Sonntag, 17. November 2013

Julia von Droste / Die Seidenrose (1)

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Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Dass Italienerinnen in dem Buch von der Hautfarbe her wie Mulatten beschrieben werden, das habe ich ja schon im letzten Post geschrieben, dass mich das so ziemlich stört. Am Anfang wurden die ItalienerInnen sogar mit olivbrauner Haut gezeichnet. Woher kommt diese einseitige Beschreibung? Mit Ausnahme vom Schweizer Autor Martin Suter kenne ich keinen deutschen Autoren, der die SüdländerInnen nicht nach klischeehafter und stereotyper Vorstellung darstellen. Italienische Säuglinge kommen genauso mit hellem Teint auf die Welt, wie auch die deutschen Kinder... . Wenn die ItalienerInnen brauner sind als die Deutschen, dann nur, weil die warmen und heißen Monate länger andauern als bei uns in Deutschland, und die kalten Monate kürzer. Schade finde ich auch, dass die Italienerinnen immer als arm beschrieben werden... . Zu einem etwas bunten Italienbild möchte ich nun beitragen: Leute, in Italien gibt es neben der differenzierten Hautfarbe auch blonde, rote, scharze, braune Haarfarben, guckt mal genau hin... . Und es gibt nicht nur arme und mittellose ItalienerInnen. Auch in Italien gibt es viele reiche Leute. Und ähnlich wie in Deutschland, so ist auch nicht jeder Italiener gläubig. Und nicht jeder Italiener/in ist ein Arbeiter, Bauer oder Pizzabäcker, auch wenn die italienischen Akademiker in ihrem Land geblieben sind, während andere nach Deutschland mit dem Ende des zweiten Weltkrieges emigrierten. Doch auch in Italien gibt es Ärzte, Architekten, Journalisten, Polizisten u.v.a.m., nur weil wir wenige hier im Land von ihnen mit dieser Berufsbezeichnung kennen, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt. Leider tauchen diese akademischen Italiener in keinem der deutschsprachigen Bücher auf... . Z.B. Maria Montessori (1870 - 1952) war eine der ersten Ärztinnen Europas, die in Italien Medizin studierte... . Des Weiteren ist sie auch bekannt als Reformpädagogin und als Philosophin...

Leider wimmelt es auch in diesem Buch nur so von diesen Klischees... , auch wenn hier zwei weibliche Protagonistinnen sich ein unabhängiges Leben außerhalb ihres Heimatlandes Italien aufbauen... .

Zur Erinnerung hier noch einmal der Klappentext:
New York 1907: Im Kosmetiksalon ihrer Tante Antonietta erlebt die junge Waise Mirella Rossi die faszinierende Welt des Luxus und der Schönheit. Als Antonietta unerwartet stirbt, hinterlässt sie ihrer Nichte jedoch ein dunkles Geheimnis. Mirella steht vor dem Nichts. Aber sie lässt sich nicht entmutigen und baut sich gegen viele Widerstände ihr eigenes Kosmetikunternehmen auf. Doch dann entpuppt sich Antoniettas ehemaliger Angestellter als bitterer Feind. Unterstützt von ihrer großen Liebe, dem Rennpferdetrainer Nick, nimmt Mirella den Kampf um ihr Lebensglück auf. Eine Geschichte von tiefer Freundschaft, der Kraft der Liebe, und der unerschöpflichen Quelle der Phantasie.
Ansonsten hat mir das Buch recht gut gefallen. Es ist nicht rassistisch geschrieben. Das ist ja schon mal was, denn sonst hätte ich das Buch nicht zu Ende gelesen.

Antonietta Rossi verließ ihr Heimatland Italien im zarten Alter von achtzehn Jahren, um sich in Amerika ein neues Leben aufzubauen, das frei von Armut und Abhängigkeit sein sollte. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts herrschten in ganz Europa  große wirtschaftliche Nöte, sodass viele Europäer nach Amerika emigrierten. Deutsche, Iren, Italiener, Engländer, etc.

