogenes-Stand kaufte ich mir von Wells das Buch Spinner. Warum gerade dieses Buch? Weil Tina es schon gelesen hat, dann hätten wir neuen Stoff, uns auszutauschen.

Gelesen habe ich Vom Ende der Einsamkeit und Becks letzter Sommer. Außerdem habe ich ganz feste vor, weitere Bände von dem Autor zu lesen. Ein sehr junger Autor, Anfang dreißig, der eine wahnsinnige Ausstrahlung hat. Ein sehr feinfühliger Mensch und Autor, der spürt, was er schreibt. Ich bin sicher, dass er seine Figuren in- und auswendig kennt. Eine Ausstrahlung, die auch durch seine Bücher hindurchdringen läßt ... Benedict Wells hat sich viel Zeit für seine Fans genommen. Er hat außerdem seine Bücher nicht einfach signiert, nein, er hat etwas Persönliches in die Bücher seiner LeserInnen geschrieben. Sehr außergewöhnlich.
Ich hatte Fragen, die er sicher beantwortet hätte, wenn mich diese lange Menschenschlange nicht blockiert hätte. Nächstes Mal …

Ich hatte Tina vermisst, weil da waren wieder so viele Eindrücke, über die wir gesprochen hätten.
Ich bin in der Schlange von Wells zwei Leserinnen begegnet, Christine und Ira, und wir uns zu dritt etwas über die Diogenes-Bücher ausgetauscht haben. Somit wurde uns die Warterei nicht zu lang geraten. Christine ist ein absoluter Fan von Diogenes. Ich selbst habe auch schon recht viel aus diesem Verlag gelesen und noch weiter lesen werde. Christine kommt sogar aus Darmstadt. 

Auf dem Foto unten: Benedict Wells und ich.


Mein Fazit?

So viele Menschen auf der Buchmesse, jedes Jahr ein Massenandrang. Und doch finde ich das sehr positiv, weil es zeigt, dass die Bücher so schnell nicht aussterben werden. So viele Menschen, die Bücher lieben, das konnte man an dieser alljährlichen Veranstaltung deutlich sehen und spüren. Ganze Familien kommen dahin, Kinder, die mitziehen, die sich mitreißen lassen, Kinder, die hören und sehen, was die Kinder- und JugendbuchautorInnen für sie vorbereitet und mitgebracht haben. Es zeigt mir immer wieder, dass die Chancen, dass Kinder sich für Bücher begeistern lassen, recht groß sind, wenn ihre Eltern es ihnen vorleben. Nicht erziehen, sondern vorleben ... Und die Familienkarte finde ich gar nicht mal so teuer. Tina wäre gerne mit ihren Kindern gekommen, wenn der Anfahrtsweg nicht so lang wäre …

So viele denkende, und so viele lesende Köpfe, und trotzdem frage ich mich immer wieder, wieso die Welt nicht in der Lage ist, politische Probleme in dieser Welt human zu lösen? Unter der Bevölkerung herrschen so viele Aggressionen gegenüber Menschen anderer Länder. Ein großer Kriesenherd um Europa herum und außerhalb von Europa. PolitikerInnen, die Waffen herstellen, um sie in Kriegsländer zu versenden … Ein nuklearer Krieg würde alles vernichten. Alles Gute an Gedanken, alle Bücher, in denen diese Gedanken festgehalten sind, würden zerstört werden ...

Hoffen wir, dass es nicht so weit kommen wird. Einen nuklearen Krieg würde niemand überleben, selbst die Politiker nicht, die den Abwurf dieser modernen Bomben in Auftrag geben. Deshalb müssen wir anfangen, uns für den Ersten Weltfrieden einzusetzen und den Dritten Weltkrieg verhindern. Die Arbeit dazu fängt immer erst bei einem selber an. Es gibt ein Buch von Luise Rinser,  die ein Gespräch mit dem Dalai Lama führt: "Mitgefühl als Weg zum Frieden."




Samstag, 22. Oktober 2016

Smith Henderson / Monatana (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das war schon ein sehr interessantes Buch. Ich hatte nur in einer Sache meine Bedenken. Ich fand, dass die Gewalt in der romanhaften Geschichte sehr potenziert dargestellt wurde. Alle Figuren waren auf ihre Weise recht aggressiv und gewaltträchtig, wenn sie nicht bekamen, was sie wollten. Viele Menschen waren von Kindheit an größtenteils gewalterfahren, und viele Szenen waren mir zu sehr auf Sensation ausgelegt. Ein sehr heftiges Buch, in dem man die Gewaltanwendungen aushalten muss, wenn man den Ausgang der Handlungen erfahren möchte.

Selbst die Profis wenden brutalste Gewalt an, siehe unten.

