Dienstag, 14. Juli 2015

Marie Hermanson / Himmelstal (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun bin ich mit meinem Psychokrimi durch ... Das Buch hatte nicht besonders viel Spannung, aber genau das Richtige für mich, da ich solche blutrünstige Krimis partout nicht mag. Daher bevorzuge ich langweilige Krimis, wenn ich mich schon entschließe, einen Krimi zu lesen. Allerdings plätscherte der Inhalt so vor sich hin.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Himmelstal, idyllisch in den Schweizer Alpen gelegen, ist das Paradies auf Erden. Hier können sich reiche Patienten von ihrem Burn-out-Syndrom erholen. Sie verbringen ihre Tage am Pool, genießen die frische Luft und die Aussicht auf die Berge. Als Daniel seinen Zwillingsbruder Max in der Kurklinik besucht, ist er von der »Zauberberg«-Atmosphäre so angetan, dass er beschließt, noch ein paar Tage länger zu bleiben. Max will in dieser Zeit ein paar Geschäfte in Italien erledigen und bittet seinen Bruder, ihn zu »vertreten«. Aber in dem malerischen Alpental ist nichts, wie es scheint, und für Daniel beginnt ein gefährliches Verwechslungsspiel. In ihrem atemberaubenden Psychothriller entwirft Marie Hermanson eine Welt, in der Gut und Böse nicht mehr zu unterscheiden sind.
Ich bin nun recht neugierig, welche Gedanken sich mir hier beim Schreiben zu diesem Buch ergeben werden, nach dem ich für mich wichtige Zitate herausgeschrieben habe. 

In dieser Kurklinik werden nur Psychopathen aufgenommen. Wobei man gar nicht klar erkennen kann, wer denn hier die gefährlichen Menschen sind. Die Patienten? Oder das Klinikpersonal? Oder gar beide? Aber das ist ja so gewollt, sonst wäre es ja kein Psychokrimi.

Ich scheitere oftmals an der Frage, was man als Gut und was man als Böse bezeichnen kann, denke, dass in jedem Menschen beides angelegt ist, der Mensch muss sich nur für das Eine oder das Andere entscheiden, wobei es oft Lebenssituationen gibt, in denen die Trennung von Gut und Böse nicht so einfach zu vollziehen geht. So werden hier in diesem Buch die Psychopathen als die Menschen bezeichnet, die diese Unterscheidungen partout nicht wirklich zu praktizieren in der Lage sind:
>>Böser Mensch<<, diesen Begriff verwenden wir hier in der Anstalt nicht. Aber gewiss, per Definition bedeutet böse zu sein wohl, unschuldigen Menschen bewusst Leid zuzufügen, ohne Schuld zu verspüren. Nach dieser Definition muss ein Mensch, den wir als böse bezeichnen wollen, allerdings in der Lage sein, zu wählen. Und wenn jemand eine Wahl trifft, muss er wissen, zwischen welchen Möglichkeiten er wählt (…) Aber der Psychopath kennt den Unterschied zwischen Gut und Böse nun mal nicht.
Die hier tätigen Ärzte pflegen einen einzigen Auftrag; sie erforschen das Verhalten der Psychopathen. Es stellt sich weiterhin die Frage, ob ein Psychopath als böse bezeichnet werden kann, wenn ihm das Gewissen bzw. das Bewusstsein für die Unterscheidung zu Gut und Böse fehlt? Sind Tiere böse, weil sie jagen?
Wenn nun das Gehirn desjenigen, der diese Taten begeht, eine medizinische Anomalität aufweist, die es von unserem unterscheidet? Wenn dem Gehirn die Fähigkeit zur Empathie fehlt? Können wir dann von ihm verlangen, dass er empathisch ist, und ihn dafür bestrafen, wenn er es nicht ist? Ist das nicht genauso, als wollten wir von einem gelähmten Schlaganfallpatienten verlangen, dass er geht? Oder von einem geistig Behinderten, dass er ein kompliziertes logisches Problem löst? Sie können es einfach nicht. Sie haben nicht das dazu erforderliche Gehirn. 
Ja, solche Fragen finde ich immer interessant.

