Dienstag, 21. August 2012

Markus Zusak / Die Bücherdiebin (1)


Erste Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 
(bis S. 260)

Ich bin von dem Buch sehr angetan. Ich finde es wahnsinnig, wie so ein junger Autor so authentisch schreiben kann, zumal noch von einer Zeit, die er selber gar nicht miterlebt hat. Wie aus dem Klappentext zu entnehmen ist, ist damit der Nationalsozialismus gemeint, (s.letztes Post.). Die Charaktere und die historischen Ereignisse sind recht authentisch wiedergegeben. 

Die Sprache ist fantasievoll und verspielt. Vom Sprachniveau her erinnert mich Zusak zusätzlich noch an Hans Fallada.

Auf den ersten zweihundertsechzig  Seiten gibt es so viele schöne Szenen, die ich am liebsten alle festhalten möchte. Mal schauen, wie weit ich komme... .

Die Thematik ist wie immer schon im Klappentest wiedergegeben, so dass ich mich jetzt einfach mitten in das Geschehen einreihe... .

Wichtige Romanfiguren sind die Familie Hubermann, die die kleine neujährige Liesel als Pflegekind bei sich aufnehmen. Die Hubermanns haben zwar selbst zwei Kinder, beide sind aber erwachsen und schon aus dem Haus...

 Hans Hubermann junior arbeitete in der Münchener Innenstadt, und Trudi hatte eine Anstellung als Hausgehilfin. Bald schon würden beide in den Krieg ziehen. Die eine würde Munition herstellen, der andere damit schießen.

Der letzte Satz hat mich etwas betroffen gemacht, denn irgendwie steckt darin auch etwas Absurdes.

Auch eine Geschäftsinhaberin Frau Lindner hatte mich beschäftigt. An den Wänden hingen viele Porträts von Adolf Hitler, und sie bediente nur den Kunden anständig, der mit einem akkuraten Hitlergruß ihren Laden betritt. Dass sie so sehr Hitler anhimmelte, macht sich für mich dadurch bemerkbar, dass Hitler quasi die Personifizierung ihres eigenen Menschenbildes darstellte. Ihr inneres Menschenbild wurde nach außen hin lebendig... .

Selbst die Kinder behandelte sie als Kunden recht unterschiedlich. Liesel, die sich mittlerweile bei den Hubermanns eingelebt hat, hatte einen wichtigen Freund gefunden, namens Rudi Steiner. Rudi war schon der Hitlerjugend beigetreten und kannte sich mit den Zeremonien des Dritten Reichs schon recht gut aus, während diese für Liesel noch recht fremd sind, und sie selbst einige Zeit später in die Hitlerjugend für Mädchen beitritt, aber nicht, weil die Hubermanns Anhänger von Hitler waren, im Gegenteil:

Hans Hubermann konnte keiner Partei beitreten, die andere Menschen derart zu Feindbildern verzerrte.

Als sie beide das Geschäft von Frau Lindner betraten, missglückte Liesel der Hitlergruß und Rudi wies sie darin zurecht. Kurze Zeit später haben die Kinder auf der Straße einen Penny gefunden und gingen in den Laden von Frau Lindner, um sich mit dem Penny ein paar Bonbons zu kaufen, die sie sich untereinander aufteilen wollten. Doch Frau Lindner, der der ungeübte Hitlergruß Liesels noch recht gut in Erinnerung behielt, gab nur ein Bonbon heraus, und zwar an Rudi Steiner. Die Kinder gingen also raus auf die Straße und versuchten das Bonbon in der Mitte durchzuschneiden, allerdings ohne Erfolg. Das Bonbon war viel zu hart, um geteilt zu werden. Also beschlossen sie, sich mit dem Lutschen abzuwechseln. Jeder durfte in jeder Runde zehnmal lutschen, das ging im Wechsel immer hin und her, bis das Bonbon ausgelutscht war.

Diese Szene hat mir auch sehr gut gefallen und zeigt die Tiefe einer Freundschaft dieser beiden Kinder.

Auch wenn Rudi Steiner der Hitlerjugend beigetreten war, so war er von seinem Verhalten her kein wirklicher Nazijunge. Rudi Steiner war ein ganz gewöhnliches Kind, interessierte sich für Fußball und andere sportliche Aktivitäten. Er hatte ein Idol, der Jessen Owens hieß und von der Hautfarbe her schwarz war. Irgendwann begriff er, das Schwarze in der Nazidiktatur auch nicht erwünscht waren, und ohne tatsächlich zu begreifen was er tat, machte er ein Spiel daraus. Mit Kohle bemalte er seine Haut und sein blondes Haar. Unbewusst als Protest. 

Er war der Verrückte, der sich schwarz angemalt und die Welt besiegt hatte.

Das hat mir gut gefallen. Sein Vater, Alex Steiner, ist zwar der NSDAP - Partei beigetreten, weil das alle machten, aber er hegte keinerlei Vorbehalte gegen Juden.
Und Liesel? Liesel war ein verträumtes Mädchen, in

(deren) Erinnerung der Mond in dieser Nacht wie an den Himmel genäht (war). Drumherum waren Wolken gestickt.


Liesel konnte auch gut Fußball spielen und auch Jungen verprügeln. Und sie konnte eine große Begeisterung für Bücher entwickeln, obwohl sie unter erschwerten Bedingungen die Schriftsprache erworben hatte. Ihr Pflegevater Hans Hubermann, der sich sehr liebevoll um seine Liesel kümmerte, brachte ihr dies bei. Die Schule selbst versagte an solchen Kindern, die unter schweren Lebensbedingungen aufwuchsen. Liesel war ein durch viele Todesfälle in der Familie traumatisiertes Kind, bevor sie in die neue Familie kam, und der Pflegevater tat alles, um Liesel aus dem Trauma zu verhelfen. 