1. Mutter erschießt sich und ihre Kinder.
2. Sozialarbeiter schlägt ein Kind, weil es schwer zugänglich ist.
3. Ein Vater erzieht seinen Sohn, Menschen zu erschießen.
4. Kinder, die im Gefängnis sitzen, werden von Anwärtern verprügelt und misshandelt.
5. Cop schlägt Sozialarbeiter k.o., weil dieser ihn verbal attackiert hat.
6. Bewährungshelfer zündet Haus des Sozialarbeiters nieder, um sich zu rächen. 
7. Kind erschießt den Bewährungshelfer, um den Sozialarbeiter, der von dem Bewährungshelfer existentiell bedrängt wurde, zu retten.
Der Autor ist selbst Sozialarbeiter von Beruf, lebt in Montana. Montana ist ein Bundesstaat im Nordwesten Amerikas und er scheint tatsächlich auch eine Gegend in Amerika zu sein, in der die Menschen gehäuft in sozialen Brennpunkten zu finden sind. Ich möchte diese Welt nicht anzweifeln, aber ich fand das alles im Buch sehr, sehr aufgebauscht. Man wird mit vielen Dramen konfrontiert. Man hätte das Buch auch deutlich abkürzen können; weniger Problemfälle, weniger Dramatik, weniger Gewalt, ohne an Sinnhaftigkeit und Bedeutung einzubüßen. Das würde die Schreibkunst ausmachen. Mit weniger dasselbe bewirken.

Die Handlung spielt in den 1970er Jahren. Die Hauptfigur ist der Sozialarbeiter namens Pete Snow, der beim Jugendamt in der Familienhilfe tätig ist. Er holt Kinder, die aus schwachen, sozialen und stark problembehafteten Verhältnissen kommen, heraus, um sie in Pflegefamilien oder in anderen Einrichtungen unterzubringen.

Ich weiß, wie der Sozialdienst in Deutschland aufgebaut und aktiv ist, doch in Amerika scheint es ein wenig anders zuzugehen. Keine Fallbesprechungen, keine Supervisionen für Professionelle, kein Team, und mir scheint der amerikanische Sozialarbeiter ein Einzelkämpfer zu sein. Man muss dort breite Schultern haben.

Die vielen problembehafteten Familien, um die sich Pete kümmert, sind es nicht alleine. Man bekommt noch die eigene Geschichte von Pete zu lesen. Pete selbst wohnt in einem einfachen Holzhaus mitten im Wald …

Seine Familie unterscheidet sich nicht sonderlich von den Familien, die er tagtäglich betreut. Doch seine Familie, er hat eine Tochter, 14 Jahre alt, ist ebenso hilflos wie seine Klientel. Pete lebt von seiner Frau getrennt, und seine Tochter Rachel lebt bei der Mutter namens Beth. Eines Tages zieht Beth mit Rachel nach Texas, sodass Pete den Kontakt zu seiner Tochter verliert. Beth führt ein recht ominöses Leben, ist drogen- und alkoholabhängig. Auch bekommt sie abends von vielen fragwürdigen Männern Besuch, die der Tochter Rachel Angst machen. Rachel wendet sich telefonisch an ihren Vater und bittet ihn, sie bei sich aufzunehmen und dort wohnen zu lassen. Der Vater lehnt erstmal ab, macht ihr aber den Vorschlag, es in Texas nochmals auszuprobieren, und wenn der Versuch scheitern sollte, dürfe sie nach Montana zurückkehren und bei ihm leben.

Rachel hält es bei der Mutter und den betrunkenen Männern nicht mehr aus, haut ab und gerät auf Abwege, und landet in der Kinderprostitution … Das Vertrauen zu beiden Elternteilen ist zerstört …

Pete hat einen Bruder, der selbst in Haft ist, aber ausbüchst und der Bewährungshelfer Pete Druck macht, da er nicht verrät, wo sich sein Bruder aufhält. Aus Rache zündet er Petes Bleibe an und brennt das ganze Waldhaus nieder.

Des Weiteren ist da noch Jeremiah Pearl und seine Großfamilie. Doch in Szene gesetzt ist hauptsächlich Jeremiah mit seinem Sohn Benjamin, etwa zehn Jahre alt. Eine sehr strenggläubige Familie, die sektenhafte Züge aufweist, ohne in einer Sekte involviert zu sei.