Antonietta Rossi ist eine recht ungewöhnliche Frau, die ihren Beruf mehr liebte, als den Bund der Ehe einzugehen. Das war damals selbst in Amerika unüblich, dass Frauen ihren Unterhalt selbst verdienten. Verheiratete Frauen, die neben der Ehe einem Beruf nachgingen, zeugten für einen schlechten Ruf, denn es galt bei diesen, dass der Ehemann nicht genug im Beruf verdienen konnte, um sich und seine Familie zu versorgen... . Antonietta lebte nach einer einzigen Formel, um sich nicht zu binden:
"Eine Frau braucht einen Mann nur für die Liebe. Alles andere kann sie alleine." (288)
Sie blieb demnach ehe- und kinderlos.

Auch im modernden Amerika galt es, Sitten und Gebräuche an erster Stelle zu setzen. Erwerbstätige Ehefrauen waren in Amerika nicht gern gesehen. Antonietta war erfolgreich im Beruf, verdiente sich mit ihrer Selbstständigkeit einen gewissen Wohlstand, wäre da nicht ihre Spielsucht gewesen, die ihr ganzes Vermögen aufzehrte... .
Ihre Nichte Mirella konnte sich auch als Kosmetikerin einen Namen machen, unterwiesen durch ihre Tante, sodass sie mit ins Geschäft einsteigen konnte. Auch Mirella entwickelte sich zu einer ehrgeizigen Geschäftsfrau, die ihre Produkte selbst herstellte und patentieren ließ.
Mirella geht eine tiefe und aufrichtige Freundschaft mit Nora ein... . Und beide versuchen ihre Frauenrolle emanzipiert auszuleben. Und beide aber gingen verglichen zu Antonietta eine Ehe ein und deren Männer hatten Probleme damit, dass ihre Frauen ökonomisch selbstständig lebten. In Amerika galt zu dieser Zeit sogar ein Gesetz, dass das Trinken von Alkohol in Gaststätten für Frauen verboten war. Erst der Erste Weltkrieg brachte eine gewisse Wende herbei, durch den Mix verschiedener Kulturen. Nora und Mirella im Restaurant sitzend. Nora bestellt für sie beide ein Glas Wein:
Nora: "Ich bin froh, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Frauen im Restaurant keinen Alkohol trinken durften. Wenn dieser Krieg für eines gut ist, dann dafür, dass wir Frauen endlich wie Menschen behandelt werden und nicht mehr wie Porzellanpüppchen!" (476)
Noras Ehe ging in die Brüche. Die Ehe brachte aber zwei Kinder hervor. Ihr Mann zeigte sich als recht gewalttätig, wenn Nora versuchte, für ihre Interessen einzustehen. Ein Trennungsversuch scheiterte, da die Eltern von Nora zu ihrem Mann hielt und sie alles taten, dass die Ehe nicht in die Brüche ging. Und so waren für viele AmerikanerInnen das Einhalten von Traditionen wichtiger als z.B. das Glück ihrer erwachsenen Töchter. Nora durchlebt eine schlimme Krise und widersetzt sich den Erwartungen ihres Ehemannes und denen ihrer Eltern und Schwiegereltern trotzdem. Sie macht das, worauf sie Lust hat, flirtet mit anderen Männern, trägt die Haare kurz, und trinkt Alkohol, so viel sie Lust hat.
"Willst du einen Skandal? Die Leute starren euch schon an, dass ihnen fast die Augen aus dem Kopf fallen." " Das ist mir einerlei", entgegnete Nora und prostete dem Tänzer mit ihrem Cocktail zu. "Mein ganzes Leben habe ich darauf Rücksicht genommen, was die Leute denken und was hatte ich davon? Nichts!" (…)
 Nicht zu glauben, dass die Eltern die Gewalt des Sohnes / Schwiegersohnes an dessen Frau duldeten, nur um keinen Skandal vom Zaun zu brechen. Die Frau hatte ihr Leben ganz nach ihrem Mann zu richten, und wenn ihr das nicht gelingt, dann ist sie selber Schuld für die Prügel, die sie einkassiert. Ein passives Befürworten von körperlicher Gewalt an Frauen.
Mitte Juni, nachdem Mirella ihr zweites Kind geboren hatte, fühlte sie sich erholt genug, um die Geschäfte wieder selbst in die Hand zu nehmen. Über Nora las sie fast jeden Tag Geschichten in der Klatschpresse. Mit ihrem Aussehen provozierte sie jede Menge Kommentare, und mit ihrem Benehmen sorgte sie immer wieder für Skandale. Ganz New York tratschte, weil Nora öffentlich rauchte und trank, Ausdrücke in den Mund nahm, von denen man noch bis vor kurzem geglaubt hatte, dass eine Dame sie nicht einmal kannte, und sich mit einem verheirateten Brodwaystar amüsierte, der zu allem Überfluss auch noch dunkelhäutig war. Noras Eltern waren entsetzt, aber sie konnten nichts tun. Ihre Tochter stellte sich gegenüber ihrer Bitten und Vorwürfen taub. Von klein auf hatte sie den Wünschen ihrer Eltern entsprochen und hatte sich als erwachsene Frau den Erwartungen ihrer Schwiegereltern untergeordnet und die Misshandlungen ihres Ehemannes ertragen. Seit sie begriffen hatte, dass sie das nur unglücklich gemacht hatte, tat sie grundsätzlich das Gegenteil von dem, was von ihr erwartet wurde." (478)