Ich bezweifle allerdings, ob es möglich ist, das Gehirn eines Psychopathen hirnorganisch messen zu können. Aus meiner Berufspraxis und von meinen Kenntnissen her kann ich nur sagen Nein … Man kann nicht immer anhand der Hirnströme messen, unter welcher psychischen Erkrankung ein Mensch leidet. Deshalb hinkt der Vergleich mit einem Tier …
Wenn diese Menschen sich nun aufgrund einer physischen Anomalität so verhalten, wie sie sich verhalten, haben wir dann das Recht, sie zu bestrafen? Sie in schreckliche Gefängnisse einzusperren oder, wie in manchen Ländern, sie hinzurichten?
Diese Frage an sich finde ich eigentlich spannend, wobei diese Menschen in kein normales Gefängnis eingesperrt werden, sondern sie kommen in eine Heilanstalt, die sich Forensik nennt. Zumindest hier in Deutschland.

Wie werden in diesem Buch die Forschungen betrieben? Klingt anfangs ein wenig harmlos und von der Lebensweise der Insassen allerdings paradiesisch:
Hier, in Himmelstal, sollte es nicht darum gehen, Menschen beiseitezuschaffen und sie zu vergessen. Im Gegenteil, dieser Ort sollte ein Zentrum werden für die Forschung und die einzigartige Möglichkeit bieten, unter kontrollierten Bedingungen Psychopathen in einer relativ natürlichen Umgebung zu studieren. Sie weder zu bestrafen noch zu behandeln. Sie zu studieren. Forschen, beobachten, messen. Um vielleicht irgendwann das Rätsel der Psychopathie zu lösen, die Ursachen zu finden und eine effektive Behandlung zu entwickeln. Das war das Ziel, wenn es auch noch in weiter Ferne lag. 
Die Patienten leben, man hat gerade am Anfang den Eindruck, in einem Paradies. Idyllische Landschaften, Einzelpersonen wurden in gut ausgestatteten Hütten untergebracht, sie können essen und trinken, was sie wollen, und haben Ausgang bis 24:00 Uhr. 

Diese Lebensweise in einem Krimi fand ich recht interessant. 

Trotzdem sorgt das Buch bei einem unkritischen Leser für Verwirrung, denn die Frühwarnzeichen bei einem Psychopathen werden hier im Text schon in der Kindheit angelegt, wie z.B. Geld aus dem Portemonnaie der Mutter stehlen, oder Spielkameraden schlagen, Tiere quälen  ...

Das sind definitiv keine Anzeichen einer Psychopathie. Da hat es sich die Autorin recht einfach gemacht, und ich glaube auch nicht, dass sie wirklich Ahnung hat, was einen Menschen tatsächlich zu einem Psychopathen auszeichnet. Es gibt kein typisches Verhalten, das zu einem Psychopathen passen könnte. Verantwortlich sind bei einem Erwachsenen oftmals unreflektierte negative Erfahrungen aus der Kindheit, die nicht richtig verarbeitet worden sind ... Aber man ist nicht per se von Geburt an ein Psychopath und auch nicht, weil man schlechte Kindheitserfahrungen durchlitten hat.

Psychokrimis sorgen in unserer Gesellschaft recht häufig für das Festigen von Vorurteilen psychisch kranken Menschen gegenüber bzw. es werden sogar neue Vorurteile in die Welt gestreut …

Aus meiner Sicht hat die Autorin über ihren Stoff nicht wirklich gut recherchiert. 

Auf Genauigkeit scheint es die Autorin insgesamt nicht angelegt zu haben:

Der italienische Autor, der Pinocchio geschrieben hat, heißt nicht Carlo Goldoni, sondern Carlo Collodi. 

Lest selbst, welchen Bezug die Holzfigur in diesem Krimi hat.

Der Schluss hat mir recht gut gefallen …

Das Buch erhält von mir trotzdem sechs von zehn Punkten, da die Figuren recht authentisch wirken …

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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

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