Jeremiah und Benjamin, abgekürzt Ben, leben auch in den Wäldern versteckt, da sie von der Polizei gesucht werden. Jeremiah wird verdächtigt,  seine Frau und seine anderen Kinder ermordet zu haben …

Jeremiah ist ein merkwürdiger Vater, der Ben gegenüber ambivalente Gefühle entgegenbringt. Mal gewalttätig und mal liebevoll. Oft ertappte ich mich in Gedanken beim dem Wunsch, möge doch ein Schicksalsschlag einschlagen, der Ben von seinem Vater befreit. Ben hat nur einmal eine Schule von innen gesehen ... Pete schafft es, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Außerdem ist Jeremiah stark paranoid und steht der Welt sehr destruktiv gegenüber …

Die Justiz in Amerika hat mir auch zu denken gegeben. Kinder, bei denen nur der Verdacht besteht, sie könnten der Gesellschaft gefährlich werden, kommen ins Gefängnis. Wenn sie in U-Haft sind, teilen sie sich die Zellen mit erwachsenen Häftlingen. Kinder, die noch nicht mal 16 Jahre alt sind, kommen auch ins Jugendgefängnis. Das fand ich sehr merkwürdig. Hat mich sehr betroffen gestimmt, wenn so junge Kinder hinter Gitter gehalten werden …

Mehr möchte ich nun nicht verraten.


Mein Fazit zu dem Buch?

Wenn ich die Sozialarbeit mit Deutschland vergleiche, dann sehe ich gewaltige Unterschiede. Ich habe ja oben schon ein paar Sätze dazu geschrieben. Und wenn hier jemand seine Klientel schlägt, dann ist das ein Entlassungsgrund und kann zur Anzeige gebracht werden ...

Wie Pete Snow seine Arbeit verrichtet, bleibt ganz allein ihm überlassen. Auch was seine Arbeitshaltung betrifft, als er sich während seiner Arbeitszeit auf den Weg macht, seine Tochter in Texas zu suchen. Private und berufliche Aktionen werden nicht getrennt, es ist eine Vermischung von beidem. Wie man damit gute Arbeit am Dienst des Menschen leisten kann, das wird am Beispiel Snow deutlich, wie schwer das ist.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Neun von zehn Punkten.


Gelesene Bücher 2016: 57
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim Luchterhand-Bücherverlag für dieses zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken.

€ 24,99 [D] inkl. MwSt.
€ 25,70 [A] | CHF 33,90* 

Verlag Luchterhand
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
603 Seiten
ISBN: 978-3-630-87440-1
Erschienen: 25.04.2016 





Montag, 17. Oktober 2016

Smith Henderson / Monatana

Klappentext
In den abgeschiedenen Tälern und nahezu undurchdringlichen Bergwäldern im Nordwesten von Montana ist der Sozialarbeiter Pete Snow unterwegs, um Kindern zu helfen. Da gibt es drogensüchtige Mütter, gewalttätige Väter, Waffen- und Bibelnarren, aber vor allem die ganz normale Armut. Als eines Tages Benjamin, ein halb wilder, vernachlässigter Junge, in seiner Stadt auftaucht, lernt er dessen Vater Jeremiah Pearl kennen, einen Anarchisten und Weltverschwörer, der im Wald lebt und sich gegen die Endzeit wappnet …

Autorenporträt
Smith Henderson, geboren und aufgewachsen in Montana, hat als Sozialarbeiter und Gefängniswärter sowie in einer Werbeagentur gearbeitet und lebt inzwischen als Schriftsteller in Los Angeles. Für seine Shortstorys erhielt er mehrere Preise, darunter 2011 den PEN Emerging Writers Award. Sein erster Roman „Montana“ löste in den Feuilletons amerikaweit Begeisterung aus, wurde in zahlreichen Zeitungen als eines der „Best Books of the Year“ empfohlen, wurde ausgezeichnet mit dem Montana Book Award 2014 und kam auf mehrere Shortlists, u.a. für den Ken Kesey Award for the Novel und den Fiction’s Flaherty-Dunnan First Novel Prize.Dies ist nun mein dritter Anlauf, ständig kam etwas dazwischen und nun habe ich Urlaub und habe mehr Ruhe, das Buch ohne große Alltagsunterbrechungen zu lesen.
Dies ist nun mein dritter Anlauf, ständig kam etwas dazwischen und nun habe ich Urlaub und habe mehr Ruhe, das Buch ohne große Alltagsunterbrechungen zu lesen.


Ein sehr interessantes Buch, wie ich finde. Hundert Seiten habe ich durch und es verlangt nach mehr. 

Auf dieses Buch bin ich durch meine Bloggerkollegin Ina Degenaar gestoßen. Mich hatte ihre Rezension dazu angesprochen. 


Weitere Informationen zu dem Buch

€ 24,99 [D] inkl. MwSt.
€ 25,70 [A] | CHF 33,90* 

Verlag Luchterhand
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
603 Seiten
ISBN: 978-3-630-87440-1
Erschienen: 25.04.2016