Montag, 11. Februar 2013

Isabel Allende / Mayas Tagebuch (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir neben den anderen Allende Büchern auch sehr gut gefallen.
Man erfährt ein wenig über die Diktatur Südamerikas, Chile und Argentinien, wie diese die dort lebenden Menschen geprägt hat. Isabel Allende lässt in allen ihren Büchern das Politische miteinfließen.
An manchen Stellen wurden die Personenbeschreibungen ein wenig Klischeehaft dargestellt, was mir nicht so gut gefallen hat... aber dadurch, dass mir im übrigen das Buch gut gefallen hat, war es für mich zu verschmerzen.

Militärdiktatur, Putsch, organisierte Verbrechen mit mafiose Strukturen und Korruption, dominieren, rückblickend bis 1973 hinführend bis zur Gegenwart, das Land Chile und Argentinien. In diesem Buch geht es aber hauptsächlich um Chile. Argentinien wird am Rande erwähnt. Menschen, die versuchten, sich dem System zu wiedersetzten, wurden gefangengenommen und von ihren Peinigern mit roher Gewalt malträtiert.
Auch der Rassismus, ganz besonders in Chile, grassiert unter den vielen verschiedenen Menschen an Hautfarbe und Herkunft. Politisch benachteiligt sind hierzu hauptsächlich dunkelhäutige Menschen... .
Auch der psychologische Hintergrund der jeweiligen Romanfiguren steht hier im Vordergrund.

Was auch nicht neu ist, sind die spiritistischen Aspekte. Auch in diesem Band werden Freundschaften mit den Geistern geschlossen, Horoskope gelesen, Tarot gelegt, u.a.m.
Aber mich stört das nicht, denn sonst hätte ich Allendes Bücher nicht weiter lesen können. Ihre Bücher lesen sich nicht wie billige Literatur. Das Buch liest sich nicht wie Kitsch oder wie oberflächliche Esoterik-Literatur, wobei es mit Esoterik wenig zu tun hat. Ich glaube, dass das Spiritistische Bestandteile der südamerikanischen Kultur sind.

In diesem Roman geht es um Maya Vidal. Sie ist die Heldin dieses Romans. Sie gehört einer anderen Generation an, dennoch bekommt sie die oben erwähnten politischen Auswirkung zu spüren ...

Maya wächst bei ihren Großeltern auf der Insel Chiloé auf. Ihre Eltern ließen sich scheiden, als Maya noch ein Säugling war. Der Vater ist Pilot von Beruf, dadurch wenig zu Hause und viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass er fähig wäre, sich um die Erziehung seiner Tochter zu kümmern. Die Mutter ist Dänin, und lebt auch in Dänemark, die mit ihrer Tochter gar nichts zu tun haben möchte. Sie hat sich dort eine neue Familie gegründet.

Maya erlebte Dank ihrer Großeltern väterlicherseits eine wohlbehütete Kindheit, dennoch gerät sie im jugendlichen Alter auf Abwegen. Unbewusst leidet ihre Seele darunter, von ihren Eltern verlassen worden zu sein, wie sich dies aus mehreren Therapiegesprächen mitverfolgen lässt.

Eine recht gute Beziehung hatte Maya zu ihrem Großvater gepflegt, der leider noch vor ihrem 19. Lebensjahr verstorben ist. Sie nannte den Großvater Pop. Wenn sie in seelische Nöte geriet, dann war er es, der sie begleitete und ihr mit folgenden Worten beistand:
Mein Pop hat einmal gesagt, die Liebe mache einen gut. Einerlei, wen wir lieben, ob wir wieder geliebt werden oder die Beziehung von Dauer ist. Schon die Erfahrung, zu lieben, verwandelt uns. 257
Dieses Zitat hat mir recht gut gefallen. Ich finde, da steckt ein Kern Wahrheit drin.