Mir ist Nora von ihren Ansichten her recht sympatisch. Diese gesellschaftlichen Sitten und Gebräuche, die die Wünsche von Frauen hintenanstellen ließen, kannte man eigentlich nicht von Amerika, sondern eher von ganz anderen Ländern, die wir als rückständig bezeichnen... .

Mirellas Mann Nick zeigte erst auch wenig Verständnis für ihre beruflichen Pläne und für ihren Ehrgeiz. Erst der Einzug in den Krieg, die Ausweisung nach Europa, stellte der Leutnant Nick seine kritischen Ansichten zu seiner Frau unter einem ganz anderen Licht. Die zeitliche und die räumliche Distanz brachte ihn durch den Krieg zu neuen Erkenntnissen. Er befindet sich gerade im Lazarett, um nach seinen verletzten Soldaten zu schauen. Dabei bewundert er die Arbeit der vielen Roten-Kreuz-Schwestern und kommt mit einer ins Gespräch:
"Wenn ich Ihnen und den anderen Schwestern zusehe, wie Sie sich unermüdlich um die Verwundeten kümmern, oder wenn ich an Mirella denke, die dieselbe Salbe herstellt, die Narben heilt und Entstellungen mildert, dann wird mir klar, dass wir Männer in diesem Krieg alles zerstören, während die Frauen helfen und heilen. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn nicht wir Männer, sondern Frauen die Geschicke der Welt lenken würden. (…) Ich meine es ernst. Ich war oft dagegen, dass Mirella Geld verdient. Aber ihr Schönheitssalon und ihre Cremes fügen niemanden Schaden zu. Sie bringen niemanden um oder machen ihn zum Krüppel." (…)Und wieder dachte Nick, dass Frauen die Grausamkeiten dieses Krieges linderten, während Männer ihre ganze Kraft einsetzten, um zu töten und zu zerstören. (496 f)
Leider habe ich dazu eine ganz andere Sichtweise. Viele Frauen sind auf eine ganz andere Weise grob und zu Unruhestifterinen geneigt. Hätte man sie wie Männer erzogen, so würden auch Frauen in den Krieg ziehen und Menschen morden.

Dass Kriege große Schäden anrichten, dass Kriege absurd und sinnlos sind, das liest man auch bei dieser Autorin:
"Am 11. November 1918 ging nach über vier Jahren der Krieg zu Ende, in dem zweiunddreißig Länder rund um den Erdball verstrickt gewesen waren und der siebzehn Millionen Menschenleben gefordert hatte. New York feierte den Sieg für  >>Freiheit, Recht und Gerechtigkeit<<, wie Präsident Wilson es nannte, als er vor dem Kongress die Nachricht von der Kapitulation Deutschlands verlas." (513)

Mein Fazit

Mir hat insgesamt gut gefallen zu lesen, wie die Frauen es schaffen, für ihre Ideale einzustehen und dafür zu kämpfen. Auch die Frauenfreundschaften finde ich schön, wie sie in dem Buch gelebt werden. Nicht oberflächlich, sondern verantwortungsbewusst.

Das Buch erhält von mir wegen der am Anfang erwähnten kritischen Betrachtungen sieben von zehn Punkten. Leider kann man das Buch nur noch antiquarisch erwerben. Amazon hält noch ein paar gebrauchte Restexemplare bereit. Das Buch wurde nach der ersten Auflage nicht mehr wieder aufgelegt. Weitere Bücher von der Autorin sind auch nicht zu beziehen.
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