Liesel wurde in der Schule wegen ihrer Leseschwäche von Jungen gehänselt, die sie schließlich ordentlich verprügelte, und sich dadurch bei ihnen Respekt verschaffte, auch wenn sie daraufhin von ihrer Lehrerin, eine katholische Ordensfrau, die eigentlich Gott näher stand als irgend ein anderer Mensch, böse mit dem Lineal auf den Hintern verdroschen wurde. Die Lehrerin war nicht in der Lage zu eruieren, was das Mädchen zu ihrer Aggression brachte, denn schließlich verdiente der Lästerer es, bestraft zu werden,  wenn auch auf eine andere Art, als die mit dem Lineal... .

Auf der Seite sechsundneunzig geht es um gewisse Vorlieben der Deutschen im Dritten Reich, die ich gerne mit dem Zitat zum Ausdruck bringen möchte: 

(Das Nazideutschland war) auf eine gewisse Weise Schicksal. Man behauptet, dass das Nazi-Deutschland auf Antisemitismus erbaut wurde, auf einem übereifrigen Führer und einer Nation von mit Hass übervölkerten Heuchler. Aber das alles hätte zu nichts geführt, wenn die Deutschen nicht eine ganz besondere Vorliebe gehabt hätten:
Etwas zu verbrennen.
Die Deutschen liebten es, Dinge zu verbrennen. Geschäfte, Synagogen, Reichstagsgebäude, Häuser, persönliche Gegenstände, die Leichen ermordeter Menschen und natürlich: Bücher. Eine gute Bücherverbrennung war Gold wert - und gab nebenbei all jenen, die eine Schwäche für Bücher hatten, die Gelegenheit, Exemplare zu ergattern, die sie unter normalen Umständen nie in die Hände bekommen hätten. 


Zu diesen Menschen zählte auch Liesel  Memenge. Liesel war bei der Bücherverbrennung dabei, ihr Pflegevater begleitete sie dorthin. Sie näherte sich nach der Verbrennung der Asche zu:

Die Hitze war immer noch stark genug, um sie zu wärmen, als sie bei der Asche stand. Sie griff mit der Hand hinein und wurde gebissen, aber beim zweiten Versuch war sie schneller. Sie packte das Buch, das ihr am nächsten war. Es war heiß, aber es war auch nass, nur an den Ecken verbrannt und ansonsten unverletzt. (…) Aus ihrem Mantelkragen kräuselte sich Rauch. Um ihre Kehle hatte sich ein Band aus Schweiß gelegt. Unter ihrem Hemd wurde sie von dem Buch aufgezehrt.

Eine weitere Szene hat mir gut gefallen. die Szene mit der Bürgermeistersfrau, namens Elsa Hermann. Elsa Hermann wirkt ein wenig depressiv und in sich gekehrt. Sie selbst ist eine große Bücherliebhaberin  und besitzt auch eine große Bibliothek. Ihre Depression erkläre ich mir dadurch, dass sie die Bücherverbrennung schockierte, und sie ihren Protest nicht zum Ausdruck bringen durfte, und so flüchtete sie quasi in ihr Innenleben. Liesel lernte Frau Hermann durch einen regelmäßigen Arbeitsauftrag kennen, den sie durch ihre Pflegemutter für sie tätigte. Frau Hermann beobachtete Liesel dabei, als sie ein Buch aus der Bücherasche angelte. Dadurch kamen die beiden sich ein wenig näher. Immer wenn Liesel bei Frau Hermann des Auftrags wegen auftauchte, zeigte Frau Hermann der Liesel eine Reihe von Buchbänden, die sie sich auf dem Boden sitzend anschauen und durchblättern durfte. Eine verbale Kommunikation fand zwischen den beiden aber (noch) nicht statt. Sie verstanden sich auch nonverbal.

Liesel und Rudi schlossen sich einer jugendlichen Gaunerbande an, die sich ausschließlich auf den Diebstahl von Lebensmitteln verstand. In dieser Bande waren alles Kinder und Jugendliche aktiv, die unter großen Hungergefühlen litten. Die Lebensmittel waren in den Läden rationiert, und reichten nicht für alle aus.... Die Jugendlichen halfen sich aus, indem sie bei den Bauern sich selbst bedienten, um ihren quälenden Hunger zu stillen.  Liesel und Rudi mussten allerdings vor dem Bandenführer Arthur auch eine Mutprobe über sich ergehen lassen, um aufgenommen zu werden:

"Habt ihr schon mal was gestohlen?"
" Klar", brüstete sich Rudi. "Schon oft". Er spielte seine Rolle nicht sehr überzeugend.
Liesel war präziser. "Ich habe zwei Bücher gestohlen",  woraufhin Arthur dreimal kurz schnaubend lachte. (...)
" Bücher kann man nicht essen, Süße."

 Hier schließe ich nun, und hebe mir eine besonders wichtige Szene für morgen auf, platziere sie auf einer separaten Seite, damit die Buchbesprechung nicht zu lang wird. Morgen setze ich mit der Szene fort, als der untergetauchte Jude bei den Hubermanns eine Freundschaft mit Liesel entwickelte und ihr zum Geburtstag ein selbstgemachtes Büchelchen schenkte, das entstanden ist aus Hitlers Buch "Mein Kampf".

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 58
Gelesene Bücher 2011: 86

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