Maya wird von ihrer Großmutter zu Manuel geschickt. Manuel ist auch so etwas wie ein Großvater, der allerdings recht verschlossen ist, Nähe wenig zulassen kann, da er durch die Mitliärdiktatur trotz der fortgeschrittenen Zeit noch immer stark gebeutelt ist, spricht aber nicht davon. Wichtige Informationen zwischen Maya und Manuel kommen erst am Ende des Buches zum Vorschein, die ich aber nicht verraten werde. Die Beziehung zwischen Manuel und Maya gestaltet sich emotional anfangs als recht schwierig, wachsen aber mit der Zeit immer mehr zusammen... . Manuel lebt in einem Haus ohne Türen an den jeweiligen Zimmern. Zum Schluss kommt man drauf, weshalb seine Zimmer offen sind. Manuel gehört zu denen, der politisch stark verwundet wurde, Gewalt erlitten hat und dadurch gelernt hat, sich emotional stark abzukapseln. Maya ist diejenige, die ihn durchschaut... .

Maja gerät mit dem Gesetzt in Konflikt und wird aufgrund ihres jugendlichen Alters in ein Internat gesteckt, in dem sie sich therapeutisch zu unterziehen verpflichtet wird. Sie hatte die Wahl zwischen einem Internat und einem Jugendgefängnis. Sie entschied sich für das Internat. Kurz bevor sie alle Therapien abgeschlossen hatte und ihre Entlassung bevorstand, reißt sie aus dem Internat aus, und gerät in den Fängen von Straßenkriminellen, von Drogenbossen, von Drogen und Dealern, von Sexualverbrechern, die junge Mädchen kidnappen und sie wieder wie Dreck auf die Straße werfen, wenn sie sich an den Mädchen befriedigt haben. Dieses Leben findet im reichen Las Vegas statt. Die Stadt der Millionäre, aber auch eine Stadt von Gegensätzen. Parallel dazu gibt es mehrere Elendsvierteln, geprägt von Armut, Drogen, Obdachlosigkeit, und von Süchten.
Diese habe ich mit großer Spannung gelesen, auch weil die Ereignisse sehr facettenreich sind, so verweise ich Weiteres auf das Buch... .

Maya gelingt es, teilweise aus eigener Kraft und teilweise durch Helfer und Helfershelfer aus dieser Szene wieder herauszukommen. Maya versucht sich mit ihrem Freund David, was ihre Erlebnisse betreffen, auszusprechen und ein Zitat hat mir auch ganz gut gefallen:
Als ich Daniel gerade kennengelernt hatte, wollte ich einen guten Eindruck machen, meine Vergangenheit löschen, auf einem weißen Blatt Papier von vorn beginnen und eine bessere Version von mir erfinden, doch als wir uns näher kamen und uns liebten, wurde mir klar, dass das nicht möglich ist und auch nicht wünschenswert. Was ich bin, bin ich durch meine Erfahrungen geworden und auch durch meine groben Fehler. Mich bei Daniel auszusprechen hat gut getan, es hat mich bestätigt, was unser Freund und Psychiater Mike immer sagt, dass die Dämonen an Macht verlieren, wenn wir sie aus den Tiefen holen, wo sie sich versteckt halten, und ihnen im hellen Licht in die Augen sehen (..) 286 f.
Daniel, auch angehender Psychiater, derzeit noch Medizinstudent,  zeigt Verständnis und erwidert dazu:
 (…) also Daniel jedenfalls meint, die Hälfte der Probleme dieser Welt wären gelöst, wenn jeder einen Pop hätte, der ihn bedingungslos liebt, statt eines Überichs, dass ständig Forderungen stellt, weil die guten Eigenschaften durch Zuneigung gedeihen. 290
Ich sehe das ähnlich... . Aber dennoch war Maya nicht vor ihren Problemen geschützt, obwohl sie einen Pop in ihrem Leben hatte. Ein Kind, das den Großeltern abgegeben wird, neigt unbewusst immer zu Überlegungen die zu Selbstanklagen führen, ob sie selbst schuldig sei, weshalb ihre Eltern sie nicht haben wollten. Und hier genau liegt das Trauma... . Menschen, die mit solch einer Schuldfrage, die ihnen nicht mal bewusst ist, aufwachsen, wachsen psychisch oftmals auch recht labil auf. Ohne die Obhut ihrer Großeltern, die zu einer gewissen psychischen Stabilität ihrer Enkelin beitrugen, wäre Maya wahrscheinlich ganz Straßenopfer geblieben, wie ihr junger Straßenfreund, noch ein Kind, namens Freddy, es gewesen ist, der in seinem kurzen Leben in Heimen zubrachte.

