Samstag, 15. November 2014

Laurie Halse Anderson / Wintermädchen (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch habe ich nun durch. Dies ist ein Buch, über dessen Inhalt ich nicht diskutieren möchte. Man sollte damit lieber in sich gehen, deshalb schreibe ich in diesem Fall nur über allgemeine Eindrücke.

Erst dachte ich, dass die Autorin von sich schreibt, von ihrer Essstörung, von ihrem seelischen Leid. Denn der Stoff, den sie darin bearbeitet hat, ist so authentisch geschrieben, dass ich glauben musste, sie schreibt aus der Selbsterfahrung heraus. Aber das ist nicht so, wie sich dies am Ende in der Danksagung herauslesen lässt. Nein, es ist ein Thema, über das sie recherchiert hat und das ist ihr nach meinem Geschmack zu hundert Prozent gelungen.

Wie aus dem Klappentext hervorgeht, behandelt die Autorin das Schicksal zweier junger bulemischer Mädchen im Alter zwischen 18 und 19 Jahren. Diese geht mit Selbstverletzung und Selbstzerstörung einher.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
 In der Silvesternacht leisten die beiden Freundinnen Lia und Cassie einen heiligen Schwur: Sie wollen alles dafür tun, die dünnsten Mädchen der Schule zu sein. Nun ist Cassie tot und für Lia bricht eine Welt zusammen. Doch die Stimmen in ihrem Kopf werden immer lauter. Sie befehlen ihr zu hungern und Lia gehorcht - in ihrem einsamen Kampf gegen sich selbst, ihre Eltern und ihre tote Freundin, die in der Welt der Wintermädchen auf sie wartet.
Ein Kampf, den die Mädchen gegen ihre seelische Erkrankung, gegen sich selbst und gegen die Welt der Erwachsenen führen. Zwischen den Zeilen wird immer wieder deutlich, wie bei allen Betroffenen und Angehörigen die Schuldfrage gestellt wird, und diese wie ein Ping-Pong Ball anderen Familienangehörigen zugeworfen wird. Und dabei ist es gerade diese Suche nach dem Schuldigen, weshalb die Mädchen immer kränker wurden, die noch mehr Druck in einem selbst und im anderen auslöst. Man muss lernen zu begreifen, dass es keinen Schuldigen in dem Sinne gibt, denn jeder Mensch macht in seiner Kindheit auch ungute Erfahrungen, meistens kann man sie nicht einmal fassen, vor allem, wenn sie ganz subtil und im Stillen vollzogen werden. Und so stellt sich mir immer wieder die Frage, weshalb erkranken die Einen und die Anderen nicht?

Als Leserin war ich auch ein wenig abgenervt über das Verhalten der Eltern und Stiefeltern, die vor einer großen Herausforderung stehen. Nichtsdestotrotz kann man auch die Eltern nicht für schuldig erklären. Neben ihren kranken Kindern müssen auch sie erstmal lernen, mit der schweren Situation, die den Alltag total durcheinanderbringt,  zurechtzukommen. Der Krankheitsausbruch ist auch für die Eltern ein Schock und löst in ihnen ungeahnte Ängste aus, die widerum zu einem Fehlverhalten führen können. Hätte ich ein Kind mit einer Essstörung, ich würde sicher auch kläglich versagen. Versagen? Weiß gerade nicht, ob das die  richtige Bezeichnung dafür ist, möchte eben nur ausdrücken, dass ich es sicher auch nicht besser machen würde.

Ein schwerer Lernprozess für alle Beteiligten. Die einen überwinden ihn, andere scheitern, indem sie sich in den Tod hungern. Scheitern? Auch eine Fehlbesetzung dieses Begriffes. Es ist dieses Leben, das die betreffende aus dem Leben scheidende Person für sich zu führen entschieden hat, auch wenn es für Außenstehende nicht begreifbar ist, weil es einen in das Absolute stößt, in das Nichtwiederrevidierbare wie im Fall Cassie. Es gibt Menschen, die ihr Leben nicht aushalten, die Welt nicht aushalten und sich selbst nicht aushalten können …

Das Ende hat mir sehr gut gefallen und es hat mir gezeigt, dass das, was siegt, die Liebe und die Vergebung ist. Dabei meine ich nicht die Vergebung alleine an das Kind, nein, die Vergebung an allen Beteiligten. Mehr Mitgefühl füreinander und für die menschlichen Schwächen aufbringen.

Nicht nur wegen der Authentizität des Themas, sondern auch wegen der fantasievollen Sprache erhält das Buch von mir zehn von zehn Punkten.

Mir hat das Bild sehr gut gefallen, wie zum Beispiel: Der Mond tropft vom Fenster aus in mein Zimmer.
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Jedes Böse hat auch sein Gutes.
(Isabel Allende)

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