Da ich Freddys Leben auch interessant fand, möchte ich ein wenig auf sein Leben eingehen.
 Freddy brach wiederholte Male aus den Heimen aus, auf den Straßen Las Vegas wohnte und dadurch in den Banden der Jugendkriminalität geriet. Er lernte dort das Kiffen und die Anwendung aller möglichen Sorten von Drogen. Als Wohltäter versuchten, ihn von der Straße zu holen als er dort bewusstlos aufgefunden wurde, und ihn in eine Suchtklinik steckten, um ihn an einer Entziehungskur teilnehmen zu lassen, so wurde Freddy, der vorübergehend clean war, so depressiv, dass Maya ihn nicht wieder erkannte. Nach der Entlassung ging Freddy wieder zurück auf die Straße. Freddy war nicht stark genug, ohne Drogen zu leben, obwohl er als Zwölfjähriger noch andere Möglichkeiten gehabt hätte, die ihm angeboten wurden, er sie aber verabscheute, weil Freddy die Straße gut kannte, er kannte das elendige Leben, während ihm das andere, die Resozialisierung in die Gesellschaft, die Heilung, so gar nicht vertraut war... . Freddys Leben war von Geburt aus psychisch schon nicht gesund... .

Zurück zu Maya und Daniel.
Ein anderes Zitat folgt nun, noch immer im Dialog zwischen Maya und Daniel befindend, als es darum geht, woher Maya die Kraft zum Leben gefunden habe, um aus dieser ganzen Misere wieder herauszufinden. Im Gegensatz zu Freddy nahm sie die Behandlungen an, und als sie clean war, zog es sie zu ihrer Großmutter wieder zurück. Pop war ja schon tot.:
Der Geist ist viel interessanter als der Körper, Daniel. (…) Vielleicht findest du heraus, wieso ich so gern leben will, während andere, die gesund sind, sich umbringen. 294
Ja, ich finde auch, dass das eine berechtigte Frage ist, wobei für mich Menschen, die angeblich gesund sind, sich aber das Leben nehmen möchten, nicht wirklich gesund sind und unbewusst auch ihre Defizite haben. Maya hat in ihrem Leben neben der leidvollen Erfahrungen auch viel Gutes erlebt, während Freddys Leben ausschließlich aus negativen Erfahrungen bestand. Aber hier ist nicht Freddy gemeint, sondern ganz normale Menschen jenseits dieses Milieus, in dem Maya, Freddy und viele andere junge Menschen geraten sind.

Leider ist es zwischen Daniel und Maya zu keiner engen Liebesbeziehung gekommen, und Maya erleidet einen psychischen Zusammenbruch, findet aber die Kraft durch die Unterstützung ihres Zweitgroßvaters Manuel wieder heraus. Auch hier baut Maya innerlich Schuldgefühle auf und glaubt, dass ihr Leben für Daniel zu anstrengend und zu kompliziert sei.

Dazu Manuels Theorie:
Liebeskummer nennt man das wohl, laut Manuel die trivialste Tragödie überhaupt, aber weh tut es trotzdem. (lol ) 426.
Ich mache nun hier an dieser Stelle Schluss. Vieles aus dem Buch ist noch unerwähnt geblieben; viele Wendungen und Überraschungen, viele Abenteuer. Das Buch muss man selbst lesen, mehr lesen als darüber reden und den Inhalt, die Personen, in sich nehmen und mit sich tragen, da sie auch ein Teil von uns selber sind... .

Obwohl Maya ihre Erlebnisse in einem Tagebuch festhält, kriegt man davon wirklich wenig mit. Sie erzählt von ihrem Leben, wie es andere Erzähler in der Ichperspektive auch tun, so dass ich manchmal vergessen habe, dass sie über Tagebuchaufzeichnungen verfügt. Das jedenfalls kam nicht wirklich deutlich rüber.

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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

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Gelesene Bücher 2012: 94
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